Freitag, 17. Februar 2023
Vertuschung – ein Vierteiler – Teil 3
Gutgelaunt ging Diethard ans Telefon. Er hatte gerade einen guten Lauf. "Benteler" meldete er sich mit seiner um vollen Klang bemühter Quäkstimme.
"Guten Morgen, Bruder Benteler", erklang eine weibliche Stimme, die ihm irgendwie vertraut vorkam. "Hier spricht Bettina Klamroth. Hätten Sie einen Augenblick Zeit für mich? Die Angelegenheit erscheint mir einigermaßen dringlich."
Die Präses! Dringlich? Das hatte sicher nichts Gutes zu bedeuten.
"Aber selbstverständlich.", säuselte der Superintendent gönnerhaft. "Was kann ich für Sie tun?"
"Eine Mitarbeiterin einer Gemeinde Ihres Kirchenkreises hat sich mit einer Beschwerde an mich gewandt. Sie hat sich wegen eines Vorfalls von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz an ihre dienstvorgesetzte Pfarrerin gewandt, die hat das an die zuständige Meldestelle weitergeleitet und wurde dann laut Aussage der Mitarbeiterin zunächst von ihrem Stellvertreter und dann von Ihnen selbst dazu angehalten, den Ball flach zu halten und absolutes Stillschweigen über die Angelegenheit zu bewahren. Wir haben in unserer Landeskirche extra ein neues Gesetz verabschiedet, damit wir nicht wie die katholische Kirche in erster Linie die Institution schützen und die Täter aus der Schusslinie nehmen, sondern wir wollen die Opfer schützen, Zwischenfälle verhindern und für diejenigen, die doch Schlimmes erleben mussten da sein. Das ist da jetzt bei ihnen nicht so gut gelaufen."
"Liebe Schwester Klamroth", erwiderte der Sup. "Wir wollen nur nicht in blinden Aktivismus verfallen, sondern den Sachverhalt erst in Ruhe klären. Es soll ja auch schon hin und wieder zu falschen Anschuldigungen gekommen sein, darum sind wir vorsichtig. Aber natürlich müssen wir auch mit dem mutmaßlichen Täter sprechen, Zeuginnen und Zeugen befragen und das alles mit der Meldestelle koordinieren. Das erfordert Zeit und Fingerspitzengefühl und ich wollte Pfarrerin Liekenbrock nur ein wenig herunterregeln, weil sie zu hysterischen Überreaktionen neigt, sie will dann immer alles sofort, auf einmal und ganz richtig machen und zerbricht dabei mehr Porzellan, als sie heilt und rettet. Wir werden uns im Sinne des Kirchengesetzes um diese Angelegenheit kümmern, Sie können sich da getrost auf mich verlassen."
"Na gut, wenn das so ist.", seufzte die Präses. "Aber ich möchte dann bitte einen umfassenden Bericht über die nächsten Schritte und regelmäßig auf dem Laufenden gehalten werden. Können Sie das einrichten?"
"Selbstverständlich. Sobald es etwas Neues gibt, werden Sie die Erste sein, die es erfährt."
"Vielen Dank. Dann alles Gute und Gottes Segen."
"Auch Ihnen Gottes Segen bei allen Ihren Vorhaben."
Die Präses legte auf.
Verdammter Mist! Das konnte er überhaupt nicht gebrauchen. Er hatte Wichtigeres zu tun. Das Finanzdesaster in den Griff bekommen. Die Personalplanung und Personalentwicklung forderten ihn ebenfalls heraus. Da hatte er für eine hysterische Pfarrerin, die wegen einer zickigen Sekretärin ausflippte keine Kraft. Er musste auf die Bremse treten und weder Arbeits- noch Lebenszeit noch Nervenkraft darauf verschwenden. Er schrieb eine formale Anordnung an Pfarrerin Liekenbrock, die Verwaltungsfachkraft sei bis zur Klärung des Sachverhaltes vorübergehend vom Dienst freizustellen.

