Freitag, 27. September 2019
Um die Ecke – ein Fortsetzungskrimi in mehreren Teilen - Teil 3 - Hinrichsen
c. fabry, 12:15h
In seinem Kopf ging alles durcheinander. Gerade eben hatten sie die Talsohle durchschritten, das Licht am Ende des Tunnels gesehen und die frische Luft der neuen Freiheit geatmet und nun hatte sich das nächste Finanzloch aufgetan und der ganze Mist mit der Haushaltssicherung ging von vorn los. Wieder zwei Jahre Grabenkämpfe mit Gemeindeleitungen, die nur den eigenen Kirchturm im Blick hatten und Ressortleitende, die ihr eigenes Arbeitsgebiet für das allerwichtigste hielten.
Vaters Klinikaufenthalt ging zu Ende und sie mussten seine weitere Betreuung regeln. Das bedeutete, er musste es regeln, denn seine beiden Schwestern waren mittlerweile so hinfällig, dass er befürchtete, sich in naher Zukunft auch noch mit ihrer Pflege befassen zu müssen.
Sieglinde war ihm auch keine Stütze – sie wirbelte von morgens bis abends wegen ihrer Tafel umher, trug unendlich viel Verantwortung und die Zeit, die übrigblieb, benötigte sie für den Haushalt. Es war tatsächlich schon so weit gekommen, dass ihn zum Einkaufen oder Staubsaugen verdonnerte, wo er doch ein ganzes Erwerbsleben lang den Löwenanteil des Familieneinkommens beigesteuert hatte, Sieglinde sich dagegen immer nur mit ein paar Stunden in Teilzeit etwas dazu verdient und sich selbst verwirklicht hatte, damit sie nicht einrostete und ein wenig eigenes Geld besaß, das sie ohne schlechtes Gewissen für ihre persönlichen Bedürfnisse ausgeben konnte. Leider gehörte sie nicht zu den Frauen, die gern in einen stabilen Zustand ihres Seelengefäßes investierten. Sie bevorzugte Café-Verabredungen, Operetten-Besuche, elegante Handtaschen und sündhaft teure Wolle, aus denen sie individuelle Strickkreationen zauberte. An körperlicher Nähe war sie kaum interessiert und mittlerweile war er angesichts ihrer schwindenden Reize und fortgeschrittenen sexuellen Teilnahmslosigkeit äußerst dankbar für diese Entwicklung. Er selbst hatte durchaus noch erotische Bedürfnisse, verbot sich aber ausdrücklich, sein Begehren gegenüber den vom ihm favorisierten jüngeren Frauen zum Ausdruck zu bringen, da er über eine realistische Einschätzung seines Marktwertes verfügte. Er begnügte sich damit, sie anzusehen, ein klein wenig zu flirten und sich hernach im Kopfkino auszumalen, wie es wäre, wenn…
Saskia meldete sich immer seltener über Skype, war mit ihrem Klinikjob in Delaware glücklich und ausgelastet und manchmal musste er die Fotoalben aus dem Regal holen, weil er sich kaum erinnerte, wie sie aussah. Hatte er eine Tochter? Doch ja, aber er spürte nichts mehr davon.
Wie hatte er sich darauf gefreut, sich im Ruhestand endlich voll und ganz auf sein Ehrenamt konzentrieren zu können und trotzdem über ausreichend Muße zu verfügen, um ein gutes Buch zu lesen, ein eindrucksvolles Konzert zu genießen oder einen Waldspaziergang zu unternehmen. Stattdessen stand er gegenwärtig unter Dauerstress und niemand war da, der etwas davon vertreiben konnte durch Ausstreichen, Durchkneten, Wegpusten oder Kaputtlachen.
Aber dann kam alles anders. Nie hätte er geglaubt, dass er sich dazu hätte hinreißen lassen, aber nun passierte es. „Du bist der Boss,“ hauchte sie in sein Ohr und dann rutschte ihr fester Körper an seinem entlang, bis ihre Brüste genau da zum Einsatz kamen, wo er sie haben wollte. Ihm entfuhren laute Seufzer, soviel angestaute Lust brach sich in diesem Moment Bahn, dass der Boden unter ihm sich zu drehen schien und es in seinen Schläfen pochte, als seien Wichtel damit beschäftigt, an seiner Schädeldecke Erze abzubauen. Schließlich explodierte alles in ihm, ein wildes Kribbeln in Armen und Beinen, ein Schauer wie von Millionen feinster Regentropfen zog durch sein Rückenmark und sein Gehirn jubelte Hosianna, Halleluja und Heureka zusammen. Ihre zarten Fingerkuppen fuhren sanft durch sein Brusthaar und Schweißperlen liefen über seinen Oberkörper. Ihm war heiß. Dann fröstelte ihn; das kühlende Schwitzwasser tat seine Wirkung. Er nahm einen tiefen Atemzug, doch plötzlich kam er nicht mehr weiter, ein jäher Schmerz durchbohrte ihn, er bekam keine Luft, fühlte, wie es ihn zerriss, sah Vater und Mutter an der Kaffeetafel mit Großmutter und Tante Frieda, jagte Gisela durchs Unterholz, gab Sieglinde den ersten Kuss, trug Saskia auf dem Arm, erlebte seine erste Synode, versuchte den nächsten Atemzug und stürzte, stürzte, stürzte…
Fortsetzung folgt
Vaters Klinikaufenthalt ging zu Ende und sie mussten seine weitere Betreuung regeln. Das bedeutete, er musste es regeln, denn seine beiden Schwestern waren mittlerweile so hinfällig, dass er befürchtete, sich in naher Zukunft auch noch mit ihrer Pflege befassen zu müssen.
