Freitag, 23. Dezember 2016
Obstbaumverein V - Fortsetzung des Improvisationskrimis
Nun wäre es eigentlich auch Zeit für Rüdiger Nolting gewesen, die Familie in Ruhe zu lassen, aber er sah sich wohl als unverzichtbarer Retter und erklärte: „Bring du nur mal die Lilith ins Bett, wir Männer erzählen uns solange Witze und braten ein paar Spiegeleier und wenn Lilith noch Hunger hat, bringen wir ihr etwas rauf.“
„Lieber keine Spiegeleier.“, erwiderte Griseldis. „Ich kümmere mich um Lilith und dann um Jonathan.“
Sie verschwand in Liliths Zimmer und zog ihrer Tochter vorsichtig die Kleidung aus. Zum Glück entdeckte sie keine Wunde, Beule oder Schramme, aber sie hatte trotzdem Angst, etwas noch viel Schlimmeres könnte ihrer kleinen Tochter widerfahren sein. Aber jetzt sollte sie sich erst einmal sicher und behütet fühlen – und gerettet. Sie half ihr in den Pyjama und sang ein Schlaflied und wie von Zauberhand fielen Lilith die Augen zu und sie sank in die gnädige Bewusstlosigkeit des Tiefschlafs.
Als Griseldis wieder in die Küche kam, war auch Jonathan auf der Bank eingeschlafen. Rüdiger fragte flüsternd, wo sein Zimmer sei und trug ihn ins Bett. Nun war alles getan und Griseldis hätte sich am liebsten aufs Sofa gesetzt und ganz allein eine halbe Stunde entspannt vor dem Zubettgehen, doch daraus wurde nichts. Rüdiger erklärte: „Ich habe uns in der Zwischenzeit mit dem Taxi eine Flasche Wein kommen lassen. Jetzt trinken wir beide erst einmal einen Schluck und dann siehst du alles viel entspannter.“
„Ich trinke nur ganz selten Alkohol, Rüdiger.“, erklärte Griseldis.
„Das ehrt dich.“, erwiderte er mit einem väterlich wohlwollenden Lächeln, dem ein aggressiver Unterton innewohnte und sie fröstelte innerlich. Dann meinte er: „Aber in so einer besonderen Situation tut ein Schluck Wein wirklich gut.“
Griseldis war viel zu erschöpft, um zu protestieren und ließ sich von Rüdiger zum gemeinsamen Weintrinken im Wohnzimmer nötigen. Doch schon nach zwei Schlucken merkte sie, dass sie ihn nicht eine Sekunde länger in ihrer Näher ertragen konnte.
„Du, ich muss jetzt wirklich ins Bett.“, sagte sie. „Ich habe morgen so viel zu erledigen, das schaffe ich nicht, wenn ich nicht ausreichend Schlaf bekomme.“
„Kein Problem.“, erwiderte der rüstige Rentner. „Geh du nur schlafen, ich räume hier noch ein bisschen auf.“
„Du musst hier nicht aufräumen. Die zwei Gläser kriege ich morgen schon noch gespült.“
„Griseldis.“, sagte er sanft und etwas in seinem Ton ließ ihr Blut gefrieren. „Du musst nicht die ganze Last der Welt allein auf deinen zarten Schultern tragen. Ich bin jetzt für dich da. Lass dich einfach fallen.“ Er rückte deutlich näher an sie heran. Sie roch eine Mischung aus Schweiß und schlechten Magensäften, die eine Alarmglocke in ihrem Kopf auslöste. „Viel zu nah!“, meldete ihr Gehirn.
„Rüdiger, ich wäre jetzt wirklich gern allein.“, sagte sie bestimmt und stand vom Sofa auf, um einerseits Abstand herzustellen und andererseits zu verdeutlichen, dass sein Besuch nun wirklich beendet war. Er reagierte deutlich verschnupft, gab aber immer noch nicht auf.
„Jetzt sträub dich doch nicht dagegen.“, flüsterte er heiser, stand auf ging auf sie zu und fasste sie an die Schultern. „Ich merke doch, dass du es auch willst.“
Griseldis verpasste ihrem inneren netten Mädchen einen gewaltigen Arschtritt und holte die Bitch aus der Ecke.
„Nimm die Hände weg!“, sagte sie laut und deutlich. „Oder muss ich erst deine ehemaligen Kollegen anrufen?“
Jetzt war Rüdiger sichtlich verärgert. „So ist das also.“ zischte er. „Aber eins sag ich dir: das wird ein Nachspiel haben.“ Dann verließ er eilig die Wohnung.
Griseldis atmete erleichtert durch. Sie trank das Glas Wein leer, das von Rüdiger goss sie in die Spüle und wusch es mit sehr heißem Wasser ab, damit nichts von ihm sich in ihrer privaten Umgebung festsetzte. Vor dem Zubettgehen sah sie noch einmal nach Lilith. Die kleine Faust des Mädchens hielt einen Gegenstand fest umschlossen. Die Mutter bog vorsichtig einen Finger nach dem anderen zurück und zum Vorschein kam ein kleines Jojo in den Farben des Regenbogens, das hatte sie nie zuvor bei ihr gesehen.
