... newer stories
Freitag, 8. Januar 2021
Schnee war gestern
c. fabry, 20:48h
Schnee war gestern. Heute ist Fön. Morgen vielleicht eisige Luft aus Nordost, aber nicht eisig genug.
„Lass uns auf den Berg fahren. Mal durch den Schnee laufen“
Dreihundert Meter bringen es auch nicht voran. Mehr Matsch als Schnee. Dazu schneidender Nordwind im vom Klimawandel gelichteten Wald – die Tage der Fichtenplantagen sind gezählt, was rede ich, zu Ende.
Die Laune genauso ungemütlich und um den Gefrierpunkt herum wie der Rest des Wetters.
„Leon, ist das etwa der Schneemann?“ fragt eine Mutter im schneidend-gestrengen-überakzentuierten Ton ihren wohlgenährten, vollumfänglich wattierten Sohn im frühen Grundschulalter.
„Nein.“ behauptet Leon und wirft den ersten der beiden Schneebälle in seinen Händen.
„Natürlich ist das der Schneemann!“, straft ihn die Mutter Lügen. „Ich sehe den Schneemann nicht mehr und eben war er noch da.“
„Aber die hier hab‘ ich gemacht.“ schwindelt Leon trumpesk und feuert das zweite Geschoss ab.
„Leon, das finde ich jetzt wirklich total doof, dass du den Schneemann kaputt gemacht hast. Du gehst jetzt da hin und baust den wieder auf.“
Bedauerlicher Fauxpas, einen Ypsilon-Chromosomenträger zur Welt zu bringen, denke ich. Mutter eines Sohnes sein müssen ist wirklich eine Strafe. Lustlos schleppt die arme Frau das Spielzeug ihres Wonneproppens und muss sich dann auch noch von ihm bewerfen und veräppeln lassen. Welch ein Elend. Aber jetzt so ein generelles Männerbashing, das ist ja auch nicht richtig. Es gibt so viele Schwule und Transfrauen, die haben ja auch alle diesen Gen-Defekt mit dem Ypsilon-Chromosom und sind ganz anders als die handelsüblichen Testosteron-Schleudern.
Und vielleicht ist diese Mutter ja auch total bescheuert und hat den Leon zu dem Empathie-befreiten Trampel gemacht, das er jetzt schon ist und möglicherweise bis zum letzten Atemzug bleiben wird. Ja und der Macho-Papa natürlich. Die war bestimmt so blöd, so einem tumben Vollmacho auf den Leim zu gehen und seine Gene freiwillig auszubrüten. Selbst Schuld. Und dann hat sie alles getan, damit der Kleine genauso wird wie der Große. Nein, nicht mit Absicht, aber so sind die Frauen: Beklagen sich ständig, reproduzieren aber trotzdem konsequent die bestehenden Verhältnisse.
Männer und Frauen entstammen unterschiedlichen Kulturkreisen. Das wird es sein. Und die Homos und Transmenschen sind die Integrationsfiguren unserer Gesellschaft. Die vermitteln zwischen den Kulturen, darum – und nicht nur darum – sind sie so wertvoll und unverzichtbar.
Gerade sinniere ich über politische Reformen im Zusammenleben der Geschlechter: Von den besonders empathischen, klugen und hübschen Hetero-Exemplaren Samenspenden entnehmen und für den Arterhalt sichern. Diese weiterhin unversehrten Exemplare der Weiblichkeit für gelegentliche Liebesakte zur Verfügung stellen, den Rest…
Zack – bumm – dunkel.
So tumb-trampelig ist Leon dann wohl doch nicht. Hat irgendwie gespürt, von wo eine existentielle Bedrohung für ihn ausgeht. Ich schwebe über meinem dahingeschiedenen Körper, meinem Werkzeug des Handelns, das nun von einem Siebenjährigen seiner Funktionsfähigkeit beraubt wurde. Blut sickert aus meiner Schläfe – ein scharfkantiger Stein im Schneeball – vielleicht hatte Leon diesmal tatsächlich nicht gelogen. Meinen Beitrag zu einer besseren Welt kann ich jetzt nicht mehr leisten. Leon und seine Spießgesellen werden auch die letzten Fichten vertrocknen, die letzten Fische ersticken, die letzte frische Quelle versiegen und die letzte bedrohte Art aussterben lassen. Und sich fortpflanzen und lauter kleine Terminatoren in die Welt setzen, die der Erde den Rest geben.
Aber dafür bin ich nicht mehr zuständig. Ich schwebe mal ins Licht, bade in Champagner und inhaliere Wollust und im nächsten Leben werde ich auf einem anderen Planeten geboren.
„Lass uns auf den Berg fahren. Mal durch den Schnee laufen“
Dreihundert Meter bringen es auch nicht voran. Mehr Matsch als Schnee. Dazu schneidender Nordwind im vom Klimawandel gelichteten Wald – die Tage der Fichtenplantagen sind gezählt, was rede ich, zu Ende.
Die Laune genauso ungemütlich und um den Gefrierpunkt herum wie der Rest des Wetters.
„Leon, ist das etwa der Schneemann?“ fragt eine Mutter im schneidend-gestrengen-überakzentuierten Ton ihren wohlgenährten, vollumfänglich wattierten Sohn im frühen Grundschulalter.
„Nein.“ behauptet Leon und wirft den ersten der beiden Schneebälle in seinen Händen.
„Natürlich ist das der Schneemann!“, straft ihn die Mutter Lügen. „Ich sehe den Schneemann nicht mehr und eben war er noch da.“
„Aber die hier hab‘ ich gemacht.“ schwindelt Leon trumpesk und feuert das zweite Geschoss ab.
