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Freitag, 19. Oktober 2018
Mikrokosmos – Kurzkrimi in drei Teilen – 3. Teil
c. fabry, 21:03h
Der Nächste Kandidat, Ole Schulze machte einen freundlichen, wenn auch etwas steifen Eindruck auf die Beamten, erwies sich aber als besonders nüchtern, kompetent und gut informiert. Als Finanzkirchmeister war ihm diese dröge Sachlichkeit auch mehr als dienlich. Zur Klärung des Mordfalles hatte er aber nichts Nennenswertes beizutragen. Allerdings fragte Keller sich, ob er nicht vielleicht mit etwas hinter dem Berg hielt und ob hinter dem verhalten lächelnden Pokergesicht nicht Erinnerungen lauerten, die zur Lösung des Rätsels beigetragen hätten.
Und dann betrat Wotan Laugrand den Raum mit einem Herrenmenschen-Habitus wie bei Angehörigen von Offiziersfamilien, gepaart mit einer altersbedingten, unappetitlichen Körperlichkeit, was bei Kerkenbrock ein Aufstellen der Nackenhaare auslöste. Obwohl er noch mehrere Meter weit weg war, hatte die junge Beamtin bereits einen Geruch von Altmännerschweiß und schlechtem Atem in der Nase. Sein stechender Blick aus den knittrigen kleinen Augen ließ sie frösteln und an seiner Hundekrawatte baumelte ein silberner Anhänger, den irgendein Symbol zierte, das sie auf die Entfernung nicht erkennen konnte, aber sie glaubte tatsächlich, ein Hakenkreuz darauf zu erkennen. Natürlich trug der Saubermann keine staatlich verbotenen Symbole spazieren, aber bestimmt hatte er in einer verborgenen Schublade im Keller das eine oder andere Kleinod aus der zwölfjährigen Herrschaft seiner Brüder im Geiste.
„Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie fassungslos uns der brutale Mord an unserem Küster macht und wie außerordentlich ich ihn geschätzt habe, es ist in der Tat ein herber Verlust.“
„Haben Sie einen konkreten Verdacht?“, fragte Keller.
„Und ob ich den habe!“, antwortete Laugrand. „Die Einzigen in dieser Gemeinde, die im ständigen Konflikt mit ihm waren, waren die Jugendlichen, insbesondere die aus dem offenen Bereich, die überwiegend noch nicht einmal evangelisch sind. Sie wollten sich hier breit machen, den kirchlichen Raum für ihre liederlichen und kriminellen Interessen verzwecken und die anständigen Jugendlichen aus den Räumlichkeiten verdrängen. Fatalerweise war unser Küster der Einzige, der sich ihnen konsequent in den Weg stellte.“
„Aber es gab doch auch Beschwerden von Eltern, deren Kinder in der Evangelischen Jugend, insbesondere bei Ten Sing aktiv sind. Mit denen haderte er ja offensichtlich auch.“
„Ach ja, die jungen Leute heutzutage sind ja zunehmend dem Einfluss dieser nichtsnutzigen Schmarotzer und kulturfernen Zugezogenen ausgesetzt. Kaum ein junger Mensch, der heutzutage etwas auf sich hält, spricht noch anständiges Deutsch; die verheerenden Grammatik-Fehler und Ungenauigkeiten in der Aussprache werden einfach übernommen, die Gesunden orientieren sich an den Kranken. Wenn nicht bald etwas geschieht, geht unser Land in Döner und Gangsterrap unter.“
„Was müsste denn Ihrer Meinung nach geschehen?“, fragte Keller herausfordernd.
„Das geht in diesem Zusammenhang zu weit.“, erwiderte Laugrand mit einem eisigen Lächeln.
Kerkenbrock hätte ihn gern direkt festgesetzt, doch er hatte wie alle anderen für die in Frage kommende Tatzeit ein Alibi.
