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Freitag, 29. Juli 2022
Verwandlung
c. fabry, 14:43h
Das erste, das Jenny an diesem Morgen sah, war ihr eigenes kupferrotes Haar auf dem weißen Kopfkissen. Das war der Segen der Rothaarigen, sie ergrauten erst spät und so nannte sie mit Mitte Fünfzig noch eine Haarpracht ihr eigen, die einer jungen Frau in der Blüte ihrer Jahre würdig gewesen wäre.
Auch der Rest war noch in gutem Zustand: kaum Falten oder Bindegewebsschwäche am Körper, dank Ausdauertraining, Yoga und gesunder Ernährung, keine Skelett-Probleme, keine Krampfadern und ein ungetrübtes Wohlbefinden.
Heute war ihr freier Tag. Ausgeschlafen hatte sie, Jan war bei der Arbeit, Louis in der Schule und sie freute sich auf einen unbeschwerten Vormittag.
Auf dem Weg zur Toilette blieb es eigenartig still. Scarlett und Pepper, die beiden Kätzchen, die normalerweise eilig angetrippelt kamen, sobald sich jemand rührte, schienen irgendwo friedlich zu schlummern.
Nach der Dusche ging sie in die Küche, um sich einen Kaffee zu kochen. Noch immer waren die Kätzchen nicht in Sicht. Stattdessen standen zwei ihr unbekannte Gläser auf dem Küchentisch: Crème Caramel und Meersalz mit schwarzem Pfeffer. Als hätte ein Zauberer die beiden Kätzchen in Lebensmittel verwandelt. Wirklich eigenartig und ein bisschen gruselig. Sie würde Jan abends fragen, woher diese bretonischen Mitbringsel stammten. Vielleicht von einem Kollegen.
Die Suche nach Scarlett und Pepper blieb ergebnislos. Als die Eltern abends schlafen gingen, waren sie noch nicht wieder aufgetaucht, Louis würde erst in der Nacht heimkehren, er war auf einer Party eingeladen.
Die halbe Nacht lag Jenny wach. Was konnte den Kätzchen widerfahren sein? Waren sie durch die offene Haustür geschlüpft, draußen umhergeirrt und entführt worden? Sie würde gleich morgen einen Aushang entwerfen, zwanzigfach ausdrucken und überall aufhängen. Dummerweise waren sie noch nicht gechipt, es würde schwierig sein, zu beweisen, dass Scarlett und Pepper zu ihnen gehörten.
Am Samstagmorgen fühlte sie sich wie gerädert. Jan war schon aufgestanden, hatte Brötchen geholt und den Frühstückstisch gedeckt.
"Louis liegt noch im Koma.", meinte er. "Ich hoffe, er hat sich nicht sämtliche Englisch-Vokabeln weggesoffen."
"Ich seh? mal nach ihm, vielleicht will er doch schon frühstücken.", meinte Jennifer. Sie betrat das Zimmer ihres Sohnes und spürte sofort, dass etwas nicht stimmte. Das Bett war zwar benutzt, aber das lag daran, dass Louis sein Bett nie machte. Eigenartigerweise lag mitten auf dem Laken eine Holzhaarbürste, die genau den gleichen Farbton hatte, wie seine blonden Locken. Louis benutzte keine Bürsten, nur einen groben Kamm und den auch nur gelegentlich. Bisher hatte er auch noch keine Freundin mit nach Hause gebracht und von einer Freundin war ja auch sonst keine Spur, genauso wenig wie von Louis.
"Er ist nicht da.", sagte Jennifer erschrocken.
"Der wird schon wieder auftauchen.", erwiderte Jan gelassen.
"Ich schreib ihm eine Nachricht.", sagte Jennifer.
"Wenn du meinst."
Louis reagierte nicht. Auch nicht nach Stunden. Sie riefen überall an. Auf der Party war er gewesen, hatte sie gegen drei Uhr nachts verlassen, um nach Hause zu fahren. Tatsächlich standen die Turnschuhe in seinem Zimmer, mit denen er abends aus dem Haus gegangen war. Er war also nachts zu Hause angekommen. Und dann? Es blieb ein Rätsel.
Die Polizei wollte nicht aktiv werden. Noch nicht. Wenn er Sonntagmorgen noch nicht wieder da sei, sollten sie sich melden. Die hatten vielleicht Nerven.