„Leon, das finde ich jetzt wirklich total doof, dass du den Schneemann kaputt gemacht hast. Du gehst jetzt da hin und baust den wieder auf.“
Bedauerlicher Fauxpas, einen Ypsilon-Chromosomenträger zur Welt zu bringen, denke ich. Mutter eines Sohnes sein müssen ist wirklich eine Strafe. Lustlos schleppt die arme Frau das Spielzeug ihres Wonneproppens und muss sich dann auch noch von ihm bewerfen und veräppeln lassen. Welch ein Elend. Aber jetzt so ein generelles Männerbashing, das ist ja auch nicht richtig. Es gibt so viele Schwule und Transfrauen, die haben ja auch alle diesen Gen-Defekt mit dem Ypsilon-Chromosom und sind ganz anders als die handelsüblichen Testosteron-Schleudern.
Und vielleicht ist diese Mutter ja auch total bescheuert und hat den Leon zu dem Empathie-befreiten Trampel gemacht, das er jetzt schon ist und möglicherweise bis zum letzten Atemzug bleiben wird. Ja und der Macho-Papa natürlich. Die war bestimmt so blöd, so einem tumben Vollmacho auf den Leim zu gehen und seine Gene freiwillig auszubrüten. Selbst Schuld. Und dann hat sie alles getan, damit der Kleine genauso wird wie der Große. Nein, nicht mit Absicht, aber so sind die Frauen: Beklagen sich ständig, reproduzieren aber trotzdem konsequent die bestehenden Verhältnisse.
Männer und Frauen entstammen unterschiedlichen Kulturkreisen. Das wird es sein. Und die Homos und Transmenschen sind die Integrationsfiguren unserer Gesellschaft. Die vermitteln zwischen den Kulturen, darum – und nicht nur darum – sind sie so wertvoll und unverzichtbar.
Gerade sinniere ich über politische Reformen im Zusammenleben der Geschlechter: Von den besonders empathischen, klugen und hübschen Hetero-Exemplaren Samenspenden entnehmen und für den Arterhalt sichern. Diese weiterhin unversehrten Exemplare der Weiblichkeit für gelegentliche Liebesakte zur Verfügung stellen, den Rest…
Zack – bumm – dunkel.
So tumb-trampelig ist Leon dann wohl doch nicht. Hat irgendwie gespürt, von wo eine existentielle Bedrohung für ihn ausgeht. Ich schwebe über meinem dahingeschiedenen Körper, meinem Werkzeug des Handelns, das nun von einem Siebenjährigen seiner Funktionsfähigkeit beraubt wurde. Blut sickert aus meiner Schläfe – ein scharfkantiger Stein im Schneeball – vielleicht hatte Leon diesmal tatsächlich nicht gelogen. Meinen Beitrag zu einer besseren Welt kann ich jetzt nicht mehr leisten. Leon und seine Spießgesellen werden auch die letzten Fichten vertrocknen, die letzten Fische ersticken, die letzte frische Quelle versiegen und die letzte bedrohte Art aussterben lassen. Und sich fortpflanzen und lauter kleine Terminatoren in die Welt setzen, die der Erde den Rest geben.
Aber dafür bin ich nicht mehr zuständig. Ich schwebe mal ins Licht, bade in Champagner und inhaliere Wollust und im nächsten Leben werde ich auf einem anderen Planeten geboren.
... link (0 Kommentare) ... comment
Freitag, 1. Januar 2021
Ausgangssperre
c. fabry, 21:24h
ALLER HIER DRIN.
ALLES VOLL UND NICHTS KANN RAUS.
BEWEGUNGSSTAU.
Mein Gott, ist das still draußen. Kurz nach zehn. Man hört ja wirklich gar nichts mehr von draußen, nahezu gespenstisch. Ich sehe es schon kommen, am Ende schalte ich das Fernsehen ein, nur um diese beklemmende Geräuschlosigkeit zu vertreiben. Das fühlt sich an wie Gehörlosigkeit. Komisch, sonst beklage ich mich immer über den Verkehrslärm. Die vorbei rasenden Motorräder. Ist doch schön, von nichts abgelenkt oder unterbrochen zu werden. Also weiter im Text. Wo war ich?
ALLER HIER DRIN.
ALLES VOLL UND NICHTS KANN RAUS.
BEWEGUNGSSTAU.
ÜBERALL STILLSTAND.
SINNBILD EINES GEMÜTSZUSTANDES.
INNEN UND AUßEN.
Was war das? Da hat doch etwas geflackert? Heimliche Sternsinger, die das Umgehen der Ausgangssperre üben? Quatsch. Muss eine Sinnestäuschung sein. Mein Kreislauf macht sich bemerkbar. Das ist sicher dieses nervöse Flackern am Rand des Gesichtsfeldes. Ich schreibe das hier jetzt zu Ende und dann gehe ich ins Bett.
ALLER HIER DRIN.
ALLES VOLL UND NICHTS KANN RAUS.
BEWEGUNGSSTAU.
ÜBERALL STILLSTAND.
SINNBILD EINES GEMÜTSZUSTANDES.
INNEN UND AUßEN.
WAS WILL MAN TUN, WENN ES NICHT EINMAL BEWEGUNG AN FRISCHER LUFT BRINGT?
WENN ERST EINMAL ALLES INS STOCKEN GERÄT, IST ENDE GELÄNDE.
SCHLUSS MIT LUSTIG.
Hups. Der Bewegungsmelder ist angesprungen. Wer schleicht denn hier so spät ums Pfarrhaus? Hoffentlich kein verwirrter Obdachloser mit aggressiven Neigungen. Man hört so gar nichts. Vielleicht ein Fuchs? Ach guck, jetzt geht das Licht schon wieder aus. Wo war ich?
ALLER HIER DRIN.
ALLES VOLL UND NICHTS KANN RAUS.
BEWEGUNGSSTAU.
