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Freitag, 14. September 2018
Zwergenaufstand – ein krimifantastischer Vierteiler – Teil 2
c. fabry, 12:51h
Rolo entdeckte ihn an der Honighalle. Er war aufgedunsen wie ein Klops und so weiß, dass man geneigt war, eine Sonnenbrille aufzusetzen, wenn man ihn ansehen wollte. Wenn man ihn denn ansehen wollte, denn er war so entsetzlich hässlich, dass Rolos Gefühle zwischen Abscheu und tiefstem Mitleid hin und her pendelten. Er trug eine Fahne mit sich herum, darauf stand in großen, altmodischen Lettern: Weißland den Weißen.
Rolo gab sich naiv und unschuldig, als er den weißen Zwerg fragte: „Wo ist denn Weißland?“
„Na hie', du Wanze.“, antwortete der Giftzwerg.
„Aber hier ist doch Zworderos.“
„Wenn wi' mit den Zu'ezo'enen fetich sin', is' hier wieder Weißlan'.“
Der kann ja nicht einmal richtig sprechen – dachte Rolo erschüttert.
„Wann seid ihr denn mit den Zugezogenen fertig?“, fragte Rolo weiter nach.
„Wenn die alle ve'schwunnen sin'.“
„Warum sollen die denn verschwinden?“
„Bissu schwul oder was? Weil die Scheiße sin'. Die ham mein Kam'raden paltt 'emacht. Ich will Rache.“
Mit zitternden Händen zählte der debile Giftzwerg sein Kleingeld und musste immer wieder von vorn anfangen.
„Komm, Kamerad“, sagte Rolo, „Ich lad' dich ein.“ Er ging in die Honighalle und kaufte ein Fässchen Met für den Giftzwerg. Dieses Exemplar konnte man nicht mehr retten, nur ruhigstellen und dabei unterstützen, wie er sich ins Grab trank, so traurig das war. Keiner konnte ihn gebrauchen und vermutlich hatte ihn auch niemand gern. Er hatte seinen wahrscheinlich einzigen Freund verloren, er hatte Angst vor den eingewanderten Zwergen aus anderen Ländern, weil sie ihm oder seinen Kameraden etwas angetan hatten. Rolo verstand, dass ein Zwerg mit geringem Verstand zu keiner anderen Schlussfolgerung gelangen konnte. Eine Katze hätte das auch nicht gekonnt.
Er zog zum nächsten Ort und machte Rast in einem Wirtshaus. Am Nebentisch saß ein alter, weißer Giftzwerg und aß eine Schweinshaxe. Die hatte er auch bitter nötig, denn er war klein, schwach und krumm. Er schimpfte lautstark über das bunte Gesindel, als sein Blick schließlich auf den jungen, gesunden, kräftigen Rolo fiel.
„Nichts für ungut, Gelber.“, sagte er zu Rolo „Ich habe grundsätzlich nichts gegen Farben. Helle Farben sind ja ganz schön, die leuchten besonders auf weißem Grund. Es sind die dunklen Farben, die ich nicht ausstehen kann, die passen einfach nicht zu uns. Die blauen, roten und grünen Zwerge sollen dahin zurück ziehen, wo sie her gekommen sind. Da passen sie in die Landschaft, aber hier beißen sich ihre Farben mit denen, die hier hingehören. Sie mischen sich mit unseren Frauen und was kommt dann dabei heraus? Lauter verwaschene Kinder, die so schmuddelig aussehen, dass sie niemals leuchten können. Die müssen weg, die dunklen Zwerge, die wollen wir hier nicht.“
„Ich glaube“, sagte Rolo, „Nach der Haxe brauchst du erst einmal einen ordentlichen Schnaps zur Verdauung.“
Er bestellte dem Giftzwerg eine ganze Flasche und brachte ihn dazu, einen nach dem anderen zu kippen: auf die Vertreibung der dunklen Zwerge, auf alles Helle und Schöne, auf Schweinhaxen bis zum Abwinken und auf den Endsieg der weißen Zwerge. Am Ende schlief der Alte am Tisch ein und Rolo hoffte, dass er nie wieder aufwachte. Die Abscheu gegen alle kräftigen Farben hatte sich so tief in die Seele das alten Giftzwergs gebrannt, da war nichts mehr rückgängig zu machen, das musste sogar Rolo einsehen. Dieser hier hatte also Angst davor, dass seine gewohnte Umgebung sich veränderte, dass die Dinge nicht mehr so aussahen wie in seiner Kindheit. Eine seltsame Art, die Welt zu sehen, aber davon gab es sicher eine ganze Menge.