Die Ereignisse des Tages waren so erschöpfend gewesen, dass sie in einen tiefen und traumlosen Schlaf fiel. Am nächsten Morgen funktionierte sie wie eine Maschine, entschuldigte Lilith in der Schule, machte Jonathan das Frühstück und schickte ihn zum Bus, rief bei der Pfarrerin an, um zu erklären, warum sie heute nicht zur Arbeit erscheinen konnte fuhr mit ihrer Tochter, als sie so weit war, ins Polizeipräsidium, ging einkaufen, kochte, sah sich mit den Kindern etwas im Fernsehen an und brachte sie wieder zu Bett. Lilith sprach immer noch nicht und die Polizeipsychologin hatte empfohlen, ihr noch bis zum Abend Zeit zu lassen, sie dann aber, falls sie immer noch nicht sprechen sollte, stationär zu behandeln. Griseldis war verzweifelt, am nächsten Morgen lieferte sie ihre Tochter in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ab und fuhr völlig verstört zur Arbeit. Im Büro war alles wie gewohnt, das lenkte sie ab und so etwas wie Normalität erhielt Einzug in ihr Inneres, allerdings nur für kurze Zeit.
Im Laufe des Vomittags tauchten diverse Gemeindeglieder im Büro auf, die ihr eigentlich immer freundlich und wohlwollend begegnet waren, heute aber deutlich unterkühlt und zurückweisend auf sie reagierten, so als hätte sie eine Grenze überschritten und wäre nicht die Mutter eines Kindes, das einem Verbrechen zum Opfer gefallen war. Um die Mittagszeit fiel ihr auf, dass sämtliche Besucher Mitglieder des Obst- und Gartenbauvereins waren. Hatten sie Wind davon bekommen, dass Griseldis ihre Feierstunden im Gemeindehaus als befremdlich empfand? Sie hatte nicht überall damit hinterm Berg gehalten, doch wer mochte sie verpetzt haben?
Nach der Mittagspause schneite die Pfarrerin vorbei, die am Vormittag zwei Beerdigungen gehabt hatte und sich nun erkundigen wollte, wie es der Gemeindesekretärin und ihren Kindern ergangen war. Griseldis konnte nicht länger an sich halten und brach in Tränen aus. „Heute Vormittag waren total viele Leute hier und sie haben mich alle behandelt, als wäre ich eine Nestbeschmutzerin oder eine Kriminelle, ich kann das gar nicht verstehen, die wissen doch sicher längst alle, was in meiner Familie passiert ist.“
„Wir gehen jetzt erst mal bei mir zu Hause einen Kaffee trinken und dann erzählst du mir alles.“, erwiderte die Pfarrerin und Griseldis nahm das Angebot dankbar an. Sie berichtete von der Entführung, den bangen Stunden und schließlich auch von Rüdiger Noltings Grenzüberschreitungen.
„Das wundert mich gar nicht.“, erklärte die Pfarrerin. „Bei mir hat er es auch schon einmal versucht, furchtbar lästig der Typ. Seine Ehefrau scheint ihm zur Bestätigung seines männlichen Egos nicht zu reichen, ich denke nicht, dass er ein hormonelles Problem hat, so alt und unsportlich wie er ist. Auf jeden Fall schien er zu glauben, dass ich mich nach seiner Zuwendung sehnte, weil ich allein lebe und mich sicher nach einem liebenden Mann verzehre. Vielleicht tue ich das auch, aber nicht nach so einem miefigen Großvater. Komm, ich zeige dir mal Fotos von unserem Betriebsausflug von vor zwei Jahren, da klebt er ständig an meiner Seite.“
Sie kramte eine Kiste aus dem Regal und zeigte Griseldis Aufnahmen von ausgelassenen Geselligkeiten im Biergarten eines idyllischen Ausflugslokals. Plötzlich entdeckte sie etwas auf einem der Fotos, das ihren Atem stocken ließ.
WIE GEHT ES WEITER? DIE ERSTE WAHL ENTSCHEIDET.
a) Auf dem Foto sieht Griseldis eine Frau mit einem Husky.
b) Auf dem Foto sieht Griseldis Rüdiger mit einem Jojo.
c) Auf dem Foto sieht Griseldis Rüdiger, der mit einem Foto von Griseldis posiert.

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Guten Morgen,
es ist eine schwere Entscheidung, da jede Entscheidung die Zukunft beeinflusst.

Das Offenensichtliche, das Unerwartete...

Bitte entscheiden Sie sich fuer b)

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