ÜBERALL STILLSTAND.
SINNBILD EINES GEMÜTSZUSTANDES.
INNEN UND AUßEN.
WAS WILL MAN TUN, WENN ES NICHT EINMAL BEWEGUNG AN FRISCHER LUFT BRINGT?
WENN ERST EINMAL ALLES INS STOCKEN GERÄT, IST ENDE GELÄNDE.
SCHLUSS MIT LUSTIG.
KANN MIR SELBST NICHT HELFEN UND KANN AUCH SONST KEINER.
WILL ICH AUCH NICHT.
NIEMAND SOLL SICH DA EINMISCHEN, IN MICH REINGLOTZEN, AN MIR RUMMANIPULIEREN.
DAS IST MEINE TRAURIGKEIT, MEIN CHAOS, MEIN SCHMERZ.
Das ist jetzt aber nicht normal! Solche Geräusche kommen nicht vom Wind, auch nicht vom Knarren im Gebälk. Diese Ausgangssperre bietet ja geradezu paradiesische Zustände für Einbrecher. Und für Straftäter, die ihre Opfer überfallen, ihnen Gewalt antun. Vielleicht sollte ich den Hund...das wäre ja sein Job...aber am Ende wird er einfach erschlagen...Dass ich aber auch rein gar nichts hier habe, womit ich mich verteidigen kann. Moment. Der Flacon. Da ist doch Parfum drin. Das besteht doch zu 90 Prozent aus Äthanol. Das brennt in den Augen. Habe ich noch nie benutzt. War ein Abschiedsgeschenk des Chorleiters in der Philippus-Gemeinde. Riecht bestimmt aufdringlich, ist also nicht schade drum.
Oh Gott! Jetzt kommt er rein. Da! Nimm das! Oh, der schreit aber mächtig. Der soll still sein, das ist ja furchtbar. Warum schreit der nur so? Riecht seltsam. Oh. Jetzt ist er still. Unglaublich still. Geradezu unheimlich. Wonach riecht das? Das ist doch kein Parfum? Was hatte der Chorleiter geplant? Der Kerl hier atmet nicht mehr. Ich muss wohl jetzt mal die Polizei anrufen. Aber ich bin gerade so im Flow.
ALLER HIER DRIN.
ALLES VOLL UND NICHTS KANN RAUS.
BEWEGUNGSSTAU.
ÜBERALL STILLSTAND.
SINNBILD EINES GEMÜTSZUSTANDES.
INNEN UND AUßEN.
WAS WILL MAN TUN, WENN ES NICHT EINMAL BEWEGUNG AN FRISCHER LUFT BRINGT?
WENN ERST EINMAL ALLES INS STOCKEN GERÄT, IST ENDE GELÄNDE.
SCHLUSS MIT LUSTIG.
KANN MIR SELBST NICHT HELFEN UND KANN AUCH SONST KEINER.
WILL ICH AUCH NICHT.
NIEMAND SOLL SICH DA EINMISCHEN, IN MICH REINGLOTZEN, AN MIR RUMMANIPULIEREN.
DAS IST MEINE TRAURIGKEIT, MEIN CHAOS, MEIN SCHMERZ.
WENN MIR DAS ERST EINMAL GENOMMEN WIRD, HABE ICH JA GAR NICHTS MEHR.
WIEDER ZU VIEL GEGESSEN.
ALLES VOLL UND NICHTS KANN RAUS.
BEWEGUNGSSTAU.
Mein Gott, ist das still draußen. Kurz nach zehn. Man hört ja wirklich gar nichts mehr von draußen, nahezu gespenstisch. Ich sehe es schon kommen, am Ende schalte ich das Fernsehen ein, nur um diese beklemmende Geräuschlosigkeit zu vertreiben. Das fühlt sich an wie Gehörlosigkeit. Komisch, sonst beklage ich mich immer über den Verkehrslärm. Die vorbei rasenden Motorräder. Ist doch schön, von nichts abgelenkt oder unterbrochen zu werden. Also weiter im Text. Wo war ich?
ALLER HIER DRIN.
ALLES VOLL UND NICHTS KANN RAUS.
BEWEGUNGSSTAU.
ÜBERALL STILLSTAND.
SINNBILD EINES GEMÜTSZUSTANDES.
INNEN UND AUßEN.
Was war das? Da hat doch etwas geflackert? Heimliche Sternsinger, die das Umgehen der Ausgangssperre üben? Quatsch. Muss eine Sinnestäuschung sein. Mein Kreislauf macht sich bemerkbar. Das ist sicher dieses nervöse Flackern am Rand des Gesichtsfeldes. Ich schreibe das hier jetzt zu Ende und dann gehe ich ins Bett.
ALLER HIER DRIN.
ALLES VOLL UND NICHTS KANN RAUS.
BEWEGUNGSSTAU.
ÜBERALL STILLSTAND.
SINNBILD EINES GEMÜTSZUSTANDES.
INNEN UND AUßEN.
WAS WILL MAN TUN, WENN ES NICHT EINMAL BEWEGUNG AN FRISCHER LUFT BRINGT?
WENN ERST EINMAL ALLES INS STOCKEN GERÄT, IST ENDE GELÄNDE.
SCHLUSS MIT LUSTIG.
Hups. Der Bewegungsmelder ist angesprungen. Wer schleicht denn hier so spät ums Pfarrhaus? Hoffentlich kein verwirrter Obdachloser mit aggressiven Neigungen. Man hört so gar nichts. Vielleicht ein Fuchs? Ach guck, jetzt geht das Licht schon wieder aus. Wo war ich?
ALLER HIER DRIN.
ALLES VOLL UND NICHTS KANN RAUS.
BEWEGUNGSSTAU.
ÜBERALL STILLSTAND.
SINNBILD EINES GEMÜTSZUSTANDES.
