Freitag, 3. Februar 2023
Vertuschung – ein Vierteiler – Teil 1
Dies ist fast das Ende der Geschichte. Aber nur beinahe.

"Das Weib schweige in der Gemeinde." 1. Korinther 14,34

Am 02.02. 2022 verstarb plötzlich und unerwartet:
PFARRERIN ANKE LIEKENBROCK
im Alter von nur 49 Jahren
Ihre Familie wird sie vielleicht vermissen.
Ihre Gemeinde kommt sicher darüber hinweg.
rest in pieces
Die Trauerfeier wird im engsten Familienkreis stattfinden. Von Beileidsbekundungen gegenüber der Gemeinde bitten wir abzusehen.

"Das ist doch der Gipfel!", schimpfte Anke. „Haben die Rüpel mich doch tatsächlich vier Jahre älter gemacht.“
Dann erst begann es in ihrem Kopf zu arbeiten, was diese Ungeheuerlichkeit zu bedeuten hatte und wie sie damit umgehen sollte. Auf jeden Fall durfte sie es nicht auf sich beruhen lassen, so viel war schon einmal klar. Aber Nachforschungen in der Gemeinde anstellen? Dafür fehlte ihr die Kraft. Sie entschloss sich, direkt die Polizei einzuschalten. Das war nicht nur ein übler Scherz. Das war grausames Mobbing. Und vielleicht kamen sie so an die Täter, die Roswithas Bremsen manipuliert hatten, ein Mordanschlag auf die Verwaltungsfachkraft der Gemeinde, der glücklicherweise gescheitert war, weil sie auf gerader Strecke bei ohnehin geringer Geschwindigkeit reflexartig für eine Maus das Bremspedal durchgetreten hatte und so rechtzeitig gemerkt hatte, dass die Bremse nicht mehr funktionierte. Die gute Seele. Hatte ihr unerschütterlicher Respekt vor dem Leben das eigene gerettet. Darüber würde sie irgendwann einmal predigen.

Roswitha fühlte sich unbehaglich auf ihrem Schreibtischstuhl, obwohl sie doch jedes Recht der Welt hatte, hier zu sitzen. Vollständig rehabilitiert und wieder eingestellt, vom Assessor persönlich, der auf Geheiß der Präses den Kirchenkreis kommissarisch leitete. Anke war ebenfalls wieder in Amt und Würden, aber es fühlte sich nicht wie ein Sieg an, wenn das Telefon klingelte und die weich in den Gehörgang gleitende Stimme des unrühmlichen Stellvertreters versuchte, sie aufs Glatteis zu führen.
"Guten Morgen, Frau Benecke, Silbernagel hier. Wie schön, dass ich Sie erreiche. Und? Sind Sie schon wieder ganz in Ihrem Element?"
"Ich verstehe nicht, was Sie meinen", entgegnete Roswitha stoisch.
"Ich meine Ihre Arbeit, von der Sie so lange Zeit getrennt waren."
"Hat sich einiges angesammelt."
"Das kann ich mir vorstellen."
"Und das wäre überhaupt nicht nötig gewesen. Eigentlich hatte ich alles prima im Griff."
"Sicher. Pfarrerin Liekenbrock hat ja immer wieder betont, wie unentbehrlich Sie sind. Nun da die Dinge geklärt sind, kehrt ja jetzt hoffentlich wieder Ruhe ein in Ihrer Gemeinde."
"Wieso geklärt?", fragte Roswitha. "Das Verfahren gegen Ludger Brinkkötter ist doch noch nicht einmal eröffnet."
"Es wäre doch aber auch für alle Beteiligten das Beste, wenn es gar nicht dazu käme."
"Wie bitte?"
"Glauben Sie, es tut Ihnen gut, wenn das alles wieder aufgewirbelt wird? Und wenn Sie der Rechtsbeistand von Herrn Brinkkötter befragt, denken Sie, er wird Sie fair behandeln? Dafür brauchen Sie mehr Kraft, als die meisten Menschen zur Verfügung haben."
"Ich stehe ja nicht allein da, Herr Silbernagel. Wir stützten uns gegenseitig. Wir stehen das durch. Damit sich so etwas möglichst nicht wiederholt. Und wenn ich sonst nichts für Sie tun kann, würde ich mich jetzt gern den Aufgaben zuwenden, für die ich bezahlt werde."
"Selbstverständlich. Aber sagen Sie, ist Pfarrerin Liekenbrock zugegen? Ich habe sie zu Hause nicht erreicht."
"Nein. Vielleicht macht sie gerade einen Hausbesuch. Hier ist sie jedenfalls nicht, da müssen Sie es später noch einmal versuchen."
"Ja, dann herzlichen Dank und einen schönen Tag noch."
"Gleichfalls."
Roswitha legte energisch auf. "Elender Hund, räudiger!", zischte sie.

