Freitag, 22. Juni 2018
Warte, bis es dunkel wird
„Die bescheuerte Alte habe ich erstmal eiskalt auflaufen lassen. Einfach so getan, als wenn sie nicht da wäre, ist sie fast an die Decke gegangen. Erst tut sie immer so best friends-mäßig und wenn sie merkt, dass sie damit nicht landen kann, macht sie auf Gangster-Rapper, aber voll schlecht, echt nur peinlich und dann brüllt sie irgendwann nur noch rum. Aber was will sie machen? Die kann mir ja nichts.“

Sie hatte es gehört, rein zufällig, weil sie eben bei der Toilettenkontrolle ein paar formidable Bremsspuren entdeckt hatte, bei den Jungs, wo sonst. Die schrubbte gerade die Keramik, als die unflexiblen Stehpisser von Morgen sich am Urinal versammelten und ihre hirn- und respektlosen Väter nachäfften.
Von wegen, ich kann dir nichts – dachte sie. Dir zeig ich schon , wo der Hammer hängt und zwar heute noch. Warte, bis es dunkel wird.

Sie wusste, dass er nach dem Konfi-Unterricht zum Fußballtraining ging und dass das zwei Stunden dauerte. Sie wusste wo er wohnte und dass sein Weg mit dem Rad durch den stillen Park führte, der schon bei Tageslicht ziemlich verwaist da lag. Es war wie bei einem Nachtgeländespiel: Keine scharfen Geschosse, sie plante nur einen frontalen Hieb mit der Pool-Nudel.

Scheiß Trainer – dachte er. Ich könnte Stürmer, wenn die Ratte mich nur nicht die ganze Zeit so anglotzen würde, als wenn er förmlich darauf wartet, dass ich irgendwas falsch mache. Marvin grätscht dauernd rein, Lukas pennt fast ein auf dem Weg zum Tor und Sebastian haut die ganze Zeit miese Sprüche raus, aber die kriegen nie Lack. Nee, ich muss ja Vorbild sein, schließlich ist Super-Nobby mein Dad, muss ich ja auch super sein. Und wenn ich beim nächsten Spiel wieder nicht aufgestellt werde, ist die neue Playstation gestrichen, verdammt. Und dann nervt Mama noch, weil ich meinen Englisch-Vokabeltest verhauen habe und beide machen Stress, dass ich aufräumen soll und nie lässt mich einer in Ruhe! Aber selber hängen sie den ganzen Abend vor der Glotze und gucken Talk-Shows, Serien und Dokus. Ich geh gleich in meine Bude und schließe ab. Die sollen sich alle mal doppelt ficken. Was...?!

Sie hat ihn voll erwischt und er ist zu Boden gegangen. Einen Moment ist es still, dann hört sie ihn wimmern. Hat sich vielleicht den Arm gebrochen, soll ja vorkommen bei Stürzen, sogar bei Jugendlichen.
„Wusste gar nicht, dass du so 'ne Muschi bist.“, raunzt sie.
„Was?...Wer?...“, stammelt er nur.
„Willst du etwa behaupten, du weißt nicht, wer dich hier gerade vom Fahrrad geholt hat?“, fragt sie angriffslustig.
„Nee? Wieso überhaupt? Was soll das?“
„Ja, das ist schlau von dir, denn wenn du zugibst, dass du mich erkannt hast, könnte ich ja auf die Idee kommen, sonst was mit dir anzustellen. Aber erzähl ruhig Mama und Papa, wer dir gerade eine verapsst hast. Das glauben die zu Hause dir sowieso nicht.“
Er zuckt zusammen und verzieht das Gesicht. „Aua, mein Arm.“
„Aua, aua“, äfft sie ihn nach. „Der arme Arm. Soll ich ihn dir noch einmal brechen? Dann hast du Grund zu Wimmern.“
„Aber was hab' ich denn gemacht?“
„Gar nichts, gar nichts du Unschuldslamm. Du warst doch höchstens ein bisschen respektlos, ein bisschen zu laut, ein bisschen zu albern, ein bisschen zu nervtötend, du weißt schon. Aber das Problem ist, von allem ein bisschen, das ist irgendwann entschieden zu viel. Wer meine Nerven zu sehr strapaziert, der löst ein Gewitter in meinem Kopf aus und das entlädt sich dann in donnernden Rückschlägen, da kann ich gar nichts machen, das kommt dann einfach so. Ich kann dir nicht einmal sagen, was ich als nächstes tun werde. Vielleicht zupfe ich dir nur ein paar Haare aus, vielleicht aber auch einen Zahn, wenn du verstehst, was ich meine.“
Sein Überlebenswille gewann die Oberhand über seine Angst. Wer auch immer ihn hier fertig machen wollte, er müsste ihn zuerst fertigmachen. Doch er hatte die Rechnung ohne seine Gegnerin gemacht, denn die kannte ihn ja. Bevor er seinen Plan zu Ende denken konnte, hatte sie seine Beine zusammengetaped und ihm danach den Mund mit Gafferband verschlossen. Trotz der Dunkelheit konnte sie die Panik in seinen Augen sehen. Sicher hatte er sie längst erkannt und verstanden, worum es ging. Sie würde ihn so lange auf die Folter spannen, biss er sich in die Hosen machte, dann würde sie ihn laufen lassen.
Er begann zu weinen. Zuerst kullerten nur ein paar Tränen, dann drangen Schluchzer durch den verklebten Mund. Sie saß auf einer Bank und beobachtete ihn schweigend. Sie ließ ihn schmoren, sollte er ruhig ein bisschen nachdenken.
Als ihr langweilig wurde, sah sie nach, d.h., sie näherte sich und roch schon, dass ihre Rechnung aufgegangen war. Zeit ihn zu erlösen, aber nicht, ohne ihm reichlich Stoff zum Nachdenken mit auf den Weg zu geben.
„Vielleicht hast du jetzt verstanden, dass man, egal was man anderen antut, irgendwann alles zurück kriegt, manchmal auch doppelt und dreifach.“
Sie löste die Fesseln um seine Knöchel und zog ihn an seinem gesunden Arm auf die Füße, dann riß sie mit einem Ruck das Tape von seinen Lippen. Er schrie auf.
„Sei nicht so eine Muschi.“, höhnte sie und verschwand im Gebüsch.

