Donnerstag, 16. August 2018
Horror-Irmi – definitiv kein Kirchenkrimi
Sieht aus wie sein Vater die kleine Ratte. Wird bestimmt auch irgendwann genauso ein Drecksack, zieht sich die kleinen Mädchen rein, nachdem er ihnen das Blaue vom Himmel versprochen hat und dann, kenn' ich nicht, hab' ich keinen Vertrag mit, soll mich in Ruhe lassen. Und dieses Balg ziehe ich nun groß. Aber jetzt habe ich ja auch endlich mal ein bisschen Glück. Is'n richtiger Kerl, hat im Bett was zu bieten, kann man sich auch auf'er Straße mit sehen lassen, richtig knackig ist der, kein Wunder, ist ja auch 10 Jahre jünger als ich.
Zuerst dachte ich ja, der spinnt. Wie soll man denn mit Fotos von diesem Kackblag im Netz Geld verdienen? Aber es klappt ja tatsächlich. Nachdem ich es selbst ausprobiert hatte, dachte ich, ja, so kleine Jungs sind zumindest für Frauen 'ne gute Abwechslung, schön fest, die Haut so glatt und völlig ungefährlich. Riechen auch besser, so Jungs. Aber Frauen kaufen sich keine Jungs im Netz, meinte mein Stecher. Und ich dachte, dann ist der Kleine ja nur was für Schwule, aber mein Kerl hat mir gezeigt, dass er auch Spaß mit ihm haben kann. War toll dabei zuzugucken, wie er dieses Rotzblag richtig ran nimmt. Das ist ja das Einzige, wozu der Junge taugt, genau wie sein Vater, nur war der echt gefährlich, bin ich eigentlich froh, dass ich den vom Hals hab'.

„Irmi, Irmi, wo bist du?“ Omma schreit, denkt, ich wär noch in meinem Zimmer, aber ich bin ja nicht blöd. Scheint gut zu brennen, die scheiß hässlichen Möbel. Jetzt müssen sie ja neu kaufen, geht ja nicht anders.

Scheiße nein, fünfundzwanzig Jahre ist das her, warum träume ich immer noch davon? Obwohl, die Alpträume aus der ersten Wohnung sind schlimmer. Wenn mein ganzer Kopf brennt und ich glaube, gleich ist er ab, und der Vatter zieht mich weiter an den Haaren, und der billige Plastik-Teppichboden kratzt, und hinterher ist alles rot und wund, und ich darf nicht heulen, weil er sonst weiter macht, und mein Hals tut weh, weil ich die Tränen runter würgen muss, nee, da war es nachher bei Omma schon besser.

Fast vierzig Jahre hab' ich gebraucht, bis ich endlich 'n ordentlichen Stecher gefunden hab', na ja, fast vierzig Jahre musste ich leben bis dahin, nach'm anständigen Stecher hab' ich wohl erst mit zwölf Ausschau gehalten. War ja nicht leicht, den Jungs hat meine Fratze nicht gefallen. Froschfresse haben die mich genannt. War ich aber stolz wie Bolle, als ich dann auf einmal mit Rudi zusammen war. War 'n richtiger Kerl mit eigener Wohnung und so ungefährlich, so klein und krumm und immer Tränen in den Augen. Ich dachte, wenn der mir dumm kommt, hau ich da einmal drauf und dann kann ich 'n Krankenwagen rufen. Falsch gedacht. Hat der doch das gleiche mit mir gemacht wie mein Alter. War kein Verlust, war ja im Bett auch 'ne Lusche.

Und dann jahrelang nur Ausschuss. Der Vatter von dem Kleinen war der schlimmste von allen und ausgerechnet der musste mir seinen Ableger einpflanzen. So eine Scheiße, dass es schon zu spät war, als ich es gemerkt hab'. Oder auch nicht. Is' ja jetzt 'ne gute Einnahmequelle. Gleich kommen wieder zwei, die kommen nicht zum ersten Mal, zahlen immer im Voraus. Ach, da sind sie ja schon.

