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Dienstag, 18. Dezember 2018
Liebe
c. fabry, 01:35h
Sie hatte von Jules geträumt. Unfassbar zärtlich war er gewesen. Sie hörte ihren eigenen Atem, fühlte den pochenden Puls, das Nachthemd klebte schweißnass an ihrem Körper. Sie riss es sich vom Leib, stand auf und streifte ein frisches über. Dann ging sie in die Küche, ein Glas Wasser trinken. Es war mitten in der Nacht, aber sie war so aufgewühlt, musste erst einmal in ihr Postfach gucken, das hatte sie den ganzen Tag über nicht geschafft. Eine Mail von Jules. Sie öffnete sie neugierig. Da stand nur ein Satz: „Wir träumten voneinander und sind davon erwacht.“
Ramonas Herz raste, ihre Gedanken und Gefühle purzelten übereinander wie einstürzende Gebäude oder reißende Ströme bei Flutkatastrophen. Ausgerechnet Jules, dieser atemberaubend schöne Mann mit der samtenen Seele eines Nächstenliebe-Multiplikators und eben nicht von Berufs wegen, sondern weil er einfach so war, so voller Liebe für jeden, der es nötig hatte. Sein Vater war Franzose und er war zweisprachig aufgewachsen. Wie oft hatte sie sich kichernd vorgestellt, ihn zu fragen, was er von „faire chanter Ramona“ hielte. Natürlich hatte sie das nie getan, niemals hätte sie ihn derartig in Verlegenheit gebracht. Obwohl sie das Gedicht gut kannte, las sie den Satz immer wieder: „Wir träumten voneinander und sind davon erwacht.“
Sie klickte auf antworten und tippte: „Wir leben, um uns zu lieben und sinken zurück in die Nacht.“ - Friedrich Hebbel.
Sie klickte auf senden und dann geschah lange nichts. Jedenfalls konnte sie sich später an nichts erinnern, nur, dass es plötzlich an der Tür schellte und als sie öffnete, stand er da, mit großen Augen, atemlos, Tautropfen im Haar. Sie zog ihn an sich, er bedeckte ihr Gesicht mit Küssen und dann löste sie sich auf.
Als sie wieder zu Atem kam, war er schon gegangen. Seltsam, sie hatte wieder das rote Nachthemd an, das hatte sie doch ausgezogen und gegen das weiße getauscht. Oder war es umgekehrt gewesen? Und was hatte Richard von all dem mitbekommen? Hatte er Jules etwa erwischt und ihm etwas angetan? Sie war außer sich, sprang aus dem Bett und langsam dämmerte ihr etwas. Sie stolperte ins Wohnzimmer, fuhr den Laptop hoch und schaute in ihr E-Mail-Postfach. Da war nichts von Jules, auch nicht im Spam-Ordner und sie hatte auch nichts an Jules geschickt.
Es klingelte an der Haustür. Für die Post war es noch zu früh. Sie zog sich eine herumliegende Strickjacke über und öffnete die Tür. Zwei Polizeibeamten standen da, baten sie, sich etwas anzuziehen und sie aufs Polizeirevier zu begleiten. Sie verstand die Welt nicht mehr.
Wie ferngesteuert zog sie sich an, packte Zahnputzzeug, Duschgel und Hautcreme ein, weckte Richard und erklärte, wo sie hin ginge und dass sie ebenfalls nicht wisse warum.
Was war geschehen? Man hatte Freese tot aufgefunden und die Spuren deuteten auf sie. Freese war ihr in der Tat ein Dorn im Auge, ständig versuchte er, das Geld aus ihrem Arbeitsbereich für Bauvorhaben abzuziehen. Freese investierte Kirchensteuermittel lieber in Steine als in Menschen. Jules sah das genauso. Jules hatte gerade fürchterlichen Stress mit ihm, weil Freese Spenden verwendet hatte, um Haushaltslöcher zu stopfen, ohne dass Jules das beweisen konnte. Spenden, die er für bedürftige Familien gebraucht hätte und zur Unterstützung der Jugendarbeit.
Jules hatte das Motiv, die Möglichkeit und war gestern Abend telefonisch nicht erreichbar gewesen, obwohl er laut Zeitplan im Gemeindehaus keinen Termin gehabt hatte. Ramona bekannte sich schuldig. Sie gab zu, Freese das Crêpe-Eisen über den Schädel gezogen zu haben, weil sie ihn hasste für seine Machenschaften.
Drüben in der Marienkirche rieb Pfarrer Ulonska sich die Hände. Das hätte ja kaum besser klappen können. Wenn der Freese rausposaunt hätte, was er über die Spekulationsgeschäfte mit den Mieteinnahmen aus den Kirchenkreis-Immobilien wusste – und das hätte er bald getan – wäre Ulonska erledigt gewesen. Er wäre nicht nur vom Dienst suspendiert worden, er hätte womöglich seine Pensionsansprüche verwirkt und wäre für eine Weile ins Gefängnis gegangen. So ein Glück, dabei hatte er gar nicht nachgedacht, als er dem durchtriebenen Intriganten das schwere Imbissbuden-Gerät über den Schädel gezogen hatte – es hatte eben gerade da herumgestanden, vom letzten Weihnachtsmarkt. Die Handschuhe hatte er auch nur zufällig getragen. Und jetzt war die verrückte Jugendreferentin dafür eingefahren. Zwei Fliegen mit einer Klappe, die hatte ohnehin nicht viel getaugt und war ihm auch nie ganz geheuer gewesen, schien immer auf der Lauer zu liegen, auf einen Fehler zu warten, den sie melden konnte.
