Freitag, 1. Januar 2021
Ausgangssperre
ALLER HIER DRIN.
ALLES VOLL UND NICHTS KANN RAUS.
BEWEGUNGSSTAU.

Mein Gott, ist das still draußen. Kurz nach zehn. Man hört ja wirklich gar nichts mehr von draußen, nahezu gespenstisch. Ich sehe es schon kommen, am Ende schalte ich das Fernsehen ein, nur um diese beklemmende Geräuschlosigkeit zu vertreiben. Das fühlt sich an wie Gehörlosigkeit. Komisch, sonst beklage ich mich immer über den Verkehrslärm. Die vorbei rasenden Motorräder. Ist doch schön, von nichts abgelenkt oder unterbrochen zu werden. Also weiter im Text. Wo war ich?

ALLER HIER DRIN.
ALLES VOLL UND NICHTS KANN RAUS.
BEWEGUNGSSTAU.
ÜBERALL STILLSTAND.
SINNBILD EINES GEMÜTSZUSTANDES.
INNEN UND AUßEN.

Was war das? Da hat doch etwas geflackert? Heimliche Sternsinger, die das Umgehen der Ausgangssperre üben? Quatsch. Muss eine Sinnestäuschung sein. Mein Kreislauf macht sich bemerkbar. Das ist sicher dieses nervöse Flackern am Rand des Gesichtsfeldes. Ich schreibe das hier jetzt zu Ende und dann gehe ich ins Bett.

ALLER HIER DRIN.
ALLES VOLL UND NICHTS KANN RAUS.
BEWEGUNGSSTAU.
ÜBERALL STILLSTAND.
SINNBILD EINES GEMÜTSZUSTANDES.
INNEN UND AUßEN.
WAS WILL MAN TUN, WENN ES NICHT EINMAL BEWEGUNG AN FRISCHER LUFT BRINGT?
WENN ERST EINMAL ALLES INS STOCKEN GERÄT, IST ENDE GELÄNDE.
SCHLUSS MIT LUSTIG.

Hups. Der Bewegungsmelder ist angesprungen. Wer schleicht denn hier so spät ums Pfarrhaus? Hoffentlich kein verwirrter Obdachloser mit aggressiven Neigungen. Man hört so gar nichts. Vielleicht ein Fuchs? Ach guck, jetzt geht das Licht schon wieder aus. Wo war ich?

ALLER HIER DRIN.
ALLES VOLL UND NICHTS KANN RAUS.
BEWEGUNGSSTAU.
ÜBERALL STILLSTAND.
SINNBILD EINES GEMÜTSZUSTANDES.
INNEN UND AUßEN.
WAS WILL MAN TUN, WENN ES NICHT EINMAL BEWEGUNG AN FRISCHER LUFT BRINGT?
WENN ERST EINMAL ALLES INS STOCKEN GERÄT, IST ENDE GELÄNDE.
SCHLUSS MIT LUSTIG.
KANN MIR SELBST NICHT HELFEN UND KANN AUCH SONST KEINER.
WILL ICH AUCH NICHT.
NIEMAND SOLL SICH DA EINMISCHEN, IN MICH REINGLOTZEN, AN MIR RUMMANIPULIEREN.
DAS IST MEINE TRAURIGKEIT, MEIN CHAOS, MEIN SCHMERZ.

Das ist jetzt aber nicht normal! Solche Geräusche kommen nicht vom Wind, auch nicht vom Knarren im Gebälk. Diese Ausgangssperre bietet ja geradezu paradiesische Zustände für Einbrecher. Und für Straftäter, die ihre Opfer überfallen, ihnen Gewalt antun. Vielleicht sollte ich den Hund...das wäre ja sein Job...aber am Ende wird er einfach erschlagen...Dass ich aber auch rein gar nichts hier habe, womit ich mich verteidigen kann. Moment. Der Flacon. Da ist doch Parfum drin. Das besteht doch zu 90 Prozent aus Äthanol. Das brennt in den Augen. Habe ich noch nie benutzt. War ein Abschiedsgeschenk des Chorleiters in der Philippus-Gemeinde. Riecht bestimmt aufdringlich, ist also nicht schade drum.
Oh Gott! Jetzt kommt er rein. Da! Nimm das! Oh, der schreit aber mächtig. Der soll still sein, das ist ja furchtbar. Warum schreit der nur so? Riecht seltsam. Oh. Jetzt ist er still. Unglaublich still. Geradezu unheimlich. Wonach riecht das? Das ist doch kein Parfum? Was hatte der Chorleiter geplant? Der Kerl hier atmet nicht mehr. Ich muss wohl jetzt mal die Polizei anrufen. Aber ich bin gerade so im Flow.

ALLER HIER DRIN.
ALLES VOLL UND NICHTS KANN RAUS.
BEWEGUNGSSTAU.
ÜBERALL STILLSTAND.
SINNBILD EINES GEMÜTSZUSTANDES.
INNEN UND AUßEN.
WAS WILL MAN TUN, WENN ES NICHT EINMAL BEWEGUNG AN FRISCHER LUFT BRINGT?
WENN ERST EINMAL ALLES INS STOCKEN GERÄT, IST ENDE GELÄNDE.
SCHLUSS MIT LUSTIG.
KANN MIR SELBST NICHT HELFEN UND KANN AUCH SONST KEINER.
WILL ICH AUCH NICHT.
NIEMAND SOLL SICH DA EINMISCHEN, IN MICH REINGLOTZEN, AN MIR RUMMANIPULIEREN.
DAS IST MEINE TRAURIGKEIT, MEIN CHAOS, MEIN SCHMERZ.
WENN MIR DAS ERST EINMAL GENOMMEN WIRD, HABE ICH JA GAR NICHTS MEHR.
WIEDER ZU VIEL GEGESSEN.

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