Irmi öffnet die Tür, aber die Leute die da stehen, kennt sie nicht. Sind verdammt viele Leute, Männer und Frauen. Geht alles so schnell, sie hat gar keine Zeit, zu kapieren, was hier gerade passiert. Eh sie sich versieht, sitzt sie in einer Bullenkutsche und ahnt, dass es das war mit ihrer Portion Lebensglück.

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Freitag, 10. August 2018
Überwachung von Geburt an - abgeschlossener Kurzkrimi
„Endlich mal ein vernünftiger Vorschlag.“
Hansi grunzte zufrieden. Diese Zecken musste man ausmerzen, bevor sie überhaupt hoch kamen. Am besten hatten es damals die alten Ägypter gemacht: hatten die jüdischen Jungs direkt über die Klinge springen lassen, aus den Mädchen konnten ja wahlweise Feldarbeiterinnen oder Huren werden, Hauptsache, sie unterwanderten nicht den Volkskörper.

Bei Kurtis Anblick, wie er da mit seinen Playmos spielte, ging ihm das Herz auf. Er war einfach süß in seinem Camouflage-T-Shirt, der Khaki-Hose und den von der Sonne fast weiß geblichenen Haaren. Den Nacken rasierte er ihm natürlich längst aus, als Vierjähriger hatte er ja schon gewaltig Wolle auf dem Kopf, wenn auch nicht so einen Wildwuchs wie die Kanaken aus Nordafrika oder dem wilden Kurdistan. Dass sie die Rotzblagen von denen jetzt von staatlicher Seite genauer unter die Lupe nehmen wollten, war endlich ein Schritt in die richtige Richtung. Von Anfang an mit Stumpf und Stiel ausrotten. Auch wenn die Waffenbrüder von der AfD allesamt keine Eier in der Hose hatten, es tat sich was im Lande, seit sie im Bundestag saßen.

Noch war Kurti eine Welpe, aber er würde schon einen harten Hund aus ihm machen. Weinerlich war er schon jetzt nicht mehr, heulte nicht gleich los, wenn er mal auf die Fresse fiel, stand sofort wieder auf und lief weiter, ein echter Soldat. In der Kita ließ er sich auch nichts bieten, so viel Streit gab es da ja nicht, sie hatten sich ja privat zusammen getan und zwei anständige Gruppenleiterinnen aufgetan, die für eine gute, völkische Erziehung sorgten. Da gab es höchstens mal Streit darum, wer als nächstes auf die Schaukel darf oder ob man die Schaufel abgeben muss. Hansi sagte zu seinem Sohn: „Hey, Kurti, lass mal unser Spiel spielen. Sieg...“
„...Heil!“, antwortete der Kleine und riss den rechten Arm hoch.
„Die Fahne hoch, die Reihen...“
„...fest geslossen.“
Das Telefon klingelte. Beule war dran. „Sie haben Blöbaum am Arsch.“, erklärte er ohne Umschweife. "Wollte letzte Nacht 'n Imbiss abfackeln, hat er nicht geschafft, aber gepackt haben sie ihn.“
„War der besoffen? So was macht doch keiner mehr. Wir haben doch jetzt ganz andere Pläne.“
„Kennst ja Blöbaum. Heult immer der guten alten Zeit hinterher.“
„Na, da kann er sich ja jetzt im Bau ausheulen, haben ihn ja nicht zum ersten Mal erwischt. Hoffentlich hält der wenigstens die Klappe.“
„Ja, das habe ich auch schon gedacht. Vielleicht sollten wir ihm zum Trost ein Geschenk machen.“
„Was für ein Geschenk?“
„Ricky.“
„Welcher Ricky?“
„Mensch Ricky, die Sozi-Tussi, die ihn damals ans Messer geliefert hat.“
„Die vom Gemeindehaus?“
„Ja genau.“
„Sollen wir ihm die einpacken und vorbei bringen?“
„Nee, nur so ähnlich.“
„Arbeitet die denn noch da?“
„Ja, hab' sie letzte Woche noch mit ner ganze Truppe Pissbotten gesehen, waren auch jede Menge Kanaken bei, dabei ist das doch Kirche, also christlich und deutsch.“
„Ja, die deutschen Christen sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Und was hast Du jetzt mit Sozi-Ricky vor?“
„Nicht am Telefon.“

Friederike R. Wurde drei Tage später schwer verletzt in die Notaufnahme gebracht. Am darauffolgenden Tag tauchte ein Video im Netz auf, das sie als Opfer einer brutalen Gruppenvergewaltigung besonders ekelerregenden Ausmaßes zeigte. Sie würde dieses Trauma für den Rest ihres Lebens nicht los werden. Hansi rieb sich die Hände. Er geriet in kein Visier, sein Kurti erst recht nicht. Warum auch. Sie waren ja anständige Volksdeutsche.