Nach dem Gespräch stürzte Kerkenbrock zum Fenster um einmal kräftig durchzulüften, dann bat sie den Diakonie-Presbyter Bert Haakebeck herein. Ein ruhiger, sympathischer Typ mittleren Alters, unscheinbar, aber nicht unattraktiv, entpuppte sich im Gespräch als klar und entschlossen denkender Mann. Die Querelen um den Küster hatten ihn nur am Rande beschäftigt, er sah sich als Anwalt der Hilf- und Schutzlosen, sammelte Spenden und sorgte dafür, dass sie bei den Leuten ankamen, die sie am meisten nötig hatten. Darüber hinaus versorgte er seine Schützlinge auch emotional und auch wenn er von Beruf kein Sozialarbeiter war, schien er äußerst professionell zu agieren.
„Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, wer für dieses Verbrechen verantwortlich ist“, erklärte er den Beamten, „aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier jemand bewusst den Verdacht auf die Jugendlichen gelenkt hat, die sind ja auch oft nicht so gut darin, sich zu verteidigen. Und wer Jugendlichen so etwas anhängt, hegt erfahrungsgemäß keine großen Sympathien für sie. Und da fallen mir dann die Kandidaten aus dem Herrenzimmer ein.“
„Von wem sprechen Sie?“, fragte Kerkenbrock.
„Na wer passt am besten in einen Raum mit Gemälden von röhrenden Hirschen und Tierkadavern, mit Möbeln aus dunklem Holz und schweren Teppichen?“
„Ich weiß nicht. Sagen Sie es mir.“
„Wotan Laugrand und Horst Tümpelbauer. Wer sonst.“
„Und welchen Grund hätten sie gehabt, Herrn Klaaßen etwas anzutun?“
„Die Antwort muss ich Ihnen schuldig bleiben.“
Die Kindergarten-Presbyterin erwies sich wider Erwarten als scheinbar emotionsloses, androgynes Wesen mit einer seltsam ersterbenden Stimme. Keller fragte sich, ob sie erkältet war oder immer so sprach, aber er wagte nicht, sie darauf anzusprechen. Als sie sich als Paula Pelz vorstellte, musste der Kommissar sich auf die Lippen beißen, um nicht lauf aufzulachen. Paula Pelz hatte ebenfalls sofort die gleichen Kandidaten in Verdacht wie Bert Haakebeck, konnte aber auch keine Auskunft zu einem möglichen Motiv geben.
Der letzte Kandidat war ein geckenhafter, unruhiger Geselle. Er hätte besser auf eine Fingerfood- und Schampus-Party gepasst, als in diesen kirchlichen Kontext. Sein betont jugendliches Auftreten, sein geschäftiger Blick, der unter dem offensichtlich künstlichen Haarteil vor Selbstverliebtheit überfloss, ließ ihn alles andere als Seriös erscheinen und Kerkenbrock wusste sofort, was Maik Mohn gemeint hatte, als er sich über Oliver Birkners Unzulänglichkeiten ausgelassen hatte.
Schließlich konnten die Beamten deutlich sehen, wie die schmucke Fassade unter dem Druck drohender Unannehmlichkeiten zusammenbrach und der Bauexperte innerlich einen Schalter umlegte. Birkner kannte unschöne Details und wollte auf keinen Fall für jemand anderen den Kopf hinhalten.
„Ich sage Ihnen am besten alles was ich weiß.“
„Ja, davon gehen wir aus.“
Birkner räusperte sich, dann fuhr er fort: „Vor drei Jahren hatten wir hier einen Baukirchmeisterwechsel. Der Herr Schaube, der seinen Job immer sehr gewissenhaft versehen hat – wenn auch auf äußerst konservative Weise – musste aus Altersgründen ausscheiden und Pfarrerin Zettel hatte niemanden, den sie aus dem Hut zaubern konnte. Aber die konservativen Kräfte im Presbyterium hatten schon jemanden an der Angel, der gerade in seiner Heimatgemeinde in Ungnade gefallen und nicht wieder gewählt worden war. Er hatte dort dem Bauausschuss vorgesessen, war aber von einem jüngeren Kandidaten ausgestochen worden, einem gewissen Magnus Böder, der ihn schon seit langem gepiesackt hatte. Da er nicht einmal mehr Mitglied des Presbyteriums war, hätte er auch seinen Posten in der Kreissynode abgeben müssen und davor hatten die konservativen Kräfte nicht nur in unserem Presbyterium Angst. Darum haben sie ihm vorgeschlagen, sich umpfarren zu lassen um dann in unserer Gemeinde nachberufen zu werden, es war nämlich eine Presbyterstelle unbesetzt. Eigentlich war schon klar gewesen, dass Maik Mohn das Amt des Baukirchmeisters übernimmt, aber dann hat Laugrand gedroht, in der Gemeinde öffentlich zu machen, dass Mohn eine außereheliche Liebesaffäre hatte. Das macht ihn eigentlich für das Presbyteramt untauglich, weil er aber äußerst kompetent ist, haben wir alle den Mantel des Schweigens darüber gedeckt, es war auch schon längst Vergangenheit und eigentlich kein Thema mehr. Auf diese schmutzige Weise wurde Tümpelbauer Baukirchmeister.
