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Freitag, 12. Oktober 2018
Mikrokosmos – Kurzkrimi in drei Teilen – 2. Teil
c. fabry, 02:59h
Pastorin Zettel verwies sie direkt an einen Herrn Horst Tümpelbauer, der habe die besten Kontakte zur Kulturgruppe und sei als amtierender Baukirchmeister sicher ein wichtiger Ansprechpartner für die Polizei. Er sei schon unterwegs, sie müssten ihn nicht zu Hause aufsuchen, das sei zu umständlich, da er in der Nachbargemeinde wohne.
„Ich wusste gar nicht, dass man sich die Gemeinde aussuchen kann, bei der man sich zum Presbyter wählen lässt.“, wunderte Keller sich.
„Man kann sich umpfarren lassen.“, erklärte Kerkenbrock. „Meistens machen das Leute, die wegziehen, weil sie vor Ort keine geeignete Wohnung oder keinen kostengünstigen Bauplatz finden, sich aber nach wie vor zu ihrer Heimatgemeinde zugehörig fühlen.“
„Ja, das klingt halbwegs plausibel.“
Tümpelbauer ließ nicht lange auf sich warten. Es handelte sich um einen hoch gewachsenen, älteren Herrn mit schlohweißem Haar und einem freundlich-debilen Lächeln. Über einem hochwertigen, karierten Hemd trug er einen dunkelgrünen Trachtenjanker. Seine Bewegungen wirkten eckig, die Brustwirbelsäule war leicht gekrümmt und es schien ihn anzustrengen, den Kopf aufrecht zu halten. Diese Haltung hatte Keller schon einmal bemerkt – bei einem Onkel, der seit einigen Jahren an Parkinson erkrankt war. Tümpelbauer reichte beiden die Hand und fragte, ob man nicht im Sitzungsraum weiter reden wolle.
Sie nahmen Platz in einem kleinen Raum, der trotz einer fast komplett verglasten Wand seltsam dunkel wirkte. Tümpelbauer setzte sich bewusst ins Gegenlicht, so dass es Schwierigkeiten bereitete, seine Mimik zu lesen.
Zunächst ging es um den baulichen Zustand der Kirche und des Gemeindehauses, aber hier bekamen die Beamten keine neuen oder erhellenden Informationen. Dann wechselte Kerkenbrock das Thema: „Herr Tümpelbauer, Frau Zettel hat uns erklärt, sie seien bestens im Bilde über die Kulturgruppe. Wie war Ihrer Einschätzung nach das Verhältnis zwischen den Angehörigen dieser Gruppe zu dem verstorbenen Küster?“
„Ausgezeichnet.“, erwiderte Tümpelbauer stoisch. „Das sind ja anständige Leute, keine Trinker, Randalierer oder Querulanten. Und der Herr Klaaßen war ebenfalls ein hochanständiger Mensch. Wenn es einen gab, der der Kulturgruppe besonders wohlgesonnen war, dann war es der Herr Klaaßen. Die Pfarrerin hatte schon eher Probleme mit diesen reizenden Senioren – und mit dem Herrn Klaaßen selbstverständlich auch.“
„Wie meinen Sie das?“, fragte Kerkenbrock interessiert.