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Freitag, 3. August 2018
Lucie – die Geschichte hinter dem Konfi-Camp-Krimi „Freitag, der Dreizehnte“
Es war stickig in dem Verhörzimmer, immerhin kein fensterloser Raum ohne Tageslicht, aber Gitter vor den Scheiben – und grauenvolle Gardinen. Die Wände waren klinisch weiß gestrichen, der Fußboden mit uraltem, kackbraunem Linoleum ausgelegt. Auf den Stühlen hatten womöglich schon Menschen aus der Generation ihrer Großeltern gesessen. Die Eltern ihres Vaters waren ja noch aus dem Osten gekommen, hatten Anfang der Siebziger einen Ausreise-Antrag gestellt und waren schließlich in Ostwestfalen gelandet. Ihr Vater war damals ein kleiner Junge gewesen, ein Grundschulkind. Sie wusste so gut wie nichts über die Zeit im Osten. Die Großeltern hatten die Erinnerung daran nahezu ausgelöscht, pflegten stattdessen akribisch ihren Reihenhaus-Handtuch-Garten, gingen zum Tanzclub und reisten in der Welt herum.
Oma Inge, die Mutter ihrer Mutter war da ganz anders. Sie erzählte ständig Schwänke aus ihrer Jugend, aber sie war auch rau und ziemlich erbarmungslos, wenn Lucie mal einen schlechten Tag hatte.
An Opa Horst hatte sie nur eine dunkle Erinnerung. Dunkel in beiderlei Hinsicht; zum einen hatte sie kein deutliches Bild von seinem Gesicht vor Augen, zum anderen breiteten sich beim Gedanken an Opa Horst düstere Gefühle in ihr aus.

Warum saß sie hier? Für das bisschen Bitches döppen? Die Konfine hatte genauso ausgesehen wie Lisa. Lisa hatte schon in der Grundschule alles bekommen: den ultimativen Tornister, das Lob der Klassenlehrerin, massenhaft Freundinnen und eine Gymnasialempfehlung. Lucie war zur Gesamtschule gewechselt und war froh gewesen, dass Lisa nicht mehr vor ihrer Nase hockte, mit den epischen Beschreibungen ihrer exotischen Urlaubsreisen – bei Lucie machten das nur Oma Margit und Opa Rainer – ihre Eltern unternahmen mit den Kindern höchstens Fahrten in vermeintliche Ferienparadiese an der Nordsee oder zu Oma Inges Dauer-Campingplatz am Dümmer.
Sie war auch froh, dass sie nicht mehr zu Lisas Geburtstagen eingeladen wurde und sich im Gegenzug nicht für das schämen musste, was sie selbst zu bieten hatte.

Aber an der neuen Schule hatten schon weitere Lisas gelauert – nur hießen die Jasmin, Nele oder Anna-Lena. Sie machten immer alles richtig, waren lieb, süß und nett, bastelten Freundschaftsbänder und komplizierten Schmuck aus Rocailles-Perlen und mimten ganz die kindliche Unschuld. Lucie hatte bald heraus gehabt, dass Jungs auf freche Mädchen standen, hatte schon in der sechsten Klasse Kajalstift und Wimpern verlängernde Mascara benutzt, das Glätteisen zum Einsatz gebracht und ständig Ausschau gehalten nach verdammt coolen Klamotten, die ihr Taschengeld-Budget nicht überschritten. Sie hatte sie alle ausgestochen, die Lisas, Jasmins Anna-Lenas und Neles – von den Chantals und Jacquelines einmal ganz zu schweigen.