Auch in dieser Nacht konnte Jennifer nicht schlafen. Sie wälzte sich in ihrem Bett hin und her. Jan beschwerte sich, sie solle sich beruhigen. Ungehalten über die Seelenruhe mit der er sich schlafen legte, während sein Sohn einem ungewissen Schicksal ausgeliefert war, zog sie um in Louis Bett. So bekäme sie wenigstens sofort mit, wenn er endlich nach Hause kam.
Sie erwachte, als die Sonne grell ins Zimmer schien. Louis war nicht da, noch immer nicht. Nur die eigenartige Haarbürste, die sie auf den Teppich verfrachtet hatte, lag noch auf ihrem neuen Platz. Sie stand auf, um Jan zu wecken. Sie mussten etwas unternehmen ? irgendetwas.
Jan lag nicht mehr im Bett und war auch sonst nirgends aufzutreiben. Wie konnte er in so einer Situation ans Brötchen Holen denken? Auch wenn sie mit den Gedanken woanders war, deckte sie wie ferngesteuert den Küchentisch. Mittendrin lief sie zum Telefon und rief die Polizei an.
"Unser Sohn ist immer noch nicht aufgetaucht. Unternehmen Sie jetzt mal etwas?", fragte sie, als sie zu dem zuständigen Beamten durchgestellt worden war.
"Wir schicken gleich jemanden vorbei.", lautete die gleichmütige Antwort.
"Na toll.", stöhnte sie. "Die haben ja einen sicheren Job. Müssen sich nicht anstrengen."
Jan kam gar nicht vom Brötchen Holen zurück. Oder hatte er sich eigenmächtig auf die Suche nach Louis gemacht? Sie suchte die ganze Wohnung nach einer Notiz ab, überprüfte ihren Messengerdienst ? nichts.
Sie blickte auf das leere Bett. Da lag etwas auf Jans Hälfte. Ein Portemonnaie aus dunkelbraunem Leder. War ihm das aus der Tasche gefallen? Aber seit wann hatte er so eines? Er benutzte doch das weinrote, das sie ihm letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt hatte. Dieses hier hatte sie noch nie gesehen. Sie betrachtete es näher. Es war vollkommen leer, etwas abgewetzt und hatte exakt die Farbe von Jans dunkelbraunen Haaren.
Wurde sie verrückt? Oder träumte sie das alles? Konnte sie der Polizei von den seltsamen Gegenständen erzählen? Sicher nicht, sie würden sie für eine durchgeknallte, alternde Rothaarige halten, die gerade von Sohn und Mann verlassen worden war, weil sie es mit ihr nicht mehr aushielten.
Zwei Beamte kamen vorbei, stellten hunderte von Fragen, wunderten sich auch, dass Jan sich offenkundig auf die Suche nach seinem Sohn machte, ohne etwas zu sagen. Sie nahmen Louis Zimmer unter die Lupe, baten um ein Foto, forderten einen Spürhund an und ließen das Tier Witterung aufnehmen. Sie würden sich melden, sagten sie.
Der Sonntag zog sich endlos hin. Niemand meldete sich, auch Jan nicht. Was passierte hier? Sie hätte ihre Freundinnen anrufen können, um Beistand bitten, aber sie war wie gelähmt, wollte eigenartigerweise niemandem zur Last fallen, nicht für hysterisch gehalten werden, was auch immer.
Sie lief hin und her, wartete, trank literweise Kaffee, dachte daran, sich Zigaretten zu kaufen, obwohl sie schon seit dreißig Jahren nicht mehr rauchte, versuchte sich mit Fernsehen abzulenken, wischte das Wohnzimmerregal aus und entschloss sich, sich am nächsten Tag krank zu melden. Sie konnte in dieser Situation unmöglich zur Arbeit gehen.
Irgendwann fiel sie erschöpft ins Bett, noch bekleidet. Mitten in der Nacht wurde sie wach. Jemand stand an ihrem Bett. "Louis?", rief sie. "Jan?". Sie knipste die Leselampe an. Es war ein Unbekannter. Ein mittelgroßer Mann mit fahler Gesichtshaut und kalten, grauen Augen. In der linken Hand hielt er einen größeren Gegenstand, in der rechten eine Drahtschlinge. Den größeren Gegenstand stellte er auf ihrem Kopfkissen ab. Es war eine Kupferpfanne. Danach ging alles ganz schnell.
Am Dienstag erschien ein Presseartikel über das mysteriöse Verschwinden einer Familie. Freunden wäre im Haus nichts Außergewöhnliches aufgefallen, nur dass die jungen Katzen nicht da waren.