Das alles hatte Roswitha Benecke losgetreten, als sie sich in ihrer Verzweiflung an die Präses gewandt hatte. Und sie fand, dass sie jedes Recht dazu hatte, wenn der Kirchenleitung nichts besseres einfiel, als ihr mitzuteilen, sie solle sich mit Anschuldigungen vorerst zurückhalten, man werde das prüfen. Es war ja unfassbar gewesen. Zuerst hatte der Assessor als Beauftragter der Meldestelle sie angerufen, um sie mit investigativen Fragen zu behelligen, aus denen der Zweifel am Wahrheitsgehalt ihrer Aussage sprach. Als sie Anke Liekenbrock davon berichtet hatte, hatte die sich sofort für sie eingesetzt und Beschwerde beim Superintendenten eingelegt, aber der hatte genauso reagiert wie sein Stellvertreter. Wenn Verantwortliche ihren Job nicht ordentlich machen, wendet man sich an ihre Vorgesetzte. So hatte sie es gemacht und damit schließlich auch Anke in die Bredouille gebracht. Aber was war ihr anderes übrig geblieben?

Fortsetzung folgt

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Freitag, 10. Februar 2023
Vertuschung – ein Vierteiler – Teil 2
Pfarrerin Anke Liekenbrock sah sich das Interview, das in der Lokalzeit mit ihr geführt worden war nun zum fünften Mal in der Mediathek an. Triumph der Gerechten, dachte sie. Nun galt sie wohl als Nestbeschmutzerin, aber das war ihr egal, sie hatte nur noch zehn Jahre bis zum Ruhestand, die würde sie mit engagierter Gemeindearbeit herumkriegen. Wenigstens konnte sie, ohne Ekel zu empfinden, morgens in den Spiegel sehen. Und Silbernagel hatte sie mit seiner unsäglichen Drohung dazu getrieben. Sie hatte seine irreführend glatte Stimme noch in den Ohren: "Wenn Sie an die Öffentlichkeit gehen, Schwester Liekenbrock, dann schaden Sie nicht nur dem Kirchenkreis, sondern auch sich selbst. Die Kollegen werden sie schneiden und wenn Sie versuchen, sich in einem anderen Kirchenkreis zu bewerben, werden Sie kläglich scheitern. Niemand möchte eine Pfarrerin im Team haben, die öffentlich schmutzige Wäsche wäscht. Sie sollten sich das sehr gut überlegen."
"Sie bestätigen mich nur in meinem Vorhaben, Herr Silbernagel.", sie nannte ihn bewusst nicht Bruder oder Kollege, das fühlte sich absolut nicht richtig an. "Wenn die Kollegen mich künftig schneiden, halte ich mich eben an die Kolleginnen. Die sind ohnehin überwiegend auf meiner Seite und außerdem diejenigen, die ihre Arbeit ordentlich verrichten."
Dann hatte sie einfach aufgelegt.
Sie hatte den Superintendenten angerufen, weil sie sich die von ihm angeordnete Freistellung nicht gefallen lassen wollte. Sie hatte nichts Unrechtes getan, sich keinen Fehler zuschulden kommen lassen, im Gegenteil. Dann hatte sie nur den Assessor, den stellvertretenden Leiter des Kirchenkreises erreicht, der aber hundertprozentig mit dem Sup auf einer Linie war. Der Kirchenkreis war doch nicht das Politbüro, wo man unbequeme Verantwortungsträger einfach entfernte. Schon gar nicht, wenn diese sich an die nächsthöhere Ebene wandten, um einen Missstand anzuzeigen.
Von der Präses hatte sie in der Tat ein härteres Durchgreifen erwartet. Die hatte auch sehr entrüstet und betroffen auf Anke gewirkt und versprochen sich um die Ungeheuerlichkeit zu kümmern, aber dann hatte sie sich wohl vom Sup oder von Silbernagel einlullen lassen, die ihr bestimmt eröffnet hatten, Anke Liekenbrock leide an einer Zwangsstörung und steigere sich in Bagatellen hinein, neige zu verzerrter Wahrnehmung und man halte sie nur im Amt, weil der eklatante Pfarrermangel einen zwinge, nicht wählerisch zu sein. Jedenfalls hatte die oberste Landeskirchenleitung ebenfalls nicht gehandelt und kleinen Wichten auf der mittleren Ebene das Feld freimütig überlassen. Und dann hatte der Sup sie einfach freigestellt „bis zur endgültigen Klärung des Sachverhaltes", wie er sich ausdrückte.