Rolo wanderte weiter und suchte sich ein Gasthaus für die Nacht. Jetzt, wo es langsam dunkel wurde, sah man immer mehr weiße Zwerge auf den Straßen und kaum noch bunte. Sie sahen aus wie Gespenster, die Giftzwerge und Rolo spürte die gleiche Angst vor den Weißen in sich aufsteigen, die diese vermutlich vor den Bunten hatten.
Im Gasthof saß eine Gruppe Giftzwerge zusammen und trank Met. Den Anführer machte Rolo sofort aus. Er hatte eiskalte Augen und sah so aus, als hätte irgendetwas ihm die Seele ausgesaugt. Er verzog keine Miene, sein Blick bohrte sich in Rolos Kopf und er sprach wie eine Maschine: „Die Dunklen nehmen unsere Frauen weg und mischen sich mit ihnen. Da kommen dann nichts als graubraune Bastarde raus, lauter Taugenichtse, die dauernd krank sind und nicht arbeiten können. Die müssen weg. Außerdem reicht es nicht für alle in Weißland, wenn von überall her die Bunten hier einfallen, die Felder leer fressen, die besten Höhlen besetzen und sich in unsere Ratsversammlungen schleichen, um irgendwann die Macht zu übernehmen. Denn die Zugezogenen sehen auch, dass es nicht für alle reicht, darum wollen sie uns verdrängen. Sie vermehren sich wie die Karnickel, bis sie irgendwann in der Mehrheit sind und dann versklaven sie uns. Wehret den Anfängen! Wir werden sie jagen, werden uns unser Land zurück erobern. Weißland für immer weiß!
„Weißland für immer weiß!“, antwortete die Gruppe brüllend und alle nahmen einen Schluck von ihrem Met.
Rolo hatte plötzlich eine ausgezeichnete Idee.
„Ihr müsst sie einzeln aufspüren.“, sagte er. Einen nach dem anderen verschwinden lassen, so dass der Rest gar nichts merkt.“
„Schlau.“, sagte einer der Giftzwerge. „So weit sind wir auch schon.“
„Ja, aber wisst ihr denn auch, dass in den alten Futhark-Höhlen draußen vor der Stadt ganze Sippen von Eingewanderten hausen? Ihr könntet einen nach dem anderen raus locken und dann mit ihm tun, was ihr für richtig haltet.“
„Was hieltest du denn für richtig?“, fragte der Anführer voller Argwohn.
„Zerhacken.“ antwortete Rolo mit vorgetäuschter Herzenskälte. „In den Boden rammen, verbrennen, zerschmettern, ertränken, häuten, was auch immer euch einfällt. Irgendwie müsst ihr sie ja kaputt kriegen.“
Die Giftzwerge klopften begeistert auf den Tisch.
„In die Futhark-Höhlen hat seit Jahren niemand einen Fuß gesetzt.“, sagte der Anführer. „Man sagt, sie seien verflucht. Aber wenn das stimmt, was du sagst, warum sollten wir sie einzeln herausholen? In den Höhlen können wir sie doch einfach ausräuchern.“
Wieder klopften die weißen Zwerge begeistert auf den Tisch und Rolo wünschte allseits gute Nacht. Er wusste dass die Futhark-Höhlen voller Wespennester waren. Wenn die Giftzwerge dort Rauch einleiteten, würden sie ihr schwarz-gelbes Wunder erleben.
Am nächsten Morgen führten Rolos Schritte ihn in die Hauptstadt von Zworderos. Hier wohnten die Riesen, die über das ganze Land herrschten, nicht nur über Zworderos, ihre Arme reichten bis ins Zwuselland, man spürte das immer dann, wenn sich etwas änderte, was kein einziger Regenbogenzwerg wollte, trotzdem geschah es einfach so. Die Häuser der Riesen waren strahlend weiß, nur die Fenster und Türrahmen waren in dezenten Pastelltönen gestrichen. Nirgendwo gewährte man Rolo Einlass und er fragte sich, warum die Riesen sich derartig gegen die Zwerge abschotteten, wo sie bei ihrer Größe und Macht doch eigentlich nichts von ihnen zu befürchten hatten. Doch dann entdeckte er eine Maueröffnung, um die sich niemand gekümmert hatte, ein kleines Fenster, durch das kein Riese sich hätte zwängen können, auch nicht der fette, weiße Giftzwerg, der vor der Honighalle gestanden hatte, aber der schlanke, wendige, dottergelbe Rolo, der kam hinein und was er dort entdeckte, verschlug ihm die Sprache.
