Freitag, 11. September 2020
Streit.
Sie hatten sich schon wieder angeschrien. Er konnte nicht einmal mit Sicherheit sagen, wer den Anfang gemacht hatte. Spontan suchte er die Initialzündung bei ihr, aber war das wirklich so? Ja, sie war wie meistens zuerst an die Decke gegangen, war laut geworden, hatte ihn beschimpft, abgewertet, mit Vorwürfen überhäuft. Aber warum? Warum stritten sie ständig? Was passierte da eigentlich, beim Streiten?

Als Streit bezeichnet man die Austragung eines Konfliktes.
Als Streit bezeichnet man eine Störung in der wechselseitigen Beziehung.
Als Streit bezeichnet man die Unvereinbarkeit unterschiedlicher oder sogar konkurrierender Interessen.

Könnte man es so definieren?

Er sah in seinem antiquierten Lexikon nach. Hier gab es nur zusammengesetzte Wörter. Angeblich verstand sich das Wort von selbst.
Im Etymologischen Wörterbuch stand: Geht vermutlich von einer Grundbedeutung „Widerstreben, Starrsinn, Aufruhr“ aus...es gehört also wohl der unter „starren“ dargestellten Wortgruppe.

Als Streit bezeichnet man also ein als negativ empfundenes Ereignis.
Als Streit bezeichnet man etwas, das mit Gegnerschaft verbunden ist.
Als Streit bezeichnet man etwas, bei dem viel Energie im Spiel ist.

Ja, Energie war ja nichts Schlechtes. Streit musste nichts Schlechtes sein. Nicht umsonst sprach man von Streitkultur oder Streitlust.

Die Suchmaschine ergab: heftiges Sichauseinandersetzen, Zanken (mit einem persönlichen Gegner) in oft erregten Erörterungen, hitzigen Wortwechseln, oft auch in Handgreiflichkeiten.
Oder auch: die unverhohlene Austragung einer zwischen mehreren Personen oder Parteien bestehenden Meinungsverschiedenheit, die nicht unbedingt feindselig sein muss, oft aber von starkem emotionalen Charakter ist.

Aber warum? Und was genau machte es so unerträglich? Und half es überhaupt, es zu verstehen?

Es wäre doch alles viel entspannter, wenn er sich nicht mehr für jeden Schmatzer schämen, für jede Verspätung rechtfertigen, für jedes überflüssige Kilo entschuldigen, für jede stehengelassene Tasse beschimpfen lassen musste. Schlafen solange er wollte, Den Fernseher ein- um- und wieder ausschalten, wann er es wollte. Duschen, wenn ihm danach war, essen was ihm schmeckte und so viel ihm behagte, sich verabreden oder sich auch einmal ein ganzes Wochenende in die Wohnung zurückziehen, Musik hören, trainieren, lesen, aus dem Fenster starren.
Er könnte einfach ausziehen. Aber einfach war das nicht. Er hatte es schön hier, sich eingerichtet, ein richtiger Wohlfühlort.
Sie würde niemals ausziehen. Um keinen Preis. Sie war viel zu stolz auf all die liebevollen Details, mit der sie die Wohnung zu ihrem persönlichen Paradies gemacht hatte.

Sie schrie schon wieder. Diesmal waren es die nassen Handtücher auf dem Badezimmerboden. Wieso hängte sie sie nicht einfach über die Heizung und schwieg, so wie andere Frauen?

Sie rannte hin und her. Vom Bad ins Schlafzimmer. Vom Schlafzimmer ins Arbeitszimmer. Vom Arbeitszimmer ins Wohnzimmer. Dabei schrie sie unentwegt. Sie schimpfte, brüllte, würgte, heulte, es war unerträglich. Es gab keinen Knopf zum Abschalten, nur die finale Implosion.
Den Mottek hatte er noch nicht zurückgegeben, darüber hatte sie sich auch schon drei oder fünf mal aufgeregt, weil er immer noch im Flur herumstand und den Parkettfußboden vermackelte. Tat er gar nicht. Er war hart und schwer und ganz besonders mächtig. Er hatte schon immer eine Affinität zu sehr großen Hämmern gehabt. Dieser hier konnte viel. Man musste ihn nur Hochheben, danach nur noch im passenden Moment loslassen.

Als der helle Läufer im Flur sich rot färbte, als es endlich still und die Implosion erfolgt war, kamen endlich längst verdrängte Bilder zurück:
Ihr helles Lachen und das strahlende Gesicht.
Ihr Stöhnen und Schreien und die festen Muskeln unter der glatten Haut.
Der Duft ihres dichten Haares.
Die Abenteuerreisen und die entspannten Wochenenden am Strand.
Die Geburten der gemeinsamen Kinder.
Ihre samtweichen Küsse.
Der Quark-Kirschauflauf mit Gries und Vanille.

Würde doch einsam werden, die Ruhe.

Ob der Schwager den Mottek überhaupt zurück haben wollte?

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Brutal
zu welchen Schicksal sie den Mottek verurteilt haben. Ich versuch dem seine Ehre dahingehend zu retten. Wenigstens zum Frauen-Mörder hat es gelangt;-) Der Mottek ist wenigstens ein Mensch der Tat, also ein Handelnder.

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Ja, ich denke, so würde es der wahre Täter auch gern sehen ;-)

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