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Freitag, 9. Juni 2017
Giftpfeile
c. fabry, 17:23h
Mit seinen Gedanken war er noch beim Cloud-Schießen. Er würde nie begreifen was die meditativen Typen an diesen Distanz-Schüssen fanden. Er zielte lieber auf Scheiben oder 3D-Figuren, wenn auch mit dem englischen Langbogen und nicht mit einem dieser seelenlosen Sportbögen aus Fiberglas. Er hatte auch gar nicht die Kraft, so weit durchzuziehen. Was ihn interessierte, war die Konzentration und Präzision, Tugenden die er sowohl in seiner beruflichen, als auch seiner ehrenamtlichen Tätigkeit benötigte. Dank dieses konzentrierten und präzisen Blickes, war ihm klar, dass diese ungepflegte, verhuschte, alternde Jugendmitarbeiterin viel zu teuer war, für das, was sie ablieferte. Er bekam keinen ausgeglichenen Haushalt hin, so lange diese Schmarotzer sich auf Kosten des Kirchensteuerzahlers in die Hängematte legten. Am Ende dieser Sitzung würde sie den Raum als Arbeitslose verlassen und dem Kirchenkreis ein paar rote Zahlen ersparen. Wie wichtigtuerisch sie ihren Bleistift aus der Federmappe kramte, um ihn dann doch nur ungenutzt auf den Tisch zu legen. Ihr Gesichtsausdruck war so finster, dass er sich fragte, welche düsteren Gedanken ihr wohl gerade durch den Kopf gingen.
- Diese kraftlosen, bleichen Arme, übersät mit unästhetischen Pigmentflecken. Mir ist jetzt noch schlecht vom fleischigen Händedruck seiner überdimensionierten Pranken. Der fleischbergige Finanzhansel sitzt bräsig da wie ein Sack Kartoffeln. Mir dreht sich der Magen um beim Anblick des aufgetriebenen Organverfettungsleibes, den er selbstgefällig wie eine kastrierte, alte Katze auf dem Schoß sitzen hat. Wie kann jemand, dem die freie Durchfahrt zur Schädelrückwand so offensichtlich auf die Stirn geschrieben steht, jemand, dessen dümmlich-wässrig blickende Augen durch die stillose Goldrandbrille glotzen, tatsächlich von der eigenen Genialität überzeugt sein? Warum strebt ein farblos dahinwelkender No-Name-Promovierter so unersättlich nach Macht über Dinge, mit denen er sich nicht auskennt? Weil er ein farblos dahinwelkender No-name-Promovierter ist und das auch schon war, als die anderen Jungs in seinem Alter noch voll im Saft standen und neben der in voller Blüte befindlichen Ehefrau und den wohlgestalteten, leistungsstarken Vorzeigekindern keine blutjunge Gelegenheit für den kleinen Hunger zwischendurch ausließen? Ich sollte meine Lebenszeit an keinen einzigen Gedanken in dieser Richtung verschwenden. Ein paar dunkle Gedanken und Feng-Shui-Giftpfeile sollten reichen, um ihm langfristig die Energie zu rauben. Er wäre nicht der Erste bei dem das klappt. Die glibbrige Wanderkröte hat am Ende auch die Flagge gestrichen. Hat nicht gewusst, dass ich dahinter stecke. Wird es auch nie erfahren. Ich lasse euch alle leiden. Jeden Einzelnen von Euch, der sich meinem Lebensglück in den Weg stellt. Ihr braucht dann keine Hölle mehr. Ihr habt sie schon. -
„Was ich immer noch nicht verstehe“, sagte der Jugendpfarrer, „ist dein Motiv. Du bist seit sechzehn Jahren bei uns, warst immer loyal und jetzt posaunst du plötzlich überall in der Gegend herum, der KSV haue dich übers Ohr. Dir muss doch klar sein, dass das Konsequenzen hat.“
„Ach ja? Und welche Konsequenzen hat es bitte schön, wenn Mittel, die ich durch Eigeninitiative und gute Ideen erwirtschaftet habe, um Ehrenamtlichen aus prekären Verhältnissen die Teilnahme an einer Qualitäts-Freizeit zu ermöglichen, in Haushaltslöchern verschwinden, die ich nicht zu verantworten habe?“
„Das kann ja gar nicht sein.“, meinte der Superintendent
„Nein, normalerweise kann so etwas gar nicht sein.“, gab Nicole von Behren ihm Recht.
