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Freitag, 23. Juni 2017
Kurschuss schreibt, Lenz antwortet
c. fabry, 00:46h
Hätte die Pastorin gewusst, welche Folgen ihr Brief haben würde, hätte sie ihn lieber nicht selbst geschrieben. Aber hinterher ist man immer schlauer
Hätte Herr Lenz gewusst, was er mit dem folgenden Brief anrichtet, hätte er ihn wohl nur an die Adressatin geschickt und nicht gleich auf seine Facebookseite. Am Ende hatte er keine Liebste mehr. Von der hatte ein Fan des Höchsten ihn befreit. Der wollte nämlich ein Zeichen setzen, für Frieden und Gerechtigkeit und für das Recht der Evangelischen Kirche, sich selbst zu feiern, ohne dass Stänkerer ihr in die Suppe spuckten.
„Sehr geehrter Herr Lenz,
wissen Sie schon, was Sie für den 31. Oktober planen? Wieso? Weil das in diesem Jahr erstmalig ein Feiertag sein wird.“
Aber natürlich, gnädige Frau. Ich werde ausschlafen und kurz vor Mittag Tiefkühlbrötchen in den Ofen schieben, weil an besonderen Feiertagen die Bäcker geschlossen haben und ich den Schrott von der Tankstelle nicht mag.
Dann werde ich zu meiner Liebsten ins Bett kriechen und die Liebe aufwecken, bis es ihr selbst gefällt (frei nach Hoheslied Salomo 8,4).
Ich werde ausgiebig frühstücken, duschen, lesen oder Fernsehen und schließlich die Wohnung dekorieren, sowie mich selbst. Wieso? Weil ich eine stimmungsvolle Halloween-Party geben werde.
Sie schrieben: „Der Reformationstag jährt sich dann zum 500. Mal.“
Sie geben das als Grund für Ihren Brief an. Warum schreiben Sie mir überhaupt? Ich kenne Sie gar nicht. Sie schreiben:“Sie sind Mitglied der Evangelischen Kirche von Westfalen, in der ich als Präses leitende Pastorin bin.“
Was wollen Sie mir damit sagen? Dass Sie mein Chef sind? Oder sogar meine Schäferin? Stalken Sie jede Ihrer Karteileichen? Oder nur Pfarrerssöhne wie mich? Schwarze Schafe, die den Anschluss an die Herde verpasst haben? Aber woher wollen Sie wissen, wer ich bin? Wie ich schon sagte, wir kennen uns gar nicht. Da nützt auch Ihr gefotoshoptes Bewerbungsfoto nicht. Ebenso wenig Ihre Schlagzeilen: „Kein Mensch kann und muss sich selbst gut machen.“
Sie schreiben, dass Martin Luther am 31. Oktober 1517 mit dieser „bahnbrechenden Erkenntnis“ an die Öffentlichkeit ging. So weit, so platt. Aber dann erklären Sie mir: „Luther nannte das die Freiheit des Christenmenschen.“
Muslime, Juden, Hindus, Buddhisten, Schamanisten, Atheisten, Agnostiker, Esoteriker und Restreligiöse sind dann wohl keine Menschen, sondern Geschmeiß, das sich durchaus selbst gut machen müsste, wenn es das denn könnte?
Und dann soll der fünfhundert Jahre alte Befreiungsschlag uns auch gleich noch vom Höher, Schneller, Weiter des Turbokapitalismus befreien? Haben Sie noch alle Abendmahlsgeräte in der Sakristei?
Sie schreiben: „Was kann uns aus dieser Spirale befreien? Dass Gott uns mit Liebe ansieht. Diese Gewissheit haben wir durch Jesus Christus.“
Wir?! Wer ist wir?! Also ich nicht. Nichts ist gewiss. Sie glauben vielleicht, dass Gott Sie mit Liebe ansieht. Mich hat er mein Leben lang in den Arsch getreten.