Fortsetzung folgt am kommenden Freitag
Rolo gab sich naiv und unschuldig, als er den weißen Zwerg fragte: „Wo ist denn Weißland?“
„Na hie', du Wanze.“, antwortete der Giftzwerg.
„Aber hier ist doch Zworderos.“
„Wenn wi' mit den Zu'ezo'enen fetich sin', is' hier wieder Weißlan'.“
Der kann ja nicht einmal richtig sprechen – dachte Rolo erschüttert.
„Wann seid ihr denn mit den Zugezogenen fertig?“, fragte Rolo weiter nach.
„Wenn die alle ve'schwunnen sin'.“
„Warum sollen die denn verschwinden?“
„Bissu schwul oder was? Weil die Scheiße sin'. Die ham mein Kam'raden paltt 'emacht. Ich will Rache.“
Mit zitternden Händen zählte der debile Giftzwerg sein Kleingeld und musste immer wieder von vorn anfangen.
„Komm, Kamerad“, sagte Rolo, „Ich lad' dich ein.“ Er ging in die Honighalle und kaufte ein Fässchen Met für den Giftzwerg. Dieses Exemplar konnte man nicht mehr retten, nur ruhigstellen und dabei unterstützen, wie er sich ins Grab trank, so traurig das war. Keiner konnte ihn gebrauchen und vermutlich hatte ihn auch niemand gern. Er hatte seinen wahrscheinlich einzigen Freund verloren, er hatte Angst vor den eingewanderten Zwergen aus anderen Ländern, weil sie ihm oder seinen Kameraden etwas angetan hatten. Rolo verstand, dass ein Zwerg mit geringem Verstand zu keiner anderen Schlussfolgerung gelangen konnte. Eine Katze hätte das auch nicht gekonnt.
Er zog zum nächsten Ort und machte Rast in einem Wirtshaus. Am Nebentisch saß ein alter, weißer Giftzwerg und aß eine Schweinshaxe. Die hatte er auch bitter nötig, denn er war klein, schwach und krumm. Er schimpfte lautstark über das bunte Gesindel, als sein Blick schließlich auf den jungen, gesunden, kräftigen Rolo fiel.
„Nichts für ungut, Gelber.“, sagte er zu Rolo „Ich habe grundsätzlich nichts gegen Farben. Helle Farben sind ja ganz schön, die leuchten besonders auf weißem Grund. Es sind die dunklen Farben, die ich nicht ausstehen kann, die passen einfach nicht zu uns. Die blauen, roten und grünen Zwerge sollen dahin zurück ziehen, wo sie her gekommen sind. Da passen sie in die Landschaft, aber hier beißen sich ihre Farben mit denen, die hier hingehören. Sie mischen sich mit unseren Frauen und was kommt dann dabei heraus? Lauter verwaschene Kinder, die so schmuddelig aussehen, dass sie niemals leuchten können. Die müssen weg, die dunklen Zwerge, die wollen wir hier nicht.“
„Ich glaube“, sagte Rolo, „Nach der Haxe brauchst du erst einmal einen ordentlichen Schnaps zur Verdauung.“
Er bestellte dem Giftzwerg eine ganze Flasche und brachte ihn dazu, einen nach dem anderen zu kippen: auf die Vertreibung der dunklen Zwerge, auf alles Helle und Schöne, auf Schweinhaxen bis zum Abwinken und auf den Endsieg der weißen Zwerge. Am Ende schlief der Alte am Tisch ein und Rolo hoffte, dass er nie wieder aufwachte. Die Abscheu gegen alle kräftigen Farben hatte sich so tief in die Seele das alten Giftzwergs gebrannt, da war nichts mehr rückgängig zu machen, das musste sogar Rolo einsehen. Dieser hier hatte also Angst davor, dass seine gewohnte Umgebung sich veränderte, dass die Dinge nicht mehr so aussahen wie in seiner Kindheit. Eine seltsame Art, die Welt zu sehen, aber davon gab es sicher eine ganze Menge.