„Jetzt werden Sie mal nicht unverschämt.“, meinte der Kirchmeister.
„Ich bin nicht unverschämt.“
„Jetzt lassen Sie uns das doch vernünftig klären.“, versuchte der Superintendent die Wogen zu glätten. „Wenn ich Sie richtig verstehe, Frau von Behren, dann haben Sie die hochkarätigen Sprachreisen organisiert und damit Mittel erwirtschaftet, aus denen sie Zuschüsse für andere Freizeiten gezahlt haben. Und diese Mittel stehen Ihnen jetzt nicht mehr zur Verfügung?“
„Genau so ist es.“
„Und wenn wir diese Summe aus Fördermitteln unserer Stiftung ausgleichen würden? Dann bekämen wir einen ausgeglichenen Haushalt hin und Ihre Arbeit wäre dennoch nicht gefährdet. Sie müssen nämlich wissen, dass wir die Stiftungsgelder nicht direkt in den Haushalt einstellen dürfen.“
„Aber mit Mitteln aus dem Jugendetat dürfen Sie das?“, fragte Nicole angriffslustig.
Der Kirchmeister mischte sich wieder ein: „Die Löcher, die wir stopfen, befinden sich ja im Jugendetat, das heißt, die Mittel werden keineswegs zweckentfremdet.“
„Das sind aber Löcher, die durch Gebäudekosten entstanden sind.“, hielt Nicole dagegen. „Sie verwechseln Äpfel mit Birnen. Sie plündern ja auch nicht die Chorkasse, um die Orgel zu reparieren.“
„Diesen Ton verbitte ich mir.“, entgegnete der Kirchmeister.
„Und ich verbitte mir derartige Eingriffe in meine Arbeit.“, erwiderte Nicole.
„Das steht Ihnen nicht zu.“, stellte der Superintendent energisch fest. „Wenn Sie sich auf die von mir vorgeschlagene Lösung einlassen können und in Zukunft den Ball flach halten und sich für den Fall, dass wieder mal ein Konflikt entsteht, an den Jugendpfarrer oder direkt an mich wenden, können Sie die Abmahnung in einem halben Jahr vergessen. Wäre Ihnen das möglich?“
„Wenn Sie die entsprechenden Mittel bereit stellen können, auf jeden Fall.“
„Gut, dann sind wir uns ja einig.“, beendete der Superintendent zufrieden die Diskussion.
So wortreich die Gedanken der Nicole von Behren zu Beginn der Sitzung waren, so kurz und schlicht waren sie zwei Stunden später: „Aua – ich kann nicht atmen – Scheiße – ich hätte Jasper gern noch einmal gesehen – Scheiße.“
Dann fiel sie krachend zu Boden. Sie hätte ihre Feng Shui-Giftpfeile nicht auf einen Bogenschützen richten sollen.
- Diese kraftlosen, bleichen Arme, übersät mit unästhetischen Pigmentflecken. Mir ist jetzt noch schlecht vom fleischigen Händedruck seiner überdimensionierten Pranken. Der fleischbergige Finanzhansel sitzt bräsig da wie ein Sack Kartoffeln. Mir dreht sich der Magen um beim Anblick des aufgetriebenen Organverfettungsleibes, den er selbstgefällig wie eine kastrierte, alte Katze auf dem Schoß sitzen hat. Wie kann jemand, dem die freie Durchfahrt zur Schädelrückwand so offensichtlich auf die Stirn geschrieben steht, jemand, dessen dümmlich-wässrig blickende Augen durch die stillose Goldrandbrille glotzen, tatsächlich von der eigenen Genialität überzeugt sein? Warum strebt ein farblos dahinwelkender No-Name-Promovierter so unersättlich nach Macht über Dinge, mit denen er sich nicht auskennt? Weil er ein farblos dahinwelkender No-name-Promovierter ist und das auch schon war, als die anderen Jungs in seinem Alter noch voll im Saft standen und neben der in voller Blüte befindlichen Ehefrau und den wohlgestalteten, leistungsstarken Vorzeigekindern keine blutjunge Gelegenheit für den kleinen Hunger zwischendurch ausließen? Ich sollte meine Lebenszeit an keinen einzigen Gedanken in dieser Richtung verschwenden. Ein paar dunkle Gedanken und Feng-Shui-Giftpfeile sollten reichen, um ihm langfristig die Energie zu rauben. Er wäre nicht der Erste bei dem das klappt. Die glibbrige Wanderkröte hat am Ende auch die Flagge gestrichen. Hat nicht gewusst, dass ich dahinter stecke. Wird es auch nie erfahren. Ich lasse euch alle leiden. Jeden Einzelnen von Euch, der sich meinem Lebensglück in den Weg stellt. Ihr braucht dann keine Hölle mehr. Ihr habt sie schon. -