Auch der Rest war noch in gutem Zustand: kaum Falten oder Bindegewebsschwäche am Körper, dank Ausdauertraining, Yoga und gesunder Ernährung, keine Skelett-Probleme, keine Krampfadern und ein ungetrübtes Wohlbefinden.
Heute war ihr freier Tag. Ausgeschlafen hatte sie, Jan war bei der Arbeit, Louis in der Schule und sie freute sich auf einen unbeschwerten Vormittag.
Auf dem Weg zur Toilette blieb es eigenartig still. Scarlett und Pepper, die beiden Kätzchen, die normalerweise eilig angetrippelt kamen, sobald sich jemand rührte, schienen irgendwo friedlich zu schlummern.
Nach der Dusche ging sie in die Küche, um sich einen Kaffee zu kochen. Noch immer waren die Kätzchen nicht in Sicht. Stattdessen standen zwei ihr unbekannte Gläser auf dem Küchentisch: Crème Caramel und Meersalz mit schwarzem Pfeffer. Als hätte ein Zauberer die beiden Kätzchen in Lebensmittel verwandelt. Wirklich eigenartig und ein bisschen gruselig. Sie würde Jan abends fragen, woher diese bretonischen Mitbringsel stammten. Vielleicht von einem Kollegen.
Die Suche nach Scarlett und Pepper blieb ergebnislos. Als die Eltern abends schlafen gingen, waren sie noch nicht wieder aufgetaucht, Louis würde erst in der Nacht heimkehren, er war auf einer Party eingeladen.
Die halbe Nacht lag Jenny wach. Was konnte den Kätzchen widerfahren sein? Waren sie durch die offene Haustür geschlüpft, draußen umhergeirrt und entführt worden? Sie würde gleich morgen einen Aushang entwerfen, zwanzigfach ausdrucken und überall aufhängen. Dummerweise waren sie noch nicht gechipt, es würde schwierig sein, zu beweisen, dass Scarlett und Pepper zu ihnen gehörten.
Am Samstagmorgen fühlte sie sich wie gerädert. Jan war schon aufgestanden, hatte Brötchen geholt und den Frühstückstisch gedeckt.
"Louis liegt noch im Koma.", meinte er. "Ich hoffe, er hat sich nicht sämtliche Englisch-Vokabeln weggesoffen."
"Ich seh? mal nach ihm, vielleicht will er doch schon frühstücken.", meinte Jennifer. Sie betrat das Zimmer ihres Sohnes und spürte sofort, dass etwas nicht stimmte. Das Bett war zwar benutzt, aber das lag daran, dass Louis sein Bett nie machte. Eigenartigerweise lag mitten auf dem Laken eine Holzhaarbürste, die genau den gleichen Farbton hatte, wie seine blonden Locken. Louis benutzte keine Bürsten, nur einen groben Kamm und den auch nur gelegentlich. Bisher hatte er auch noch keine Freundin mit nach Hause gebracht und von einer Freundin war ja auch sonst keine Spur, genauso wenig wie von Louis.
"Er ist nicht da.", sagte Jennifer erschrocken.
"Der wird schon wieder auftauchen.", erwiderte Jan gelassen.
"Ich schreib ihm eine Nachricht.", sagte Jennifer.
"Wenn du meinst."
Louis reagierte nicht. Auch nicht nach Stunden. Sie riefen überall an. Auf der Party war er gewesen, hatte sie gegen drei Uhr nachts verlassen, um nach Hause zu fahren. Tatsächlich standen die Turnschuhe in seinem Zimmer, mit denen er abends aus dem Haus gegangen war. Er war also nachts zu Hause angekommen. Und dann? Es blieb ein Rätsel.
Die Polizei wollte nicht aktiv werden. Noch nicht. Wenn er Sonntagmorgen noch nicht wieder da sei, sollten sie sich melden. Die hatten vielleicht Nerven.
Auch in dieser Nacht konnte Jennifer nicht schlafen. Sie wälzte sich in ihrem Bett hin und her. Jan beschwerte sich, sie solle sich beruhigen. Ungehalten über die Seelenruhe mit der er sich schlafen legte, während sein Sohn einem ungewissen Schicksal ausgeliefert war, zog sie um in Louis Bett. So bekäme sie wenigstens sofort mit, wenn er endlich nach Hause kam.