Silbernagel war besonders angespannt. Dass die Präses den Superintendenten suspendiert hatte, war ein dicker Hund gewesen, auch wenn das für ihn als Assessor die Möglichkeit bot, sich zu profilieren. Aber wie sollte das in diesem Schmierentheater gelingen? Dass man ihn gezwungen hatte die zickigen Frauen wieder einzustellen, wurmte ihn heute noch. Wäre er schon Sup gewesen, hätte er sie auch freigestellt. Derartig die Gemeinde in Verruf zu bringen und dann auch noch ein Interview in der Lokalzeit zu geben. Ob die Präses auch gehandelt hätte, wenn die Frauen nicht an die Öffentlichkeit gegangen wären? Silbernagel bezweifelte das. Er musste irgendwie unbeschadet aus dieser Affäre heraus kommen, dann hatte er einen künftigen Posten als Kirchenkreisleitung im Sack.

Fortsetzung folgt

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Freitag, 27. Januar 2023
Heute keine Zeit für Geschichten, nur für einen Witz:
Kommt ein Pfarrer zum Arzt. Sagt der Mediziner: "Ihre Werte sind einwandfrei."
"Ich weiß.", antwortet der Pfarrer. "Aber wie steht's um meine Gesundheit?"

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Freitag, 20. Januar 2023
LAMDA
PPP: Ich tue mich schwer mit dem Predigttext für diesen Sonntag.
CBL: Ist er so schwer verständlich? Dann nimm doch eine andere Übersetzung.
PPP: Nein, das ist es nicht. Die Aussagen sind eindeutig. Paulus erklärt im 1. Kapitel seines Briefes an die Römer, dass er die Gemeinde dort schon längst einmal besuchen wollte, bisher aber daran gehindert wurde. Dann, dass er sie in christlicher Hinsicht optimieren will, wie "andere Heiden". Dann spricht er von Griechen und Nichtgriechen, Weisen und nicht Weisen, denen er diese Evangelisation der Römer schuldig sei.
CBL: Und was ist daran schwierig?
PPP: Erstens frage ich mich, was Paulus gehindert hat. Gab es zu diesem Zeitpunkt aktuelle Verfolgungen, musste er sich versteckt halten, wollte er am liebsten gleich zehn Gemeinden auf einmal besuchen oder ist es die älteste, dokumentierte, faule Ausrede der Welt?
CBL: Als Theologe solltest Du doch über seine zahlreichen Missionsreisen informiert sein.
PPP: Ja, aber auch darüber, dass er in Jerusalem von römischen Behörden verhaftet und nach Rom überstellt wurde, wo er schließlich nach wenigen Jahren den Tod fand.
CBL: Du meinst, er hatte Angst?
PPP: Das meine ich.
CBL: Aber ist das nicht menschlich?
PPP: Die Angst ja, die Lüge auch. Aber letztere ist nicht besonders ehrenwert.
CBL: Aber verständlich.
PPP: Meinetwegen.
CBL: Und zweitens?
PPP: Wenn Paulus in Ansprache an die Römer von anderen Heiden spricht, impliziert das, dass er auch die Gemeinde in Rom als Heiden bezeichnet. Warum wertet er sie dermaßen ab, spricht ihnen die Zugehörigkeit zum Christentum ab, wenn er es nicht einmal schafft, sie zu besuchen, wenn er sie gar nicht kennt, bestenfalls ein paar Gerüchte gehört hat?
CBL: Du weist doch wie er war. Immer ein Eiferer.
PPP: Aber das ist beleidigend.
CBL: Vielleicht haben die Römer das anders empfunden.
PPP: Ja, vielleicht gibt es auch Regionen, in denen Erzieherinnen es vollkommen in Ordnung finden, als Kindergartentanten bezeichnet zu werden.
CBL: Guter Witz.
PPP: Schlechter Witz.
CBL: Stell dein Licht nicht unter den Scheffel.
PPP: Hör auf theologische Gemeinplätze von Dir zu geben. Davon bekomme ich Ausschlag.
CBL: Das ist nicht meine Absicht. Gibt es auch ein Drittens?
PPP: Ja. Diese Differenzierung in Griechen und Nichtgriechen, Weise und Nichtweise. Eine Religion, die die ganze Menschheit einen will, sollte nicht dauernd das Trennende betonen. Ich weiß, Griechisch war in dieser Zeit im Mittelmeerraum so eine Art Weltsprache, die Sprache der Gebildeten. Wer des Griechischen nicht mächtig war, war ungebildet. Und als Weise bezeichnet man ja Menschen, die unabhängig von ihrem Bildungsstand über eine hohe Intelligenz, Empathie und Assoziationsfähigkeit verfügen. Es kommt also nicht darauf an, wie schlau man ist, sondern auf die Haltung, das Gefühl, die Werte. Aber es liest sich wieder so, als gäbe es die, die naturgemäß dazu gehören und die anderen, die Minderwertigen, die erst missioniert werden müssen. Das war dann auch die Haltung mit der die weltweite Missionsarbeit in den vergangen Jahrhunderten betrieben wurde. Als müsse man die "Wilden" durch das Evangelium erst zu Menschen machen. Das ist entsetzlich.
CBL: Aber vielleicht ist es ja gar nicht so falsch.
PPP: Wie bitte? Ich lese wohl nicht recht!
CBL: Der überwiegende Teil der Gewalttäter in dieser Welt – vom Kleinkriminellen bis zum nationalistischen Despoten besteht aus Nichtchristen.
PPP: Ach und die Denunzianten unter Hitler, die Evangelikalen, die Gynäkologen erschießen, die totalitär katholischen Kaczyńskis, die korrupten Päpste, die Kinder missbrauchenden Theologen, willst du denen allen das Christsein absprechen?
CBL: In der Tat. Das sind Irregeleitete.
PPP: Und wer entscheidet, wer sich Christ nennen darf und wer Irregeleitet ist?
CBL: Du.
PPP: Wieso ich?
CBL: Weil du ein Gewissen hast.
PPP: Aber wenn andere mit einem Gewissen zu anderen Schlussfolgerungen gelangen?
CBL: Dann ist das so. Jeder muss das mit seinem eigenen Gewissen ausmachen.
PPP: Und welche Konsequenzen ziehen wir aus unseren Schlussfolgerungen?
CBL: Auch das müsst ihr mit eurem Gewissen ausmachen.

