Freitag, 22. Mai 2020
Quarantäne – Kurzkrimi in 8 Teilen – 8. Teil
Hier endete das Tagebuch. Kurz danach musste es passiert sein, ein Tumult im Wohnzimmer, der Pfarrer war dazu gekommen und am Ende lagen alle tot am Boden.
Ob der Hundekot schon vor dem Drama da gewesen war oder ob das Tier in Todesangst seinen Darm entleert hatte, ließ sich nicht mehr feststellen. Aufgrund der Spurenlage kam Konstanze jedenfalls zu folgendem vorläufigen Ergebnis:
Ein Teil der Familie befand sich mit dem Haustier im Wohnzimmer und war in Streit geraten. Der Pfarrer kam dazu, möglicherweise hatte sich der Hund zum zweiten Mal auf dem Teppich erleichtert, was dazu führte, dass der Pfarrer den Hund mit einem massiven Kerzenständer erschlug, den er nun am Boden liegend noch in der Hand hielt. Daraufhin könnte die Tochter auf den Vater losgegangen sein und dafür von ihm geschlagen worden sein, das passte zu dem Hämatom auf ihrer linken Wange. Diese Tat zog einen Rache-Angriff seitens der Mutter nach sich, die zum Schürhaken griff und damit so lange auf ihren Gatten einschlug, bis er sich nicht mehr rührte. Irgendwann musste der Sohn sein Fahrtenmesser geholt haben – falls er es nicht ständig bei sich trug – seine Mutter mit tödlichen Stichen gerichtet haben, die kleine Schwester entweder abgewehrt haben, weil die nun ihrerseits auf den Mutter mordenden Bruder losging oder er hatte die kleine Schwester getötet um ihr das Weiterleben als zutiefst traumatisierte Vollwaise zu ersparen. Am Ende hatte der Junge sich in sein Messer gestürzt, und im Harakiristil im eigenen Unterleib gewütet, um langsam an den Folgen seiner Stich- und Schnittwunden zu verbluten.
„Und das alles am Muttertag“, seufzte Konstanze.
Keller schnaubte verächtlich. „Als wenn das auch nur den Hauch einer Relevanz besäße.“, murmelte er schlecht gelaunt. „Wann liegen die genaueren Ergebnisse der gerichtsmedizinischen Untersuchung vor?“
„Wenn ich mit allen fünf Leichen fertig bin,“ erwiderte Konstanze. „Sag mir einfach, mit wem ich anfangen soll. Wer ist Dir am wichtigsten?“
„Der Junge.“
„Warum?“
„Er ist mir sympathisch. Wenn er überlebt hätte wäre er eines Tages so geworden wie ich.“

ENDE

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