INNEN UND AUßEN.
WAS WILL MAN TUN, WENN ES NICHT EINMAL BEWEGUNG AN FRISCHER LUFT BRINGT?
WENN ERST EINMAL ALLES INS STOCKEN GERÄT, IST ENDE GELÄNDE.
SCHLUSS MIT LUSTIG.
KANN MIR SELBST NICHT HELFEN UND KANN AUCH SONST KEINER.
WILL ICH AUCH NICHT.
NIEMAND SOLL SICH DA EINMISCHEN, IN MICH REINGLOTZEN, AN MIR RUMMANIPULIEREN.
DAS IST MEINE TRAURIGKEIT, MEIN CHAOS, MEIN SCHMERZ.
Das ist jetzt aber nicht normal! Solche Geräusche kommen nicht vom Wind, auch nicht vom Knarren im Gebälk. Diese Ausgangssperre bietet ja geradezu paradiesische Zustände für Einbrecher. Und für Straftäter, die ihre Opfer überfallen, ihnen Gewalt antun. Vielleicht sollte ich den Hund...das wäre ja sein Job...aber am Ende wird er einfach erschlagen...Dass ich aber auch rein gar nichts hier habe, womit ich mich verteidigen kann. Moment. Der Flacon. Da ist doch Parfum drin. Das besteht doch zu 90 Prozent aus Äthanol. Das brennt in den Augen. Habe ich noch nie benutzt. War ein Abschiedsgeschenk des Chorleiters in der Philippus-Gemeinde. Riecht bestimmt aufdringlich, ist also nicht schade drum.
Oh Gott! Jetzt kommt er rein. Da! Nimm das! Oh, der schreit aber mächtig. Der soll still sein, das ist ja furchtbar. Warum schreit der nur so? Riecht seltsam. Oh. Jetzt ist er still. Unglaublich still. Geradezu unheimlich. Wonach riecht das? Das ist doch kein Parfum? Was hatte der Chorleiter geplant? Der Kerl hier atmet nicht mehr. Ich muss wohl jetzt mal die Polizei anrufen. Aber ich bin gerade so im Flow.
ALLER HIER DRIN.
ALLES VOLL UND NICHTS KANN RAUS.
BEWEGUNGSSTAU.
ÜBERALL STILLSTAND.
SINNBILD EINES GEMÜTSZUSTANDES.
INNEN UND AUßEN.
WAS WILL MAN TUN, WENN ES NICHT EINMAL BEWEGUNG AN FRISCHER LUFT BRINGT?
WENN ERST EINMAL ALLES INS STOCKEN GERÄT, IST ENDE GELÄNDE.
SCHLUSS MIT LUSTIG.
KANN MIR SELBST NICHT HELFEN UND KANN AUCH SONST KEINER.
WILL ICH AUCH NICHT.
NIEMAND SOLL SICH DA EINMISCHEN, IN MICH REINGLOTZEN, AN MIR RUMMANIPULIEREN.
DAS IST MEINE TRAURIGKEIT, MEIN CHAOS, MEIN SCHMERZ.
WENN MIR DAS ERST EINMAL GENOMMEN WIRD, HABE ICH JA GAR NICHTS MEHR.
WIEDER ZU VIEL GEGESSEN.
... link (0 Kommentare) ... comment
Samstag, 26. Dezember 2020
Besitzstandswahrung
c. fabry, 00:10h
Einfach mal eine Sandburg platttreten. Nein, nicht eine, die Kinder nah am Wasser gebaut haben, um zu beobachten, wie die Flut langsam die Gräben füllt und Wetten abzuschließen, wie lange das Bauwerk die Gewalt der Gezeiten überlebt. Auch kein organisches Sandgebilde des berühmten Land-Art-Künstlers Andy Goldsworthy, das nur für den flüchtigen Augenblick und die photographische Dokumentation gemacht und demütig dem baldigen Verfall überlassen wird.
Nein, es geht um diese Festungen an deutschen Nordsee-Badestränden, um den gemieteten Strandkorb gezogene Bannmeilen, mit dem Spaten einen Meter tiefergelegt, ein mit der Kelle hochgezogener, aus feuchtem Sand glattgestrichener Wall wie aus Beton gegossen, akkurat, stabil, ein Meersand gewordener Jägerzaun. Außen ein Schriftzug in „Copperpot“, mosaikiert aus bleichen Herzmuscheln: Fam. Radewig – Holzwickede, Westf., in einem zylindrischen Mauerelement stecken zwei stolze Fahnen: die deutsche Flagge und das Banner des favorisierten Fußballvereins. Ins Innere der Burg gelangen die Bewohnenden über eine sauber geschaufelte und in Form geklopfte Treppe, mit exakt gleich hohen Stufen zur Vermeidung von Stolperunfällen auf einen esstrichgleichen, ordentlich mit der Wasserwaage ausgerichteten Fußboden.
Ach ja, in den Siebzigern waren das noch Einzelfälle, ernteten rückhaltlose Bewunderung für Kreativität, Tatkraft und Originalität. Aber dann wurden die Burgen Standard. Jetzt baut jeder eine um sein Strandsofa. Wie eine Fuchsbaustadt verbaut die Wabenhausidylle den Zugang zum Ozean. Strandeingang, ein paar Meter durch den fluffigen, heißen Sand stapfen und da, wo das Gehen wieder leichter fiele, und das erfrischende Nass der hereinrollenden Wellen in greifbare Nähe rückt: totale Sackgasse. Jeder Burgwall grenzt an den nächsten. Das Betreten der Bergkämme wird umgehend mit empörtem Gebrüll geahndet. Gewaltbereite, rotgesichtige Bierathleten mit Nabbelhut* drohen mit dem Hütehund oder der grünpinken Plastik-Pumpgun, während die gepflegt dahinwelkende Gattin das halbleinene Geschirrtuch über dem Camping-Klapptisch ausbreitet und mit frisch erworbenem Gebäck unfreiwillig hungrige Möwen anlockt.