Vor ein paar Monaten gerieten Pfarrerin Zettel und das Presbyterium unter Druck: Eltern beschwerten sich mehrfach, weil unser Küster die Jugendlichen im Gemeindehaus schikanierte und besonders respektlos mit ihnen umging. Angelika Zettel erteilte als Vorgesetzte die zweite Abmahnung und war bereits damit beschäftigt seine Kündigung voranzutreiben, aber Laugrand stellte sich hinter seinen langjährigen Freund und konnte sogar die Jugendpresbyterin überzeugen, dass es unmenschlich sei, einem älteren Mann kurz vor dem Ruhestand seine Lebensgrundlage zu entziehen. In der Gemeinde war er aber nicht mehr zu halten, die Stimmung war dermaßen im Keller, da musste eine vernünftige Lösung her. Also setzte Tümpelbauer alle Hebel in Bewegung und verschaffte Klaaßen eine Stelle bei der Diakonie, wo er die Dienste der Service-GmbH koordinieren sollte. Dummerweise sickerte durch, dass dies einer Beförderung gleichkam, da dort eine erheblich bessere Bezahlung auf ihn wartete. Und dann hat Tümpelbauer überreagiert. Er hat den Bauausschuss einberufen – bis auf Mohn, Mohn hätte da nicht mitgespielt, der mimt immer den Anstandsbürger. Laugrand dagegen hat Klaaßen zwar außerordentlich geschätzt, aber nur, solange er ihm nützlich war, jetzt war er ja im Weg. Und ich gebe zu, ich wollte die Sache auch einfach nur vom Tisch haben, darum habe ich mich dem Vorhaben der beiden nicht in den Weg gestellt, ich habe sogar Schmiere gestanden, damit nichts schief geht. Tümpelbauer hatte sich überlegt, dass Klaaßen verschwinden musste und dass es sinnvoll sei, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Wenn man den Streich den OT-Jugendlichen anlasten würde, wäre man die lästigen Randalierer auch gleich los und es wäre wieder mehr Raum für die Kulturgruppe. Ich habe Silvesterraketen mitgebracht, die ich noch im Keller hatte und Laugrand kennt irgendwen, der dann den Toilettenraum präpariert hat, also die Feuerwerkskörper versteckt und mit einer Lunte verbunden, die nach draußen führte. Ich hatte dann den Auftrag zu warten, bis Klaaßen zur Toilette ging – das war zu erwarten, er hatte eine schwache Blase – und dann die Klinke mit einem Besen zu blockieren. Dann bin ich weg gegangen. Irgendjemand hat die Lunte gezündet und dann ist das Feuer ausgebrochen. Ich dachte, es gehe nur darum, Klaaßen einen Heidenschreck einzujagen, damit er einfach den Abflug macht und Frührente einreicht. Mir war nicht klar, dass die beiden den Plan hatten, ihn zu verbrennen. Vielleicht war es auch ein Unfall und sie wollten ihn wirklich nur erschrecken. Es war höchst unwahrscheinlich, dass der Raum in Flammen aufgeht, die Kirche ist ja über wiegend aus Stein und Beton.“
„Ach und als Mitglied des Bauausschusses ist Ihnen nicht bekannt, dass die Decke des Toilettenraumes mit Holz vertäfelt ist?“
„Mit Brandschutz habe ich mich nie so eingehend befasst.“
„Ich denke, Herr Birkner“, sagte Keller ruhig. „Sie werden wohl für eine Weile in Gewahrsam genommen und ihre Mitstreiter ebenfalls. Sicher wird man ihnen zugute halten, dass sie bereitwillig Auskunft über den Tathergang gegeben haben.“
Keller konnte den Ekel, der sich in ihm ausbreitete nicht verbergen und er ahnte, dass er dieses Gefühl noch lange Zeit mit sich herumtragen musste.