Und über Jesus „hatte nicht einmal der Tod das letzte Wort“? Hat der Tod überhaupt Worte?
„Er schenkt uns Gemeinschaft mit Gott, die durch nichts und niemanden in Frage gestellt wird.“
Ich widerspreche. Ich stelle in Frage. Bin ich etwa niemand?
Wenn das wirklich „frei zu einem aufrechten Leben“ macht, warum schleichen dann so viele freie Christenmenschen mit gekrümmten Rücken und gequälten Seelen frei von Selbstwertgefühl durch die Gemeindehäuser? Und dann haben Sie die Stirn den Satz weiterzuspinnen mit den Worten „Und hoffentlich auch zu einem getrosten Sterben.“ Sind Sie noch bei Trost? Natürlich hoffe ich, nicht zu sterben.
„Martin Luther hat seine Entdeckung beim Lesen der Bibel gemacht.“ Ja, was kann man da schon erwarten? Richtige Entdecker machten ihre Entdeckungen auf riskanten Fernreisen, in Laboratorien unter zum Teil lebensbedrohliche Bedingungen. Sie haben gearbeitet. Luther hat gelesen. Oh, da hat er was entdeckt! Heureka! Ja gut, ich weiß, dass er auch sein Leben riskiert hat, aber das war nach der „Entdeckung“.
Die nächste Schlagzeile in Ihrem Drohbrief lautet: „Wir werden am Reformationstag 2017 frei haben – als Zeichen dafür, dass wir befreit sind von der ständigen Sorge um uns selbst.“
Haben Sie sich das selbst ausgedacht? Glauben Sie, ich werde mich an diesem Tag weniger um mich selbst sorgen, nur weil Sie das so anordnen? Weil Sie meinen, der alte Luther hätte mich davon befreit? Von was wollen Sie mich denn noch befreien? Vielleicht von finanziellem Ballast? Schließlich müssen Sie diese Massenpost ja irgendwie refinanzieren. Und dann wollen Sie mir, nachdem Sie 1 ½ Seiten über Freiheit geschwafelt haben, auch noch vorschreiben, wie ich diesen arbeitsfreien Tag verbringen, beziehungsweise zu was ich ihn nutzen soll:
„- zum Innehalten und Gottesdienstfeiern
zum Einsatz für Mitmenschen und Mitgeschöpfe, die sonst niemand im Blick hat
zum tatkräftigen Eintreten für Frieden und Gerechtigkeit.“
Entweder tut man so etwas mindestens hundert Mal im Jahr oder eben nicht. Was haben übersehene Mitgeschöpfe davon, wenn ich Sie am 31. Oktober ausnahmsweise einmal angucke? Wie tritt man einen Tag lang für Frieden und Gerechtigkeit ein?
Nein, ich bin nicht neugierig auf den Festgottesdienst meiner Kirchengemeinde. Ich bin neugierig auf die lustvollen Melodien, die meine Liebste von sich gibt, wenn ich Sie zum Singen bringe und später auf den Verlauf meiner Halloweenparty. Und wenn ich fernsehe, dann sicher keinen Wiesenkirchen-Gottesdienst.
Sie wünschen mir, dass ich entdecke, warum ich Evangelisch bin? Ich weiß, warum das so ist. Mein Vater war Pfarrer, hat mich ohne zu fragen in diese Kirche reingetauft und wieder rauskonfirmiert. Ausgetreten bin ich nur nicht, weil ich dafür bisher zu faul war.
Ist das wirklich alles, was Ihnen zu fünfhundert Jahren Reformation einfällt? Die alte Suppe zum fünfhundertsten Mal aufwärmen? Wenn das mal am Ende keine kalten Füße gibt. Gott segne Sie meinetwegen auch. Is' mir egal.