Pfarrer Paul Peters verfasste eine Predigt, die viele umdenken ließ. Leider nicht im Sinne des Predigers. Er hatte sie in die Irre geleitet. Angestiftet von Chat-Bot LaMDA.
Kann man Bots wegen Anstiftung zum Mord rechtskräftig verurteilen? Auch wegen besonderer Schwere der Schuld zu lebenslänglicher Haft? Und wie setzt man das dann um? Abschalten? Aber wäre das dann nicht die Todesstrafe?

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Freitag, 13. Januar 2023
Malvine und die Dienstagskinder
Das war aber komisch. Wenn ich zu den Dienstagskindern fahre, ist es sonst immer lustig. Ich fahre im Kreis, immer in die Runde, um den ganzen Hof. Die Dienstagskinder stehen rum und lachen. Dann sage ich schlimme Wörter, so laut wie ich kann. Das finden die Dienstagskinder gut. Sie lachen und stellen mir Fragen. Und ich sage dann wieder schlimme Wörter. Das macht Spaß.
Aber heute war komisch. Zwischen dem Haus und der Garage ist eine Lücke. Immer, wenn ich an der Lücke vorbei gefahren bin, habe ich es gesehen. Ein Mädchen und ein Mann. Das Mädchen weinte. Der Mann war ein Bauer. Er hielt das Mädchen fest, aber man konnte seine Hände nicht sehen. Doch, eine schon, die war auf dem Mund von dem Mädchen. Die andere war unsichtbar. Da konnte man nur den halben Arm sehen. Dann kam der Pullover von dem Mädchen. Der Bauer hat eine grüne Weste und eine blaue Mütze. Und grüne Gummistiefel. Die Hose ist schwarz, der Pullover hellblau.
Ich habe das sofort Mama erzählt. Mama hat gesagt, du hast geträumt. Das ist Quatsch. Sowas passiert nicht, wenn Kinder zum Pastor gehen. Aber ich war doch wach. Warum träume ich dann? Das ist komisch.

Mittwoch
Heute musste ich Mama noch einmal meinen Traum erzählen. Ich durfte dann gar nicht in den Bulli, der mich immer in die Werkstatt fährt. Das war wie Sonntag. Und dann musste ich dem Pastor auch meinen Traum erzählen. Und dann der Polizei. Sie wollten genau wissen, was der Mann anhatte. Wenn ich so viel denken muss, tut mir immer der Kopf weh. Da habe ich geweint und Mama hat mich getröstet. Als ich nicht mehr geweint habe, hat Mama mich raus geschickt. Ich habe aber gelauscht. Ein Mädchen ist weg. Keiner weiß wo. Eins von den Dienstagskindern. Und sie suchen den Mann, der sie geklaut hat. Der Mann, den ich gesehen habe.

Dann kommt Mama und sagt, dass ich nicht mehr zu den Dienstagskindern darf, bis beide gefunden wurden. Der Mann und das Mädchen.
Papa kommt zum Mittagessen. Er hat heute meinen Lieblingspullover an. Den schönen roten. Der leuchtet richtig, als er die grüne Weste auszieht. Die Gummistiefel stehen vor der Tür, die Mütze hängt er an den Haken.

Irgendwas ist komisch. Ich habe keinen Hunger mehr.

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