... newer stories
Freitag, 7. Juni 2019
Teufels Werk und Gottes Auftrag – ein Peter Margo-Dreiteiler – Teil 1
c. fabry, 12:48h
Es war einer dieser Abende, an denen mich nur noch eines retten konnte: der beste Whisky der Stadt. Aber es war ein heißer Sommertag gewesen und der Abend schrie eher nach Bier oder Gin-Tonic, und einen Besuch in Harrys Bar konnte ich mir eigentlich gar nicht leisten, die Aufträge ließen auf sich warten und es war Ebbe in meiner Kasse. Wenn es so weiterging, müsste ich mich in die gierigen Blutsaugerhände einer Sklavenhalterfirma begeben, um wenigestens vorübergehend auf diese Weise mein Überleben zu sichern. Niemand wollte seinen Ehepartner beschatten lassen oder seine Angestellten ausspionieren. Es war zum Verzweifeln.
Doch wie sagte meine selige Großmutter so schön? Immer wenn du denkst, es geht nicht mehr...ich erspare Ihnen den Rest, der Spruch ist zum Kotzen abgedroschen, aber tatsächlich klopfte es an der Tür und eine Gestalt trat ein, unscheinbar, fast durchscheinend und fragte mit sehr leiser, aber deutlich vernehmbarer Stimme: „Guten Abend Herr Margo, hätten Sie noch einen Augenblick Zeit für mich?“
„Aber natürlich.“, erwiderte ich, „Setzen Sie sich doch.“
Ein seltsames, androgynes Wesen nahm da vor meinem Schreibtisch Platz, sodass ich gar nicht wusste, wie ich es anreden sollte.
„Würden Sie mir auch Ihren Namen nennen?“, fragte ich so freundlich wie ich eben konnte.
„Wozu?“, erwiderte das Wesen. „Namen sind Schall und Rauch. Man hat mir schon so viele davon gegeben. Nennen Sie mich einfach wie Sie wollen.“
„Nein, so geht das nicht.“, korrigierte ich das Wesen. „Ich brauche schon Ihren richtigen Namen für meine Unterlagen. Also den, der in Ihrem Ausweis steht.“
„Mit so profanen Dingen belaste ich mich nicht.“, antwortete das Wesen. „Nennen Sie mich einfach Gott, so wie die meisten Leute in diesen Breitengraden.“
Oh, bitte nicht schon wieder ein Irrer. Was für einen Auftrag er wohl für mich haben mochte? Seinen verschwundenen Sohn suchen, der sich auf dem Weg in den Himmel einfach in Luft aufgelöst hatte? Oder sollte ich die Zwischenhändler finden, die Satan die verschollenen Seelen zuschanzten? Aber egal, die Hauptsache war doch, dass ich angemessen bezahlt wurde, also zwang ich mich, echtes Interesse vorzugeben.
„Was kann ich denn nun für Sie tun, Herr Gott?“, fragte ich.
„Vemeiden Sie bitte die Geschlechtszuweisung, das ist ja sowas von letztes Jahrhundert. Einfach nur Gott.“
„Na gut, einfach nur Gott, worum geht es?“
„Sie müssen etwas für mich herausfinden.“
„Das ist mein Beruf. Was genau soll ich denn herausfinden?“
„Woher plötzlich diese Angst überall in Europa kommt. Eigentlich sollte ich das selbst wissen, aber ich habe mir eine kleine Auszeit gegönnt und jetzt bin ich doch ziemlich überrascht von der allgemeinen Entwicklung.“
„Auszeit?“
„Ja, ich habe zu lange geschlafen.“
„Aber es heißt doch, Gott schläft nie.“
„Die Menschen haben sich schon immer gern alles schön geredet. Dabei können sie doch schon im ersten Buch der Bibel lesen, dass ich mich am siebten Tag der Schöpfung von meinen Werken ausgeruht habe. Was die vermeintlich Allwissenden mir schon alles für Eigenschaften angedichtet haben, ist unfassbar. Aber könnten wir jetzt bitte über mein Problem reden?“
„Welches Problem?“
„Die Angst in Europa. Als ich mich schlafen legte, war noch alles ganz normal, ein paar Linke, ein paar Rechte, haufenweise Desinteressierte und ein kontinuierliches Tauziehen um die Macht, aber irgendwie war die Gesellschaft im Gleichgewicht. Im Grunde wussten alle, wie gut sie es hatten und blickten voll Zuversicht in die Zukunft. Da hab' mich mir eben eine kleine Pause gegönnt. Und jetzt bin ich aufgewacht und der ganze Kontinent rutscht immer weiter nach rechts, weil sie alle die Hosen voll haben und nicht einmal wirklich wissen warum.“
„Hören Sie mal“, erwiderte ich. „Wenn Sie wirklich Gott sind, dann machen Sie sich Gedanken über ein etwas aus dem Lot geratenes Europa? Gibt es da nicht größere Baustellen auf der Welt, wo schon länger nichts mehr im Lot ist? Oder sind Sie eine multiple Pesönlichkeit und die anderen schlafen noch?“
„Auf den anderen Kontinenten habe ich auch meine Leute.“, erklärte Gott. „Mit Ihnen möchte ich mich nur über Europa unterhalten.“
„Aber warum kommen Sie damit zu mir, einem Privatdetektiv? Wenn Sie wissen wollen, woher die Ängste der Menschen kommen, müssen Sie sich mit Historikern oder Psychologen auseinandersetzen. Wie soll ich herausbekommen, woher diese Ängste kommen?“
„Weil Sie diese Ängste auch hatten und sie besiegt haben.“
„So ein Quatsch. Was wissen Sie denn über mich?“
„Alles.“
„Klar, Sie sind ja Gott. Aber warum wissen Sie dann nicht auch über alle anderen Bescheid?“
„Weiß ich ja. Mir fehlen nur ein paar Jahre. Genaugenommen weiß ich also auch nicht alles über Sie. Möglicherweise sind Ihre Ängste zurückgekehrt und ich rede mit dem falschen Mann.“