Ihr Kollege Markus Ruddat, der ängstliche Speichellecker, hatte sie ebenfalls versucht, zu Untätigkeit zu überreden: "Wenn die Kirchenkreisleitung dir eine Anordnung schickt, musst du doch Folge leisten. Die werden ihre Gründe haben. Vielleicht haben sie weitergehende Informationen, über die du nicht verfügst."
"Papperlapapp!", hatte Anke geantwortet. "Wir sind diejenigen die an der Quelle der Informationen sitzen, was diesen Fall betrifft. Die Kirchenkreisleitung weiß nur, was wir ihr mitgeteilt haben. Oder hast du Beobachtungen weitergeleitet, die du mir vorenthältst?"
"Nein, natürlich nicht. Aber weißt du, ob Roswitha sich nicht in ungebührlicher Weise an den Sup gewandt hat?"
"Wohl kaum. Roswitha hat sich an mich gewandt und ich bin diejenige gewesen, die aktiv geworden ist. Sie hat sich nichts zuschulden kommen lassen. Sie ist das Opfer, das geschützt werden muss."
Markus atmete tief ein und aus und verließ dann wortlos das Büro. Wie immer, wenn ihm nichts Kluges einfiel. Also meistens.

Fortsetzung folgt

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Freitag, 3. Februar 2023
Vertuschung – ein Vierteiler – Teil 1
Dies ist fast das Ende der Geschichte. Aber nur beinahe.

"Das Weib schweige in der Gemeinde." 1. Korinther 14,34

Am 02.02. 2022 verstarb plötzlich und unerwartet:
PFARRERIN ANKE LIEKENBROCK
im Alter von nur 49 Jahren
Ihre Familie wird sie vielleicht vermissen.
Ihre Gemeinde kommt sicher darüber hinweg.
rest in pieces
Die Trauerfeier wird im engsten Familienkreis stattfinden. Von Beileidsbekundungen gegenüber der Gemeinde bitten wir abzusehen.

"Das ist doch der Gipfel!", schimpfte Anke. „Haben die Rüpel mich doch tatsächlich vier Jahre älter gemacht.“
Dann erst begann es in ihrem Kopf zu arbeiten, was diese Ungeheuerlichkeit zu bedeuten hatte und wie sie damit umgehen sollte. Auf jeden Fall durfte sie es nicht auf sich beruhen lassen, so viel war schon einmal klar. Aber Nachforschungen in der Gemeinde anstellen? Dafür fehlte ihr die Kraft. Sie entschloss sich, direkt die Polizei einzuschalten. Das war nicht nur ein übler Scherz. Das war grausames Mobbing. Und vielleicht kamen sie so an die Täter, die Roswithas Bremsen manipuliert hatten, ein Mordanschlag auf die Verwaltungsfachkraft der Gemeinde, der glücklicherweise gescheitert war, weil sie auf gerader Strecke bei ohnehin geringer Geschwindigkeit reflexartig für eine Maus das Bremspedal durchgetreten hatte und so rechtzeitig gemerkt hatte, dass die Bremse nicht mehr funktionierte. Die gute Seele. Hatte ihr unerschütterlicher Respekt vor dem Leben das eigene gerettet. Darüber würde sie irgendwann einmal predigen.

