Samstag, 31. Dezember 2022
Zwölf überflüssige Morde mit absurden Weihnachtsaccessoires, Nr. 9
"Unsanfte Flagellation", bemerkte Kerkenbrock und starrte angewidert auf den nackten, bäuchlings ans Bett gefesselten, männlichen Leichnam. Sein Rücken wies zahlreiche Striemen, Hämatome und offene Wunden auf. Neben dem Bett lagen die möglichen Werkzeuge dieses grausamen Todes: Eine Nikolausmütze und eine Birkenrute.
"Vielleicht wollte er es so haben und es ist schief gegangen.", überlegte Keller. "Es gibt nicht nur autoerotische Unfälle."
"Und der oder die Partnerin ist in kopfloser Panik aus der Wohnung gestürmt?"
"Wäre immerhin möglich."
"Ich glaube, dafür sind die Verletzungen zu erheblich.", entgegnete Kerkenbrock. Ich sehe mir mal seinen Rechner an."
Das Opfer war auf zahlreichen, fragwürdigen Seiten unterwegs gewesen: ein wenig Pornographie, eigentlich nicht der Rede wert, jedoch diverse Anbieter sexueller Dienstleistungen, Begleitservices, Callgirls, Etablissements. Hier waren viele Gespräche zu führen.
Eine Woche später stellten sie fest, dass sie erst am Anfang standen. Das Opfer war ein Täter gewesen. Einer der gern Frauen quälte, gegen Bezahlung, nur sahen die Frauen meistens so gut wie nichts von dem Geld. Hunderte kamen als Täterinnen infrage und heimlich hoffte Sabine Kerkenbrock, dass sie die Vollstreckerin niemals erwischen würden.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Freitag, 30. Dezember 2022
Zwölf überflüssige Morde mit absurden Weihnachtsaccessoires, Nr. 8
Bettina lag da wie kunstvoll drapiert. Nicht ein Tropfen Blut war zu sehen. Er hätte nie gedacht, dass es so einfach wäre. Wo doch die letzten Jahre so schwer gewesen waren, mit ihrer Sucht, ihren Wutanfällen, Zusammenbrüchen, Reuebekundungen, Besserungsbeteuerungen, Rückfällen. Er hatte einfach nicht mehr gekonnt.
Sie hatten am Weihnachtsabend so getan als sei die Welt in Ordnung. Der glitzernde Lichterbaum auf der Galerie, viele, große Geschenke, ein Teller mit Leckereien, Sekt und romantische, amerikanische Weihnachtsschlager aus den Fünfzigerjahren. Sie hatte nicht mehr aufgehört, eine Sektflöte nach der anderen zu leeren und das Papier der vielen Pakete hatte sie voll Übermut über das Geländer in die Eingangshalle geworfen.
"Wolkenweiche Geschenkpapierberge.", hatte er ihr zugeflüstert. "Wie im Himmel. Ist das nicht romantisch?"
Sie hatte lachend den Kopf zurückgeworfen, in ihrem Cremefarbenen Kleid und mit den üppigen blonden Locken sah sie aus wie ein Rauschgoldengel. Er hatte ein Bild in ihr heraufbeschworen, einen britischen Werbespot, den sie beide geliebt hatten, in dem ein kleiner Hund voll Wonne in einen Berg abgewickelten Toilettenpapiers springt, wie in eine himmlische weiche, wattige Wolke.
Der Trigger funktionierte. Sie schwang die Beine über das Geländer und ließ sich lachend fallen. Es knallte kurz, dann war da nur noch Stille.
"Abgerauscht.", flüsterte er. Dann rief er einen Rettungswagen.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 29. Dezember 2022
Zwölf überflüssige Morde mit absurden Weihnachtsaccessoires, Nr. 7
Stella schmollte. Pastor Hahnemann fand es auch noch besonders witzig, dass sie einen Stern spielte. So eine blöde Rolle. Als wenn es nicht schon schlimm genug war, beim Konfirmandenkrippenspiel mitwirken zu müssen. Eine hirnlose Tradition weihnachtlicher Backfischdemütigung. Sebastian spielte den Josef und hatte sich "aus pädagogischen Gründen", wie es Pastor Hahnemann formuliert hatte, die Maria an seiner Seite selbst erwählen dürfen. Natürlich hatte er Tabea ausgesucht. Alle waren scharf auf Tabea. Und Stella stand nun da, mit einem Stock an der Hand, auf dessen abgerundetem Ende ein goldener Pappstern mit Schweif prangte, der Komet von Bethlehem. Sie hatte nur einen Satz. "Seht mich an: Wo ich stehe, da findet ihr den Retter." Aber sie sah niemand an. Alle sahen nur Tabea an. Ganz besonders Sebastian. Der Verräter. Der Sternenstab war am oberen Ende abgerundet, wie bereits erwähnt. Nach unten lief er spitz zu. Er diente im Sommer als Rankhilfe. Der Stern stellte dem Josef ein Bein. Der Josef schlug lang hin. Der Stern stach zu. Mitten ins Herz. Das hatte er davon, dass er die falsche Maria gewählt hatte.
"Wie im wirklichen Leben.", dachte Stella noch. "Der echte Josef soll ja auch nicht alt geworden sein."

... link (0 Kommentare)   ... comment


Mittwoch, 28. Dezember 2022
Zwölf überflüssige Morde mit absurden Weihnachtsaccessoires, Nr. 6
Die Magenkrämpfe ließen nicht nach. Leander hatte ihr vor einer Stunde Heilerde verabreicht, weil das Sodbrennen nach der gestrigen Fressorgie unerträglich geworden war. Dieses Granulat, das man unzerkaut mit einem Glas Wasser herunter spülte, als würde man den Magen mit einer Trittschalldämmung versehen. Eklig, aber normalerweise hochwirksam. Nur diesmal blieb die gewünschte Wirkung aus. Stattdessen wurden die Krämpfe heftiger, die Schmerzen kaum zu ertragen.
Leander überlegte, ob er die Verpackung einfach über den Hausmüll entsorgen sollte, entschied sich dann aber dagegen, wer konnte schon mit Sicherheit sagen, dass man sich auf die Müllabfuhr verlassen konnte.
"Bin gleich wieder da.", rief er über die Schulter und machte sich auf zu einem Spaziergang. Den Karton mit dem Rattengift nahm er mit. Im Nachbarort stand gerade eine Mischmüllmulde herum, die frei zugänglich war. Dunkel war es auch schön, niemand würde ihn bemerken. Und wenn er wieder zu Hause war, wären Lenas Krämpfe vorbei.

... link (0 Kommentare)   ... comment