Oder einfach mal im Spaßbad ein Reservierungshandtuch von einer Liege nehmen, achtlos auf den Boden fallen lassen und sich behaglich ausstrecken. Wenn dann der oder die Handtuchbesitzer*in nörgelt, erwidern: „Das ist ein Liegestuhl für Menschen, nicht für Handtücher. Ich hätte mich natürlich auch einfach auf Ihr Handtuch legen können, falls Ihnen das lieber ist.“
Nee, das kann man von der Bütt aus erzählen, aber nicht von der Kanzel. Doch wie bringt man Menschen nahe, dass es nicht in Ordnung ist, einfach ein Territorium zu besetzen und diesen aggressiven Akt umgehend mit legitimem Besitz gleichzusetzen? Natürlich tun Menschen das seit Jahrtausenden: ein Revier auswählen, einzäunen und „Meins!“ schreien – und das auch meinen. Egal, ob es sich um ein Stück Land handelt, Raubkunst aus Übersee, mit dem Blut lohngedumpter Bangladeshis gefertigte Billigkleidung oder ganz legal unversteuerte Riesengewinne aus staatlich subventionierter Produktion. Das Sich-Aneignen, einfach weil es geht, ist eine widerwärtige Perversion einer seit langem nicht mehr notwendigen, uralten Überlebensstrategie.
Eine Mutter ruft an. Ob ich nicht vielleicht doch einmal eine gruppenbildende Maßnahme für die neuen Konfis anbieten könne. Was sie sich eigentlich denkt, frage ich sie. Wir haben Kontaktverbot. Wir haben Corona. Sie faselt von Videokonferenzen. So weit kommt das noch. Ich halte nichts von dieser seelenlosen Technik. Das sage ich ihr auch. Stiehlt mir meine wertvolle Lebenszeit, diese Helicopter-Mutter, während ich über meiner Predigt brüte. Sehe ich gar nicht ein, mich derartig von meinem Job schlauchen zu lassen, dass ich im Ruhestand nur noch beim Arzt sitze. Sonst sind die Konfis doch auch froh, wenn der kirchliche Unterricht ausfällt und die Eltern winseln dauernd rum, dass das arme Kindchen jetzt gar nicht mehr pünktlich zum Fußball-Training gehen kann. Aber klar, das findet ja jetzt auch nicht statt. Ist aber nicht mein Problem. Ich muss diesen Text fertig kriegen und dann auf die Rennmaschine, meine Blutgefäße durchputzen. Lesen will ich heute auch noch. Ich habe jedenfalls keine Zeit für diesen Online-Tingeltangel – und keine Nerven. Soll sich doch der Jugendreferent drum kümmern. Dann ist der jetzt eben mal dran. Brüstet sich doch eh dauernd mit seinen tollen Events.
Beim Radeln kommen einem doch die besten Gedanken. Was passiert eigentlich wenn die Heli-Mama beim Sup anruft? Ach wenn der Kollege und der Jugendreferent nur nicht so ekelhaft engagiert wären in ihrem aktionistischen Übereifer. Natürlich stehe ich als moderat arbeitender Pflichterfüller sofort als Dienst-nach-Vorschrift-Kandidat am Pranger. Es sei denn, sie würden plötzlich ausfallen. Infiziert mit Corona. Kann ja mal passieren, bei einer Präsenz-DB. Ich besuche morgen mal Frau Faller. Tu so, als hätte ich das mit der Quarantäne vergessen. Mit der FFP3 Maske bin ich ja wohl sicher. Muss mir nur noch einen passenden Nährboden besorgen und dann stelle ich das den beiden unter die Nase. Die mit ihren selbstgehäkelten Recycling-Masken, die werden sich schon was einfangen. Thomas, in seinem deutlich fortgeschrittenen Alter, Jens mit seinem Bronchialasthma und der Immunschwäche… dann nervt mich keiner mehr mit Kinkerlitzchen. Und bis die beiden wieder einsatzfähig – oder die Stellen neu besetzt sind, ist der Corona-Wahnsinn gelaufen.
(*Baumwoll-Sonnenhut nach dem Vorbild der englischen Tweed-Buckets, mit herabhängender Krempe und Reißverschlusstasche in Zigarettenschachtelgröße, zu hundert Prozent Ballermann-kompatibel)
Nein, es geht um diese Festungen an deutschen Nordsee-Badestränden, um den gemieteten Strandkorb gezogene Bannmeilen, mit dem Spaten einen Meter tiefergelegt, ein mit der Kelle hochgezogener, aus feuchtem Sand glattgestrichener Wall wie aus Beton gegossen, akkurat, stabil, ein Meersand gewordener Jägerzaun. Außen ein Schriftzug in „Copperpot“, mosaikiert aus bleichen Herzmuscheln: Fam. Radewig – Holzwickede, Westf., in einem zylindrischen Mauerelement stecken zwei stolze Fahnen: die deutsche Flagge und das Banner des favorisierten Fußballvereins. Ins Innere der Burg gelangen die Bewohnenden über eine sauber geschaufelte und in Form geklopfte Treppe, mit exakt gleich hohen Stufen zur Vermeidung von Stolperunfällen auf einen esstrichgleichen, ordentlich mit der Wasserwaage ausgerichteten Fußboden.