„Von welchen Ängsten sprechen Sie überhaupt?“
„Von der Angst ausgegrenzt und übervorteilt zu werden. Erinnern Sie sich, wenn auf den großen Kindergeburtstagen die Süßigkeiten verteilt wurden und Sie immer nur die schäbigen Reste bekammen, weil alle anderen dreister und schneller waren und Sie vor lauter Höflichkeit nicht aus Ihrer Haut konnten?“
„Das ist doch eine Ewigkeit her.“
„Ich rede auch von der Angst vor Schmerz durch körperliche Gewalt. Oder haben Sie ihre zitternden Knie vergessen, wenn ihr Vater mit dem Gürtel kam?“
„Mein Vater guckt sich längst die Radieschen von unten an. Der kann mir nichts mehr.“
„Ich rede auch von der Angst, keinen Platz im Leben zu finden, Angst vor zu großer Konkurrenz.“
„Das ist ja auch gesellschaftliche Realität.“
„Aber Sie haben keine Angst mehr davor.“
„Natürlich nicht. Ich habe meinen Platz ja auch gefunden.“
„Und Angst vor Fremden hatten Sie früher auch.“
„Das ist doch natürlich. Das haben Menschen so an sich. Angst, um auf Gefahrensituationen vorbereitet zu sein, weil man Unbekanntes nicht einschätzen kann und Neugier, weil im Unbekannten auch immer eine Chance liegt.“
„Bei Ihnen hat die Neugier gesiegt.“
„Ja, das stimmt.“
„Aber warum hat bei den Anderen die Angst gesiegt? Sie fürchten sich vor Flüchtenden, vor Wölfen, vor Fahrverboten, vor Steuern, aber das, was sie wirklich alle bedroht, nämlich der Klimawandel, der Überwachungsstaat und das wirtschaftliche Chaos, das leugnen sie hartnäckig, wie kleine Kinder, die sich die Augen zuhalten, damit das Monster sie nicht sieht.“
„Ja, vielleicht ist das das Geheimnis. Die Menschen werden nicht mehr erwachsen. Sie sammeln Spielzeug, rasieren sich die Sekundärbeharung weg, verlieren ihre Bindungsfähigkeit, können nicht Maß halten und wollen immer nur Spaß. Deine Welt überfordert sie.“
„Was heißt hier meine Welt? Ich habe sie den Menschen geschenkt. Sie haben sie zu dem gemacht, was sie jetzt ist. Die Alten haben saure Trauen gegessen und die Kinder bekommen stumpfe Zähne davon.“
„Sie reden in seltsamen Metaphern.“
„Ist nicht von mir. Steht in der Bibel. Hat sich ein Mensch ausgedacht.“
„Also im Ernst, ich habe keine Ahnung, wo ich mit meinen Recherchen ansetzten soll. Ich könnte natürlich bei ein paar stadtbekannten Nazis klingeln und sie zu ihren Ängsten befragen, aber sie würden mich achtkantig rausschmeißen.“
„Nein, natürlich bringt das nichts. Die verdrängen ihre Ängste sowieso und außerdem geht es mir gar nicht um die strammen Nazis sondern um diejenigen, die einfach im Strom mitschwimmen, die kleinen Fische, die vom Weg abkommen und sich in der braunen Brühe verirrt haben.“
„Aber wissen Sie im Grunde nicht längst woher deren Ängste kommen?“
„Ja, natürlich weiß ich das. Aber mir ist nicht klar, wer oder was sie angetriggert hat und ich welcher Weise.“
„Ich könnte versuchen, etwas herauszufinden, kann Ihnen aber keine befriedigenden Ergebnisse versprechen. Können Sie mich überhaupt bezahlen?“
„Selbstverständlich. Sogar im Voraus.“
Gott schob ein Bündel Scheine über den Schreibtisch. Ich zählte nach. Das reichte für einen ganzen Monat.
„Also gut.“, sagte ich. „Abgemacht. Ich beginne jetzt gleich an dem Ort, an dem die meisten Informationen zusammenlaufen.“
„Und wo wäre das?
„Gleich um die Ecke. In Harrys Bar.“
Fortsetzung folgt
Doch wie sagte meine selige Großmutter so schön? Immer wenn du denkst, es geht nicht mehr...ich erspare Ihnen den Rest, der Spruch ist zum Kotzen abgedroschen, aber tatsächlich klopfte es an der Tür und eine Gestalt trat ein, unscheinbar, fast durchscheinend und fragte mit sehr leiser, aber deutlich vernehmbarer Stimme: „Guten Abend Herr Margo, hätten Sie noch einen Augenblick Zeit für mich?“
„Aber natürlich.“, erwiderte ich, „Setzen Sie sich doch.“
Ein seltsames, androgynes Wesen nahm da vor meinem Schreibtisch Platz, sodass ich gar nicht wusste, wie ich es anreden sollte.
„Würden Sie mir auch Ihren Namen nennen?“, fragte ich so freundlich wie ich eben konnte.
„Wozu?“, erwiderte das Wesen. „Namen sind Schall und Rauch. Man hat mir schon so viele davon gegeben. Nennen Sie mich einfach wie Sie wollen.“
„Nein, so geht das nicht.“, korrigierte ich das Wesen. „Ich brauche schon Ihren richtigen Namen für meine Unterlagen. Also den, der in Ihrem Ausweis steht.“
„Mit so profanen Dingen belaste ich mich nicht.“, antwortete das Wesen. „Nennen Sie mich einfach Gott, so wie die meisten Leute in diesen Breitengraden.“
Oh, bitte nicht schon wieder ein Irrer. Was für einen Auftrag er wohl für mich haben mochte? Seinen verschwundenen Sohn suchen, der sich auf dem Weg in den Himmel einfach in Luft aufgelöst hatte? Oder sollte ich die Zwischenhändler finden, die Satan die verschollenen Seelen zuschanzten? Aber egal, die Hauptsache war doch, dass ich angemessen bezahlt wurde, also zwang ich mich, echtes Interesse vorzugeben.
„Was kann ich denn nun für Sie tun, Herr Gott?“, fragte ich.