Lenz
P.S.: Ein Wort, dass Ihnen in Ihrem Repertoire sicherlich noch fehlt. Evangelistischer Terminus für Prostituierte: Mietgeschöpfe
Ach ja, wenn Herr Lenz gewusst hätte, was er damit anrichtet....
Hätte Herr Lenz gewusst, was er mit dem folgenden Brief anrichtet, hätte er ihn wohl nur an die Adressatin geschickt und nicht gleich auf seine Facebookseite. Am Ende hatte er keine Liebste mehr. Von der hatte ein Fan des Höchsten ihn befreit. Der wollte nämlich ein Zeichen setzen, für Frieden und Gerechtigkeit und für das Recht der Evangelischen Kirche, sich selbst zu feiern, ohne dass Stänkerer ihr in die Suppe spuckten.
„Sehr geehrter Herr Lenz,
wissen Sie schon, was Sie für den 31. Oktober planen? Wieso? Weil das in diesem Jahr erstmalig ein Feiertag sein wird.“
Aber natürlich, gnädige Frau. Ich werde ausschlafen und kurz vor Mittag Tiefkühlbrötchen in den Ofen schieben, weil an besonderen Feiertagen die Bäcker geschlossen haben und ich den Schrott von der Tankstelle nicht mag.
Dann werde ich zu meiner Liebsten ins Bett kriechen und die Liebe aufwecken, bis es ihr selbst gefällt (frei nach Hoheslied Salomo 8,4).
Ich werde ausgiebig frühstücken, duschen, lesen oder Fernsehen und schließlich die Wohnung dekorieren, sowie mich selbst. Wieso? Weil ich eine stimmungsvolle Halloween-Party geben werde.
Sie schrieben: „Der Reformationstag jährt sich dann zum 500. Mal.“
Sie geben das als Grund für Ihren Brief an. Warum schreiben Sie mir überhaupt? Ich kenne Sie gar nicht. Sie schreiben:“Sie sind Mitglied der Evangelischen Kirche von Westfalen, in der ich als Präses leitende Pastorin bin.“
Was wollen Sie mir damit sagen? Dass Sie mein Chef sind? Oder sogar meine Schäferin? Stalken Sie jede Ihrer Karteileichen? Oder nur Pfarrerssöhne wie mich? Schwarze Schafe, die den Anschluss an die Herde verpasst haben? Aber woher wollen Sie wissen, wer ich bin? Wie ich schon sagte, wir kennen uns gar nicht. Da nützt auch Ihr gefotoshoptes Bewerbungsfoto nicht. Ebenso wenig Ihre Schlagzeilen: „Kein Mensch kann und muss sich selbst gut machen.“
Sie schreiben, dass Martin Luther am 31. Oktober 1517 mit dieser „bahnbrechenden Erkenntnis“ an die Öffentlichkeit ging. So weit, so platt. Aber dann erklären Sie mir: „Luther nannte das die Freiheit des Christenmenschen.“
Muslime, Juden, Hindus, Buddhisten, Schamanisten, Atheisten, Agnostiker, Esoteriker und Restreligiöse sind dann wohl keine Menschen, sondern Geschmeiß, das sich durchaus selbst gut machen müsste, wenn es das denn könnte?
Und dann soll der fünfhundert Jahre alte Befreiungsschlag uns auch gleich noch vom Höher, Schneller, Weiter des Turbokapitalismus befreien? Haben Sie noch alle Abendmahlsgeräte in der Sakristei?
Sie schreiben: „Was kann uns aus dieser Spirale befreien? Dass Gott uns mit Liebe ansieht. Diese Gewissheit haben wir durch Jesus Christus.“
Wir?! Wer ist wir?! Also ich nicht. Nichts ist gewiss. Sie glauben vielleicht, dass Gott Sie mit Liebe ansieht. Mich hat er mein Leben lang in den Arsch getreten.
Und über Jesus „hatte nicht einmal der Tod das letzte Wort“? Hat der Tod überhaupt Worte?