„Ach, die Pfarrerin Zettel, die versucht immer, mit irrwitzigen Experimenten von ihrer Unzulänglichkeit abzulenken. Sie spricht dann immer von frischem Wind, der durch die Gemeinde wehen soll, sie holt Leute in die Kirche und ins Gemeindehaus, die hier gar nichts zu suchen haben und wenn so jemand wie der Herr Klaaßen dann nicht mitspielt, dann kann sie ziemlich giftig werden. Bei den Altgedienten kann sie mit ihren an den Haaren herbei gezogenen Predigten nicht landen und statt in sich zu gehen, nachzudenken, sich fortzubilden, sich weisen Rat von gestandenen Kollegen zu holen, dreht sie den Spieß um und unterstellt den verdienten Gemeindegliedern Unbeweglichkeit und Starrsinn. Aber das ist blanker Unsinn. Wir sind alle sehr für den Fortschritt, aber mit Vernunft.“
„Und welchen Konflikt hatte die Frau Zettel mit dem Herrn Klaaßen?“
„Ach, es ging vor allem um den Nachwuchs der Zugereisten in unserem Stadtteil. Sie wissen schon, diese Jungs, die nicht richtig deutsch sprechen, denen der Hosenboden in den Kniekehlen baumelt, die trinken und andere Drogen nehmen und sich überall aufführen, als würde ihnen die Welt gehören. Denen muss doch einmal jemand Bescheid stoßen, wenn es schon weder ihre Eltern noch ihre Lehrer tun. Und das hat der Klaaßen regelmäßig getan. Aber dafür wurde er von der Pfarrerin mehrfach gerügt, abgemahnt und schließlich strafversetzt. Dazu ist es ja nun nicht mehr gekommen, jetzt ist sie ihn ja anderweitig los geworden. Sie wollte da stehen als die Mutter der Gemeinde, die sich der Armen und Entrechteten annimmt und dabei war Herr Klaaßen ihr im Weg. Und jetzt haben ihre Armen und Entrechteten das Recht in die Hand genommen und zu Unrecht gemacht und den Herrn Klaaßen grausam ermordet. Sprechen Sie einmal mit dem zweiten Vorsitzenden des Presbyteriums, dem Herrn Laugrand, Wotan Laugrand, der ist auch Mitglied des Bauausschusses.“
„Wissen Sie was?“, antwortete Keller. „Genau das werden wir tun. Wir werden mit jedem einzelnen Mitglied Ihres Presbyteriums sprechen. Aber eine Frage haben wir noch an Sie. Warum sind Sie Kirchmeister in einer Gemeinde, in der Sie gar nicht wohnen?“
„Was tut das zur Sache?“
„Beantworten Sie einfach meine Frage.“
„Ich habe mich umpfarren lassen.“
„Und warum?“
„Hier gefällt es mir besser. Den Menschen an meinem Wohnort fühle ich mich weniger verbunden.“
Keller gab sich mit dieser Antwort zunächst zufrieden. Er bat die Pfarrerin, alle Mitglieder des Presbyteriums einzubestellen und ihnen unmissverständlich mitzuteilen, dass sie anderenfalls eine Vorladung ins Polizeipräsidium erwarte. Schon eine Viertelstunde später konnten sie mit der Befragung beginnen.
Ihre erste Gesprächspartnerin war die Jugendpresbyterin Alena Dichter. Schulterlanges, braunes Haar umrahmte ein hübsches Gesicht mit einem sinnlichen Mund und verschmitzten, dunklen Augen. Obwohl sie locker 80 bis 90 Kilo auf die Waage brachte, wirkte sie hellwach und dynamisch. Stressfresserin - dachte Kerkenbrock - schade um die tolle Ausstrahlung.
Frau Dichter kämpfte schon seit Jahren für einen Personalwechsel im Küsteramt, aber gegen die schützenden Hände von Pfarrerin Zettel und Kirchmeister Tümpelbauer war sie lange Zeit machtlos gewesen.
„Wäre Herr Klaaßen so mit der Kulturgruppe umgegangen, wie er die Jugendlichen behandelt hat, hätte das sofort einen Rieseneklat heraufbeschworen und er hätte schneller im Job-Center gesessen als die Ten Singer Highway To Hell spielen können.“
Trotzdem schloss sie die Jugendlichen als Täter aus. „Ich kenne die Kids, soviel kriminelle Energie hat keiner von denen. Allerdings habe ich auch keine Phantasie, wer tatsächlich so brutal ist.“
„Aber könnte es sich nicht auch um einen aus dem Ruder gelaufenen Streich handeln?“, fragte Kerkenbrock.