Ach ja, in den Siebzigern waren das noch Einzelfälle, ernteten rückhaltlose Bewunderung für Kreativität, Tatkraft und Originalität. Aber dann wurden die Burgen Standard. Jetzt baut jeder eine um sein Strandsofa. Wie eine Fuchsbaustadt verbaut die Wabenhausidylle den Zugang zum Ozean. Strandeingang, ein paar Meter durch den fluffigen, heißen Sand stapfen und da, wo das Gehen wieder leichter fiele, und das erfrischende Nass der hereinrollenden Wellen in greifbare Nähe rückt: totale Sackgasse. Jeder Burgwall grenzt an den nächsten. Das Betreten der Bergkämme wird umgehend mit empörtem Gebrüll geahndet. Gewaltbereite, rotgesichtige Bierathleten mit Nabbelhut* drohen mit dem Hütehund oder der grünpinken Plastik-Pumpgun, während die gepflegt dahinwelkende Gattin das halbleinene Geschirrtuch über dem Camping-Klapptisch ausbreitet und mit frisch erworbenem Gebäck unfreiwillig hungrige Möwen anlockt.
Oder einfach mal im Spaßbad ein Reservierungshandtuch von einer Liege nehmen, achtlos auf den Boden fallen lassen und sich behaglich ausstrecken. Wenn dann der oder die Handtuchbesitzer*in nörgelt, erwidern: „Das ist ein Liegestuhl für Menschen, nicht für Handtücher. Ich hätte mich natürlich auch einfach auf Ihr Handtuch legen können, falls Ihnen das lieber ist.“
Nee, das kann man von der Bütt aus erzählen, aber nicht von der Kanzel. Doch wie bringt man Menschen nahe, dass es nicht in Ordnung ist, einfach ein Territorium zu besetzen und diesen aggressiven Akt umgehend mit legitimem Besitz gleichzusetzen? Natürlich tun Menschen das seit Jahrtausenden: ein Revier auswählen, einzäunen und „Meins!“ schreien – und das auch meinen. Egal, ob es sich um ein Stück Land handelt, Raubkunst aus Übersee, mit dem Blut lohngedumpter Bangladeshis gefertigte Billigkleidung oder ganz legal unversteuerte Riesengewinne aus staatlich subventionierter Produktion. Das Sich-Aneignen, einfach weil es geht, ist eine widerwärtige Perversion einer seit langem nicht mehr notwendigen, uralten Überlebensstrategie.
Eine Mutter ruft an. Ob ich nicht vielleicht doch einmal eine gruppenbildende Maßnahme für die neuen Konfis anbieten könne. Was sie sich eigentlich denkt, frage ich sie. Wir haben Kontaktverbot. Wir haben Corona. Sie faselt von Videokonferenzen. So weit kommt das noch. Ich halte nichts von dieser seelenlosen Technik. Das sage ich ihr auch. Stiehlt mir meine wertvolle Lebenszeit, diese Helicopter-Mutter, während ich über meiner Predigt brüte. Sehe ich gar nicht ein, mich derartig von meinem Job schlauchen zu lassen, dass ich im Ruhestand nur noch beim Arzt sitze. Sonst sind die Konfis doch auch froh, wenn der kirchliche Unterricht ausfällt und die Eltern winseln dauernd rum, dass das arme Kindchen jetzt gar nicht mehr pünktlich zum Fußball-Training gehen kann. Aber klar, das findet ja jetzt auch nicht statt. Ist aber nicht mein Problem. Ich muss diesen Text fertig kriegen und dann auf die Rennmaschine, meine Blutgefäße durchputzen. Lesen will ich heute auch noch. Ich habe jedenfalls keine Zeit für diesen Online-Tingeltangel – und keine Nerven. Soll sich doch der Jugendreferent drum kümmern. Dann ist der jetzt eben mal dran. Brüstet sich doch eh dauernd mit seinen tollen Events.
Beim Radeln kommen einem doch die besten Gedanken. Was passiert eigentlich wenn die Heli-Mama beim Sup anruft? Ach wenn der Kollege und der Jugendreferent nur nicht so ekelhaft engagiert wären in ihrem aktionistischen Übereifer. Natürlich stehe ich als moderat arbeitender Pflichterfüller sofort als Dienst-nach-Vorschrift-Kandidat am Pranger. Es sei denn, sie würden plötzlich ausfallen. Infiziert mit Corona. Kann ja mal passieren, bei einer Präsenz-DB. Ich besuche morgen mal Frau Faller. Tu so, als hätte ich das mit der Quarantäne vergessen. Mit der FFP3 Maske bin ich ja wohl sicher. Muss mir nur noch einen passenden Nährboden besorgen und dann stelle ich das den beiden unter die Nase. Die mit ihren selbstgehäkelten Recycling-Masken, die werden sich schon was einfangen. Thomas, in seinem deutlich fortgeschrittenen Alter, Jens mit seinem Bronchialasthma und der Immunschwäche… dann nervt mich keiner mehr mit Kinkerlitzchen. Und bis die beiden wieder einsatzfähig – oder die Stellen neu besetzt sind, ist der Corona-Wahnsinn gelaufen.
(*Baumwoll-Sonnenhut nach dem Vorbild der englischen Tweed-Buckets, mit herabhängender Krempe und Reißverschlusstasche in Zigarettenschachtelgröße, zu hundert Prozent Ballermann-kompatibel)
... link (0 Kommentare) ... comment
Freitag, 18. Dezember 2020
Seelenlos
c. fabry, 12:03h
Sie trug ein meerblaues Sommerkleid. Setzte sich direkt neben ihn. Freiwillig. Da war noch ein Platz zwischen einem Jugendlichen und einer älteren Dame frei. Sie setzte sich aber neben ihn, gegen die Fahrtrichtung. Er selbst saß am Gang. Die Fensterplätze waren immer zuerst weg.