„Was ich immer noch nicht verstehe“, sagte der Jugendpfarrer, „ist dein Motiv. Du bist seit sechzehn Jahren bei uns, warst immer loyal und jetzt posaunst du plötzlich überall in der Gegend herum, der KSV haue dich übers Ohr. Dir muss doch klar sein, dass das Konsequenzen hat.“
„Ach ja? Und welche Konsequenzen hat es bitte schön, wenn Mittel, die ich durch Eigeninitiative und gute Ideen erwirtschaftet habe, um Ehrenamtlichen aus prekären Verhältnissen die Teilnahme an einer Qualitäts-Freizeit zu ermöglichen, in Haushaltslöchern verschwinden, die ich nicht zu verantworten habe?“
„Das kann ja gar nicht sein.“, meinte der Superintendent
„Nein, normalerweise kann so etwas gar nicht sein.“, gab Nicole von Behren ihm Recht.
„Jetzt werden Sie mal nicht unverschämt.“, meinte der Kirchmeister.
„Ich bin nicht unverschämt.“
„Jetzt lassen Sie uns das doch vernünftig klären.“, versuchte der Superintendent die Wogen zu glätten. „Wenn ich Sie richtig verstehe, Frau von Behren, dann haben Sie die hochkarätigen Sprachreisen organisiert und damit Mittel erwirtschaftet, aus denen sie Zuschüsse für andere Freizeiten gezahlt haben. Und diese Mittel stehen Ihnen jetzt nicht mehr zur Verfügung?“
„Genau so ist es.“
„Und wenn wir diese Summe aus Fördermitteln unserer Stiftung ausgleichen würden? Dann bekämen wir einen ausgeglichenen Haushalt hin und Ihre Arbeit wäre dennoch nicht gefährdet. Sie müssen nämlich wissen, dass wir die Stiftungsgelder nicht direkt in den Haushalt einstellen dürfen.“
„Aber mit Mitteln aus dem Jugendetat dürfen Sie das?“, fragte Nicole angriffslustig.
Der Kirchmeister mischte sich wieder ein: „Die Löcher, die wir stopfen, befinden sich ja im Jugendetat, das heißt, die Mittel werden keineswegs zweckentfremdet.“
„Das sind aber Löcher, die durch Gebäudekosten entstanden sind.“, hielt Nicole dagegen. „Sie verwechseln Äpfel mit Birnen. Sie plündern ja auch nicht die Chorkasse, um die Orgel zu reparieren.“
„Diesen Ton verbitte ich mir.“, entgegnete der Kirchmeister.
„Und ich verbitte mir derartige Eingriffe in meine Arbeit.“, erwiderte Nicole.
„Das steht Ihnen nicht zu.“, stellte der Superintendent energisch fest. „Wenn Sie sich auf die von mir vorgeschlagene Lösung einlassen können und in Zukunft den Ball flach halten und sich für den Fall, dass wieder mal ein Konflikt entsteht, an den Jugendpfarrer oder direkt an mich wenden, können Sie die Abmahnung in einem halben Jahr vergessen. Wäre Ihnen das möglich?“
„Wenn Sie die entsprechenden Mittel bereit stellen können, auf jeden Fall.“
„Gut, dann sind wir uns ja einig.“, beendete der Superintendent zufrieden die Diskussion.
So wortreich die Gedanken der Nicole von Behren zu Beginn der Sitzung waren, so kurz und schlicht waren sie zwei Stunden später: „Aua – ich kann nicht atmen – Scheiße – ich hätte Jasper gern noch einmal gesehen – Scheiße.“
Dann fiel sie krachend zu Boden. Sie hätte ihre Feng Shui-Giftpfeile nicht auf einen Bogenschützen richten sollen.
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