Freitag, 27. Juli 2018
Freitag, der Dreizehnte – ein Konfi-Camp-Krimi in 8 Teilen – 8. Teil
Es war jetzt eher Gejammer und Gewimmer, das da zu hören war und ein „Hallo? Ist da jemand?“
„Ja, ich bin's, Kilian aus Gesmold. Bist du okay?“
„Ja, schon, ich seh' nur einfach nichts und das Wasser ist auch auf einmal kalt geworden. Ist wahrscheinlich ein Stromausfall.“
„Ja, das wird’s sein.“, erwiderte Kilian. „Soll ich eine Taschenlampe für Dich organisieren?“
„Nee, nicht nötig, ich schaff das schon so. Ich war nur gerade eben total geschockt und ziemlich aufgeregt.“
„Woher kommst Du eigentlich?“, fragte Kilian.
„Aus Neuenkirchen.“
„Ach, bist du die Katja?“
„Nee, die Sarina.“
„Ach so. Na dann gute Nacht. Wenigstens machen die Konfis jetzt keinen Terz mehr. Ist ja dunkel und Handys laden geht auch nicht.“
„Ja, der Stromausfall ist bestimmt von oben angeordnet.“, kicherte Sarina.

Obwohl Kilian, sich dachte, dass hier eben mal die Elektrik zusammengebrochen war, was ja durchaus gelegentlich vorkommt, hatte er dennoch ein ungutes Gefühl und diffuse Phantasien von Amok laufenden Terror-Psychopathen, die in dieser Nacht alles niedermetzeln würden. Trotzdem ging er schlafen, er war ja vernünftig und er schlief auch, wenn auch sehr unruhig und mit etlichen Unterbrechungen, Schweißausbrüchen und entsetzlichen Alpträumen.

Freitag Morgen weckten sie die Konfis eine Stunde früher als sonst. Viele mussten ja noch zu Ende packen, weil sie wegen der plötzlichen Dunkelheit keine Chance mehr hatten. Und dann kam Silvia kreidebleich aus Haus 25. „Dina ist verschwunden.“, flüsterte sie. „Ich habe gerade gefragt, ob sie schon zum Waschhaus gegangen ist, aber dann fiel Emily auf, dass ihr Schlafanzug unberührt auf dem Bett lag. Sie muss die Nacht woanders verbracht haben. Und gestern war doch dieser Stromausfall. Ob den jemand verursacht hat, um sich ein Kind zu greifen? Oder hat sie Angst bekommen und ist weggerannt und hat sich verlaufen? Ich muss sofort die Polizei informieren. Und die Camp-Leitung.“
Silvia rannte aufgeregt in ihre Hütte, um sich ans Telefon zu hängen. Kilian stand unschlüssig herum.
„Sagt mal, habt ihr irgendeine Ahnung, wohin Dina gegangen sein könnte?“, fragte er.
Die Mädchen schüttelten die Köpfe und zuckten mit den Schultern. Chantal räusperte sich: „Ich weiß ja nicht, aber gestern hat Fritjof zu Dina gesagt, dass sie sich warm anziehen soll, wenn sie ihm im Dunkeln begegnet, er wüsste, dass sie ihn verpfiffen hätte und das würde sie alles zurück kriegen.“
Immer wieder Fritjof. Er sah wohl nicht nur aus wie ein Monster. Er hatte das Zeug zu einem Lorne Malvo, dem skrupellosen Killer den Billy Bob Thornton in der US-Serie Fargo gespielt hatte. Die Mädchen fingen an, zu weinen.
„Glaubst du, er hat Dina umgebracht?“, fragte Wiebke und starrte Kilian mit großen Augen an.
„Nein, das glaube ich nicht.“, versuchte der Teamer die Teilnehmerinnen zu beruhigen, auch wenn in seinem Kopf längst das Mord- und Totschlag-Kino lief – Leichenfund im Wald, Spurensicherung, grantelnde Ermittler, schnüffelnde Schäferhunde und die Frage, ob Dina die einzige Konfirmandin war, die in dieser Nacht abhanden gekommen war.

Und dann wurde sie gefunden. Es war Henning aus Ebbesloh, der sie im Schilf entdeckte. Sie war ganz nass und dreckig, sie weinte und sie schien nicht zu wissen, wo sie sich gegenwärtig befand. Aber sie lebte.
Die Polizei war schon unterwegs und unmittelbar nach den Beamten rückte ein Rettungswagen an. In der Zwischenzeit war Rüdiger schon durch sämtliche Camps gespurtet und hatte überall dringend angefragt, ob die Gruppen komplett seien, oder ob jemand vermisst würde. Überall breitete sich große Sorge aus, die teilweise auch in Panik umschlug und die Camp-Leitung hatte die berechtigte Befürchtung, dass in Kürze das Chaos ausbräche. Jetzt war es wichtig, dass alle möglichst schnell und unversehrt in die Busse stiegen und nach Hause fuhren. Aber natürlich hatte die Polizei auch Klärungsbedarf. Was war mit dem vermissten Mädchen passiert und hatte ihr jemand etwas angetan, der jetzt noch auf dem Platz war?
Dina war nicht vernehmungsfähig, aber dann fand Linda einen wichtigen Hinweis: Dina hatte ihrem Peiniger in ihrer Verzweiflung eine Kette abgerissen und die hielt sie noch immer fest umklammert. Der Anhänger war ziemlich speziell, ein Thorshammer mit vier blauen Steinen. Linda machte die Polizei auf ihre Beobachtung aufmerksam, sie wusste, wem die Kette gehörte: Lucie.

Es war ein leichtes Spiel, Lucie ausfindig zu machen und als Täterin zu überführen, auch wenn noch nicht ganz klar war, was genau sie Dina angetan hatte. Die Polizei hatte schon bald sozialpsychiatrische Unterstützung angefordert, denn auch Lucie war nicht mehr ganz bei sich – oder sie zog eine perfekte Show ab, um sich der Strafverfolgung zu entziehen.
„Ich wollte sie doch nur taufen.“, erklärte die Teamerin mit unheimlicher Grabesstimme. „Die Sünde klebte an ihr wie Harz an einem alten Kirschbaum. Solche wie sie hier sind die Schlimmsten. Die tun immer so unschuldig und dann fallen die Jungs auf sie herein und sie ziehen sie sich rein und sagen hinterher, dass sie das alles nicht gewollt haben und reiten die Jungs richtig in die Scheiße. Sie wollen, dass alle auf sie stehen, nur erhören wollen sie keinen und dann stellen sie sich hin und sagen, dass Mädchen, die gerne was mit Jungs machen, alle Nutten sind. Ich hab' sie gestern den ganzen Tag beobachtet, wie sie mehrere aus ihrer Gruppe angeschmachtet hat und bei einigen ging auch schon die rote Lampe an. Da musste jemand auf die Bremse treten, man muss sie zurechtstutzen, damit sie das lässt. Ich habe sie nur gründlich getauft, so zehn bis fünfzehn Mal. Und immer schön lange, damit sie auch gründlich sauber wird. Und sie hat immer so Mitleid erheischend geschluchzt, da hab' ich sie immer wieder untergetaucht, bis sie endlich damit aufgehört hat.“

Der Abschluss-Gottesdienst fiel aus. Stattdessen waren die Pfarrerinnen und Pfarrer angehalten, im Bus eine Erklärung abzugeben, ein paar Lieder zu singen und einen Schlusssegen zu sprechen und bei der Heimreise fragt sich Kilian, was wohl mit ihm geschehen wäre, wenn er Lucie für sich gewonnen hätte.

ENDE

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