Montag, 2. Januar 2023
Zwölf überflüssige Morde mit absurden Weihnachtsaccessoires, Nr. 11
Es plärrte seit Stunden aus der Wohnung im dritten Stock, vielleicht noch viel länger, Sabine war erst heute Morgen in ihre Wohnung zurückgekehrt und alle anderen im Haus schienen auch noch im Urlaub, bei Freunden oder Familienangehörigen zu verweilen. Nur der sexuell hyperaktive Robin war zu Hause und ließ "Last Christmas" von Wham in Dauerschleife laufen. Das reichte jetzt wirklich. Sie stürmte die Treppe hoch und klingelte Sturm. Nichts rührte sich. Sie klopfte und rief: "Hey, Robin, es reicht! Weihnachten ist vorbei, du kannst jetzt "Happy New Year" von Abba auflegen."
Robin ignorierte sie.
"Alles klar.", murmelte sie wütend vor sich hin und ging zurück in ihre Wohnung. "Rufe ich eben die Polizei, wegen Ruhestörung."
Ein Tag zuvor.
Robin freute sich auf Louis. Er war zwar nicht direkt ein Sahneschnittchen, aber so herrlich unprätentiös. Er freute sich, wenn man sich ihm zuwandte und er akzeptierte, wenn man die Nase voll von ihm hatte. Und er war so dankbar, so hingebungsvoll, dass Robin beinahe so etwas wie romantische Gefühle entwickelte. Eine Zeitlang war das ganz erfrischend, wie ein gut gekühlter Mittelklassesekt. Aber irgendwann ging Louis ihm dann auf die Nerven, mit seiner gesammelten Klischeeromantik: Rote Rosen, aphrodisierende Dinner, aufgebrezelt zusammen ausgehen, Händchen halten… das war auf Dauer nichts für Robin.
Doch gleich würde es toll werden. Louis würde vor Begeisterung schier vergehen, dass er einen Teil des Weihnachtsfestes mit Robin verbringen durfte, in intimer Zweisamkeit, in einem Haus, das sie ganz für sich allein hatten, wo sie so laut sein durften wie sie wollten.
Es fing alles ganz toll an, mit einem besonderen Essen, das Louis in der Küche zauberte, während Robin den Tisch deckte und ein paar Rosenblätter auf dem Bett verteilte, weil Louis das so liebte.
Dann war es eine ganze Weile sehr still in der Küche und Robin wunderte sich, wollte Louis aber nicht die Überraschung kaputt machen. Schließlich trat der Gast mit bedeutungsvollem Blick aus der Tür. "Setz dich in den Schaukelstuhl und schließ die Augen. Ich habe etwas ganz Besonderes für dich vorbereitet."
Robin tat, wie ihm geheißen und wunderte sich, als er fühlte, wie Louis weiche Bänder um seine Handgelenke wand und diese an den Armlehnen des Stuhls befestigte. Dann nahm er sich die Fußgelenke vor und zurrte die Bänder an den Kufen fest.
"Bondage, mein Lieber?", fragte Robin grinsend. "Das sind ja ganz neue Töne an dir." Louis fixierte seinen Oberkörper an der Lehne, das fand Robin weniger angenehm und öffnete die Augen.
"Das reicht jetzt, so kriege ich ja gar keine Luft."
Louis schwieg und ging zur Musikanlage. Er rief ein Programm auf und schon erklang "Last Christmas" von Wham.
"Oh Gott, Louis, mach das aus, du weißt wie sehr ich das hasse."
"Und ich liebe es.", erwiderte Louis und kehrte mit einem kalten Lächeln zurück. Dann band er Robin einen Knebel in den Mund. Er konnte noch atmen, aber nicht mehr sprechen, nur wütend blicken. Louis setzte sich und sah ihn lange an.
"Ich habe in der Küche deinen Kalender herum liegen sehen. So viele Dates. Ganz besonders aufregende an den Tagen, an denen du mir abgesagt hast, weil du so viel arbeiten musstest oder krank warst. Ich gebe dir jetzt einfach den ganzen Schmerz zurück, den du mir zugefügt hast und dann sind wir quitt. 'Last Christmas' bis zum Erbrechen, vielleicht lernst du was draus – vorausgesetzt, du überlebst es."
Als sie ihn fanden, saß er gefesselt und geknebelt in einem Designer-Schaukelstuhl. Die Musik lief noch, doch bei ihm hatte alles aufgehört.

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