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Samstag, 16. Mai 2020
Quarantäne – Kurzkrimi in 8 Teilen – 2. Teil
c. fabry, 11:54h
Sonntag 22. März
Die Nachrichten dieser Woche haben mich sehr nachdenklich gemacht. Was geht vor in den Leuten, die massenweise Lebensmittel in ihren muffigen Kellern horten, nur um diese voraussichtlich in ein paar Monaten über den Hausmüll zu entsorgen? Wer braucht zwanzig Kilo Mehl auf Vorrat? Ist es wirklich die Angst vor dem Verhungern oder nur die immerwährende Sorge, zu kurz zu kommen, ganz egal, worum es geht, dass am Ende die Nachbarn noch Kuchen backen können, während man selber zum Bäcker laufen muss? Lebensmittel als Statussymbol. Eigentlich auch eine interessante Entwicklung, wenn es dabei nur nicht so unmenschlich zuginge. Ich denke an diese Blicke der übelgelaunten Dauershopper, die rüde und mit heruntergezogenen Mundwinkeln mit dem Einkaufswagen durch die Supermarktgänge pflügen und alles hineinwerfen, was besonders knapp ist. Oder diejenigen, die sich gegenseitig das Toilettenpapier aus den Einkaufswagen fischen. Einfach würdelos.
Und dann sehe ich die Bilder über die Zustände in Indien, wo Menschen nichts mehr zu essen bekommen, von Hygieneschutz ganz zu schweigen. Oder in Südafrika, wo sechs Menschen auf zwölf Quadratmetern zusammengepfercht über Wochen eine Ausgangssperre hinnehmen müssen und dann haben sie noch nicht einmal Wasser im Haus, müssen kilometerweit laufen, um es ran zu schaffen. Wie privilegiert wir doch sind: Wir leben in ziviler und sozialer Sicherheit, wir haben viel Platz im Haus und einen großen Garten und im Homeoffice konnte ich schon vor Corona arbeiten. Ich kann getrost ausharren.
Sonntag, 29. März
Allmählich wird es anstrengend. David sitzt nur noch vor dem Laptop oder wischt, wenn er sich ausnahmsweise außerhalb seines Zimmers befindet auf dem Smartphone herum. Mit ihm ist kein vernünftiges Gespräch mehr möglich. Vielleicht hätte ich ihn doch in einer anderen Gemeinde zum Konfirmandenunterricht anmelden sollen. Dreizehnjährige brauchen Abstand von den Eltern. Ach ja, Abstand halten muss er jetzt von allen außer den Eltern - und seiner verhassten kleinen Schwester. Manchmal frage ich mich, ob er wirklich so oft joggen geht, er sieht meistens gar nicht verschwitzt aus. Vermutlich trifft er sich heimlich mit Freunden.
Bei Sarah, meinem Sonnenschein ziehen allmählich auch düstere Wolken auf. Sie braucht ständig Zuwendung, will, dass wir alle zusammen ein Spiel spielen, braucht Hilfe bei den Schularbeiten, bettelt darum, sich doch wenigstens mit der besten Freundin treffen zu dürfen. Was kann man einer Achtjährigen anbieten außer Gesellschaftsspielen, zu denen man eigentlich keine Zeit hat und Fernsehen, das man eigentlich begrenzen muss? In der ersten Woche war es ja noch ganz spannend, so wie das Kerzenlicht bei einem Stromausfall, wo man plötzlich wieder entdeckt, wie aufregend es sein kann, sich gegenseitig Geschichten zu erzählen. Aber wenn man eine Woche lang keinen Strom mehr hat, wird es brenzlig. Hier fängt es auch an zu schwelen. Jedenfalls würde ich gern eingreifen, klarere Grenzen setzen, aber Jennifer hält dagegen, man müsse den Kindern ihren Frust zugestehen, sie ständen genauso unter Anspannung wie wir Erwachsenen, vielleicht sogar viel mehr und sie hätten noch nicht das seelische Rüstzeug, in so einer Krise geduldig auszuharren, dazu fehlt es ihnen an Erfahrung.
