Dienstag, 7. April 2020
Verzweifelte Suche - Ein Antikrimi mit Peter Margo in mehreren Teilen – Teil 4
Die Hitze war mittlerweile so massiv, dass die Luft sich wie Brei anfühlte. Ich schlief sehr schlecht in dieser Nacht, hatte wirre Träume, Frau Marowski mit ihrem Liebhaber, die mir immer wieder die Tür vor der Nase zuschlugen, bis ich schließlich doch in die Wohnung schlüpfte, wo ich die beiden dabei beobachtete, wie sie in der Küche Liebkosungen austauschten, während sie blutige Leichenteile verspeisten und ihnen der rote Saft aus den Mundwinkel rann, sie kauten, sie küssten sich, bissen wieder von den Leichenteilen ab und grinsten wahnsinnig. Ich schlich instinktiv zur Gefriertruhe im Schlafzimmer, öffnete den Deckel und ein gefrierbrandiger Rüdiger-Benrath-Kopf mit vor Entsetzen geweiteten Augen starrte mich an. Schreiend erwachte ich, spürte, wie ausgetrocknet Mund und Hals waren und holte mir aus der Küche ein großes Glas Wasser. Ich hatte vergessen das Fenster zu öffnen, um die kühlere Nachtluft einzulassen, daher die Alpträume. Überraschenderweise zog ein frischer Wind herein, bald konnte ich wieder einschlafen, bis ich schließlich von lautem Donner geweckt wurde. Draußen wurde es stürmisch und wenig später peitschte Regen in mein Schlafzimmer, ich musste das Fenster wieder schließen. Was für eine Nacht! Am Morgen fühlte ich mich, als hätte ich gerade eine mittelschwere Grippe überstanden. Aber es half ja nichts, ich musste arbeiten. Ich frühstückte, packte mein Werkzeug ein und fuhr mit dem öffentlichen Nahverkehr in die Berliner Straße, denn mein Auto hätte mir sonst leicht zum Verhängnis werden können.
Ich klingelte bei den Eheleuten und als erwartungsgemäß niemand öffnete, verschaffte ich mir Zugang zum Hausflur, indem ich bei der obersten Mietpartei klingelte und im Hausflur laut „Post!“, brüllte. Dann öffnete ich die Wohnungstür, die nicht außergewöhnlich gesichert war mit meinem Spezialwerkzeug. Ich schloss die Tür leise hinter mir und sah mich um. Alles war sehr geschmackvoll und bewusst platziert in dieser Wohnung. Es lag kaum etwas herum, aber wenn ich in die Schränke sah, stellte ich fest, dass hier noch immer viele Dinge vorhanden waren, die auf die Anwesenheit eines Mannes schließen ließen. Offiziell wohnte Rüdiger Benrath noch hier. Es fehlten aber auch Dinge, wie zum Beispiel eine zweite Zahnbürste oder ein Rasierer. Vermutlich war er verreist – oder seine Frau wollte es für alle Fälle plausibel erscheinen lassen.
Als ich ín einem der Schlafzimmer, in dem das Bett unberührt war, nur Männerkleidung im Schrank entdeckte, war mir klar, dass dies das Zimmer des Vermissten war. Ich öffnete die Nachttischschublade. Hier lagen ausgedruckte E-Mails – wie ich feststellte stammten sie alle von der gleichen Person, einer gewissen Kerstin Römermann, die sich grundsätzlich mit dem Vornamen verabschiedete und ihren Adressaten duzte. Die Mails waren banal, offensichtlich handelte es sich um eine wissenschaftliche Mitarbeiterin. Eine Mail dagegen, die erst wenige Wochen alt war enthielt als Text nur dieses seltsame Gedicht:

Alles, was ich Dir gern sagen würde:

In deinen Augen könnte ich versinken,
aber ich schaffe es oft nicht hineinzusehen, weil ich Angst habe, dann die Kontrolle zu verlieren.
Ich würde mich dir hemmungslos hingeben
mit Haut und Haaren
wenn ich dürfte
aber ich darf ja nicht.
Ich befürchte,
du wirst gerade zur Liebe meines Lebens
und wie ich mein Leben kenne,
wird es eine unglückliche Liebe,
was sonst.
Ich liebe deine sanfte Stimme
deine klugen Worte, mit Bedacht gewählt
deine anpackenden Hände, die aber auch so sanft berühren können
sanft wie deine Rede, mit der du meine Seele streichelst
festhalten möchte ich dich
und vorerst nicht mehr loslassen
und dann nur vorübergehend
zum Spazierengehen, Essen, Schlafen, Duschen, was weiß ich
aber immer wieder festhalten, aneinander kleben, den Rhythmus deines Herzens spüren,
den Duft deiner Haut riechen, dein Haar berühren, deine Wange an meiner spüren und meine Hände über deine festen Muskeln gleiten lassen.
Ich will mit dir reden, über Gott und die Welt, stundenlang
und danach zusammen schweigen, auch stundenlang
dabei in den Himmel blicken, über Felder, übers Meer, in die Flammen eines wärmenden Feuers,
und deine Hand halten
deine liebe Hand
ich will dich in mein Leben lassen
und ein Teil von dem deinen sein
wenigstens manchmal
am liebsten aber täglich
doch das kann ich dir alles nicht sagen,
nur, dass ich dich gern habe, dich schätze,
dass du etwas Besonderes bist, besonders wertvoll, ein Wunder.
Dass ich mich freue, dich zu sehen,
dass es nicht leicht wird ohne dich und
dass ich dich vermissen werde.
Dass ich dir alles Gute wünsche und Gottes Segen.
Aber dass es mir das Herz zerreißt, mich von dir zu verabschieden,
das muss ich wohl für mich behalten
und am Ende daran ersticken.

FORTSETZUNG FOLGT

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