Sie erwachte, als die Sonne grell ins Zimmer schien. Louis war nicht da, noch immer nicht. Nur die eigenartige Haarbürste, die sie auf den Teppich verfrachtet hatte, lag noch auf ihrem neuen Platz. Sie stand auf, um Jan zu wecken. Sie mussten etwas unternehmen ? irgendetwas.
Jan lag nicht mehr im Bett und war auch sonst nirgends aufzutreiben. Wie konnte er in so einer Situation ans Brötchen Holen denken? Auch wenn sie mit den Gedanken woanders war, deckte sie wie ferngesteuert den Küchentisch. Mittendrin lief sie zum Telefon und rief die Polizei an.
"Unser Sohn ist immer noch nicht aufgetaucht. Unternehmen Sie jetzt mal etwas?", fragte sie, als sie zu dem zuständigen Beamten durchgestellt worden war.
"Wir schicken gleich jemanden vorbei.", lautete die gleichmütige Antwort.
"Na toll.", stöhnte sie. "Die haben ja einen sicheren Job. Müssen sich nicht anstrengen."
Jan kam gar nicht vom Brötchen Holen zurück. Oder hatte er sich eigenmächtig auf die Suche nach Louis gemacht? Sie suchte die ganze Wohnung nach einer Notiz ab, überprüfte ihren Messengerdienst ? nichts.
Sie blickte auf das leere Bett. Da lag etwas auf Jans Hälfte. Ein Portemonnaie aus dunkelbraunem Leder. War ihm das aus der Tasche gefallen? Aber seit wann hatte er so eines? Er benutzte doch das weinrote, das sie ihm letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt hatte. Dieses hier hatte sie noch nie gesehen. Sie betrachtete es näher. Es war vollkommen leer, etwas abgewetzt und hatte exakt die Farbe von Jans dunkelbraunen Haaren.
Wurde sie verrückt? Oder träumte sie das alles? Konnte sie der Polizei von den seltsamen Gegenständen erzählen? Sicher nicht, sie würden sie für eine durchgeknallte, alternde Rothaarige halten, die gerade von Sohn und Mann verlassen worden war, weil sie es mit ihr nicht mehr aushielten.
Zwei Beamte kamen vorbei, stellten hunderte von Fragen, wunderten sich auch, dass Jan sich offenkundig auf die Suche nach seinem Sohn machte, ohne etwas zu sagen. Sie nahmen Louis Zimmer unter die Lupe, baten um ein Foto, forderten einen Spürhund an und ließen das Tier Witterung aufnehmen. Sie würden sich melden, sagten sie.
Der Sonntag zog sich endlos hin. Niemand meldete sich, auch Jan nicht. Was passierte hier? Sie hätte ihre Freundinnen anrufen können, um Beistand bitten, aber sie war wie gelähmt, wollte eigenartigerweise niemandem zur Last fallen, nicht für hysterisch gehalten werden, was auch immer.
Sie lief hin und her, wartete, trank literweise Kaffee, dachte daran, sich Zigaretten zu kaufen, obwohl sie schon seit dreißig Jahren nicht mehr rauchte, versuchte sich mit Fernsehen abzulenken, wischte das Wohnzimmerregal aus und entschloss sich, sich am nächsten Tag krank zu melden. Sie konnte in dieser Situation unmöglich zur Arbeit gehen.
Irgendwann fiel sie erschöpft ins Bett, noch bekleidet. Mitten in der Nacht wurde sie wach. Jemand stand an ihrem Bett. "Louis?", rief sie. "Jan?". Sie knipste die Leselampe an. Es war ein Unbekannter. Ein mittelgroßer Mann mit fahler Gesichtshaut und kalten, grauen Augen. In der linken Hand hielt er einen größeren Gegenstand, in der rechten eine Drahtschlinge. Den größeren Gegenstand stellte er auf ihrem Kopfkissen ab. Es war eine Kupferpfanne. Danach ging alles ganz schnell.
Am Dienstag erschien ein Presseartikel über das mysteriöse Verschwinden einer Familie. Freunden wäre im Haus nichts Außergewöhnliches aufgefallen, nur dass die jungen Katzen nicht da waren.
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Freitag, 22. Juli 2022
Blaulicht
c. fabry, 18:17h
"Was genau ist passiert?", fragt Kerkenbrock.