„Vemeiden Sie bitte die Geschlechtszuweisung, das ist ja sowas von letztes Jahrhundert. Einfach nur Gott.“
„Na gut, einfach nur Gott, worum geht es?“
„Sie müssen etwas für mich herausfinden.“
„Das ist mein Beruf. Was genau soll ich denn herausfinden?“
„Woher plötzlich diese Angst überall in Europa kommt. Eigentlich sollte ich das selbst wissen, aber ich habe mir eine kleine Auszeit gegönnt und jetzt bin ich doch ziemlich überrascht von der allgemeinen Entwicklung.“
„Auszeit?“
„Ja, ich habe zu lange geschlafen.“
„Aber es heißt doch, Gott schläft nie.“
„Die Menschen haben sich schon immer gern alles schön geredet. Dabei können sie doch schon im ersten Buch der Bibel lesen, dass ich mich am siebten Tag der Schöpfung von meinen Werken ausgeruht habe. Was die vermeintlich Allwissenden mir schon alles für Eigenschaften angedichtet haben, ist unfassbar. Aber könnten wir jetzt bitte über mein Problem reden?“
„Welches Problem?“
„Die Angst in Europa. Als ich mich schlafen legte, war noch alles ganz normal, ein paar Linke, ein paar Rechte, haufenweise Desinteressierte und ein kontinuierliches Tauziehen um die Macht, aber irgendwie war die Gesellschaft im Gleichgewicht. Im Grunde wussten alle, wie gut sie es hatten und blickten voll Zuversicht in die Zukunft. Da hab' mich mir eben eine kleine Pause gegönnt. Und jetzt bin ich aufgewacht und der ganze Kontinent rutscht immer weiter nach rechts, weil sie alle die Hosen voll haben und nicht einmal wirklich wissen warum.“
„Hören Sie mal“, erwiderte ich. „Wenn Sie wirklich Gott sind, dann machen Sie sich Gedanken über ein etwas aus dem Lot geratenes Europa? Gibt es da nicht größere Baustellen auf der Welt, wo schon länger nichts mehr im Lot ist? Oder sind Sie eine multiple Pesönlichkeit und die anderen schlafen noch?“
„Auf den anderen Kontinenten habe ich auch meine Leute.“, erklärte Gott. „Mit Ihnen möchte ich mich nur über Europa unterhalten.“
„Aber warum kommen Sie damit zu mir, einem Privatdetektiv? Wenn Sie wissen wollen, woher die Ängste der Menschen kommen, müssen Sie sich mit Historikern oder Psychologen auseinandersetzen. Wie soll ich herausbekommen, woher diese Ängste kommen?“
„Weil Sie diese Ängste auch hatten und sie besiegt haben.“
„So ein Quatsch. Was wissen Sie denn über mich?“
„Alles.“
„Klar, Sie sind ja Gott. Aber warum wissen Sie dann nicht auch über alle anderen Bescheid?“
„Weiß ich ja. Mir fehlen nur ein paar Jahre. Genaugenommen weiß ich also auch nicht alles über Sie. Möglicherweise sind Ihre Ängste zurückgekehrt und ich rede mit dem falschen Mann.“
„Von welchen Ängsten sprechen Sie überhaupt?“
„Von der Angst ausgegrenzt und übervorteilt zu werden. Erinnern Sie sich, wenn auf den großen Kindergeburtstagen die Süßigkeiten verteilt wurden und Sie immer nur die schäbigen Reste bekammen, weil alle anderen dreister und schneller waren und Sie vor lauter Höflichkeit nicht aus Ihrer Haut konnten?“
„Das ist doch eine Ewigkeit her.“
„Ich rede auch von der Angst vor Schmerz durch körperliche Gewalt. Oder haben Sie ihre zitternden Knie vergessen, wenn ihr Vater mit dem Gürtel kam?“
„Mein Vater guckt sich längst die Radieschen von unten an. Der kann mir nichts mehr.“
„Ich rede auch von der Angst, keinen Platz im Leben zu finden, Angst vor zu großer Konkurrenz.“
„Das ist ja auch gesellschaftliche Realität.“
„Aber Sie haben keine Angst mehr davor.“
„Natürlich nicht. Ich habe meinen Platz ja auch gefunden.“
„Und Angst vor Fremden hatten Sie früher auch.“
„Das ist doch natürlich. Das haben Menschen so an sich. Angst, um auf Gefahrensituationen vorbereitet zu sein, weil man Unbekanntes nicht einschätzen kann und Neugier, weil im Unbekannten auch immer eine Chance liegt.“
„Bei Ihnen hat die Neugier gesiegt.“
„Ja, das stimmt.“
„Aber warum hat bei den Anderen die Angst gesiegt? Sie fürchten sich vor Flüchtenden, vor Wölfen, vor Fahrverboten, vor Steuern, aber das, was sie wirklich alle bedroht, nämlich der Klimawandel, der Überwachungsstaat und das wirtschaftliche Chaos, das leugnen sie hartnäckig, wie kleine Kinder, die sich die Augen zuhalten, damit das Monster sie nicht sieht.“
„Ja, vielleicht ist das das Geheimnis. Die Menschen werden nicht mehr erwachsen. Sie sammeln Spielzeug, rasieren sich die Sekundärbeharung weg, verlieren ihre Bindungsfähigkeit, können nicht Maß halten und wollen immer nur Spaß. Deine Welt überfordert sie.“
„Was heißt hier meine Welt? Ich habe sie den Menschen geschenkt. Sie haben sie zu dem gemacht, was sie jetzt ist. Die Alten haben saure Trauen gegessen und die Kinder bekommen stumpfe Zähne davon.“
„Sie reden in seltsamen Metaphern.“
„Ist nicht von mir. Steht in der Bibel. Hat sich ein Mensch ausgedacht.“
„Also im Ernst, ich habe keine Ahnung, wo ich mit meinen Recherchen ansetzten soll. Ich könnte natürlich bei ein paar stadtbekannten Nazis klingeln und sie zu ihren Ängsten befragen, aber sie würden mich achtkantig rausschmeißen.“
„Nein, natürlich bringt das nichts. Die verdrängen ihre Ängste sowieso und außerdem geht es mir gar nicht um die strammen Nazis sondern um diejenigen, die einfach im Strom mitschwimmen, die kleinen Fische, die vom Weg abkommen und sich in der braunen Brühe verirrt haben.“
„Aber wissen Sie im Grunde nicht längst woher deren Ängste kommen?“
„Ja, natürlich weiß ich das. Aber mir ist nicht klar, wer oder was sie angetriggert hat und ich welcher Weise.“
„Ich könnte versuchen, etwas herauszufinden, kann Ihnen aber keine befriedigenden Ergebnisse versprechen. Können Sie mich überhaupt bezahlen?“
„Selbstverständlich. Sogar im Voraus.“
Gott schob ein Bündel Scheine über den Schreibtisch. Ich zählte nach. Das reichte für einen ganzen Monat.
„Also gut.“, sagte ich. „Abgemacht. Ich beginne jetzt gleich an dem Ort, an dem die meisten Informationen zusammenlaufen.“
„Und wo wäre das?
„Gleich um die Ecke. In Harrys Bar.“
Fortsetzung folgt
... link (0 Kommentare) ... comment
Sonntag, 26. Mai 2019
Nur Werbung
c. fabry, 12:58h
WIRD NUR VON IN DEN 60ER / 70ER JAHREN GEBORENEN VERSTANDEN.
"Seit ich dich das letzte Mal angefasst habe, ist dein Arsch viel kräftiger geworden."
"Ja, ich esse täglich Schaumaküsse."
Schaumaküsse von Schwarzkopf. Für einen kräftigen, gesunden Po.
"Seit ich dich das letzte Mal angefasst habe, ist dein Arsch viel kräftiger geworden."
"Ja, ich esse täglich Schaumaküsse."
Schaumaküsse von Schwarzkopf. Für einen kräftigen, gesunden Po.
... link (2 Kommentare) ... comment
Sonntag, 19. Mai 2019
Picknick auf dem Palatin
c. fabry, 01:35h
Sie hätten heute in Mailand sein sollen, auf der Piazza Del Duomo, zur zentralen Kundgebung zum 25. April. Der kurze Anflug eines schlechten Gewissens veflatterte beim Blick auf Estefanias wohlgerundete Hüften. Ihre Eltern waren eben nach dem Frühstück zu einem Ausflug nach Ostia aufgebrochen, hatten sich mit besten Wünschen verabschiedet in dem festen Glauben, ihre Tochter und Danilo brächen eine Stunde später nach Termini auf, um sich mit dem IC nach Mailand zur großen Kundgebung am kommenden Morgen aufzumachen. Zwei Nächte in der Jugendherberge und am 26. mittags sollten sie wieder in Rom sein.
