Mittwoch, 8. April 2020
Verzweifelte Suche - Ein Antikrimi mit Peter Maro in mehreren Teilen - Teil 5
In der Wohnung fanden sich keine Hinweise auf ein Verbrechen. War er mit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin durchgebrannt? Ich notierte mir den Namen, fotografierte vorsichtshalber die Ausdrucke und legte alles so zurück, wie ich es vorgefunden hatte. Danach machte ich mich auf den Weg zur Universität. Nadine Reuter hieß die Verfasserin der ausgedruckten Mails. Schnell fand ich heraus, in welchem Büro sie saß und klopfte an ihre Tür. Ich leistete dem freundlichen „Herein!“ Folge und sah vor mir eine sympathische, nicht mehr ganz junge Frau mit lässiger Kurzhaarfrisur in einem luftigen Leinenkleid.
„Was kann ich für sie tun?“, fragte sie mit angenehmer Stimme.
„Ich bin auf der Suche nach einer vermissten Person.“, erklärte ich. „Vielleicht können Sie helfen, dass sich das alles in Kürze aufklärt. Haben Sie irgendeine Ahnung wo Rüdiger Benrath sich gegenwärtig aufhält?“
Sie sah mich erschrocken an und antwortete zunächst gar nicht. Dann stand sie auf und ich stellte fest, dass sie zwar nicht umwerfend attraktiv war, aber dennoch über ansprechende weibliche Konturen verfügte. Etwas mehr Körperspannung hätte ihr gut getan, aber ich muss gerade reden.
„Nehmen Sie doch Platz.“, sagte sie und wies auf den Besucherstuhl vor ihrem Schreibtisch. Ich setzte mich und sie ließ sich auch wieder auf ihren Bürostuhl fallen. Sie atmete schnell. Dann endlich sammelte sie sich ein wenig und sagte: „Ich bin davon ausgegangen, dass Rüdiger zu Hause ist. Es ist ja gerade vorlesungsfreie Zeit und er hatte vor, der Uni eine Weile fernzubleiben, zumal er sich auf einen Wechsel vorbereitet. In einem halben Jahr nimmt er eine Forschungs- und Lehrtätigkeit in Berlin auf.“
„Könnte es denn sein, dass er nach Berlin gefahren ist?“
„Theoretisch könnte er überall hin gefahren sein, aber dann wüsste seine Frau ja davon. Die hat ihn doch sicher als vermisst gemeldet, oder?“
„Nicht direkt.“, erwiderte ich. „Es ist einer außenstehenden Person aufgefallen, dass er seit einiger Zeit verschwunden ist. Ich will nicht den Teufel an die Wand malen, aber ich bin nicht sicher, ob seine Frau mir die Wahrheit sagt. Sie hat mir gegenüber behauptet, er halte sich aus beruflichen Gründen im Ausland auf. Welches Ausland, wollte sie mir nicht verraten.“
„Das ist aber wirklich Quatsch.“, bemerkte Nadine Reuter. „Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den gesellschaftlichen Auswirkungen der Wiedervereinigung, macht vergleichende Ost-West-Studien an unterschiedlichen Altersgruppen und so weiter. In welches Ausland sollte er dafür reisen? Korea?“
„Wissen Sie näheres über den Zustand seiner Ehe?“
Nadine Reuter fühlte sich sichtlich unwohl. Das war ein heikles Thema für sie, ganz dünnes Eis, denn sicher wünschte sie sich von Herzen, dass seine Ehe am Ende sei und durfte es sich um keinen Preis anmerken lassen, wenn sie nicht ihr Gesicht verlieren wollte. Sie schob ihre geheimen Leidenschaften in die Besenkammer und setzte ein betont sachliches Gesicht auf, als sie sagte: „Ich dachte er sei sehr zufrieden. Er erzählte gelegentlich von seiner Frau und das nur mit großem Respekt und Wohlwollen. Sie wollte ihn zwar nicht nach Berlin begleiten, weil das auch ein zeitlich begrenztes Forschungsprojekt ist und es sehr gut sein kann, dass er in zwei bis drei Jahren hierher zurückkehrt oder es ihn an noch eine andere Hochschule verschlägt. Seine Frau ist beruflich auch erfolgreich und wirft natürlich nicht sofort die Brocken hin, nur weil der Herr Ehegatte sich ein wenig beruflich verändern will.“
„Kennen Sie seine Frau persönlich?“
„Nicht wirklich. Ich habe sie mal kurz gesehen, als ich Rüdiger ein paar Bücher vorbei gebracht habe, aber normalerweise treffen wir uns nur in der Uni und seine Frau kommt hier nicht hin.“
„Hat er Feinde, Menschen, denen er im Weg ist?“
„Hier an der Hochschule gibt es schon Konkurrenten. Aber er hat nie dafür gesorgt, dass jemandem eine Beförderung verweigert wird oder dass jemand keine Stelle bekommt. Das einzige, das ich mir vorstellen könnte, wäre jemand, der im Studium gescheitert ist und Rüdiger dafür verantwortlich macht. Für sehr wahrscheinlich halte ich das aber nicht.“
„Sie kennen den Professor ja recht gut.“, versuchte ich mehr aus ihr herauszukitzeln. „Wo fährt er denn am liebsten hin, wenn er einfach mal seine Ruhe haben will? Es wäre ja immerhin möglich, dass er sich mit seiner Frau gestritten hat und Abstand gesucht hat.“
„Ach so.“, erwiderte die wissenschaftliche Mitarbeiterin. „Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Wenn er den Kopf frei bekommen will, fährt er gern ans Meer. Vorzugsweise nach Langeoog, aber nicht unbedingt ins Ausland.“
„Wissen Sie denn auch, wo er da vorzugsweise absteigt?“
„Ich glaube er ist so der Typ für Pensionen. Da muss er nichts mitschleppen, hat alles, was er braucht und zum Essen nutzt er die örtliche Gastronomie. Aber Sie können ja schlecht bei den Pensionen auf der Insel nachfragen, die werden Ihnen ja nicht verraten, wer bei ihnen wohnt. Oder sind Sie von der Polizei?“
„Nein, ich bin Privatdetektiv, aber glauben Sie mir, ich verstehe etwas von meinem Ruf. Wenn er auf Langeoog ist, werde ich ihn höchstwahrscheinlich ausfindig machen.“
„Würden Sie mich informieren, wenn Sie näheres wissen?“
Ich legte ihr meine Karte auf den Schreibtisch. „Rufen Sie mich ab Morgen Abend an, dann werde ich Sie an meinem aktuellen Kenntnisstand teilhaben lassen.“
Dankbar steckte sie die Karte ein.