"Bis jetzt noch nichts.", erwidert Keller. "Es war die Rede von Geiselnahme von einem Unbekannten. Eine Frau hat die Zentrale angerufen, ziemlich aufgeregt, und erklärt, es sei ein Eindringling im Haus, der sie und ihren Mann festhalte, sie wisse nicht warum, aber er sei ziemlich bedrohlich. Maskiert, kräftig, offenbar mit Migrationshintergrund."
"Er hat sich also bis jetzt nicht zu seinen Motiven geäußert?"
"Offenbar nicht."
"Und die Verfassung der Geiseln?"
"Wir wissen nichts. Vermutlich grenzt es schon an ein Wunder, dass sie heimlich den Notruf absetzen konnte."
"Kann man nicht hineinsehen?"
"Schon, aber alle Räume scheinen leer zu sein. Nur der eine, dessen Fenster direkt auf den Hof weist, hat zugezogene Vorhänge. Vermutlich hat sich hier der Täter mit den Geiseln verbarrikadiert. Wir haben schon drei Lautsprecherdurchsagen gemacht, bekommen aber bisher überhaupt keine Reaktion."
"Keinen Laut?"
"Doch, Schreie. Möglicherweise foltert er seine Opfer. Aber wir diskutieren noch, wie wir da am besten hineingehen, denn wir wissen ja nicht, ob und wenn ja wie der Täter bewaffnet ist."
90 MINUTEN ZUVOR
"Mach mal das Licht aus, das ist mir zu grell."
"So ganz im Dunkeln? Na gut. Warte, ich muss noch eben den Wecker stellen."
Er angelt nach dem Reisewecker, stellt die Weckzeit und aktiviert den Alarm. Das Gerät leuchtet für kurze Zeit den gesamten Raum mit einem dezenten bläulichen Lichtschein aus.
"Guck mal.", kichert er. "Können wir bei Blaulicht vögeln."
Das Licht des Weckers erlischt.
"Wäre irgendwie geil, oder?", fragt sie. "Stell dir mal vor, so ein bis fünf Peterwagen vor der Tür, alle mit Blaulicht, das sanft durch die Vorhänge schimmert. Voll romantisch."
"Ja, dazu müsste es einen grausamen Verkehrsunfall direkt vor unserer Haustür geben, dann hätten wir das. Das wäre es mir aber nicht wert."
"Es gäbe noch eine Möglichkeit.", meint sie. Sie steht auf und geht zum Telefon. Wählt nur drei Ziffern: "Ja, Hallo?", flüstert sie in den Hörer. "Wir werden hier als Geiseln festgehalten, in unserem eigenen Haus..."
"Bis jetzt noch nichts.", erwidert Keller. "Es war die Rede von Geiselnahme von einem Unbekannten. Eine Frau hat die Zentrale angerufen, ziemlich aufgeregt, und erklärt, es sei ein Eindringling im Haus, der sie und ihren Mann festhalte, sie wisse nicht warum, aber er sei ziemlich bedrohlich. Maskiert, kräftig, offenbar mit Migrationshintergrund."
"Er hat sich also bis jetzt nicht zu seinen Motiven geäußert?"
"Offenbar nicht."
"Und die Verfassung der Geiseln?"
"Wir wissen nichts. Vermutlich grenzt es schon an ein Wunder, dass sie heimlich den Notruf absetzen konnte."
"Kann man nicht hineinsehen?"
"Schon, aber alle Räume scheinen leer zu sein. Nur der eine, dessen Fenster direkt auf den Hof weist, hat zugezogene Vorhänge. Vermutlich hat sich hier der Täter mit den Geiseln verbarrikadiert. Wir haben schon drei Lautsprecherdurchsagen gemacht, bekommen aber bisher überhaupt keine Reaktion."
"Keinen Laut?"
"Doch, Schreie. Möglicherweise foltert er seine Opfer. Aber wir diskutieren noch, wie wir da am besten hineingehen, denn wir wissen ja nicht, ob und wenn ja wie der Täter bewaffnet ist."
90 MINUTEN ZUVOR
"Mach mal das Licht aus, das ist mir zu grell."
"So ganz im Dunkeln? Na gut. Warte, ich muss noch eben den Wecker stellen."
Er angelt nach dem Reisewecker, stellt die Weckzeit und aktiviert den Alarm. Das Gerät leuchtet für kurze Zeit den gesamten Raum mit einem dezenten bläulichen Lichtschein aus.
"Guck mal.", kichert er. "Können wir bei Blaulicht vögeln."
Das Licht des Weckers erlischt.