Er schlich nach Hause. Die würden ihm das wirklich nicht glauben. Er hatte keine Ahnung, was er erzählen würde, nur dass der Zorn in ihm gerade ins Unermessliche gewachsen war.

Sie war ausgezogen, um Seelen zu retten. Sie wusste es noch nicht, aber an diesem Abend hatte sie ihre Seele verloren.

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Schön.

Nur,
Seelen verliert man nicht, die vergräbt man.
Tief in sich.

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Mansplainer, pisseliger ;-)

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Den Ausdruck kenn ich noch nicht. *kratz*

Korrektur:
jetzt hab ich nachrecheriert, bezweifle aber die inhaltliche Richtigkeit.

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Welchen Ausdruck hast Du denn recherchiert? Den Mansplainer oder den pisseligen? Oder sogar beide?

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Tja, das wird für Dich wohl immer ein Geheimnis bleiben ...

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Impressum und Datenschutzerklärung:
Cristina Fabry, Postfach 1124, 33819 Werther - Dieses Blog ist privat und dient keinen gewerblichen Zwecken.
Persönliche Daten werden von mir weder verwendet noch weitergeleitet. Wer in meinem Blog kommentiert, entscheidet selbst, ob er damit einen Link zu seinem eigenen Blog setzt. Für die Inhalte der Links bin ich nicht verantwortlich, sondern ausschließlich die Betreiber der verlinkten Blogs.
Kommentare in meinem Blog, die rassistische, diffamierende oder volksverhetzende Inhalte aufweisen, werden umgehend gelöscht.
Im Übrigen verweise ich auf die Datenschutzerklärung des Betreibers dieser Plattform.

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Nun...
dieses gut geschriebene Impressum, wird wohl niemand (so einfach) finden, sobald es nicht mehr unter den 5 Kommentaren angezeigt wird. Dafür legt man am besten einen eigenen Beitrag an, den man in der neu erstellten Rubrik: Impressum speichert. Dann kann man den Beitrag mit dem Impressum leicht über die Themen links oben auf der Blogseite finden. Nur als Anmerkung: Ein Blog, der zu Werbezwecken dient, insbesondere dann, wenn man selbst daran verdient oder verdienen möchte, ist m.E. kein privater Blog (mehr). Aber, wenn man darin seinen Namen und die Anschrift angibt, wie du es getan hast und das Impressum gut sichtbar, also leicht zu finden ist, ist alles ok.

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Huch,
haste Ärger mit Kommentatoren, liebe Blogkollegin oder warum dies Impressum hier?

Falls ja:
"Die sollen sich alle mal doppelt ficken..."
Schöner Satz.;)

Zur Story: Ganz schön böse - die Jungs UND die Alte!
Auch mal `ne Alternative, wenn die Jungs zu frech werden ...
Das mit dem Seelen retten habe ich (noch) nicht ganz kapiert - vielleicht sollte ich es nochmal lesen ...?

Ähm: Sie ist es, die den Konfi-Unterricht gibt, ja?
Vielleicht wärs klarer, das mit in die ersten Sätze der Einleitung zu schreiben - so dachte ich erst, sie wäre dort die Putzfrau ...