Ende
Und dann betrat Wotan Laugrand den Raum mit einem Herrenmenschen-Habitus wie bei Angehörigen von Offiziersfamilien, gepaart mit einer altersbedingten, unappetitlichen Körperlichkeit, was bei Kerkenbrock ein Aufstellen der Nackenhaare auslöste. Obwohl er noch mehrere Meter weit weg war, hatte die junge Beamtin bereits einen Geruch von Altmännerschweiß und schlechtem Atem in der Nase. Sein stechender Blick aus den knittrigen kleinen Augen ließ sie frösteln und an seiner Hundekrawatte baumelte ein silberner Anhänger, den irgendein Symbol zierte, das sie auf die Entfernung nicht erkennen konnte, aber sie glaubte tatsächlich, ein Hakenkreuz darauf zu erkennen. Natürlich trug der Saubermann keine staatlich verbotenen Symbole spazieren, aber bestimmt hatte er in einer verborgenen Schublade im Keller das eine oder andere Kleinod aus der zwölfjährigen Herrschaft seiner Brüder im Geiste.
„Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie fassungslos uns der brutale Mord an unserem Küster macht und wie außerordentlich ich ihn geschätzt habe, es ist in der Tat ein herber Verlust.“
„Haben Sie einen konkreten Verdacht?“, fragte Keller.
„Und ob ich den habe!“, antwortete Laugrand. „Die Einzigen in dieser Gemeinde, die im ständigen Konflikt mit ihm waren, waren die Jugendlichen, insbesondere die aus dem offenen Bereich, die überwiegend noch nicht einmal evangelisch sind. Sie wollten sich hier breit machen, den kirchlichen Raum für ihre liederlichen und kriminellen Interessen verzwecken und die anständigen Jugendlichen aus den Räumlichkeiten verdrängen. Fatalerweise war unser Küster der Einzige, der sich ihnen konsequent in den Weg stellte.“
„Aber es gab doch auch Beschwerden von Eltern, deren Kinder in der Evangelischen Jugend, insbesondere bei Ten Sing aktiv sind. Mit denen haderte er ja offensichtlich auch.“
„Ach ja, die jungen Leute heutzutage sind ja zunehmend dem Einfluss dieser nichtsnutzigen Schmarotzer und kulturfernen Zugezogenen ausgesetzt. Kaum ein junger Mensch, der heutzutage etwas auf sich hält, spricht noch anständiges Deutsch; die verheerenden Grammatik-Fehler und Ungenauigkeiten in der Aussprache werden einfach übernommen, die Gesunden orientieren sich an den Kranken. Wenn nicht bald etwas geschieht, geht unser Land in Döner und Gangsterrap unter.“
„Was müsste denn Ihrer Meinung nach geschehen?“, fragte Keller herausfordernd.
„Das geht in diesem Zusammenhang zu weit.“, erwiderte Laugrand mit einem eisigen Lächeln.
Kerkenbrock hätte ihn gern direkt festgesetzt, doch er hatte wie alle anderen für die in Frage kommende Tatzeit ein Alibi.
Nach dem Gespräch stürzte Kerkenbrock zum Fenster um einmal kräftig durchzulüften, dann bat sie den Diakonie-Presbyter Bert Haakebeck herein. Ein ruhiger, sympathischer Typ mittleren Alters, unscheinbar, aber nicht unattraktiv, entpuppte sich im Gespräch als klar und entschlossen denkender Mann. Die Querelen um den Küster hatten ihn nur am Rande beschäftigt, er sah sich als Anwalt der Hilf- und Schutzlosen, sammelte Spenden und sorgte dafür, dass sie bei den Leuten ankamen, die sie am meisten nötig hatten. Darüber hinaus versorgte er seine Schützlinge auch emotional und auch wenn er von Beruf kein Sozialarbeiter war, schien er äußerst professionell zu agieren.
„Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, wer für dieses Verbrechen verantwortlich ist“, erklärte er den Beamten, „aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier jemand bewusst den Verdacht auf die Jugendlichen gelenkt hat, die sind ja auch oft nicht so gut darin, sich zu verteidigen. Und wer Jugendlichen so etwas anhängt, hegt erfahrungsgemäß keine großen Sympathien für sie. Und da fallen mir dann die Kandidaten aus dem Herrenzimmer ein.“
„Von wem sprechen Sie?“, fragte Kerkenbrock.
„Na wer passt am besten in einen Raum mit Gemälden von röhrenden Hirschen und Tierkadavern, mit Möbeln aus dunklem Holz und schweren Teppichen?“
„Ich weiß nicht. Sagen Sie es mir.“
„Wotan Laugrand und Horst Tümpelbauer. Wer sonst.“
„Und welchen Grund hätten sie gehabt, Herrn Klaaßen etwas anzutun?“
„Die Antwort muss ich Ihnen schuldig bleiben.“
Die Kindergarten-Presbyterin erwies sich wider Erwarten als scheinbar emotionsloses, androgynes Wesen mit einer seltsam ersterbenden Stimme. Keller fragte sich, ob sie erkältet war oder immer so sprach, aber er wagte nicht, sie darauf anzusprechen. Als sie sich als Paula Pelz vorstellte, musste der Kommissar sich auf die Lippen beißen, um nicht lauf aufzulachen. Paula Pelz hatte ebenfalls sofort die gleichen Kandidaten in Verdacht wie Bert Haakebeck, konnte aber auch keine Auskunft zu einem möglichen Motiv geben.
Der letzte Kandidat war ein geckenhafter, unruhiger Geselle. Er hätte besser auf eine Fingerfood- und Schampus-Party gepasst, als in diesen kirchlichen Kontext. Sein betont jugendliches Auftreten, sein geschäftiger Blick, der unter dem offensichtlich künstlichen Haarteil vor Selbstverliebtheit überfloss, ließ ihn alles andere als Seriös erscheinen und Kerkenbrock wusste sofort, was Maik Mohn gemeint hatte, als er sich über Oliver Birkners Unzulänglichkeiten ausgelassen hatte.
Schließlich konnten die Beamten deutlich sehen, wie die schmucke Fassade unter dem Druck drohender Unannehmlichkeiten zusammenbrach und der Bauexperte innerlich einen Schalter umlegte. Birkner kannte unschöne Details und wollte auf keinen Fall für jemand anderen den Kopf hinhalten.
„Ich sage Ihnen am besten alles was ich weiß.“
„Ja, davon gehen wir aus.“
Birkner räusperte sich, dann fuhr er fort: „Vor drei Jahren hatten wir hier einen Baukirchmeisterwechsel. Der Herr Schaube, der seinen Job immer sehr gewissenhaft versehen hat – wenn auch auf äußerst konservative Weise – musste aus Altersgründen ausscheiden und Pfarrerin Zettel hatte niemanden, den sie aus dem Hut zaubern konnte. Aber die konservativen Kräfte im Presbyterium hatten schon jemanden an der Angel, der gerade in seiner Heimatgemeinde in Ungnade gefallen und nicht wieder gewählt worden war. Er hatte dort dem Bauausschuss vorgesessen, war aber von einem jüngeren Kandidaten ausgestochen worden, einem gewissen Magnus Böder, der ihn schon seit langem gepiesackt hatte. Da er nicht einmal mehr Mitglied des Presbyteriums war, hätte er auch seinen Posten in der Kreissynode abgeben müssen und davor hatten die konservativen Kräfte nicht nur in unserem Presbyterium Angst. Darum haben sie ihm vorgeschlagen, sich umpfarren zu lassen um dann in unserer Gemeinde nachberufen zu werden, es war nämlich eine Presbyterstelle unbesetzt. Eigentlich war schon klar gewesen, dass Maik Mohn das Amt des Baukirchmeisters übernimmt, aber dann hat Laugrand gedroht, in der Gemeinde öffentlich zu machen, dass Mohn eine außereheliche Liebesaffäre hatte. Das macht ihn eigentlich für das Presbyteramt untauglich, weil er aber äußerst kompetent ist, haben wir alle den Mantel des Schweigens darüber gedeckt, es war auch schon längst Vergangenheit und eigentlich kein Thema mehr. Auf diese schmutzige Weise wurde Tümpelbauer Baukirchmeister.
