Dienstag, 27. Dezember 2022
Zwölf überflüssige Morde mit absurden Weihnachtsaccessoires, Nr. 5
Auf dem Tisch standen Sektflöten mit schalen Resten weihnachtlichen Champagners. In einem Glas befand sich ein Gegenstand, jedoch weder eine Olive noch ein Cocktailkirsche. Keller trat näher heran, um den Inhalt zu fixieren. Er identifizierte einen abgetrennten Finger und an dem Amputat steckte ein Siegelring.
"Das ist mal ein Statement.", meinte Keller und machte sich auf die Suche nach den restlichen 996 Promille des Schlossherrn. Seine Mörderin befand sich bereits in Polizeigewahrsam. "Seine Linie ist hiermit zu Ende." hatte sie noch gelallt, bevor sie in den komatösen Schlaf des alkoholischen Vollrausches gefallen war. Sie roch nach Scotch. Warum hatte sie den Finger nicht in hochprozentigem Alkohol eingelegt? Aber eigentlich erklärte sich das von selbst.

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Montag, 26. Dezember 2022
Zwölf überflüssige Morde mit absurden Weihnachtsaccessoires, Nr. 4
"Du verwöhnst mich doch immer wieder, als wäre ich deine Prinzessin.", hauchte Jennifer Hendrik entgegen, während sie zitternd vor freudiger Erregung den Gutschein in den Händen hielt: Geschenkgutschein für eine Schlittenfahrt. Sofort einzulösen.
"Du BIST meine Prinzessin.", erwiderte Hendrik und blickte verstohlen zur Seite, ob auch niemand mitbekam, dass er sich mit seiner jungen Assistentin für einen kurzen Moment von der Betriebsfeier abgesetzt hatte.
"Zieh dich warm an und geht schon mal nach unten. Ich komme gleich nach."
Jennifer schlüpfte in den Luxus-Webpelz vom letzten Jahr. Eine romantische Schlittenfahrt. Was würde Hendrik sich als nächstes einfallen lassen? Und wohin ging die Reise? In ein schnuckliges kleines Hotel? Mit Champagner und Verlobungsringen am Kaminfeuer? Hatte er es endlich geschafft, seiner Frau alles zu offenbaren?
Sie lief die Treppen hinunter, war so voller Leben, wie schon seit Wochen nicht mehr. Vor der Tür stand ein Motorschlitten mit Fahrer.
"Steigen Sie ein, Lady.", forderte der sie mit sonorer Stimme auf. Sie ließ sich auf die Sitzbank fallen und wollte sich gerade vorstellen, wie Hendrik jeden Augenblick neben ihr sitzen und sie umarmend mit ihr durch den nächtlichen Schnee brausen würde, da startete der Fahrer die Maschine und fuhr los.
"Warten Sie, warten sie, mein Freund, äh, mein Mann fehlt noch. Bitte kehren Sie um.", rief sie verzweifelt, denn der Fahrer schien sie nicht zu hören, fuhr weiter, brauste durch die Kurven, verließ die festen Wege, zischte über Felder und Wiesen, legte plötzlich einen merkwürdigen Hebel um, verließ den Schlitten mit einem beherzten Sprung und ließ ihn vor einen Baum rasen.
Hendriks Problem war gelöst.

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Sonntag, 25. Dezember 2022
Zwölf überflüssige Morde mit absurden Weihnachtsaccessoires, Nr. 3
Benjamin verstand die Welt nicht mehr. Was waren das für Zeiten, in denen man nicht einmal mehr in seinem verschlafenen Heimatdorf einen kurzen Waldspaziergang unternehmen konnte, ohne in eine bedrohliche Lage zu geraten?
Er hatte Burkhard getroffen. Sie kannten sich aus der Grundschule und vom Konfirmandenunterricht. Burkhard war ab der 5. Klasse zur Gesamtschule im Nachbardorf gegangen, Benjamin hatte das Gymnasium in der Stadt besucht. Burkhard hatte sich in Charlotte verliebt, Benjamin war zwei Jahre mit ihr zusammen gewesen. Burkhard war im Schützenverein, Benjamin bei Greenpeace, Burkhard hielt Mastschweine, Benjamin war Vegetarier. Gerade gestern, nach der Christvesper hatten wieder alle Frauen- und Mädchenaugen auf Benjamins edlen Zügen und sportlicher Statur geruht, während der moppelige Burkhard nur abschätzige Blicke und zurückweisende Kommentare einfuhr.
Jetzt hatte er ihn im Wald erwischt. Er hatte noch Kabelbinder in der Tasche gehabt und Benjamin an einen Zaun gefesselt. Es war kalt. Wollte Burkhard ihn hier erfrieren lassen? Er schrie um Hilfe, aber vergeblich. Am 1. Weihnachtsfeiertag waren die Nachmittagsspaziergänge alle längst erledigt und die Dorfbevölkerung saß bei Kaffee und Kuchen unterm Lichterbaum.
Doch Burkhard kam zurück. Er hatte einen Eimer dabei. Als er Benjamin erreicht hatte, sah dieser, was sich in dem Eimer befand: Abfälle vom Gänsebraten, Knochen mit Fleischresten.
"Die nagst du jetzt alle sauber ab, danach mache ich dich wieder los.", erklärte Burkhard.
"Das geht nicht.", entgegnete Benjamin. "Ich bin Vegetarier."
"Das geht.", erwiderte Burkhard. "Friss oder stirb."
Benjamin machte keinerlei Anstalten Burkhards demütigender Aufforderung nachzukommen, zu groß war die Abscheu vor den Fleischresten und das Wissen um die Unverträglichkeit, denn er lebte seit fast zwanzig Jahren fleischlos.
Burkhard nahm einen Schenkelknochen und sagte: "Du frisst das jetzt, du Lackaffe!" und rammte Benjamin den Knochen in den Mund. Er hatte ihn tief in den Rachen gerammt, Benjamin bekam keine Luft mehr, konnte sich aber auch nicht von dem Vogelbein befreien, weil Burkhard sein Hände festhielt. Der hielt Benjamins panische Gegenwehr für mimosenhafte Kostverachtung. Dann ließ der Widerstand nach. Aber auch alles andere. Und dann war es Burkhard, der die Welt nicht mehr verstand.

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Samstag, 24. Dezember 2022
Zwölf überflüssige Morde mit absurden Weihnachtsaccessoires, Nr. 2
"Welch verstörende Mischung aus erbarmungsloser Grausamkeit und pittoresker Ästhetik.", bemerkte Kerkenbrock. "So etwas habe ich noch nie gesehen. Nicht einmal auf Instagram."
Im Cocktailsessel thronte die Hausherrin im festlichen Samtkleid, dekoriert mit einer leuchtenden Lichterkette, die der Mörder ihr um den Hals gelegt und sie damit erdrosselt hatte. Wie zum Hohn, hatte er die Mordwaffe anschließend an eine Stromquelle angeschlossen, womöglich in der Hoffnung, dass die malträtierten Kupferdrähte beschädigt waren und einen Brand infolge eines Kurzschlusses auslösten. Vom erwachsenen Sohn der reichen Witwe fehlte jede Spur, obwohl die Nachbarn erklärt hatten, dass er zu Weihnachten für mehrere Tage angereist sei.

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