Rolo wanderte weiter und suchte sich ein Gasthaus für die Nacht. Jetzt, wo es langsam dunkel wurde, sah man immer mehr weiße Zwerge auf den Straßen und kaum noch bunte. Sie sahen aus wie Gespenster, die Giftzwerge und Rolo spürte die gleiche Angst vor den Weißen in sich aufsteigen, die diese vermutlich vor den Bunten hatten.
Im Gasthof saß eine Gruppe Giftzwerge zusammen und trank Met. Den Anführer machte Rolo sofort aus. Er hatte eiskalte Augen und sah so aus, als hätte irgendetwas ihm die Seele ausgesaugt. Er verzog keine Miene, sein Blick bohrte sich in Rolos Kopf und er sprach wie eine Maschine: „Die Dunklen nehmen unsere Frauen weg und mischen sich mit ihnen. Da kommen dann nichts als graubraune Bastarde raus, lauter Taugenichtse, die dauernd krank sind und nicht arbeiten können. Die müssen weg. Außerdem reicht es nicht für alle in Weißland, wenn von überall her die Bunten hier einfallen, die Felder leer fressen, die besten Höhlen besetzen und sich in unsere Ratsversammlungen schleichen, um irgendwann die Macht zu übernehmen. Denn die Zugezogenen sehen auch, dass es nicht für alle reicht, darum wollen sie uns verdrängen. Sie vermehren sich wie die Karnickel, bis sie irgendwann in der Mehrheit sind und dann versklaven sie uns. Wehret den Anfängen! Wir werden sie jagen, werden uns unser Land zurück erobern. Weißland für immer weiß!
„Weißland für immer weiß!“, antwortete die Gruppe brüllend und alle nahmen einen Schluck von ihrem Met.
Rolo hatte plötzlich eine ausgezeichnete Idee.
„Ihr müsst sie einzeln aufspüren.“, sagte er. Einen nach dem anderen verschwinden lassen, so dass der Rest gar nichts merkt.“
„Schlau.“, sagte einer der Giftzwerge. „So weit sind wir auch schon.“
„Ja, aber wisst ihr denn auch, dass in den alten Futhark-Höhlen draußen vor der Stadt ganze Sippen von Eingewanderten hausen? Ihr könntet einen nach dem anderen raus locken und dann mit ihm tun, was ihr für richtig haltet.“
„Was hieltest du denn für richtig?“, fragte der Anführer voller Argwohn.
„Zerhacken.“ antwortete Rolo mit vorgetäuschter Herzenskälte. „In den Boden rammen, verbrennen, zerschmettern, ertränken, häuten, was auch immer euch einfällt. Irgendwie müsst ihr sie ja kaputt kriegen.“
Die Giftzwerge klopften begeistert auf den Tisch.
„In die Futhark-Höhlen hat seit Jahren niemand einen Fuß gesetzt.“, sagte der Anführer. „Man sagt, sie seien verflucht. Aber wenn das stimmt, was du sagst, warum sollten wir sie einzeln herausholen? In den Höhlen können wir sie doch einfach ausräuchern.“
Wieder klopften die weißen Zwerge begeistert auf den Tisch und Rolo wünschte allseits gute Nacht. Er wusste dass die Futhark-Höhlen voller Wespennester waren. Wenn die Giftzwerge dort Rauch einleiteten, würden sie ihr schwarz-gelbes Wunder erleben.
Am nächsten Morgen führten Rolos Schritte ihn in die Hauptstadt von Zworderos. Hier wohnten die Riesen, die über das ganze Land herrschten, nicht nur über Zworderos, ihre Arme reichten bis ins Zwuselland, man spürte das immer dann, wenn sich etwas änderte, was kein einziger Regenbogenzwerg wollte, trotzdem geschah es einfach so. Die Häuser der Riesen waren strahlend weiß, nur die Fenster und Türrahmen waren in dezenten Pastelltönen gestrichen. Nirgendwo gewährte man Rolo Einlass und er fragte sich, warum die Riesen sich derartig gegen die Zwerge abschotteten, wo sie bei ihrer Größe und Macht doch eigentlich nichts von ihnen zu befürchten hatten. Doch dann entdeckte er eine Maueröffnung, um die sich niemand gekümmert hatte, ein kleines Fenster, durch das kein Riese sich hätte zwängen können, auch nicht der fette, weiße Giftzwerg, der vor der Honighalle gestanden hatte, aber der schlanke, wendige, dottergelbe Rolo, der kam hinein und was er dort entdeckte, verschlug ihm die Sprache.
Fortsetzung folgt am kommenden Freitag
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