Sie waren aber in der Wohnung geblieben, hatten eine herrliche Nacht zwischen Estefanias Laken verbracht, bis zum Mittag geschlafen und packten jetzt die Rucksäcke für ihr Abenteuer: Panini, Kekse, Obst, Kaffee und eine Flasche Montepulciano aus dem elterlichen Weinkeller. Außerdem zwei Isomatten, einen Doppelschlafsack und eine Packung Präservative.
Einem Studenten der Politikwissenschaft hätte die Kundgebung zum Jahrestag der Befreiung von Krieg und Faschismus sicher gut zu Gesicht gestanden, aber 74 Jahre gaben keine Veranlassung zu denkwürdigen Inszenierungen, die man nicht verpassen durfte. Und was sie heute planten, wäre ein Erlebnis, von dem er den Rest seines Lebens zehren könnte. 2020, zum 75-jährigen Jubiläum würde Danilo selbstverständlich in Mailand dabei sein.
Emporio überprüfte zum dritten Mal den Inhalt seiner Schultertasche: Spiegelreflexkamera, Objektive, archäologisches Feinwerkzeug, Tramezzini, Cola, Skizzen- und Notizbuch. Er trug eine leichte Regenjacke aus Popeline, die er bei großer Wärme kompakt zusammenfalten und im hinteren Fach der Tasche verstauen konnte. Er würde einen wunderbaren Tag im Forum und auf dem Palatin verbringen, früh ankommen - dann war es noch nicht so voll -, etwas arbeiten, dann, während des größten Ansturms würde er sich ein ruhiges Plätzchen suchen, zu Mittag essen und seine Ergebnisse auswerten, vielleicht irgendwo ein Nickerchen machen und schließlich weiter forschen bis zur Schließung. Das konnte ihm ja glücklicherweise niemand verwehren, auch wenn er bei den Vorlesungen immer höllisch hatte aufpassen müssen, nicht damit aufzufliegen, dass er gar kein eingeschriebener Student war. Aber das lag schon lange zurück und während er bereits seit vielen Jahren sein bescheidenes Einkommen mit seiner Tätigkeit als Zeitungsverkäufer bestritt, ging er an Tagen wie diesen seiner wahren Berufung nach: der historischen und archäologischen Forschung.
Jetzt hatten sie doch tatsächlich diese chinesischen Sonnenschirme für Touristen gekauft, aber der erdnahe Fixstern brannte erbarmungslos auf ihre ungeschützten Köpfe und sie standen in einer schier endlosen Warteschlange, darum waren sie ausnahmsweise froh über die sonst so lästigen, aufdringlichen Straßenhändler. Sie langweilten sich aber nicht, denn sie hatten sich und beobachteten Mitwartende und Passanten. Alles kann zum Abenteuer werden, wenn man es nur mit einem geliebten Menschen teilen kann.
Nach zwei Stunden betraten sie endlich glücklich das Forum Romanum. Sie schlenderten durch die antiken Gassen aus vorchristlicher Zeit, legten ihre Hände auf die alten Ziegeln, setzten sich auf Marmorbänke, fotografierten sich vor pittoresken Hintergründen.
„Sieh dir den mal an.“, raunte Danilo Estefania ins Ohr und wies auf einen kauzigen, mittelalten Mann, der wichtigtuerisch an Steinen herumkratzte und mit großen Gesten fotografierte. Ein gewisses mitfühlendes Bedauern mischte sich in die Belustigung. So würden sie nicht enden und beide fühlten sich privilegiert, überlegen und frei. Sie zogen weiter und schenkten dem seltsamen Nerd keine weitere Aufmerksamkeit.
Sie hatten es sich auf der Aussichtsplattform bequem gemacht. Zeit für Kaffee und Kekse, etwas Obst und viel Spaß beim Beobachten der Touristen, die sich am grandiosen Hauptstadtpanorama ergötzten. Hier war alles dabei vom dünnen, bunten Fähnchen, das stämmige Schenkel umflatterte, über verbeulte Shorts, die den Blick auf blasse, haarige Männerbeine freigaben und deren Bündchen unter einem Bier-geformten Herrenbauch verschwanden bis zu warm eingepackten Pensionären mit Kennermiene – von den Massen der vom Scheitel bis zur Sohle in Outdoor-Equipment ausgestatteten Rucksack-Touristen einmal ganz zu schweigen.
Der Kauz mit der antiquierten Kamera lief auch an ihren Isomatten vorbei und streifte sie mit einem kurzen, verächtlichen Seitenblick. Er war ihrem Blickfeld noch nicht entschwunden, da hatten sie ihn schon wieder vergessen.
Diese Leute überall! Wie Ungeziefer krabbelten sie überall herum und besudelten die archäologischen Schätze. Sie schleppten Pflanzensamen, fremde Erde und Mikroorganismen ein, die diesen heiligen Ort unwiderbringlich veränderten und ihn von sich selbst entfremdeten. Das Forum Romanum gehörte den Römern, bestenfalls den Mittelitalienern und zwar denen mit Geist und Achtung vor den Hinterlassenschaften ihrer Ahnen. Was sich hier herumtrieb, war nichts als vergnügungssüchtiges Volk auf Schnäppchenjagd. Nur Selfies und instagramable Fotos zum Angeben hatten sie im Sinn. Sie zerlatschten die antiken Wege und verpesteten die Luft mit ihren Ausdünstungen. Liebespaare räkelten sich auf Picknickdecken, als handele es sich um eine banale Blumenwiese und sie seien allein auf der Welt. Aber Emporio zwang sich zur Ruhe. Bald würde er die gesamte Ausgrabungsstätte für sich allein haben.
Die Sonne stand noch hoch am Himmel, als das Sicherheitspersonal die alten und neu angelegten Wege ablief und kontrollierte, ob noch ignorante oder unaufmerksame Besucher auf dem Gelände flanierten. Estefania und Danilo hatten das perfekte Versteck in einem verwinkelten Lagerhaus gefunden, schwiegen und hielten zeitweise den Atem an, bis sie sicher sein konnten, dass sie nicht mehr gehört wurden.