"Wäre irgendwie geil, oder?", fragt sie. "Stell dir mal vor, so ein bis fünf Peterwagen vor der Tür, alle mit Blaulicht, das sanft durch die Vorhänge schimmert. Voll romantisch."
"Ja, dazu müsste es einen grausamen Verkehrsunfall direkt vor unserer Haustür geben, dann hätten wir das. Das wäre es mir aber nicht wert."
"Es gäbe noch eine Möglichkeit.", meint sie. Sie steht auf und geht zum Telefon. Wählt nur drei Ziffern: "Ja, Hallo?", flüstert sie in den Hörer. "Wir werden hier als Geiseln festgehalten, in unserem eigenen Haus..."
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Samstag, 16. Juli 2022
Wer hat die Flex aus der Hose geklaut?
c. fabry, 02:00h
So ein Quatsch. Eine Flex passt in keine Hosentasche. Aber Hendrik hatte diese affige elektrische Nagelfeile, eine der zahlreichen, sinnlosen Erfindungen seines Erzeugers und er liebte es, damit zu posieren, seine vollendeten Nägel zu maniküren. Er übte schon für die Chefetage, die er in ferner Zukunft zu besetzen gedachte.
Sandro nannte das Ding immer Hendriks Flex, und irgendwann sagten es alle. Und jetzt war sie weg. Irgendjemand musste sie ihm heimlich aus der Tasche gezogen haben. Er war verzweifelt. Das Ding war ein Prototyp, er durfte es nicht verlieren. Jemand musste Schuld sein.
"Scheiß Drecks-Camp!" fluchte er und starrte wütend auf Summer, die sich auf der Tischtennisplatte rekelte und die Lichtreflexe auf ihren Knallroten Kunstnägeln versonnen betrachtete. Natürlich, Summer, die stand voll auf Beauty.
"Rück meine Feile wieder raus, du Bronx-Braut!", fuhr er sie an.
Sie betrachtete ihn mit diesem dümmlich-trotzig leeren Blick, den nur ganz bestimmte Mädchen drauf hatten. Sie glaubten, dass die Jungs drauf standen, doch das taten die wenigsten.
Vom anderen Ende des Camps tönte ein Jungen-Chor: "Wer hat die Flex aus der Hose geklaut?" "Der Louis hat die Flex aus der Hose geklaut." "Wer, ich?" "Ja, du." "Niemals!" "Wer dann?" "Die Lizzy hat die Flex aus der Hose geklaut!"?
Sie verstanden nichts. Sie dachten, die Feile sei nichts weiter als ein Fan, so ein Kleinstventilator mit Batteriebetrieb. Aber wenn er den Prototyp nicht wieder mit nach Hause brachte, dann erwartete ihn mehr als eine Schimpftirade. Er wollte es sich lieber gar nicht vorstellen. Es half nichts. Er würde sich jeden einzelnen gründlich vornehmen müssen.
Als Nummer sechs in der Nacht keine Luft mehr bekam, hielt er das zuerst für Theater. Dann merkte er, dass es ernst war, ließ von ihm ab und lief zurück in sein Zimmer. Die anderen holten schließlich Hilfe, zwanzig Minuten später stand ein Rettungswagen auf dem Gelände.
Jetzt gab es richtig Ärger. Adrian hätte es beinahe nicht überlebt und Hendrik hätte sich denken können, dass man ihn verpfeifen würde, denn sie wussten ja alle, wer ihnen die Kehle zugedrückt hatte und warum.
Er musste seine Sachen packen. Vorzeitig abreisen, da würde noch etwas hinterher kommen. Zwischen den muffigen Handtüchern war etwas Hartes. Er schüttelte sie. Die Flex ging zu Boden.
Sandro nannte das Ding immer Hendriks Flex, und irgendwann sagten es alle. Und jetzt war sie weg. Irgendjemand musste sie ihm heimlich aus der Tasche gezogen haben. Er war verzweifelt. Das Ding war ein Prototyp, er durfte es nicht verlieren. Jemand musste Schuld sein.
"Scheiß Drecks-Camp!" fluchte er und starrte wütend auf Summer, die sich auf der Tischtennisplatte rekelte und die Lichtreflexe auf ihren Knallroten Kunstnägeln versonnen betrachtete. Natürlich, Summer, die stand voll auf Beauty.
"Rück meine Feile wieder raus, du Bronx-Braut!", fuhr er sie an.