Ramona träumte nicht mehr von Jules, wenn sie schlief. Das war auch nicht nötig, denn sie dachte in jeder freien Minute an ihn; er war immer bei ihr, die ganze Zeit und so schenkte sie ihm ihre Liebe und opferte ihm ihre Freiheit.
Jules hat Ramona nie im Gefängnis besucht. Auch wenn er Freese nicht ausstehen konnte – mit einer Mörderin wollte er nichts zu tun haben.
Ramonas Herz raste, ihre Gedanken und Gefühle purzelten übereinander wie einstürzende Gebäude oder reißende Ströme bei Flutkatastrophen. Ausgerechnet Jules, dieser atemberaubend schöne Mann mit der samtenen Seele eines Nächstenliebe-Multiplikators und eben nicht von Berufs wegen, sondern weil er einfach so war, so voller Liebe für jeden, der es nötig hatte. Sein Vater war Franzose und er war zweisprachig aufgewachsen. Wie oft hatte sie sich kichernd vorgestellt, ihn zu fragen, was er von „faire chanter Ramona“ hielte. Natürlich hatte sie das nie getan, niemals hätte sie ihn derartig in Verlegenheit gebracht. Obwohl sie das Gedicht gut kannte, las sie den Satz immer wieder: „Wir träumten voneinander und sind davon erwacht.“
Sie klickte auf antworten und tippte: „Wir leben, um uns zu lieben und sinken zurück in die Nacht.“ - Friedrich Hebbel.
Sie klickte auf senden und dann geschah lange nichts. Jedenfalls konnte sie sich später an nichts erinnern, nur, dass es plötzlich an der Tür schellte und als sie öffnete, stand er da, mit großen Augen, atemlos, Tautropfen im Haar. Sie zog ihn an sich, er bedeckte ihr Gesicht mit Küssen und dann löste sie sich auf.
Als sie wieder zu Atem kam, war er schon gegangen. Seltsam, sie hatte wieder das rote Nachthemd an, das hatte sie doch ausgezogen und gegen das weiße getauscht. Oder war es umgekehrt gewesen? Und was hatte Richard von all dem mitbekommen? Hatte er Jules etwa erwischt und ihm etwas angetan? Sie war außer sich, sprang aus dem Bett und langsam dämmerte ihr etwas. Sie stolperte ins Wohnzimmer, fuhr den Laptop hoch und schaute in ihr E-Mail-Postfach. Da war nichts von Jules, auch nicht im Spam-Ordner und sie hatte auch nichts an Jules geschickt.
Es klingelte an der Haustür. Für die Post war es noch zu früh. Sie zog sich eine herumliegende Strickjacke über und öffnete die Tür. Zwei Polizeibeamten standen da, baten sie, sich etwas anzuziehen und sie aufs Polizeirevier zu begleiten. Sie verstand die Welt nicht mehr.
Wie ferngesteuert zog sie sich an, packte Zahnputzzeug, Duschgel und Hautcreme ein, weckte Richard und erklärte, wo sie hin ginge und dass sie ebenfalls nicht wisse warum.
Was war geschehen? Man hatte Freese tot aufgefunden und die Spuren deuteten auf sie. Freese war ihr in der Tat ein Dorn im Auge, ständig versuchte er, das Geld aus ihrem Arbeitsbereich für Bauvorhaben abzuziehen. Freese investierte Kirchensteuermittel lieber in Steine als in Menschen. Jules sah das genauso. Jules hatte gerade fürchterlichen Stress mit ihm, weil Freese Spenden verwendet hatte, um Haushaltslöcher zu stopfen, ohne dass Jules das beweisen konnte. Spenden, die er für bedürftige Familien gebraucht hätte und zur Unterstützung der Jugendarbeit.
Jules hatte das Motiv, die Möglichkeit und war gestern Abend telefonisch nicht erreichbar gewesen, obwohl er laut Zeitplan im Gemeindehaus keinen Termin gehabt hatte. Ramona bekannte sich schuldig. Sie gab zu, Freese das Crêpe-Eisen über den Schädel gezogen zu haben, weil sie ihn hasste für seine Machenschaften.
Drüben in der Marienkirche rieb Pfarrer Ulonska sich die Hände. Das hätte ja kaum besser klappen können. Wenn der Freese rausposaunt hätte, was er über die Spekulationsgeschäfte mit den Mieteinnahmen aus den Kirchenkreis-Immobilien wusste – und das hätte er bald getan – wäre Ulonska erledigt gewesen. Er wäre nicht nur vom Dienst suspendiert worden, er hätte womöglich seine Pensionsansprüche verwirkt und wäre für eine Weile ins Gefängnis gegangen. So ein Glück, dabei hatte er gar nicht nachgedacht, als er dem durchtriebenen Intriganten das schwere Imbissbuden-Gerät über den Schädel gezogen hatte – es hatte eben gerade da herumgestanden, vom letzten Weihnachtsmarkt. Die Handschuhe hatte er auch nur zufällig getragen. Und jetzt war die verrückte Jugendreferentin dafür eingefahren. Zwei Fliegen mit einer Klappe, die hatte ohnehin nicht viel getaugt und war ihm auch nie ganz geheuer gewesen, schien immer auf der Lauer zu liegen, auf einen Fehler zu warten, den sie melden konnte.
Ramona träumte nicht mehr von Jules, wenn sie schlief. Das war auch nicht nötig, denn sie dachte in jeder freien Minute an ihn; er war immer bei ihr, die ganze Zeit und so schenkte sie ihm ihre Liebe und opferte ihm ihre Freiheit.
Jules hat Ramona nie im Gefängnis besucht. Auch wenn er Freese nicht ausstehen konnte – mit einer Mörderin wollte er nichts zu tun haben.
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