„Und jetzt setzen wir uns auf die wellenförmigen Bodenmosaike im Casa di Livia, trinken unseren Wein und suchen Livias Schlafzimmer.“
Es war unkomfortabler als es aussah, auf dem historischen Mosaíkboden zu speisen, der unregelmäßig abgesackt war, wie von Friedensreich Hundertwasser entworfen und dann durch Überzeichnung ad absurdum geführt. Spannend war nur der Reiz des Verbotenen und das erhabene Gefühl, diesen historischen Hügel, der nur den absoluten Spitzen der römischen Gesellschaft vorbehalten war, ganz für sich zu haben. Der Rotwein entspannte und enthemmte, die Steine waren längst kühl, aber Isomatten und Doppelschlafsack taten ihren Dienst und schließlich fanden sie eine Stelle im antiken Patrizierhaus, die an Lauschigkeit nicht zu überbieten war. Danilos Hände fanden Knöpfe und Reißverschlüsse, Haken und Ösen, und sein Mund wanderte über Estefanias Hals, ihr Schlüsselbein und schließlich zu ihren festen Brüsten unter denen ihr Herz genauso heftig pochte wie seins. Sie zog ihm Hemd und Hose aus, und legte sich auf ihn, nicht nur aus Lust sondern auch, um sich an seinem muskulösen, gut durchbluteten Körper zu wärmen. Irgendwann war es eigentlich egal, wo sie sich gerade befanden, ein Bett in einer abgeranzten Wohngemeinschaft hätte keinen Unterschied gemacht.
Ein Schmerz zeriss Estefanias Brust. Ihr Atem stockte. Sie konnte nicht mehr sprechen.
Danilo fühlte etwas Warmes und Schmieriges auf seiner Brust, dann Estefanias Körper, der schwer und unbeweglich auf ihm lag. Er rüttelte an ihren Schultern. Was lief da über seinen Oberkörper? Er fing gerade an zu begreifen, was passiert war, da trennte ihn ein jäher Schmerz in der Schläfe von der Wirklichkeit.
Am nächsten Morgen herrschte helle Aufregung, das Forum Romanum und der Palatin waren ein Tatort und für Touristen gesperrt. Niemand verstand, was hier passiert war und weder von einem Täter noch von der Tatwaffe fand sich auch nur die geringste Spur...
Sie waren aber in der Wohnung geblieben, hatten eine herrliche Nacht zwischen Estefanias Laken verbracht, bis zum Mittag geschlafen und packten jetzt die Rucksäcke für ihr Abenteuer: Panini, Kekse, Obst, Kaffee und eine Flasche Montepulciano aus dem elterlichen Weinkeller. Außerdem zwei Isomatten, einen Doppelschlafsack und eine Packung Präservative.
Einem Studenten der Politikwissenschaft hätte die Kundgebung zum Jahrestag der Befreiung von Krieg und Faschismus sicher gut zu Gesicht gestanden, aber 74 Jahre gaben keine Veranlassung zu denkwürdigen Inszenierungen, die man nicht verpassen durfte. Und was sie heute planten, wäre ein Erlebnis, von dem er den Rest seines Lebens zehren könnte. 2020, zum 75-jährigen Jubiläum würde Danilo selbstverständlich in Mailand dabei sein.
Emporio überprüfte zum dritten Mal den Inhalt seiner Schultertasche: Spiegelreflexkamera, Objektive, archäologisches Feinwerkzeug, Tramezzini, Cola, Skizzen- und Notizbuch. Er trug eine leichte Regenjacke aus Popeline, die er bei großer Wärme kompakt zusammenfalten und im hinteren Fach der Tasche verstauen konnte. Er würde einen wunderbaren Tag im Forum und auf dem Palatin verbringen, früh ankommen - dann war es noch nicht so voll -, etwas arbeiten, dann, während des größten Ansturms würde er sich ein ruhiges Plätzchen suchen, zu Mittag essen und seine Ergebnisse auswerten, vielleicht irgendwo ein Nickerchen machen und schließlich weiter forschen bis zur Schließung. Das konnte ihm ja glücklicherweise niemand verwehren, auch wenn er bei den Vorlesungen immer höllisch hatte aufpassen müssen, nicht damit aufzufliegen, dass er gar kein eingeschriebener Student war. Aber das lag schon lange zurück und während er bereits seit vielen Jahren sein bescheidenes Einkommen mit seiner Tätigkeit als Zeitungsverkäufer bestritt, ging er an Tagen wie diesen seiner wahren Berufung nach: der historischen und archäologischen Forschung.
Jetzt hatten sie doch tatsächlich diese chinesischen Sonnenschirme für Touristen gekauft, aber der erdnahe Fixstern brannte erbarmungslos auf ihre ungeschützten Köpfe und sie standen in einer schier endlosen Warteschlange, darum waren sie ausnahmsweise froh über die sonst so lästigen, aufdringlichen Straßenhändler. Sie langweilten sich aber nicht, denn sie hatten sich und beobachteten Mitwartende und Passanten. Alles kann zum Abenteuer werden, wenn man es nur mit einem geliebten Menschen teilen kann.
Nach zwei Stunden betraten sie endlich glücklich das Forum Romanum. Sie schlenderten durch die antiken Gassen aus vorchristlicher Zeit, legten ihre Hände auf die alten Ziegeln, setzten sich auf Marmorbänke, fotografierten sich vor pittoresken Hintergründen.
„Sieh dir den mal an.“, raunte Danilo Estefania ins Ohr und wies auf einen kauzigen, mittelalten Mann, der wichtigtuerisch an Steinen herumkratzte und mit großen Gesten fotografierte. Ein gewisses mitfühlendes Bedauern mischte sich in die Belustigung. So würden sie nicht enden und beide fühlten sich privilegiert, überlegen und frei. Sie zogen weiter und schenkten dem seltsamen Nerd keine weitere Aufmerksamkeit.
Sie hatten es sich auf der Aussichtsplattform bequem gemacht. Zeit für Kaffee und Kekse, etwas Obst und viel Spaß beim Beobachten der Touristen, die sich am grandiosen Hauptstadtpanorama ergötzten. Hier war alles dabei vom dünnen, bunten Fähnchen, das stämmige Schenkel umflatterte, über verbeulte Shorts, die den Blick auf blasse, haarige Männerbeine freigaben und deren Bündchen unter einem Bier-geformten Herrenbauch verschwanden bis zu warm eingepackten Pensionären mit Kennermiene – von den Massen der vom Scheitel bis zur Sohle in Outdoor-Equipment ausgestatteten Rucksack-Touristen einmal ganz zu schweigen.
Der Kauz mit der antiquierten Kamera lief auch an ihren Isomatten vorbei und streifte sie mit einem kurzen, verächtlichen Seitenblick. Er war ihrem Blickfeld noch nicht entschwunden, da hatten sie ihn schon wieder vergessen.
Diese Leute überall! Wie Ungeziefer krabbelten sie überall herum und besudelten die archäologischen Schätze. Sie schleppten Pflanzensamen, fremde Erde und Mikroorganismen ein, die diesen heiligen Ort unwiderbringlich veränderten und ihn von sich selbst entfremdeten. Das Forum Romanum gehörte den Römern, bestenfalls den Mittelitalienern und zwar denen mit Geist und Achtung vor den Hinterlassenschaften ihrer Ahnen. Was sich hier herumtrieb, war nichts als vergnügungssüchtiges Volk auf Schnäppchenjagd. Nur Selfies und instagramable Fotos zum Angeben hatten sie im Sinn. Sie zerlatschten die antiken Wege und verpesteten die Luft mit ihren Ausdünstungen. Liebespaare räkelten sich auf Picknickdecken, als handele es sich um eine banale Blumenwiese und sie seien allein auf der Welt. Aber Emporio zwang sich zur Ruhe. Bald würde er die gesamte Ausgrabungsstätte für sich allein haben.