„Das liegt erst einmal nahe.“, gab Alena Dichter ihr Recht. „So Firlefanz mit Feuerwerkskörpern, das klingt nach jugendlichem Schabernack. Aber wenn die Jungs noch Silvesterraketen übrig gehabt hätten, dann hätten sie die bis Ende Januar längst verballert und wie sollten sie sonst da herankommen, die sind ja nicht ganzjährig frei verkäuflich. Außerdem hätten sie den Küster bestimmt nicht auf dem Klo eingesperrt. Und sie hätten auch nicht solche Massen an Material eingesetzt. Ein paar Chinakracher hätten doch zum Erschrecken schon gereicht.“
Maik Mohn betrat den Befragungsraum, ein echtes Sahneschnittchen, wie Kerkenbrock amüsiert feststellte. Definierte Muskeln unter gepflegter Kleidung, modischer Kurzhaarschnitt und ein gut geschnittenes, intelligentes Gesicht. Als Mitglied des Bauausschusses hatte er sich mehrfach mit den Beschwerden über den Küster befasst, verlor aber weder über Tümpelbauer noch über Laugrand freundliche Worte. Er ließ sich außerdem über den chronisch abwesenden Oliver Birkner aus: „Ich frage mich, ob er nur ins Presbyterium gegangen ist, um seine Karrierechancen in der Verwaltung des LKA zu erhöhen.“
„Er ist beim LKA?“, fragte Keller verdutzt? „Aber was sollte ihm da die Mitgliedschaft in einem kirchlichen Gremium nützen?“
Mohn begann zu kichern. „Ich rede nicht vom Landeskriminalamt sondern vom Landeskirchenamt. Er ist dort mit Bauangelegenheiten befasst und hier auch im Bauausschuss aktiv. Natürlich schielt er auch auf den Posten des Baukirchmeisters, aber erstens ist er dafür viel zu faul – er fährt lieber seinen schnittigen Sportwagen spazieren – und zweitens sitzt Tümpelbauer nach wie vor viel zu fest im Sattel. Wir sind uns zwar alle einig, dass er der Entwicklung der Gemeinde mehr im Wege steht, als ihr zu nützen, aber unsere Vorsitzende, die Pfarrerin Zettel, befürchtet, dass großes Chaos über uns hereinbricht, wenn wir auf Tümpelbauers vermeintliche Kompetenz verzichten. Ich sitze ja selbst im Bauausschuss und ich bin da vollkommen anderer Meinung.“
„Wären Sie der kompetentere Vorsitzende?“, fragte Kerkenbrock mit gespielter Unschuld.
„Das glaube ich nicht.“, antwortete Mohn. „Ich bin nur in diesem Ausschuss, um den erzkonservativen Granaten auf die Finger zu gucken. Wir bräuchten ganz neue, frische Gesichter im Presbyterium. Aber die Gemeinde ist träge. Niemand will einen altgedienten Presbyter aus dem Amt drängen und so gibt es kaum neue Kandidaten und wer sich aufstellen lässt, wird dankbar gewählt, insbesondere, wenn er es nicht zum ersten Mal tut.“
„Wissen Sie, was mich an Herrn Mohns Aussage irritiert?“, fragte Keller seine Kollegin, als sie für ein paar Minuten allein waren.
„Nein, keine Ahnung. Ich fand ihn äußerst vertrauenswürdig.“
„Ja, nicht wahr“, meinte Keller, „so eloquent und so gut gebaut.“
„Haben Sie Probleme mit attraktiven Männern? Sehen Sie sich da in Konkurrenz?“
„Ach Unsinn!“, schnaubte Keller verärgert. „Ich bin nur immun gegen die sexuellen Reize meiner eigenen Geschlechtsgenossen. Dadurch ist mein Blick weniger verstellt. Er hat kaum etwas über das Opfer gesagt, statt dessen sofort den Verdacht auf seine Gegner gelenkt, ohne auch nur einen einzigen verwertbaren Anhaltspunkt zu liefern. Vielleicht weiß er mehr, als er zugibt und versucht, jemanden zu schützen. Lassen Sie uns die Befragung fortsetzen, vielleicht ergibt sich noch etwas.“
Fortsetzung folgt am nächsten Freitag.