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@ keinmann
Mit mir hat sie jedenfalls keinen Ärger! Ich habe nur gesehen, dass sie ihr Impressum als Kommentar eingestellt hat und wollte sie nur darauf hinweisen, dass es dort schlecht gefunden wird. Also, von meiner Seite aus, gibt es kein Problem, denn auch durch die Anmerkung wollte ich sie nur über die Rechtslage informieren.

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@magic desire
Das mit dem Kommentar ist mir bewusst, kann ich ja immer neu einstellen, sobald er nach unten rutscht, habe ich mir gedacht. Aber danke für Deinen Tipp. Ich probiere das mal hinzufrickeln, wenn ich mehr Zeit habe.

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@keinmann
Ich habe mit niemandem Ärger, ich will nur keinen Ärger mit Abmahnanwälten.

zur Story: Ich schreibe gern ein kleines bisschen kryptisch, so dass die Lesenden auch ein bisschen denken müssen ;-)
Sie wirkt im Konfi-Unterricht mit, ist aber nicht die Pfarrerin.
Und das mit den Seelen: Sie ist u.a. mit der Absicht in ihren Job gegangen "Seelen zu retten", also z.B. Jugendlichen, die mit sich selbst nicht mehr klarkommen, dabei zu unterstützen, einen Ausweg zu finden. Aber mit dieser Tat hat sie sich selbst zu einem seelenlosen Monster gemacht. Es ist nachvollziehbar, solche Phantasien zu haben, aber die dann auch in die Tat umzusetzen, ich glaube, da tötet man etwas in sich ab. So war das gemeint. Oh Gott, jetzt schreibe ich schon Interpretationen meiner eigenen Texte. Hoffentlich wache ich nicht eines Morgens auf und bin Deutschlehrerin. In Wanderschuhen und Jack Wolfskin-Jacke ;-)

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Gaaanz ruhig...
...durch die Hose atmen, Kollegin: Niemand muss hier Deutschlehrerin werden - die Wanderschuhe und Jack Wolfskin-Jacke lassen wir mal im Kleiderschrank und hyperventilieren schön inne Brötchentüte:
Tiiiiiieeeeeeef einatmen, auuuuuuuuusatmen ....
Besser?
So.
Kernfrage: Wie wollen wir`s in Zukunft machen:
Kommis auch mit Textarbeit erwünscht - oder lieber nur Lesekommentare?
Musseeinfachnursagen, Liebelein.

Du schrobst/interpretiertetest: "Sie wirkt im Konfi-Unterricht mit, ist aber nicht die Pfarrerin" und das Deine Protagonistin Jugendlichen, die mit sich selbst nicht mehr klarkommen, hilft und sie dabei unterstützen will, einen Ausweg zu finden" - das konnte ich mir aus dem Gesamttext auch erschließen.
Mein Vorschlag war, diese Infos in den Eingangszeilen zu geben, damit man den Schlussatz besser versteht, so in der Art:


Zit: "Sie hatte es gehört, rein zufällig, als sie nach dem Konfirmanden-Unterricht, bei dem sie mitgearbeitet hatte, anschließend bei der Toilettenkontrolle ein paar formidable Bremsspuren entdeckt hatte, bei den Jungs, wo sonst.
Sie schrubbte gerade die Keramik, als die unflexiblen Stehpisser von Morgen sich am Urinal versammelten und ihre hirn- und respektlosen Väter nachäfften.
Von wegen, ich kann dir nichts – dachte sie. Ich bin hier zwar nicht die Pfarrerin, aber ich hab` mich für Euch Jugendliche engagiert, für Euch bisher alles getan, eure Frozzeleien klaglos hingenommen ... nur damit ich jetzt hier von einem Jüngelchen verarscht werde? Dir zeig ich schon noch, wo der Hammer hängt und zwar heute noch. Warte, bis es dunkel wird..."



Darfste gerne mit machen was Du willst, Süße: Auch inne Tonne kloppen.

;)

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Inne Tonne kloppen?
Och nöö. Lass ich lieber so stehen. Ist auch schön, was Du da geschrieben hast. Aber an der Geschichte schraub ich nicht mehr rum. Ich mag das, dass die Lesenden rätseln müssen. Oder nervt das sehr?

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Es war nur ein Vorschlag ...
...zum besseren Verständnis ;)

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Ja, das war mir klar,
ich will auch nicht undankbar erscheinen, darum will ich Deinen Vorschlag ja auch nicht in die Tonne kloppen sondern so stehen lassen, weil das auch eine Erzähloption wäre.
Aber vielleicht sollten wir aufhören uns gegenseitig zu versichern, dass wir uns nicht vor den Koffer scheißen wollen, das ist doch ohnehin klar, oder?
:-)

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