In der siebten Klasse begann dann der kirchliche Unterricht und plötzlich hatte sie Lisa wieder wöchentlich vor der Nase: lieb, hübsch und schüchtern wie eh und je, makellos und fehlerfrei, beliebt und leistungsbereit. Lucie und ihre Gang machten sich lustig über die Mädchen aus den durchgestylten, perfekten Elternhäusern und fühlten sich den kindlichen Streberinnen haushoch überlegen, wenn sie sich vor und nach dem Unterricht mit den coolen Jungs unten am Bach trafen und heimlich eine Schachtel Lucky Strike wegrauchten. Damals hatte Lucie sich als Siegerin gefühlt.

Zwei Jahre später kam die Konfirmation – längst keine fromm-biedere Veranstaltung mehr, eher ein Ranking um die sexiest Homecoming-Queen. Der Einzug in den Gottesdienst gestaltete sich wie das Einlaufen der Models auf dem Laufsteg. Lucie hatte sich für ein ultrakurzes, zartrosa Chiffon-Swingerchen entschieden, transparent mit figurbetontem, weißem Unterkleid. Dazu trug sie cremefarbene Riemchen-Sandalen mit 10cm-Absätzen. Doch sie spürte längst, dass die Lisas, Jasmins, Anna-Lenas und Neles in den eleganten Hochpreis-Roben, mit Nude-Look-Make-up und romantischen Hochsteckfrisuren die größeren Aktien bei den Jungs hatten. Nun liefen sie ihr also auch noch auf ihrem Spezialgebiet den Rang ab, und Lucie galt nur noch als Bitch und leichte Beute. Respekt hatte niemand mehr vor ihr.

Sie hätte damals aus allem herausfallen können, aber Svenja sei Dank, hatte sie sich entschlossen, einen Trainee-Kurs und die Ausbildung zur Jugendgruppenleiterin zu absolvieren; sie wollte die ganzen Esprit-Miezen in die Tasche stecken, und das war ihr gelungen. Sie hatte es bis ins Konfi-Camp-Team geschafft und das wollte schon etwas heißen.
Alles war schön gewesen, und Jasper mit den Mandelaugen hatte auch vom ersten Moment an mit ihr geflirtet. Aber dann, als sie endlich zur Sache kommen wollte, hatte er total blockiert, und dauernd hatte dieser lahmarschige Kilian sie gestalkt, und dann war ihr aufgefallen, wie Jasper die kleinen, perfekten, Querflöten-Unterricht-Konfinen anschmachtete, da hatte sich etwas in ihr aufgebaut, eine Wut, so tief, so lange gereift, so entsetzlich brennend und ein unstillbares Verlangen, sie heraus zu lassen. Sie hatte sich ein perfektes Opfer ausgesucht, aus Kilians Gruppe, damit der alte Stalker genug Stress hatte und sie in Ruhe ließ. Sie hatte für allmähliche Verunsicherung gesorgt, hatte eins der Zimmer durchwühlt und ein, zwei Scheinchen mitgehen lassen, war bei Gelegenheit um die Gruppe herum geschlichen und hatte dann die Segnung eines Umspannwerk-bedingten Stromausfalls genutzt, um die süße Dina auf dem Rückweg vom Klo abzugreifen. Lucie war stark, sie ging regelmäßig zum Krafttraining. Es war nicht schwer, der vorbubertären Rippziege den Mund zuzuhalten und sie zum See zu schleifen. „Drecksfotze, elende“, beschimpfte sie sie. „Wir müssen dich gründlich einweichen und den ganzen Fotzendreck von dir abwaschen, damit du weißt, wo dein Platz ist.“
Wie von Sinnen tauchte sie das kleine, dünne Mädchen immer wieder unter Wasser, ließ sie etwas zappeln und dann wieder zum Luftholen auftauchen. Sobald sie den Kopf über Wasser hielt, überzog sie sie mit Schimpftiraden, haute ihr alles um die Ohren, was die Lisas, Jasmins, Anna-Lenas und Neles ihr in den letzten Jahren angetan hatten. Sie würde sie kleinkriegen, diese ach so süße Maus und wenn sie das geschafft hatte, würde sie auch mit dem ganzen Rest fertig. Irgendwann war Dina so schwach, dass sie nicht einmal mehr flüstern konnte. Lucie zerrte sie in den flachen Bereich des Sees, mitten ins Schilf, hier konnte sie nicht einmal ertrinken, wenn sie direkt ohnmächtig würde. Dann ließ sie sie dort liegen. Die würde sich schon wieder berappeln. Und was immer sie danach behaupten würde, Lucie würde alles abstreiten und die süße Dina würde für verrückt erklärt und womöglich weggesperrt.