Roswitha fühlte sich unbehaglich auf ihrem Schreibtischstuhl, obwohl sie doch jedes Recht der Welt hatte, hier zu sitzen. Vollständig rehabilitiert und wieder eingestellt, vom Assessor persönlich, der auf Geheiß der Präses den Kirchenkreis kommissarisch leitete. Anke war ebenfalls wieder in Amt und Würden, aber es fühlte sich nicht wie ein Sieg an, wenn das Telefon klingelte und die weich in den Gehörgang gleitende Stimme des unrühmlichen Stellvertreters versuchte, sie aufs Glatteis zu führen.
"Guten Morgen, Frau Benecke, Silbernagel hier. Wie schön, dass ich Sie erreiche. Und? Sind Sie schon wieder ganz in Ihrem Element?"
"Ich verstehe nicht, was Sie meinen", entgegnete Roswitha stoisch.
"Ich meine Ihre Arbeit, von der Sie so lange Zeit getrennt waren."
"Hat sich einiges angesammelt."
"Das kann ich mir vorstellen."
"Und das wäre überhaupt nicht nötig gewesen. Eigentlich hatte ich alles prima im Griff."
"Sicher. Pfarrerin Liekenbrock hat ja immer wieder betont, wie unentbehrlich Sie sind. Nun da die Dinge geklärt sind, kehrt ja jetzt hoffentlich wieder Ruhe ein in Ihrer Gemeinde."
"Wieso geklärt?", fragte Roswitha. "Das Verfahren gegen Ludger Brinkkötter ist doch noch nicht einmal eröffnet."
"Es wäre doch aber auch für alle Beteiligten das Beste, wenn es gar nicht dazu käme."
"Wie bitte?"
"Glauben Sie, es tut Ihnen gut, wenn das alles wieder aufgewirbelt wird? Und wenn Sie der Rechtsbeistand von Herrn Brinkkötter befragt, denken Sie, er wird Sie fair behandeln? Dafür brauchen Sie mehr Kraft, als die meisten Menschen zur Verfügung haben."
"Ich stehe ja nicht allein da, Herr Silbernagel. Wir stützten uns gegenseitig. Wir stehen das durch. Damit sich so etwas möglichst nicht wiederholt. Und wenn ich sonst nichts für Sie tun kann, würde ich mich jetzt gern den Aufgaben zuwenden, für die ich bezahlt werde."
"Selbstverständlich. Aber sagen Sie, ist Pfarrerin Liekenbrock zugegen? Ich habe sie zu Hause nicht erreicht."
"Nein. Vielleicht macht sie gerade einen Hausbesuch. Hier ist sie jedenfalls nicht, da müssen Sie es später noch einmal versuchen."
"Ja, dann herzlichen Dank und einen schönen Tag noch."
"Gleichfalls."
Roswitha legte energisch auf. "Elender Hund, räudiger!", zischte sie.

Silbernagel war besonders angespannt. Dass die Präses den Superintendenten suspendiert hatte, war ein dicker Hund gewesen, auch wenn das für ihn als Assessor die Möglichkeit bot, sich zu profilieren. Aber wie sollte das in diesem Schmierentheater gelingen? Dass man ihn gezwungen hatte die zickigen Frauen wieder einzustellen, wurmte ihn heute noch. Wäre er schon Sup gewesen, hätte er sie auch freigestellt. Derartig die Gemeinde in Verruf zu bringen und dann auch noch ein Interview in der Lokalzeit zu geben. Ob die Präses auch gehandelt hätte, wenn die Frauen nicht an die Öffentlichkeit gegangen wären? Silbernagel bezweifelte das. Er musste irgendwie unbeschadet aus dieser Affäre heraus kommen, dann hatte er einen künftigen Posten als Kirchenkreisleitung im Sack.

Fortsetzung folgt

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Freitag, 27. Januar 2023
Heute keine Zeit für Geschichten, nur für einen Witz:
Kommt ein Pfarrer zum Arzt. Sagt der Mediziner: "Ihre Werte sind einwandfrei."
"Ich weiß.", antwortet der Pfarrer. "Aber wie steht's um meine Gesundheit?"

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