„Er schenkt uns Gemeinschaft mit Gott, die durch nichts und niemanden in Frage gestellt wird.“
Ich widerspreche. Ich stelle in Frage. Bin ich etwa niemand?
Wenn das wirklich „frei zu einem aufrechten Leben“ macht, warum schleichen dann so viele freie Christenmenschen mit gekrümmten Rücken und gequälten Seelen frei von Selbstwertgefühl durch die Gemeindehäuser? Und dann haben Sie die Stirn den Satz weiterzuspinnen mit den Worten „Und hoffentlich auch zu einem getrosten Sterben.“ Sind Sie noch bei Trost? Natürlich hoffe ich, nicht zu sterben.
„Martin Luther hat seine Entdeckung beim Lesen der Bibel gemacht.“ Ja, was kann man da schon erwarten? Richtige Entdecker machten ihre Entdeckungen auf riskanten Fernreisen, in Laboratorien unter zum Teil lebensbedrohliche Bedingungen. Sie haben gearbeitet. Luther hat gelesen. Oh, da hat er was entdeckt! Heureka! Ja gut, ich weiß, dass er auch sein Leben riskiert hat, aber das war nach der „Entdeckung“.
Die nächste Schlagzeile in Ihrem Drohbrief lautet: „Wir werden am Reformationstag 2017 frei haben – als Zeichen dafür, dass wir befreit sind von der ständigen Sorge um uns selbst.“
Haben Sie sich das selbst ausgedacht? Glauben Sie, ich werde mich an diesem Tag weniger um mich selbst sorgen, nur weil Sie das so anordnen? Weil Sie meinen, der alte Luther hätte mich davon befreit? Von was wollen Sie mich denn noch befreien? Vielleicht von finanziellem Ballast? Schließlich müssen Sie diese Massenpost ja irgendwie refinanzieren. Und dann wollen Sie mir, nachdem Sie 1 ½ Seiten über Freiheit geschwafelt haben, auch noch vorschreiben, wie ich diesen arbeitsfreien Tag verbringen, beziehungsweise zu was ich ihn nutzen soll:
„- zum Innehalten und Gottesdienstfeiern
zum Einsatz für Mitmenschen und Mitgeschöpfe, die sonst niemand im Blick hat
zum tatkräftigen Eintreten für Frieden und Gerechtigkeit.“
Entweder tut man so etwas mindestens hundert Mal im Jahr oder eben nicht. Was haben übersehene Mitgeschöpfe davon, wenn ich Sie am 31. Oktober ausnahmsweise einmal angucke? Wie tritt man einen Tag lang für Frieden und Gerechtigkeit ein?
Nein, ich bin nicht neugierig auf den Festgottesdienst meiner Kirchengemeinde. Ich bin neugierig auf die lustvollen Melodien, die meine Liebste von sich gibt, wenn ich Sie zum Singen bringe und später auf den Verlauf meiner Halloweenparty. Und wenn ich fernsehe, dann sicher keinen Wiesenkirchen-Gottesdienst.
Sie wünschen mir, dass ich entdecke, warum ich Evangelisch bin? Ich weiß, warum das so ist. Mein Vater war Pfarrer, hat mich ohne zu fragen in diese Kirche reingetauft und wieder rauskonfirmiert. Ausgetreten bin ich nur nicht, weil ich dafür bisher zu faul war.
Ist das wirklich alles, was Ihnen zu fünfhundert Jahren Reformation einfällt? Die alte Suppe zum fünfhundertsten Mal aufwärmen? Wenn das mal am Ende keine kalten Füße gibt. Gott segne Sie meinetwegen auch. Is' mir egal.
Lenz
P.S.: Ein Wort, dass Ihnen in Ihrem Repertoire sicherlich noch fehlt. Evangelistischer Terminus für Prostituierte: Mietgeschöpfe
Ach ja, wenn Herr Lenz gewusst hätte, was er damit anrichtet....
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