Vor ein paar Monaten gerieten Pfarrerin Zettel und das Presbyterium unter Druck: Eltern beschwerten sich mehrfach, weil unser Küster die Jugendlichen im Gemeindehaus schikanierte und besonders respektlos mit ihnen umging. Angelika Zettel erteilte als Vorgesetzte die zweite Abmahnung und war bereits damit beschäftigt seine Kündigung voranzutreiben, aber Laugrand stellte sich hinter seinen langjährigen Freund und konnte sogar die Jugendpresbyterin überzeugen, dass es unmenschlich sei, einem älteren Mann kurz vor dem Ruhestand seine Lebensgrundlage zu entziehen. In der Gemeinde war er aber nicht mehr zu halten, die Stimmung war dermaßen im Keller, da musste eine vernünftige Lösung her. Also setzte Tümpelbauer alle Hebel in Bewegung und verschaffte Klaaßen eine Stelle bei der Diakonie, wo er die Dienste der Service-GmbH koordinieren sollte. Dummerweise sickerte durch, dass dies einer Beförderung gleichkam, da dort eine erheblich bessere Bezahlung auf ihn wartete. Und dann hat Tümpelbauer überreagiert. Er hat den Bauausschuss einberufen – bis auf Mohn, Mohn hätte da nicht mitgespielt, der mimt immer den Anstandsbürger. Laugrand dagegen hat Klaaßen zwar außerordentlich geschätzt, aber nur, solange er ihm nützlich war, jetzt war er ja im Weg. Und ich gebe zu, ich wollte die Sache auch einfach nur vom Tisch haben, darum habe ich mich dem Vorhaben der beiden nicht in den Weg gestellt, ich habe sogar Schmiere gestanden, damit nichts schief geht. Tümpelbauer hatte sich überlegt, dass Klaaßen verschwinden musste und dass es sinnvoll sei, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Wenn man den Streich den OT-Jugendlichen anlasten würde, wäre man die lästigen Randalierer auch gleich los und es wäre wieder mehr Raum für die Kulturgruppe. Ich habe Silvesterraketen mitgebracht, die ich noch im Keller hatte und Laugrand kennt irgendwen, der dann den Toilettenraum präpariert hat, also die Feuerwerkskörper versteckt und mit einer Lunte verbunden, die nach draußen führte. Ich hatte dann den Auftrag zu warten, bis Klaaßen zur Toilette ging – das war zu erwarten, er hatte eine schwache Blase – und dann die Klinke mit einem Besen zu blockieren. Dann bin ich weg gegangen. Irgendjemand hat die Lunte gezündet und dann ist das Feuer ausgebrochen. Ich dachte, es gehe nur darum, Klaaßen einen Heidenschreck einzujagen, damit er einfach den Abflug macht und Frührente einreicht. Mir war nicht klar, dass die beiden den Plan hatten, ihn zu verbrennen. Vielleicht war es auch ein Unfall und sie wollten ihn wirklich nur erschrecken. Es war höchst unwahrscheinlich, dass der Raum in Flammen aufgeht, die Kirche ist ja über wiegend aus Stein und Beton.“
„Ach und als Mitglied des Bauausschusses ist Ihnen nicht bekannt, dass die Decke des Toilettenraumes mit Holz vertäfelt ist?“
„Mit Brandschutz habe ich mich nie so eingehend befasst.“
„Ich denke, Herr Birkner“, sagte Keller ruhig. „Sie werden wohl für eine Weile in Gewahrsam genommen und ihre Mitstreiter ebenfalls. Sicher wird man ihnen zugute halten, dass sie bereitwillig Auskunft über den Tathergang gegeben haben.“
Keller konnte den Ekel, der sich in ihm ausbreitete nicht verbergen und er ahnte, dass er dieses Gefühl noch lange Zeit mit sich herumtragen musste.
Ende
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