Die Sonne stand noch hoch am Himmel, als das Sicherheitspersonal die alten und neu angelegten Wege ablief und kontrollierte, ob noch ignorante oder unaufmerksame Besucher auf dem Gelände flanierten. Estefania und Danilo hatten das perfekte Versteck in einem verwinkelten Lagerhaus gefunden, schwiegen und hielten zeitweise den Atem an, bis sie sicher sein konnten, dass sie nicht mehr gehört wurden.
„Und jetzt setzen wir uns auf die wellenförmigen Bodenmosaike im Casa di Livia, trinken unseren Wein und suchen Livias Schlafzimmer.“
Es war unkomfortabler als es aussah, auf dem historischen Mosaíkboden zu speisen, der unregelmäßig abgesackt war, wie von Friedensreich Hundertwasser entworfen und dann durch Überzeichnung ad absurdum geführt. Spannend war nur der Reiz des Verbotenen und das erhabene Gefühl, diesen historischen Hügel, der nur den absoluten Spitzen der römischen Gesellschaft vorbehalten war, ganz für sich zu haben. Der Rotwein entspannte und enthemmte, die Steine waren längst kühl, aber Isomatten und Doppelschlafsack taten ihren Dienst und schließlich fanden sie eine Stelle im antiken Patrizierhaus, die an Lauschigkeit nicht zu überbieten war. Danilos Hände fanden Knöpfe und Reißverschlüsse, Haken und Ösen, und sein Mund wanderte über Estefanias Hals, ihr Schlüsselbein und schließlich zu ihren festen Brüsten unter denen ihr Herz genauso heftig pochte wie seins. Sie zog ihm Hemd und Hose aus, und legte sich auf ihn, nicht nur aus Lust sondern auch, um sich an seinem muskulösen, gut durchbluteten Körper zu wärmen. Irgendwann war es eigentlich egal, wo sie sich gerade befanden, ein Bett in einer abgeranzten Wohngemeinschaft hätte keinen Unterschied gemacht.
Ein Schmerz zeriss Estefanias Brust. Ihr Atem stockte. Sie konnte nicht mehr sprechen.
Danilo fühlte etwas Warmes und Schmieriges auf seiner Brust, dann Estefanias Körper, der schwer und unbeweglich auf ihm lag. Er rüttelte an ihren Schultern. Was lief da über seinen Oberkörper? Er fing gerade an zu begreifen, was passiert war, da trennte ihn ein jäher Schmerz in der Schläfe von der Wirklichkeit.
Am nächsten Morgen herrschte helle Aufregung, das Forum Romanum und der Palatin waren ein Tatort und für Touristen gesperrt. Niemand verstand, was hier passiert war und weder von einem Täter noch von der Tatwaffe fand sich auch nur die geringste Spur...
... link (3 Kommentare) ... comment
Sonntag, 5. Mai 2019
Balkon mit Meerblick für den Schizophrenisten
c. fabry, 21:21h

Und? Welchen hätten Sie gern?
Die sind übrigens in Civitavecchia, etwa 50 Kilometer nördlich von Rom und in Blickrichtung befindet sich das hier:

... link (2 Kommentare) ... comment
I Matti di Roma – die Verrückten von Rom
c. fabry, 21:07h
Endlich komplett, wenn auch mit Verspätung, wegen Erschöpfung :-)
Sie saß auf einem Hocker vor der Bar die Mezzo und häckelte Spitze. Jeden Tag – in den Arcaden an der Piazza Vittorio Emanuele. Sie war reizend zurechtgemacht, mit Hut und blitzsauber glänzenden, bunten Kleidern. Gern rief sie den Passanten etwas hinterher, wenn sie zwischendurch von ihren Häkeleien aufsah.

Drei Straßen weiter, an der Via Merulana, ging Concetta auf und ab, immer auf und ab. Vor dem Ristorante Da Nino, aber nur, wenn Gäste an den Tischen an der Straße saßen, wenn sie Publikum hatte, das ihren gewichtigen Telefonaten lauschte.
„Sì, sì, cosí ha detto la madre.“ (Jaja, so hat die Mutter gesagt.)
„Tranquillo!“ (Ruhig!)
„Domani, va bene. Facciamo cosí.“ (Morgen, ist gut, so machen wir es.)
Die wenigsten ahnten, dass das Headset keine Schallwellen übertrug, dass das Telefonat nur gespielt war, ein Versuch, ihre entsetzliche Leere und Einsamkeit zu bewältigen.
In der Via Cairoli saß saß Luca hinter seinem Schreibtisch, die schlafende Luna auf dem Schoß und rechnete alles noch einmal durch. Davon wurde es nicht besser. Die Bäder im Souterrain zu sanieren, war nicht drin, aber unumgänglich, wenn er weiterhin an tolerante Touristen vermieten wollte. So viel Schimmelentferner konnte er gar nicht sprühen, um das Problem wenigstens oberflächlich in den Griff zu bekommen. Ihm musste bald etwas einfallen.
Sie lebten dicht beieinander. Sie kannten sich nicht. Aber der Comissario Cantina würde sehr bald mit allen dreien zu tun bekommen.
Giuliana Francesca Colussi war in Trastevere aufgewachsen, nicht gerde eines der besten Viertel Roms, schon gar nicht in ihrer Jugend, als die ragazzi di vita, die männlichen Halbstarken überall herumlungerten auf der Suche nach Gelegenheiten, die das Leben den weniger Forschen unter ihnen beharrlich vorenthielt. Sie war ein vorbildliches Mädchen gewesen, una ragazza brava, die von ihrer Großmutter das Häkeln von Spitzendeckchen lernte und mit züchtig bedecktem Haupthaar täglich die Frühmesse besuchte, bis sie in das Alter kam, in dem sie mit ihren wachsenden Kurven die Aufmerksamkeit der jungen Männer erregte. Sie war nicht in der Lage die wortlosen Signale richtig einzuschätzen oder nach welchen Regeln das Spiel zwischen Jungen und Mädchen beziehungsweise zwischen Männern und Frauen ablief. Sie hatte gelernt, stets ein liebenswürdiges Geschöpf zu sein, höflich und entschlossen, niemanden vor den Kopf zu stoßen. Als sie die Erfahrung machen musste, dass es keineswegs genauso aus dem Wald schallt, wie man hineinruft, konnte und wollte sie es nicht glauben und bis heute versuchte sie, sich und der Welt zu beweisen, dass die Verletzungen ihres Lebens, nur die Ausnahme von der Regel darstellten. Sie segnete die, die sie verfluchten und breitete täglich aufs Neue die Arme aus, um diejenigen freudig zu empfangen, die sie benutzten und ihr weh taten.