Sie hatte runde Hüften, eine schmale Taille, wohlproportionierte Brüste und langes, braunes Haar. Das Gesicht war weniger beeindruckend, aber auch nicht gerade hässlich. Sie las in einem Buch. Sah ihn nicht an. Er sah sie nicht an, jedenfalls nicht direkt. Nur verstohlen, aus den Augenwinkeln, kaum wahrnehmbar für die anderen Mitreisenden.
Sie legte das Buch in den Schoß, ließ den Kopf zur Seite rollen, nicht in seine Richtung, schloss die Augen, begann zu dösen.
Die runde Hüfte dagegen hatte sie ihm zugewandt. Döste sie nur oder schlief sie schon? Ihr Brustkorb hob und senkte sich ruhig und regelmäßig. Es war heiß, er konnte ihr Parfum riechen, ein frischer Zitrusduft und ein bisschen Schweiß und noch etwas Anderes. Nervös kratzte er sich am Kopf. Eine alte Angewohnheit, die er einfach nicht ablegen konnte.
Er legte eine Hand neben seiner Hüfte ab, trommelte ein wenig mit den Fingern. Langsam bewegte er seine Hand auf ihre Hüfte zu, ganz nah an der Rückwand, unter der Armlehne, für niemanden sichtbar. Dann schob er seine Finger zwischen Rückenpolster und Frauenhintern. Niemand schien etwas zu bemerken. Er sah nicht hin. Stellte sich schlafend. Hauchzart tupfte er mit den Fingerkuppen über den fließenden Stoff. Sie merkte nichts. Er wagte etwas mehr, fuhr mit den Rückseiten seiner Finger, sanft über das warme Fleisch. Davon musste sie doch aufwachen. Sie schlief weiter. Oder stellte sie sich nur schlafend und genoss es heimlich? Waren doch alles Schlampen diese Weiber. Ließen sich einfach von fremden Männern anfassen, nahmen mit, was ihnen geboten wurde. Seine Verachtung wuchs mit seiner Erregung. In Gedanken zog er sie aus, erforschte ihren Körper, tat alles, wonach er sich schon so lange sehnte. Doch sie hatte kein Gesicht, keine Seele, war nichts als eine lebendige Puppe, Abschaum.
Der Zug hielt am Zielbahnhof. Sie mussten beide aussteigen. Er verließ den Zug, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Für solche Nutten verspürte er nur Verachtung. Er ging nach Hause, machte sich etwas zu Essen, ließ sich vom Fernsehprogramm berieseln, ging ins Bett. Morgen war Samstag und er würde endlich einmal ausschlafen.
Mitnichten. Bereits um acht Uhr morgens klingelte es an der Wohnungstür. Polizei. Er hatte seinen Führerschein im Zug verloren, war ihm aus der Tasche gerutscht, hatte er gar nicht bemerkt.
„Das ist aber nett, dass Sie mir den extra zu mir nach Hause bringen.“, sagte er, obwohl er eigentlich noch immer mürrisch und ungehalten wegen des unterbrochen Schlafes war, aber er war zu gut erzogen, um das zu zeigen.
„Leider geht es nicht nur im Ihre Fahrerlaubnis.“, erklärte einer der Beamten. „Dürfen wir kurz herein kommen?“
„Warum?“
„Wir brauchen eine ausführliche Zeugenaussage von Ihnen.“
Er ließ die Polizisten eintreten und bat sie, im Wohnzimmer Platz zu nehmen.
„Wo haben Sie gestern während der Bahnfahrt gesessen?“
„Am Gang, gegen die Fahrtrichtung.“
„Wer saß neben Ihnen?“
„Eine Frau.“
„Können Sie sie beschreiben?“
„Eine normale Frau. Im Kleid, lange Haare.“
„Farbe?“
„Das Kleid oder die Haare?“
„Beides.“
„Die Haare rot, blond oder braun. So genau habe ich nicht hingesehen. Das Kleid war, glaube ich, blau.“
„Wie alt war die Frau ungefähr?“
„Woher soll ich das wissen?“
„Schätzen Sie.“
„Irgendwo zwischen fünfundzwanzig und vierzig.“
„Wann und wo sind Sie ausgestiegen?“
„Hier am Hauptbahnhof, so gegen sechs.“
„Und die Frau?“
„Ist auch ausgestiegen, glaube ich.“
„Wer war denn noch da?“
„Eine alte Frau, ein Jugendlicher und ein älterer Mann.“
„Wo sind Sie dann hingegangen?“
„Direkt nach Hause.“
„Haben Sie das Haus noch einmal verlassen?“
„Nein. Ich war gestern Abend hier. Bin früh schlafen gegangen.“
„Gibt es dafür Zeugen?“
„Nee, wieso, ich wohne allein hier. Was ist denn mit der Frau? Hat sie etwas ausgefressen?“
„Sie wurde ermordet.“
„Oh Gott.“
„Ja und Sie scheinen der zu sein, der sie als Letzter lebend gesehen hat. Bitte halten Sie sich zu unserer Verfügung, es könnte sein, dass wir Sie noch einmal sprechen müssen.“
Die Beamten gingen. Ermordet, die Schlampe. Solche Weiber machten einem sogar Scherereien, wenn man nur still irgendwo saß und sie sich zufällig neben einen setzten. Bestimmt hatte sie jemanden auf die Palme gebracht, der endgültig die Nase voll hatte von ihr.
Zwei Tage später stand die Polizei wieder vor der Tür. Diesmal mit Haftbefehl. Sie hatten seine DNA an der Frau gefunden, eins seiner Haare an ihrem Kleid, obwohl sie sich im Zug nicht berührt hatten, das hatten alle anderen Mitreisenden bestätigt.
Er wusste nicht einmal, wie sie gestorben war und angesichts seiner Verachtung, war ihm das eigentlich auch egal.