Ein paar trickreiche Telefonate später kannte ich seinen Aufenthaltsort. Er war gerade unterwegs, konnte darum nicht ans Telefon kommen. Musste ich mich davon überzeugen, dass es auch wirklich der richtige Rüdiger Benrath war? Ich rief meine Auftraggeberin an und setzte sie in Kenntnis vom Stand meiner Ermittlungen.
„Oh bitte, fahren Sie morgen da hin und überprüfen Sie, ob er es auch wirklich ist. Das könnte ja ein Trick sein, um sein Verschwinden zu vertuschen.“
„Das wird aber teuer, Lady. Können Sie sich das leisten?“
„Ja, das ist es mir wert.“
„Aber es ist doch durchaus plausibel, dass er sich mit seiner Frau gestritten hat und zum Entspannen an seinen Sehnsuchtsort gefahren ist.“
„Aber warum hat seine Frau Sie dann angelogen und behauptet, er sei im Ausland?“
„Weil es ihr peinlich ist, dass sie einen Ehekrach hat und nicht genau weiß, wo er ist.“
„Das hätte sie sich doch aber denken können. Sie hätte ja auch sagen können, mein Mann brauchte mal eine kleine Auszeit und möchte dort auf keinen Fall gestört werden.“
„Und das wäre Ihnen nicht verdächtig vorgekommen?“
„Doch.“
„Sehen Sie.“
„Ich würde mich trotzdem wohler fühlen, wenn Sie nachsehen. Ich würde es ja selber machen, aber ich habe berufliche Verpflichtungen, denen ich nachkommen muss.“
„Gut, dann nehme ich den Auftrag an. Ich nehme die Fähre um 10.00 Uhr, werde also gegen 7.00 Uhr hier starten. Dann sollte ich gegen 11.00 Uhr am Ort sein und wenn er dann nicht in der Pension ist, werde ich den ganzen Tag über nach ihm Ausschau halten und ihn spätestens am Abend aufsuchen. Dann käme allerdings noch eine Übernachtung dazu.“
„Ja, dann ist das so.“
„Gut. Sie hören dann spätestens morgen Abend von mir.“

FORTSETZUNG FOLGT

... link (0 Kommentare)   ... comment