Trotzdem saß sie wieder da, häkelte und lächelte mit feinen Spitzen-Handschuhen an ihren zarten Händen, scheinbar völlig ungerührt von dem, was sich nahezu neben ihr abgespielt hatte.
Das Opfer hieß Bruno Carisi, war einundsechzig Jahre alt und ein kleines Licht bei der Guardia di Finanza. Als Stammgast der Bar di Mezzo hatte er wie jeden Morgen auf die Schnelle gefrühstückt, bevor er sich mit der Metro zu seinem Arbeitsplatz aufmachte. Doch heute morgen war er nicht weit gekommen. Im Schatten einer Säule hatte ihn jemand mit einem langen, schmalen Messer niedergestochen. Die Waffe steckte noch in seinem Rücken, unterhalb des linken Schulterblatts. Es war ein Stich direkt ins Herz. Wenigstens war es sehr schnell gegangen und Commissario Cantina war ausgesprochen dankbar, dass die Leiche nicht in einem See von Blut badete.
Die verrückte Häklerin – Giuliana Francesca Colussi – hatte angeblich nichts von dem Mord mitbekommen, obwohl sie im Grunde direkt daneben gesessen hatte. In der Bar wunderte das niemanden, sie war verrückt, lebte in ihrer eigenen Welt und vielleicht wollte sie den Täter auch decken, denn Carisi war ihr bereits mehrere Male zu nahe getreten, hatte sie angefasst und gleichzeitig seiner tiefen Verachtung Ausdruck verliehen. Der Commissario fragte sich, ob die drahtige, kleine Frau nicht kräftiger und gefährlicher war, als sie aussah, aber sie war eindeutig nicht von dieser Welt und niemand hatte auch nur die kleinste Spur von ihr gesichert.
Die Nachbarn des Vertorbenen wussten zu berichten, dass Bruno Carisi geschieden war. Er hatte seine Exfrau Concetta verlassen, warum, darüber hatte er sich ausgeschwiegen. Es war nicht schwierig, sie ausfindig zu machen. Ihr Tränenausbruch beim Aufnehmen der Nachricht vom Tod ihres geschiedenen Mannes wirkte authentisch.
„Es tut so weh, obwohl er mich doch schon vor vielen Jahren verlassen hat.“, klagte sie. „Es ist, als täte er es zu zweiten Mal.“
„Warum hat er sich getrennt?“, fragte der Ermittler.
„Er liebte mich nicht mehr. Mir ging es nach mehreren Fehlgeburten sehr schlecht, ich war oft antriebslos und launisch. Als wir geheiratet haben, habe ich auf alle Möglichkeiten verzichtet, meine Karriere in Mailand sausen lassen und bin ihm nach Rom gefolgt. Die ersten Jahre hatten wir so wenig Geld, dass wir uns keine Kinder leisten konnten und als es endlich möglich war, hat mein Körper nicht mehr mitgespielt. Ich habe alles für in geopfert, aber er hatte mich einfach nur satt.“ Ihre Stimme erstarb in einem herzzerreißenden Schluchzen.
Wo sie zur Tatzeit gewesen sei? Einkaufen an der Piazza Vittorio Emanuele. Auch Concetta Carisi war in unmittelbarer Tatortnähe gewesen, in einer Parfümerie, wie die Verkäuferin bestätigte. Sie war in mondäner Aufmachung eingetreten, im kleinen Schwarzen, mit langstulpigen schwarzen Handschuhen, Sonnenbrille und Hut. Und sie hatte gezittert.
Doch auch von ihr fanden sich keine Spuren und es gab nicht einen Augenzeugen, der sie in der Nähe ihres Exmannes beobachtet hätte.
In der Guardia di Finanza wusste man praktisch nichts zu Carisi zu sagen. Er war ein unauffälliger Mitarbeiter und ein Blick in seine aktuellen Unterlagen zeigte, dass er gerade dabei gewesen war, Ermittlungen gegen einen gewissen Luca Martinelli einzuleiten, der sich mit diversen handwerklichen Dienstleistungen und Vermietungen an Touristen über Wasser hielt. Tatsächlich war Martinelli ebenfalls zum Tatzeitpunkt in der Nähe gewesen, in schmutziger Arbeitskleidung mit derben Handschuhen war er in die Bar gekommen, um einen schnellen Coretto zu kippen, sehr zur Verwunderung aller Anwesenden, denn so früh am Morgen nahm kaum jemand einen Espresso, schon gar nicht mit Schuss.
Alle drei hatten Motiv und Gelegenheit, kein hieb- und stichfestes Alibi, aber auch nicht die kleinste Spur hinterlassen, die sie überführt hätte.
So würde der Aktendeckel Carisi geschlossen, ohne zu einer Lösung gelangt zu sein. Wer wusste schon, ob es nicht ein Junkie war, dem dann die Zeit gefehlt hatte, das Opfer um seine Barschaft zu erleichtern, oder ein Auftragskiller, der unliebsame Ermittlungen gegen ein ehrwürdiges Mitglied der Gesellschaft aufhalten sollte oder irgendein Verrückter, der sein Opfer ganz zufällig ausgewählt hatte. Ja, dachte Cantina, es musste ein Verrückter gewesen sein, die Straßen von Rom waren voll von ihnen.
Sie saß auf einem Hocker vor der Bar die Mezzo und häckelte Spitze. Jeden Tag – in den Arcaden an der Piazza Vittorio Emanuele. Sie war reizend zurechtgemacht, mit Hut und blitzsauber glänzenden, bunten Kleidern. Gern rief sie den Passanten etwas hinterher, wenn sie zwischendurch von ihren Häkeleien aufsah.

Drei Straßen weiter, an der Via Merulana, ging Concetta auf und ab, immer auf und ab. Vor dem Ristorante Da Nino, aber nur, wenn Gäste an den Tischen an der Straße saßen, wenn sie Publikum hatte, das ihren gewichtigen Telefonaten lauschte.
„Sì, sì, cosí ha detto la madre.“ (Jaja, so hat die Mutter gesagt.)
„Tranquillo!“ (Ruhig!)
„Domani, va bene. Facciamo cosí.“ (Morgen, ist gut, so machen wir es.)
Die wenigsten ahnten, dass das Headset keine Schallwellen übertrug, dass das Telefonat nur gespielt war, ein Versuch, ihre entsetzliche Leere und Einsamkeit zu bewältigen.
In der Via Cairoli saß saß Luca hinter seinem Schreibtisch, die schlafende Luna auf dem Schoß und rechnete alles noch einmal durch. Davon wurde es nicht besser. Die Bäder im Souterrain zu sanieren, war nicht drin, aber unumgänglich, wenn er weiterhin an tolerante Touristen vermieten wollte. So viel Schimmelentferner konnte er gar nicht sprühen, um das Problem wenigstens oberflächlich in den Griff zu bekommen. Ihm musste bald etwas einfallen.