Ich möchte nicht wissen, was in den beengten Dreizimmerwohnungen der Unterprivilegierten vor sich geht, welche Eskalationen der Gewalt sich dort gerade abspielen, wo betrunkene Erwachsene ihre Anspannung versuchen loszuwerden, indem sie auf ihre wehrlosen Kinder einprügeln oder sich sogar sexuell an ihnen vergehen. Und gerade in dieser Zeit sieht niemand hin, weil alle nur mit sich selbst beschäftigt sind.
Sonntag, 5. April Die fleißigen Kirchgänger beklagen sich, dass nach wie vor kein Gottesdienst stattfindet und die Angebote auf der Gemeindehomepage viel zu lieblos zusammengeschustert sind. Die haben vielleicht Probleme. Sollten mal über den Tellerrand gucken, zum Beispiel nach Afrika oder Indien, nach England oder in die USA oder nach Italien oder Spanien. So viel Elend, so viele Tote, so eine miserable medizinische Versorgung, so ein schlechtes Management. Und die regen sich auf über ein fehlendes Gottesdienstangebot. Sollten mal einfach das Evangelium leben, statt sich Sonntags morgens ihre wöchentliche Portion geistlicher Anregung zu holen wie ein Voyeur, der sich bei regelmäßigen Besuchen in Sexfilmkabinen die Befriedigung verschafft, die seine Gier vorübergehend stillt. Die sehen Gottesdienst als Dienstleistung, die sie in Anspruch nehmen, damit sie sich wohlfühlen. Wellnessprogramm für die Seele. Dafür bezahlen sie schließlich Kirchensteuer. Wenn es um Nächstenliebe geht, schalten sie die Hörgeräte ab. Manchmal glaube ich, wir müssten unser Gottesdienstangebot radikal verändern, damit endlich die richtigen Leute in die Kirche kommen, die es brauchen und die dann auch etwas daraus machen, etwas weitergeben.
FORTSETZUNG MORGEN
Die Nachrichten dieser Woche haben mich sehr nachdenklich gemacht. Was geht vor in den Leuten, die massenweise Lebensmittel in ihren muffigen Kellern horten, nur um diese voraussichtlich in ein paar Monaten über den Hausmüll zu entsorgen? Wer braucht zwanzig Kilo Mehl auf Vorrat? Ist es wirklich die Angst vor dem Verhungern oder nur die immerwährende Sorge, zu kurz zu kommen, ganz egal, worum es geht, dass am Ende die Nachbarn noch Kuchen backen können, während man selber zum Bäcker laufen muss? Lebensmittel als Statussymbol. Eigentlich auch eine interessante Entwicklung, wenn es dabei nur nicht so unmenschlich zuginge. Ich denke an diese Blicke der übelgelaunten Dauershopper, die rüde und mit heruntergezogenen Mundwinkeln mit dem Einkaufswagen durch die Supermarktgänge pflügen und alles hineinwerfen, was besonders knapp ist. Oder diejenigen, die sich gegenseitig das Toilettenpapier aus den Einkaufswagen fischen. Einfach würdelos.
Und dann sehe ich die Bilder über die Zustände in Indien, wo Menschen nichts mehr zu essen bekommen, von Hygieneschutz ganz zu schweigen. Oder in Südafrika, wo sechs Menschen auf zwölf Quadratmetern zusammengepfercht über Wochen eine Ausgangssperre hinnehmen müssen und dann haben sie noch nicht einmal Wasser im Haus, müssen kilometerweit laufen, um es ran zu schaffen. Wie privilegiert wir doch sind: Wir leben in ziviler und sozialer Sicherheit, wir haben viel Platz im Haus und einen großen Garten und im Homeoffice konnte ich schon vor Corona arbeiten. Ich kann getrost ausharren.