Sie hatte runde Hüften, eine schmale Taille, wohlproportionierte Brüste und langes, braunes Haar. Das Gesicht war weniger beeindruckend, aber auch nicht gerade hässlich. Sie las in einem Buch. Sah ihn nicht an. Er sah sie nicht an, jedenfalls nicht direkt. Nur verstohlen, aus den Augenwinkeln, kaum wahrnehmbar für die anderen Mitreisenden.
Sie legte das Buch in den Schoß, ließ den Kopf zur Seite rollen, nicht in seine Richtung, schloss die Augen, begann zu dösen.
Die runde Hüfte dagegen hatte sie ihm zugewandt. Döste sie nur oder schlief sie schon? Ihr Brustkorb hob und senkte sich ruhig und regelmäßig. Es war heiß, er konnte ihr Parfum riechen, ein frischer Zitrusduft und ein bisschen Schweiß und noch etwas Anderes. Nervös kratzte er sich am Kopf. Eine alte Angewohnheit, die er einfach nicht ablegen konnte.
Er legte eine Hand neben seiner Hüfte ab, trommelte ein wenig mit den Fingern. Langsam bewegte er seine Hand auf ihre Hüfte zu, ganz nah an der Rückwand, unter der Armlehne, für niemanden sichtbar. Dann schob er seine Finger zwischen Rückenpolster und Frauenhintern. Niemand schien etwas zu bemerken. Er sah nicht hin. Stellte sich schlafend. Hauchzart tupfte er mit den Fingerkuppen über den fließenden Stoff. Sie merkte nichts. Er wagte etwas mehr, fuhr mit den Rückseiten seiner Finger, sanft über das warme Fleisch. Davon musste sie doch aufwachen. Sie schlief weiter. Oder stellte sie sich nur schlafend und genoss es heimlich? Waren doch alles Schlampen diese Weiber. Ließen sich einfach von fremden Männern anfassen, nahmen mit, was ihnen geboten wurde. Seine Verachtung wuchs mit seiner Erregung. In Gedanken zog er sie aus, erforschte ihren Körper, tat alles, wonach er sich schon so lange sehnte. Doch sie hatte kein Gesicht, keine Seele, war nichts als eine lebendige Puppe, Abschaum.
Der Zug hielt am Zielbahnhof. Sie mussten beide aussteigen. Er verließ den Zug, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Für solche Nutten verspürte er nur Verachtung. Er ging nach Hause, machte sich etwas zu Essen, ließ sich vom Fernsehprogramm berieseln, ging ins Bett. Morgen war Samstag und er würde endlich einmal ausschlafen.
Mitnichten. Bereits um acht Uhr morgens klingelte es an der Wohnungstür. Polizei. Er hatte seinen Führerschein im Zug verloren, war ihm aus der Tasche gerutscht, hatte er gar nicht bemerkt.
„Das ist aber nett, dass Sie mir den extra zu mir nach Hause bringen.“, sagte er, obwohl er eigentlich noch immer mürrisch und ungehalten wegen des unterbrochen Schlafes war, aber er war zu gut erzogen, um das zu zeigen.
„Leider geht es nicht nur im Ihre Fahrerlaubnis.“, erklärte einer der Beamten. „Dürfen wir kurz herein kommen?“
„Warum?“
„Wir brauchen eine ausführliche Zeugenaussage von Ihnen.“
Er ließ die Polizisten eintreten und bat sie, im Wohnzimmer Platz zu nehmen.
„Wo haben Sie gestern während der Bahnfahrt gesessen?“
„Am Gang, gegen die Fahrtrichtung.“
„Wer saß neben Ihnen?“
„Eine Frau.“
„Können Sie sie beschreiben?“
„Eine normale Frau. Im Kleid, lange Haare.“
„Farbe?“
„Das Kleid oder die Haare?“
„Beides.“
„Die Haare rot, blond oder braun. So genau habe ich nicht hingesehen. Das Kleid war, glaube ich, blau.“
„Wie alt war die Frau ungefähr?“
„Woher soll ich das wissen?“
„Schätzen Sie.“
„Irgendwo zwischen fünfundzwanzig und vierzig.“
„Wann und wo sind Sie ausgestiegen?“
„Hier am Hauptbahnhof, so gegen sechs.“
„Und die Frau?“
„Ist auch ausgestiegen, glaube ich.“
„Wer war denn noch da?“
„Eine alte Frau, ein Jugendlicher und ein älterer Mann.“
„Wo sind Sie dann hingegangen?“
„Direkt nach Hause.“
„Haben Sie das Haus noch einmal verlassen?“
„Nein. Ich war gestern Abend hier. Bin früh schlafen gegangen.“
„Gibt es dafür Zeugen?“
„Nee, wieso, ich wohne allein hier. Was ist denn mit der Frau? Hat sie etwas ausgefressen?“
„Sie wurde ermordet.“
„Oh Gott.“
„Ja und Sie scheinen der zu sein, der sie als Letzter lebend gesehen hat. Bitte halten Sie sich zu unserer Verfügung, es könnte sein, dass wir Sie noch einmal sprechen müssen.“
Die Beamten gingen. Ermordet, die Schlampe. Solche Weiber machten einem sogar Scherereien, wenn man nur still irgendwo saß und sie sich zufällig neben einen setzten. Bestimmt hatte sie jemanden auf die Palme gebracht, der endgültig die Nase voll hatte von ihr.
Zwei Tage später stand die Polizei wieder vor der Tür. Diesmal mit Haftbefehl. Sie hatten seine DNA an der Frau gefunden, eins seiner Haare an ihrem Kleid, obwohl sie sich im Zug nicht berührt hatten, das hatten alle anderen Mitreisenden bestätigt.
Er wusste nicht einmal, wie sie gestorben war und angesichts seiner Verachtung, war ihm das eigentlich auch egal.
... link (0 Kommentare) ... comment
... older stories