Sie betrachtete ihn mit diesem dümmlich-trotzig leeren Blick, den nur ganz bestimmte Mädchen drauf hatten. Sie glaubten, dass die Jungs drauf standen, doch das taten die wenigsten.
Vom anderen Ende des Camps tönte ein Jungen-Chor: "Wer hat die Flex aus der Hose geklaut?" "Der Louis hat die Flex aus der Hose geklaut." "Wer, ich?" "Ja, du." "Niemals!" "Wer dann?" "Die Lizzy hat die Flex aus der Hose geklaut!"?
Sie verstanden nichts. Sie dachten, die Feile sei nichts weiter als ein Fan, so ein Kleinstventilator mit Batteriebetrieb. Aber wenn er den Prototyp nicht wieder mit nach Hause brachte, dann erwartete ihn mehr als eine Schimpftirade. Er wollte es sich lieber gar nicht vorstellen. Es half nichts. Er würde sich jeden einzelnen gründlich vornehmen müssen.
Als Nummer sechs in der Nacht keine Luft mehr bekam, hielt er das zuerst für Theater. Dann merkte er, dass es ernst war, ließ von ihm ab und lief zurück in sein Zimmer. Die anderen holten schließlich Hilfe, zwanzig Minuten später stand ein Rettungswagen auf dem Gelände.
Jetzt gab es richtig Ärger. Adrian hätte es beinahe nicht überlebt und Hendrik hätte sich denken können, dass man ihn verpfeifen würde, denn sie wussten ja alle, wer ihnen die Kehle zugedrückt hatte und warum.
Er musste seine Sachen packen. Vorzeitig abreisen, da würde noch etwas hinterher kommen. Zwischen den muffigen Handtüchern war etwas Hartes. Er schüttelte sie. Die Flex ging zu Boden.
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Freitag, 8. Juli 2022
Vier Käse - Teil IV - Der Mascarpone
c. fabry, 12:28h
Gianluigi stürmte keuchend ins Esszimmer.
"Was hast du Aufregendes auf dem Abtritt erlebt, dass du so außer Atem bist?", fragte Luca schmunzelnd. Dann sah er das Blut, das von der Hand des Heranwachsenden tropfte.
Luca sprang auf. "Was hast du gemacht?", rief er.
"Frag mich lieber, was Veronica gemacht hat.", blaffte Gianluigi ihn an. "Sie ist mit der Schere auf mich los. Sie wollte mich abstechen."
Angelina rannte in den Flur und rief ihre große Schwester. Sie entdeckte sie zusammengesunken im Badezimmer. Neben ihr lag eine Haarschere, an der eine kleine Menge Blut klebte. Sie schluchzte, bis sie schließlich hervorstieß: "Ich hätte das viel eher erledigen sollen, als er sich noch nicht wehren konnte."
"Wovon redest du?"
"Gianluigi, das kleine Scheusal. Dauert nicht mehr lange und er ist das große Monster, das schon immer in ihm steckte."
"Aber er ist unser kleiner Bruder. Ein Kind."
"Halbbruder.", korrigierte Veronica sie. "Erinnerst du dich an Luigi Speranza, den Freund, den ich hatte, als ich achtzehn war? Er war damals dreißig und sie hat ihn mir ausgespannt. Einfach so, weil sie es konnte."
"Wer hat ihn dir ausgespannt?"
"Mama. Seit ich dreizehn bin, hat sie jede Liebschaft verhindert. Wenn ich mich mal mit einem Jungen getroffen habe, hat sie einen Riesenaufstand gemacht, mir eingeredet, ich hätte die Seele einer Hure. Sie hat alles unterbunden, mich eingesperrt, die Eltern informiert und mit Anzeige gedroht. Mein Ruf war ihr immer wichtiger als mein Glück. Und dann, als ich achtzehn war und tun konnte, was ich wollte und einen Freund hatte, der alt genug war, dass ich zu ihm hätte ziehen können, da hat sie ihn mir ausgespannt. Sie war ja nur sieben Jahre älter als er und sah noch gut aus. Sie hat mir gedroht, dass ich das mit der Uni vergessen könnte, wenn ich Papa davon erzählen würde und sie hätte es geschafft, mir auch das zu versauen. Dann wurde sie schwanger und als Luigi sich rar machte, hat sie den Bastard Papa untergeschoben. Ich habe damals sofort gesehen, dass es Luigis Sohn war. Und dir ist doch auch schon oft aufgefallen, dass er weder Mama noch Papa ähnelt."
"Aber dafür kann doch Gianluigi nichts."