Sonntag, 29. März
Allmählich wird es anstrengend. David sitzt nur noch vor dem Laptop oder wischt, wenn er sich ausnahmsweise außerhalb seines Zimmers befindet auf dem Smartphone herum. Mit ihm ist kein vernünftiges Gespräch mehr möglich. Vielleicht hätte ich ihn doch in einer anderen Gemeinde zum Konfirmandenunterricht anmelden sollen. Dreizehnjährige brauchen Abstand von den Eltern. Ach ja, Abstand halten muss er jetzt von allen außer den Eltern - und seiner verhassten kleinen Schwester. Manchmal frage ich mich, ob er wirklich so oft joggen geht, er sieht meistens gar nicht verschwitzt aus. Vermutlich trifft er sich heimlich mit Freunden.
Bei Sarah, meinem Sonnenschein ziehen allmählich auch düstere Wolken auf. Sie braucht ständig Zuwendung, will, dass wir alle zusammen ein Spiel spielen, braucht Hilfe bei den Schularbeiten, bettelt darum, sich doch wenigstens mit der besten Freundin treffen zu dürfen. Was kann man einer Achtjährigen anbieten außer Gesellschaftsspielen, zu denen man eigentlich keine Zeit hat und Fernsehen, das man eigentlich begrenzen muss? In der ersten Woche war es ja noch ganz spannend, so wie das Kerzenlicht bei einem Stromausfall, wo man plötzlich wieder entdeckt, wie aufregend es sein kann, sich gegenseitig Geschichten zu erzählen. Aber wenn man eine Woche lang keinen Strom mehr hat, wird es brenzlig. Hier fängt es auch an zu schwelen. Jedenfalls würde ich gern eingreifen, klarere Grenzen setzen, aber Jennifer hält dagegen, man müsse den Kindern ihren Frust zugestehen, sie ständen genauso unter Anspannung wie wir Erwachsenen, vielleicht sogar viel mehr und sie hätten noch nicht das seelische Rüstzeug, in so einer Krise geduldig auszuharren, dazu fehlt es ihnen an Erfahrung.
Ich möchte nicht wissen, was in den beengten Dreizimmerwohnungen der Unterprivilegierten vor sich geht, welche Eskalationen der Gewalt sich dort gerade abspielen, wo betrunkene Erwachsene ihre Anspannung versuchen loszuwerden, indem sie auf ihre wehrlosen Kinder einprügeln oder sich sogar sexuell an ihnen vergehen. Und gerade in dieser Zeit sieht niemand hin, weil alle nur mit sich selbst beschäftigt sind.
Sonntag, 5. April Die fleißigen Kirchgänger beklagen sich, dass nach wie vor kein Gottesdienst stattfindet und die Angebote auf der Gemeindehomepage viel zu lieblos zusammengeschustert sind. Die haben vielleicht Probleme. Sollten mal über den Tellerrand gucken, zum Beispiel nach Afrika oder Indien, nach England oder in die USA oder nach Italien oder Spanien. So viel Elend, so viele Tote, so eine miserable medizinische Versorgung, so ein schlechtes Management. Und die regen sich auf über ein fehlendes Gottesdienstangebot. Sollten mal einfach das Evangelium leben, statt sich Sonntags morgens ihre wöchentliche Portion geistlicher Anregung zu holen wie ein Voyeur, der sich bei regelmäßigen Besuchen in Sexfilmkabinen die Befriedigung verschafft, die seine Gier vorübergehend stillt. Die sehen Gottesdienst als Dienstleistung, die sie in Anspruch nehmen, damit sie sich wohlfühlen. Wellnessprogramm für die Seele. Dafür bezahlen sie schließlich Kirchensteuer. Wenn es um Nächstenliebe geht, schalten sie die Hörgeräte ab. Manchmal glaube ich, wir müssten unser Gottesdienstangebot radikal verändern, damit endlich die richtigen Leute in die Kirche kommen, die es brauchen und die dann auch etwas daraus machen, etwas weitergeben.
FORTSETZUNG MORGEN
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