„Ich wusste gar nicht, dass man sich die Gemeinde aussuchen kann, bei der man sich zum Presbyter wählen lässt.“, wunderte Keller sich.
„Man kann sich umpfarren lassen.“, erklärte Kerkenbrock. „Meistens machen das Leute, die wegziehen, weil sie vor Ort keine geeignete Wohnung oder keinen kostengünstigen Bauplatz finden, sich aber nach wie vor zu ihrer Heimatgemeinde zugehörig fühlen.“
„Ja, das klingt halbwegs plausibel.“
Tümpelbauer ließ nicht lange auf sich warten. Es handelte sich um einen hoch gewachsenen, älteren Herrn mit schlohweißem Haar und einem freundlich-debilen Lächeln. Über einem hochwertigen, karierten Hemd trug er einen dunkelgrünen Trachtenjanker. Seine Bewegungen wirkten eckig, die Brustwirbelsäule war leicht gekrümmt und es schien ihn anzustrengen, den Kopf aufrecht zu halten. Diese Haltung hatte Keller schon einmal bemerkt – bei einem Onkel, der seit einigen Jahren an Parkinson erkrankt war. Tümpelbauer reichte beiden die Hand und fragte, ob man nicht im Sitzungsraum weiter reden wolle.
Sie nahmen Platz in einem kleinen Raum, der trotz einer fast komplett verglasten Wand seltsam dunkel wirkte. Tümpelbauer setzte sich bewusst ins Gegenlicht, so dass es Schwierigkeiten bereitete, seine Mimik zu lesen.
Zunächst ging es um den baulichen Zustand der Kirche und des Gemeindehauses, aber hier bekamen die Beamten keine neuen oder erhellenden Informationen. Dann wechselte Kerkenbrock das Thema: „Herr Tümpelbauer, Frau Zettel hat uns erklärt, sie seien bestens im Bilde über die Kulturgruppe. Wie war Ihrer Einschätzung nach das Verhältnis zwischen den Angehörigen dieser Gruppe zu dem verstorbenen Küster?“
„Ausgezeichnet.“, erwiderte Tümpelbauer stoisch. „Das sind ja anständige Leute, keine Trinker, Randalierer oder Querulanten. Und der Herr Klaaßen war ebenfalls ein hochanständiger Mensch. Wenn es einen gab, der der Kulturgruppe besonders wohlgesonnen war, dann war es der Herr Klaaßen. Die Pfarrerin hatte schon eher Probleme mit diesen reizenden Senioren – und mit dem Herrn Klaaßen selbstverständlich auch.“
„Wie meinen Sie das?“, fragte Kerkenbrock interessiert.