Aber jetzt wurde Lucie weggesperrt; zumindest so lange, bis sie mit ihr fertig waren. Das mit dem Abstreiten hatte irgendwie nicht funktioniert, die Bullen waren einfach zu massiv aufgetreten und es hatte wohl Zeugen gegeben. Kilian, du alte Stalker-Sau – dachte sie – wenn ich rauskomme, dann gnade dir Gott!

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Freitag, 27. Juli 2018
Freitag, der Dreizehnte – ein Konfi-Camp-Krimi in 8 Teilen – 8. Teil
Es war jetzt eher Gejammer und Gewimmer, das da zu hören war und ein „Hallo? Ist da jemand?“
„Ja, ich bin's, Kilian aus Gesmold. Bist du okay?“
„Ja, schon, ich seh' nur einfach nichts und das Wasser ist auch auf einmal kalt geworden. Ist wahrscheinlich ein Stromausfall.“
„Ja, das wird’s sein.“, erwiderte Kilian. „Soll ich eine Taschenlampe für Dich organisieren?“
„Nee, nicht nötig, ich schaff das schon so. Ich war nur gerade eben total geschockt und ziemlich aufgeregt.“
„Woher kommst Du eigentlich?“, fragte Kilian.
„Aus Neuenkirchen.“
„Ach, bist du die Katja?“
„Nee, die Sarina.“
„Ach so. Na dann gute Nacht. Wenigstens machen die Konfis jetzt keinen Terz mehr. Ist ja dunkel und Handys laden geht auch nicht.“
„Ja, der Stromausfall ist bestimmt von oben angeordnet.“, kicherte Sarina.

Obwohl Kilian, sich dachte, dass hier eben mal die Elektrik zusammengebrochen war, was ja durchaus gelegentlich vorkommt, hatte er dennoch ein ungutes Gefühl und diffuse Phantasien von Amok laufenden Terror-Psychopathen, die in dieser Nacht alles niedermetzeln würden. Trotzdem ging er schlafen, er war ja vernünftig und er schlief auch, wenn auch sehr unruhig und mit etlichen Unterbrechungen, Schweißausbrüchen und entsetzlichen Alpträumen.

Freitag Morgen weckten sie die Konfis eine Stunde früher als sonst. Viele mussten ja noch zu Ende packen, weil sie wegen der plötzlichen Dunkelheit keine Chance mehr hatten. Und dann kam Silvia kreidebleich aus Haus 25. „Dina ist verschwunden.“, flüsterte sie. „Ich habe gerade gefragt, ob sie schon zum Waschhaus gegangen ist, aber dann fiel Emily auf, dass ihr Schlafanzug unberührt auf dem Bett lag. Sie muss die Nacht woanders verbracht haben. Und gestern war doch dieser Stromausfall. Ob den jemand verursacht hat, um sich ein Kind zu greifen? Oder hat sie Angst bekommen und ist weggerannt und hat sich verlaufen? Ich muss sofort die Polizei informieren. Und die Camp-Leitung.“
Silvia rannte aufgeregt in ihre Hütte, um sich ans Telefon zu hängen. Kilian stand unschlüssig herum.
„Sagt mal, habt ihr irgendeine Ahnung, wohin Dina gegangen sein könnte?“, fragte er.
Die Mädchen schüttelten die Köpfe und zuckten mit den Schultern. Chantal räusperte sich: „Ich weiß ja nicht, aber gestern hat Fritjof zu Dina gesagt, dass sie sich warm anziehen soll, wenn sie ihm im Dunkeln begegnet, er wüsste, dass sie ihn verpfiffen hätte und das würde sie alles zurück kriegen.“
Immer wieder Fritjof. Er sah wohl nicht nur aus wie ein Monster. Er hatte das Zeug zu einem Lorne Malvo, dem skrupellosen Killer den Billy Bob Thornton in der US-Serie Fargo gespielt hatte. Die Mädchen fingen an, zu weinen.
„Glaubst du, er hat Dina umgebracht?“, fragte Wiebke und starrte Kilian mit großen Augen an.
„Nein, das glaube ich nicht.“, versuchte der Teamer die Teilnehmerinnen zu beruhigen, auch wenn in seinem Kopf längst das Mord- und Totschlag-Kino lief – Leichenfund im Wald, Spurensicherung, grantelnde Ermittler, schnüffelnde Schäferhunde und die Frage, ob Dina die einzige Konfirmandin war, die in dieser Nacht abhanden gekommen war.