Sieglinde war ihm auch keine Stütze – sie wirbelte von morgens bis abends wegen ihrer Tafel umher, trug unendlich viel Verantwortung und die Zeit, die übrigblieb, benötigte sie für den Haushalt. Es war tatsächlich schon so weit gekommen, dass ihn zum Einkaufen oder Staubsaugen verdonnerte, wo er doch ein ganzes Erwerbsleben lang den Löwenanteil des Familieneinkommens beigesteuert hatte, Sieglinde sich dagegen immer nur mit ein paar Stunden in Teilzeit etwas dazu verdient und sich selbst verwirklicht hatte, damit sie nicht einrostete und ein wenig eigenes Geld besaß, das sie ohne schlechtes Gewissen für ihre persönlichen Bedürfnisse ausgeben konnte. Leider gehörte sie nicht zu den Frauen, die gern in einen stabilen Zustand ihres Seelengefäßes investierten. Sie bevorzugte Café-Verabredungen, Operetten-Besuche, elegante Handtaschen und sündhaft teure Wolle, aus denen sie individuelle Strickkreationen zauberte. An körperlicher Nähe war sie kaum interessiert und mittlerweile war er angesichts ihrer schwindenden Reize und fortgeschrittenen sexuellen Teilnahmslosigkeit äußerst dankbar für diese Entwicklung. Er selbst hatte durchaus noch erotische Bedürfnisse, verbot sich aber ausdrücklich, sein Begehren gegenüber den vom ihm favorisierten jüngeren Frauen zum Ausdruck zu bringen, da er über eine realistische Einschätzung seines Marktwertes verfügte. Er begnügte sich damit, sie anzusehen, ein klein wenig zu flirten und sich hernach im Kopfkino auszumalen, wie es wäre, wenn…
Saskia meldete sich immer seltener über Skype, war mit ihrem Klinikjob in Delaware glücklich und ausgelastet und manchmal musste er die Fotoalben aus dem Regal holen, weil er sich kaum erinnerte, wie sie aussah. Hatte er eine Tochter? Doch ja, aber er spürte nichts mehr davon.
Wie hatte er sich darauf gefreut, sich im Ruhestand endlich voll und ganz auf sein Ehrenamt konzentrieren zu können und trotzdem über ausreichend Muße zu verfügen, um ein gutes Buch zu lesen, ein eindrucksvolles Konzert zu genießen oder einen Waldspaziergang zu unternehmen. Stattdessen stand er gegenwärtig unter Dauerstress und niemand war da, der etwas davon vertreiben konnte durch Ausstreichen, Durchkneten, Wegpusten oder Kaputtlachen.
Aber dann kam alles anders. Nie hätte er geglaubt, dass er sich dazu hätte hinreißen lassen, aber nun passierte es. „Du bist der Boss,“ hauchte sie in sein Ohr und dann rutschte ihr fester Körper an seinem entlang, bis ihre Brüste genau da zum Einsatz kamen, wo er sie haben wollte. Ihm entfuhren laute Seufzer, soviel angestaute Lust brach sich in diesem Moment Bahn, dass der Boden unter ihm sich zu drehen schien und es in seinen Schläfen pochte, als seien Wichtel damit beschäftigt, an seiner Schädeldecke Erze abzubauen. Schließlich explodierte alles in ihm, ein wildes Kribbeln in Armen und Beinen, ein Schauer wie von Millionen feinster Regentropfen zog durch sein Rückenmark und sein Gehirn jubelte Hosianna, Halleluja und Heureka zusammen. Ihre zarten Fingerkuppen fuhren sanft durch sein Brusthaar und Schweißperlen liefen über seinen Oberkörper. Ihm war heiß. Dann fröstelte ihn; das kühlende Schwitzwasser tat seine Wirkung. Er nahm einen tiefen Atemzug, doch plötzlich kam er nicht mehr weiter, ein jäher Schmerz durchbohrte ihn, er bekam keine Luft, fühlte, wie es ihn zerriss, sah Vater und Mutter an der Kaffeetafel mit Großmutter und Tante Frieda, jagte Gisela durchs Unterholz, gab Sieglinde den ersten Kuss, trug Saskia auf dem Arm, erlebte seine erste Synode, versuchte den nächsten Atemzug und stürzte, stürzte, stürzte…
Fortsetzung folgt
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