Freitag, 9. September 2022
Royal Corgies
Dookie lag erschöpft auf der Terrasse. Er hatte seine Morgenrunden gedreht und jetzt lag ihm das Mittagessen schwer im Magen. Susan war schon wieder unten am Fluss und planschte am Ufer auf der vergeblichen Suche nach Essbarem. Sie war einfach unersättlich. Vielleicht trug sie ja auch erste Kinder unter ihrem Herzen, Dookie hatte sein Bestes gegeben. Andererseits wäre sie dann vielleicht etwas träge gewesen.

Die Chefin war heute noch gar nicht aufgestanden, das störte seinen gewohnten Tagesablauf. Überhaupt waren viel zu viele Leute hier. Zwar waren es allesamt bekannte Gesichter, aber im Haus musste man ständig befürchten, über den Haufen gerannt zu werden. Trotzdem fand er, man müsse jetzt mal nach der Chefin sehen. Er rief Susan mit seinem hellen Kläffen. Sie hörte ihn nicht oder wollte nicht hören. Dookie setzte sich in Bewegung, lief hinunter zum Fluss und biss Susan in den Nacken. Ein tiefer Blick in die Augen, ein paar Schritte in die richtige Richtung, dann sah er sich noch einmal um. Sie hatte verstanden. Gemeinsam liefen sie ins Haus, hoppelten die Treppen hoch und rannten den Flur entlang, bis sie am Zimmer der Chefin angekommen waren.

Die Tür stand offen. Alle waren im Zimmer, das war mehr als eigenartig. Die Gesichter waren durchweg ernst und betroffen. Nur Harry konnte sich beim Anblick der Corgies ein Grinsen nicht verkneifen. Harry war sowieso der coolste, schade dass er kaum noch beim Rudel war.
Camilla blickte zur Seite, missgünstig wie immer. Dookie fixierte sie streng, Susan begann, leise zu knurren.
"Bring doch mal einer die Hund hier raus!", zischte Camilla.
"Die Hunde wollen sich auch verabschieden.", widersprach Harry. "Kommt ihr zwei, Granny will euch streicheln."
Er stellte einen Hocker neben das Bett und setze die Hunde so hin, dass seine Großmutter sie sehen und berühren konnte. Susan machte einen stürmischen Satz aufs Bett und leckte ihr übers Gesicht. Elisabeth lächelte gerührt, dann verlor sie wieder das Bewusstsein.
"Ich will auch die Chefin küssen.", fiepte Dookie. Susan räumte ihren Platz und Dookie sah auf die schlafende Chefin hinab. Er fiepte und schnüffelte, leckte ihr über die Nase. Niemand griff ein, nur Camilla schnaubte: "Das ist doch wirklich unglaublich!"

Ein letztes Mal öffnete Elisabeth die Augen und blickte tief in Dookies braune Hundeaugen. In diesen Blick legten beide alles, was sie sich noch zu sagen hatten. Dann atmete sie noch einmal tief ein, schloss die Augen und atmete zum letzten Mal aus. Dookie spürte es sofort. Sie war gegangen. Charles weinte, Susan winselte und leckte verzweifelt die schlaffe Hand der Toten.
Sie wachten an ihrem Bett, dachten beide weder an die Zwischenmahlzeit noch an das Abendessen.

"Was wird jetzt aus uns?", fragte Susan.
"Was soll schon aus uns werden?", erwiderte Dookie. "Wir bekommen eine neue Chefin."
"Etwa Camilla?"
"Wieso Camilla?"
"Sie ist die älteste."
"Aber sie kann uns nicht ausstehen.?, meinte Dookie. "Ich weiß gar nicht warum. Wir haben ihr nie etwas getan."
"Sie hasst uns, weil sie die Chefin hasst und weil die Chefin uns liebte."
"Aber die Chefin ist doch jetzt tot."
"Eben. Vielleicht sollten wir ins Moor fliehen."
"Auf gar keinen Fall.", meinte Dookie. "Da würden wir verhungern."
"Aber es gibt doch jede Menge Moorhühner.", hielt Susan dagegen.
"Die erwischen wir doch nie.", meinte Dookie. "Wir sind nicht in Form. Und ehrlich gesagt, wäre mir so ein Leben zu anstrengend und zu unkomfortabel."
"Ja, vielleicht hast du recht.", meinte Susan und legte nachdenklich den Kopf auf die Vorderpfoten.

Am nächsten Morgen herrschte geschäftiges Treiben. Nicht einmal das Personal hatte Zeit, die Corgies zu füttern, nur Harry dachte daran, füllte die Näpfe und streichelte nach der Mahlzeit beiden kräftig das Fell durch.
Als er sie aus den Augen ließ, stand plötzlich Camilla da, mit einem frostigen Grinsen und zwei Hundeleinen. Susan verkroch sich direkt unter einem der historischen Stühle, aber Camilla zerrte sie am Halsband und befestigte die Leine, dann schnappte sie sich den langsameren Dookie und zog die Hunde hinter sich her in den Park.

Zuerst wehrten sie sich, doch Camilla zerrte erbarmungslos an den Halsbändern, das erzeugte Atemnot, also folgten sie ihr.
Camilla trug Overknee-Gummistiefel, Dookie befiehl eine Böse Ahnung und Susan sah unruhig zur Seite. Der Fluss führte nicht viel Wasser, es hatte zu wenig geregnet in diesem Sommer, aber in der Mitte war er immer noch tief und reißend genug, um die Schwimmkünste eines Corgies zu erschöpfen.

Die Frau des neuen Chefs stand schon bis zu den Waden im Fluss und zog an den Hundeleinen, als Charles vom Haus aus nach ihr rief.
"Verdammt!", fluchte sie. "Dann eben später."
Sie ging zum Haus zurück und zog die Hunde wieder hinter sich her. Sie schenkte Charles ein warmes Lächeln: "Ich dachte, ich laufe ein bisschen mit den beiden, bevor wir nach London abreisen, jetzt wo ihr Frauchen da nicht mehr kann."
"Wie lieb von dir.", erwiderte Charles.
Camilla löste die Leinen von den Halsbänder und Dookie biss ihr in die Hand. Kräftig genug, dass es ein wenig blutete. Camilla schrie auf, Charles sah sie verwundert an.
"Einen Hund, der einmal gebissen hat, muss man erschießen!", forderte Camilla.
Doch Charles sah sie plötzlich zweifelnd an. Dann sagte er: "Ein Hund, der beißt, hat einen Grund." Dann sah er die Corgies an, stieß einen leisen Pfiff aus und bedeutete ihnen mit einem Blick über die Schulter, ihm ins Haus zu folgen.

Vor Camilla würden sie sich künftig in acht nehmen.

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