Und dann wurde sie gefunden. Es war Henning aus Ebbesloh, der sie im Schilf entdeckte. Sie war ganz nass und dreckig, sie weinte und sie schien nicht zu wissen, wo sie sich gegenwärtig befand. Aber sie lebte.
Die Polizei war schon unterwegs und unmittelbar nach den Beamten rückte ein Rettungswagen an. In der Zwischenzeit war Rüdiger schon durch sämtliche Camps gespurtet und hatte überall dringend angefragt, ob die Gruppen komplett seien, oder ob jemand vermisst würde. Überall breitete sich große Sorge aus, die teilweise auch in Panik umschlug und die Camp-Leitung hatte die berechtigte Befürchtung, dass in Kürze das Chaos ausbräche. Jetzt war es wichtig, dass alle möglichst schnell und unversehrt in die Busse stiegen und nach Hause fuhren. Aber natürlich hatte die Polizei auch Klärungsbedarf. Was war mit dem vermissten Mädchen passiert und hatte ihr jemand etwas angetan, der jetzt noch auf dem Platz war?
Dina war nicht vernehmungsfähig, aber dann fand Linda einen wichtigen Hinweis: Dina hatte ihrem Peiniger in ihrer Verzweiflung eine Kette abgerissen und die hielt sie noch immer fest umklammert. Der Anhänger war ziemlich speziell, ein Thorshammer mit vier blauen Steinen. Linda machte die Polizei auf ihre Beobachtung aufmerksam, sie wusste, wem die Kette gehörte: Lucie.

Es war ein leichtes Spiel, Lucie ausfindig zu machen und als Täterin zu überführen, auch wenn noch nicht ganz klar war, was genau sie Dina angetan hatte. Die Polizei hatte schon bald sozialpsychiatrische Unterstützung angefordert, denn auch Lucie war nicht mehr ganz bei sich – oder sie zog eine perfekte Show ab, um sich der Strafverfolgung zu entziehen.
„Ich wollte sie doch nur taufen.“, erklärte die Teamerin mit unheimlicher Grabesstimme. „Die Sünde klebte an ihr wie Harz an einem alten Kirschbaum. Solche wie sie hier sind die Schlimmsten. Die tun immer so unschuldig und dann fallen die Jungs auf sie herein und sie ziehen sie sich rein und sagen hinterher, dass sie das alles nicht gewollt haben und reiten die Jungs richtig in die Scheiße. Sie wollen, dass alle auf sie stehen, nur erhören wollen sie keinen und dann stellen sie sich hin und sagen, dass Mädchen, die gerne was mit Jungs machen, alle Nutten sind. Ich hab' sie gestern den ganzen Tag beobachtet, wie sie mehrere aus ihrer Gruppe angeschmachtet hat und bei einigen ging auch schon die rote Lampe an. Da musste jemand auf die Bremse treten, man muss sie zurechtstutzen, damit sie das lässt. Ich habe sie nur gründlich getauft, so zehn bis fünfzehn Mal. Und immer schön lange, damit sie auch gründlich sauber wird. Und sie hat immer so Mitleid erheischend geschluchzt, da hab' ich sie immer wieder untergetaucht, bis sie endlich damit aufgehört hat.“

Der Abschluss-Gottesdienst fiel aus. Stattdessen waren die Pfarrerinnen und Pfarrer angehalten, im Bus eine Erklärung abzugeben, ein paar Lieder zu singen und einen Schlusssegen zu sprechen und bei der Heimreise fragt sich Kilian, was wohl mit ihm geschehen wäre, wenn er Lucie für sich gewonnen hätte.

ENDE

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