Sie lebten dicht beieinander. Sie kannten sich nicht. Aber der Comissario Cantina würde sehr bald mit allen dreien zu tun bekommen.
Giuliana Francesca Colussi war in Trastevere aufgewachsen, nicht gerde eines der besten Viertel Roms, schon gar nicht in ihrer Jugend, als die ragazzi di vita, die männlichen Halbstarken überall herumlungerten auf der Suche nach Gelegenheiten, die das Leben den weniger Forschen unter ihnen beharrlich vorenthielt. Sie war ein vorbildliches Mädchen gewesen, una ragazza brava, die von ihrer Großmutter das Häkeln von Spitzendeckchen lernte und mit züchtig bedecktem Haupthaar täglich die Frühmesse besuchte, bis sie in das Alter kam, in dem sie mit ihren wachsenden Kurven die Aufmerksamkeit der jungen Männer erregte. Sie war nicht in der Lage die wortlosen Signale richtig einzuschätzen oder nach welchen Regeln das Spiel zwischen Jungen und Mädchen beziehungsweise zwischen Männern und Frauen ablief. Sie hatte gelernt, stets ein liebenswürdiges Geschöpf zu sein, höflich und entschlossen, niemanden vor den Kopf zu stoßen. Als sie die Erfahrung machen musste, dass es keineswegs genauso aus dem Wald schallt, wie man hineinruft, konnte und wollte sie es nicht glauben und bis heute versuchte sie, sich und der Welt zu beweisen, dass die Verletzungen ihres Lebens, nur die Ausnahme von der Regel darstellten. Sie segnete die, die sie verfluchten und breitete täglich aufs Neue die Arme aus, um diejenigen freudig zu empfangen, die sie benutzten und ihr weh taten.
Trotzdem saß sie wieder da, häkelte und lächelte mit feinen Spitzen-Handschuhen an ihren zarten Händen, scheinbar völlig ungerührt von dem, was sich nahezu neben ihr abgespielt hatte.
Das Opfer hieß Bruno Carisi, war einundsechzig Jahre alt und ein kleines Licht bei der Guardia di Finanza. Als Stammgast der Bar di Mezzo hatte er wie jeden Morgen auf die Schnelle gefrühstückt, bevor er sich mit der Metro zu seinem Arbeitsplatz aufmachte. Doch heute morgen war er nicht weit gekommen. Im Schatten einer Säule hatte ihn jemand mit einem langen, schmalen Messer niedergestochen. Die Waffe steckte noch in seinem Rücken, unterhalb des linken Schulterblatts. Es war ein Stich direkt ins Herz. Wenigstens war es sehr schnell gegangen und Commissario Cantina war ausgesprochen dankbar, dass die Leiche nicht in einem See von Blut badete.
Die verrückte Häklerin – Giuliana Francesca Colussi – hatte angeblich nichts von dem Mord mitbekommen, obwohl sie im Grunde direkt daneben gesessen hatte. In der Bar wunderte das niemanden, sie war verrückt, lebte in ihrer eigenen Welt und vielleicht wollte sie den Täter auch decken, denn Carisi war ihr bereits mehrere Male zu nahe getreten, hatte sie angefasst und gleichzeitig seiner tiefen Verachtung Ausdruck verliehen. Der Commissario fragte sich, ob die drahtige, kleine Frau nicht kräftiger und gefährlicher war, als sie aussah, aber sie war eindeutig nicht von dieser Welt und niemand hatte auch nur die kleinste Spur von ihr gesichert.
Die Nachbarn des Vertorbenen wussten zu berichten, dass Bruno Carisi geschieden war. Er hatte seine Exfrau Concetta verlassen, warum, darüber hatte er sich ausgeschwiegen. Es war nicht schwierig, sie ausfindig zu machen. Ihr Tränenausbruch beim Aufnehmen der Nachricht vom Tod ihres geschiedenen Mannes wirkte authentisch.
„Es tut so weh, obwohl er mich doch schon vor vielen Jahren verlassen hat.“, klagte sie. „Es ist, als täte er es zu zweiten Mal.“
„Warum hat er sich getrennt?“, fragte der Ermittler.
„Er liebte mich nicht mehr. Mir ging es nach mehreren Fehlgeburten sehr schlecht, ich war oft antriebslos und launisch. Als wir geheiratet haben, habe ich auf alle Möglichkeiten verzichtet, meine Karriere in Mailand sausen lassen und bin ihm nach Rom gefolgt. Die ersten Jahre hatten wir so wenig Geld, dass wir uns keine Kinder leisten konnten und als es endlich möglich war, hat mein Körper nicht mehr mitgespielt. Ich habe alles für in geopfert, aber er hatte mich einfach nur satt.“ Ihre Stimme erstarb in einem herzzerreißenden Schluchzen.
Wo sie zur Tatzeit gewesen sei? Einkaufen an der Piazza Vittorio Emanuele. Auch Concetta Carisi war in unmittelbarer Tatortnähe gewesen, in einer Parfümerie, wie die Verkäuferin bestätigte. Sie war in mondäner Aufmachung eingetreten, im kleinen Schwarzen, mit langstulpigen schwarzen Handschuhen, Sonnenbrille und Hut. Und sie hatte gezittert.
Doch auch von ihr fanden sich keine Spuren und es gab nicht einen Augenzeugen, der sie in der Nähe ihres Exmannes beobachtet hätte.
In der Guardia di Finanza wusste man praktisch nichts zu Carisi zu sagen. Er war ein unauffälliger Mitarbeiter und ein Blick in seine aktuellen Unterlagen zeigte, dass er gerade dabei gewesen war, Ermittlungen gegen einen gewissen Luca Martinelli einzuleiten, der sich mit diversen handwerklichen Dienstleistungen und Vermietungen an Touristen über Wasser hielt. Tatsächlich war Martinelli ebenfalls zum Tatzeitpunkt in der Nähe gewesen, in schmutziger Arbeitskleidung mit derben Handschuhen war er in die Bar gekommen, um einen schnellen Coretto zu kippen, sehr zur Verwunderung aller Anwesenden, denn so früh am Morgen nahm kaum jemand einen Espresso, schon gar nicht mit Schuss.
Alle drei hatten Motiv und Gelegenheit, kein hieb- und stichfestes Alibi, aber auch nicht die kleinste Spur hinterlassen, die sie überführt hätte.
So würde der Aktendeckel Carisi geschlossen, ohne zu einer Lösung gelangt zu sein. Wer wusste schon, ob es nicht ein Junkie war, dem dann die Zeit gefehlt hatte, das Opfer um seine Barschaft zu erleichtern, oder ein Auftragskiller, der unliebsame Ermittlungen gegen ein ehrwürdiges Mitglied der Gesellschaft aufhalten sollte oder irgendein Verrückter, der sein Opfer ganz zufällig ausgewählt hatte. Ja, dachte Cantina, es musste ein Verrückter gewesen sein, die Straßen von Rom waren voll von ihnen.
... link (2 Kommentare) ... comment
... older stories