„Ach, die Pfarrerin Zettel, die versucht immer, mit irrwitzigen Experimenten von ihrer Unzulänglichkeit abzulenken. Sie spricht dann immer von frischem Wind, der durch die Gemeinde wehen soll, sie holt Leute in die Kirche und ins Gemeindehaus, die hier gar nichts zu suchen haben und wenn so jemand wie der Herr Klaaßen dann nicht mitspielt, dann kann sie ziemlich giftig werden. Bei den Altgedienten kann sie mit ihren an den Haaren herbei gezogenen Predigten nicht landen und statt in sich zu gehen, nachzudenken, sich fortzubilden, sich weisen Rat von gestandenen Kollegen zu holen, dreht sie den Spieß um und unterstellt den verdienten Gemeindegliedern Unbeweglichkeit und Starrsinn. Aber das ist blanker Unsinn. Wir sind alle sehr für den Fortschritt, aber mit Vernunft.“
„Und welchen Konflikt hatte die Frau Zettel mit dem Herrn Klaaßen?“
„Ach, es ging vor allem um den Nachwuchs der Zugereisten in unserem Stadtteil. Sie wissen schon, diese Jungs, die nicht richtig deutsch sprechen, denen der Hosenboden in den Kniekehlen baumelt, die trinken und andere Drogen nehmen und sich überall aufführen, als würde ihnen die Welt gehören. Denen muss doch einmal jemand Bescheid stoßen, wenn es schon weder ihre Eltern noch ihre Lehrer tun. Und das hat der Klaaßen regelmäßig getan. Aber dafür wurde er von der Pfarrerin mehrfach gerügt, abgemahnt und schließlich strafversetzt. Dazu ist es ja nun nicht mehr gekommen, jetzt ist sie ihn ja anderweitig los geworden. Sie wollte da stehen als die Mutter der Gemeinde, die sich der Armen und Entrechteten annimmt und dabei war Herr Klaaßen ihr im Weg. Und jetzt haben ihre Armen und Entrechteten das Recht in die Hand genommen und zu Unrecht gemacht und den Herrn Klaaßen grausam ermordet. Sprechen Sie einmal mit dem zweiten Vorsitzenden des Presbyteriums, dem Herrn Laugrand, Wotan Laugrand, der ist auch Mitglied des Bauausschusses.“
„Wissen Sie was?“, antwortete Keller. „Genau das werden wir tun. Wir werden mit jedem einzelnen Mitglied Ihres Presbyteriums sprechen. Aber eine Frage haben wir noch an Sie. Warum sind Sie Kirchmeister in einer Gemeinde, in der Sie gar nicht wohnen?“
„Was tut das zur Sache?“
„Beantworten Sie einfach meine Frage.“
„Ich habe mich umpfarren lassen.“
„Und warum?“
„Hier gefällt es mir besser. Den Menschen an meinem Wohnort fühle ich mich weniger verbunden.“
Keller gab sich mit dieser Antwort zunächst zufrieden. Er bat die Pfarrerin, alle Mitglieder des Presbyteriums einzubestellen und ihnen unmissverständlich mitzuteilen, dass sie anderenfalls eine Vorladung ins Polizeipräsidium erwarte. Schon eine Viertelstunde später konnten sie mit der Befragung beginnen.
Ihre erste Gesprächspartnerin war die Jugendpresbyterin Alena Dichter. Schulterlanges, braunes Haar umrahmte ein hübsches Gesicht mit einem sinnlichen Mund und verschmitzten, dunklen Augen. Obwohl sie locker 80 bis 90 Kilo auf die Waage brachte, wirkte sie hellwach und dynamisch. Stressfresserin - dachte Kerkenbrock - schade um die tolle Ausstrahlung.
Frau Dichter kämpfte schon seit Jahren für einen Personalwechsel im Küsteramt, aber gegen die schützenden Hände von Pfarrerin Zettel und Kirchmeister Tümpelbauer war sie lange Zeit machtlos gewesen.
„Wäre Herr Klaaßen so mit der Kulturgruppe umgegangen, wie er die Jugendlichen behandelt hat, hätte das sofort einen Rieseneklat heraufbeschworen und er hätte schneller im Job-Center gesessen als die Ten Singer Highway To Hell spielen können.“
Trotzdem schloss sie die Jugendlichen als Täter aus. „Ich kenne die Kids, soviel kriminelle Energie hat keiner von denen. Allerdings habe ich auch keine Phantasie, wer tatsächlich so brutal ist.“
„Aber könnte es sich nicht auch um einen aus dem Ruder gelaufenen Streich handeln?“, fragte Kerkenbrock.
