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Freitag, 16. November 2018
Wie Pech und Schwefel
c. fabry, 22:50h
Vielleicht hätte man es doch auf sich beruhen lassen sollen, dachte er. Jetzt konnte er sehen, wie er die Sauerei aus der Welt schaffte. Das ganze Bad hatte sie ihm vollgeblutet. Aber sie hatte es ja nicht anders gewollt, er hatte sie nicht eingeladen, sie war zu ihm gekommen wie ein Lemming, der sich lebenssatt in den Abgrund stürzt. Es war nicht seine Schuld, dass sie sich zeitlebens so auf ihn eingeschossen hatte.
Sieben Jahre lag das jetzt zurück. Sie hatte einfach nicht locker gelassen, hatte nicht eingesehen, dass das Techtelmechtel damals auf der Chorfreizeit nichts weiter als ein Ausrutscher gewesen war. Als sie vor drei Jahren wegzog, hatte er aufgeatmet. Sie würde ein neues Leben anfangen, sich einen Kerl in ihrem Alter suchen, und wenn sie sich wieder in eine Mentor-Schützling-Beziehung stürzte, sollte ihm das auch recht sein.
Zwei ruhige Jahre hatte er nichts von ihr gehört, dann kamen die Briefe. Jeden Monat ein paar um geistreiche Formulierungen bemühte Zeilen, aber es war zwecklos. Sie war noch immer von kindlichem Gemüt und bestenfalls durchschnittlicher Intelligenz. Von ihrer unterirdischen, erotischen Anziehungskraft einmal ganz zu schweigen. Ja, auf der Chorfreizeit, da war sie ihm im Kerzenlicht und unter der Wirkung etlicher Gläser Wein verführerisch wie die Lorelei erschienen. Doch schon am nächsten Morgen hatte er es bereut. Sie hatte sicher zehn Kilo zu viel auf den Hüften gehabt, ihren Brüsten hatte die jugendliche Straffheit gefehlt, die Haut war talgig und picklig gewesen und die Schenkel viel zu üppig und haarig. Sie war so ein Naturkind gewesen und sie hatte geglaubt, das gefalle ihm, wo er doch so ein frommer Mann der Kirchenmusik war, immun gegen die überflutenden Reize der degenerierten Welt von sterilem Blingbling und Plastiksex. In der Tat hatte er es überhaupt nicht mit dem Rotlichtmilieu, aber er war doch nicht aus Holz, liebte schwungvolle Hüften an zarter Taille, flache Bäuche und sanft gerundete Pos, Brüste wie Pfirsiche und eine Haut wie Seidenpapier, große Augen mit langen, gebogenen Wimpern und weiche, leicht fleischige Lippen.
Sie hatte nichts von dem zu bieten gehabt und auch jetzt nicht, obwohl sie ein paar Pfund abgespeckt und ihren Körper leicht trainiert hatte. Das Hautbild hatte sich auch ein wenig verbessert, aber sie war eben kein Alphaweibchen, nicht einmal B-Ware wie seine Frau. Sie war einfach nur lästig – und sie wurde gefährlich.
Er hatte gehofft, sie habe sich damit abgefunden, dass sie sich alles nur eingebildet hatte, dass ihre Wunschträume während der Chorfreizeit ihr aufgrund ihrer Intensität real erschienen waren.
Aber damit kam er nicht durch. Sie erinnerte sich einfach an alles, auch das Davor und das Danach. Und jetzt wollte sie Tacheles reden, er sollte ihr Rede und Antwort stehen und ihre Fragen waren fürchterlich. Sie würde am Ende alles rausposaunen und sein Leben wäre im Eimer. Strafanzeige, Berufsverbot und Vivien würde ihn verlassen.
Für den Notausgang hatte er gesorgt, kurz bevor sie auftauchte. Er hatte den Schlüssel fürs Bad verschwinden lassen. Sicher würde sie irgendwann die Toilette benutzen, wenn er nur genug Kaffee in sie hinein kübelte.
Sie hatte sich reichlich aufgebrezelt, kam im kleinen Schwarzen, hatte irgendetwas mit ihren Haaren angestellt, aber sie war und blieb bestenfalls Durchschnitt. Da tat sich einfach nichts. Und dann hatte sie ihn in die Zange genommen. Alles auf den Tisch gepackt und immer wieder gefragt warum.
Kann ich mich gar nicht mehr erinnern – hatte er geantwortet. Habe ich das wirklich so gesagt? Verwechselst du mich nicht mit irgendwem?
Sie war immer ärgerlicher geworden, nicht laut, aber ärgerlich, man konnte direkt sehen, wie sich ein böses Unwetter in ihr zusammenbraute. Und wenn der Gewittersturm zur falschen Zeit am falschen Ort losbrach, dann wäre er erledigt. Darum musste er es erledigen. Es ging nicht anders.
„Dürfte ich mal bitte die Toilette benutzen?“, hatte sie gefragt.
„Selbstverständlich.“, hatte er geantwortet – und sie solle nicht erschrecken, weil es keinen Schlüssel mehr gab – den habe seine kleine Tochter vermutlich verschusselt. Dann hatte er sie überrumpelt: einfach rein ins Bad, über ihren erstaunten Aufschrei hinweggehen, das Rasiermesser aus dem Spiegelschrank holen und einmal damit über die Halsschlagader fahren. Es ging ziemlich schnell, auch wenn es ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen war, wie sie realisierte, dass das Leben aus ihr herauslief und sie vom Klo plumpste wie ein Mehlsack mit Übergewicht. Sie sah aus wie das Opfer eines Triebtäters, wie sie da mit der heruntergezogenen Strumpfhose in ihrem Blut lag und ins Leere starrte. Bald wurde es dunkel. Er würde sie in einem Bettbezug zusammen mit ein paar Steinen in der Ruhr versenken. DNA-Spuren hatte er nicht hinterlassen. Und wer käme schon darauf, dass sie bei ihm gewesen war. Und selbst wenn: dann war sie eben wieder abgereist. Mit den richtigen Chemikalien würden sich auch die letzten Blutspuren beseitigen lassen. Und dann hätte er endlich Ruhe.
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