„Das liegt erst einmal nahe.“, gab Alena Dichter ihr Recht. „So Firlefanz mit Feuerwerkskörpern, das klingt nach jugendlichem Schabernack. Aber wenn die Jungs noch Silvesterraketen übrig gehabt hätten, dann hätten sie die bis Ende Januar längst verballert und wie sollten sie sonst da herankommen, die sind ja nicht ganzjährig frei verkäuflich. Außerdem hätten sie den Küster bestimmt nicht auf dem Klo eingesperrt. Und sie hätten auch nicht solche Massen an Material eingesetzt. Ein paar Chinakracher hätten doch zum Erschrecken schon gereicht.“
Maik Mohn betrat den Befragungsraum, ein echtes Sahneschnittchen, wie Kerkenbrock amüsiert feststellte. Definierte Muskeln unter gepflegter Kleidung, modischer Kurzhaarschnitt und ein gut geschnittenes, intelligentes Gesicht. Als Mitglied des Bauausschusses hatte er sich mehrfach mit den Beschwerden über den Küster befasst, verlor aber weder über Tümpelbauer noch über Laugrand freundliche Worte. Er ließ sich außerdem über den chronisch abwesenden Oliver Birkner aus: „Ich frage mich, ob er nur ins Presbyterium gegangen ist, um seine Karrierechancen in der Verwaltung des LKA zu erhöhen.“
„Er ist beim LKA?“, fragte Keller verdutzt? „Aber was sollte ihm da die Mitgliedschaft in einem kirchlichen Gremium nützen?“
Mohn begann zu kichern. „Ich rede nicht vom Landeskriminalamt sondern vom Landeskirchenamt. Er ist dort mit Bauangelegenheiten befasst und hier auch im Bauausschuss aktiv. Natürlich schielt er auch auf den Posten des Baukirchmeisters, aber erstens ist er dafür viel zu faul – er fährt lieber seinen schnittigen Sportwagen spazieren – und zweitens sitzt Tümpelbauer nach wie vor viel zu fest im Sattel. Wir sind uns zwar alle einig, dass er der Entwicklung der Gemeinde mehr im Wege steht, als ihr zu nützen, aber unsere Vorsitzende, die Pfarrerin Zettel, befürchtet, dass großes Chaos über uns hereinbricht, wenn wir auf Tümpelbauers vermeintliche Kompetenz verzichten. Ich sitze ja selbst im Bauausschuss und ich bin da vollkommen anderer Meinung.“
„Wären Sie der kompetentere Vorsitzende?“, fragte Kerkenbrock mit gespielter Unschuld.
„Das glaube ich nicht.“, antwortete Mohn. „Ich bin nur in diesem Ausschuss, um den erzkonservativen Granaten auf die Finger zu gucken. Wir bräuchten ganz neue, frische Gesichter im Presbyterium. Aber die Gemeinde ist träge. Niemand will einen altgedienten Presbyter aus dem Amt drängen und so gibt es kaum neue Kandidaten und wer sich aufstellen lässt, wird dankbar gewählt, insbesondere, wenn er es nicht zum ersten Mal tut.“
„Wissen Sie, was mich an Herrn Mohns Aussage irritiert?“, fragte Keller seine Kollegin, als sie für ein paar Minuten allein waren.
„Nein, keine Ahnung. Ich fand ihn äußerst vertrauenswürdig.“
„Ja, nicht wahr“, meinte Keller, „so eloquent und so gut gebaut.“
„Haben Sie Probleme mit attraktiven Männern? Sehen Sie sich da in Konkurrenz?“
„Ach Unsinn!“, schnaubte Keller verärgert. „Ich bin nur immun gegen die sexuellen Reize meiner eigenen Geschlechtsgenossen. Dadurch ist mein Blick weniger verstellt. Er hat kaum etwas über das Opfer gesagt, statt dessen sofort den Verdacht auf seine Gegner gelenkt, ohne auch nur einen einzigen verwertbaren Anhaltspunkt zu liefern. Vielleicht weiß er mehr, als er zugibt und versucht, jemanden zu schützen. Lassen Sie uns die Befragung fortsetzen, vielleicht ergibt sich noch etwas.“
Fortsetzung folgt am nächsten Freitag.
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