"Dafür nicht, aber für das mit Federico."
"Jetzt komme ich nicht mehr mit."
"Federico ist Mitarbeiter in meiner Abteilung. Über die Jahre sind wir uns immer näher gekommen und vor ein paar Wochen haben wir uns zum Eisessen verabredet. Gianluigi hat uns gesehen und Mama davon erzählt. Federico hat einen Sohn und mit dem geht Gianluigi in eine Klasse. Es war ihm wohl peinlich, dass der Vater seines Freundes mit seiner Schwester ausgeht und um zu verhindern, dass mehr daraus wird, hat er Federicos Sohn Geschichten über mich erzählt. Unfassbare Lügenmärchen, aber unterfüttert mit fingierten Beweisen. Ich weiß das nur, weil ich Federico, nachdem er sich plötzlich, scheinbar grundlos von mir fernhielt, zur Rede gestellt habe. Ich wollte endlich wissen, was schief gelaufen war. Dann hat er mir erzählt, dass mein Bruder, seinem Sohn Geschichten über mich erzählt hat, die ihm Angst machten. Er hätte sich zuerst geweigert, das zu glauben, aber Gianluigi habe gleich die Beweise mitgeliefert. Er hatte Fotos auf dem Telefonino, die kann der Bastard nur von Mama bekommen haben. Dazu Fotos von alten Tagebuchseiten, die Mama mir damals weggenommen hat. Wenn man das geschickt zusammenmanipuliert, kommt da ein echtes Horrorbild raus. Ich habe Federico erklärt, dass ich das Opfer eines Komplotts bin, er hat gesagt, es tue ihm leid, aber das sei ihm alles zu kompliziert und auch wenn ich Recht hätte, so wäre es doch eine zu komplizierte Familie für eine tiefer gehende Beziehung. Eben stand ich hier vor dem Waschbecken und habe mir das Gesicht gewaschen, weil ich kotzen musste, von dem ganzen Dreck in dieser Familie und weil ich mich die ganze Zeit gefragt habe, ob ich langsam verrückt werde und ob ich unsere Mutter erdrosselt habe, ich hätte jeden erdenklichen Grund. Ich war es aber nicht. Jedenfalls hatte ich die Tür nicht abgeschlossen und Gianluigi wollte aufs Klo. Als er rein kam, fiel der Strom aus und dann fing er an mich zu peinigen. Wie es mir denn jetzt ginge, so als einsame Muttermörderin oder ob ich schon wieder jemanden gefunden hätte, den ich mir reinziehen könnte, lauter solches Zeugs. Ich habe versucht, drüber zu stehen, mich nicht provozieren zu lassen und nur so Sachen gesagt wie: Halt die Klappe! Oder werd erstmal erwachsen. Aber er hörte nicht auf, versuchte immer, in meine Nähe zu gelangen und ich bin ihm ausgewichen, dem kleinen Ekel. Dann ging plötzlich das Licht wieder an und ich blickte in sein irres Gesicht. Mit einem sadistischen Grinsen sagte er: 'Vielleicht sollte ich mal an dein Institut schreiben. Die wollen doch bestimmt auch keine Irre in ihrer Forschungsabteilung.' Und dann ist mir die Sicherung durchgebrannt. Die Haarschere lag auf der Ablage, ich habe danach gegriffen und mich auf ihn gestürzt. Irgendwo habe ich ihn getroffen und er ist schreiend weggerannt. Ist er sehr schwer verletzt?"
"Nur ein Kratzer.", sagte Angelina. "Komm mit nach unten. Der Mascarpone wartet. Es gibt Tiramisù. Verputzen wir es, bevor die Polizei kommt, damit wir nicht teilen müssen."
Ende
"Was hast du Aufregendes auf dem Abtritt erlebt, dass du so außer Atem bist?", fragte Luca schmunzelnd. Dann sah er das Blut, das von der Hand des Heranwachsenden tropfte.
Luca sprang auf. "Was hast du gemacht?", rief er.
"Frag mich lieber, was Veronica gemacht hat.", blaffte Gianluigi ihn an. "Sie ist mit der Schere auf mich los. Sie wollte mich abstechen."
Angelina rannte in den Flur und rief ihre große Schwester. Sie entdeckte sie zusammengesunken im Badezimmer. Neben ihr lag eine Haarschere, an der eine kleine Menge Blut klebte. Sie schluchzte, bis sie schließlich hervorstieß: "Ich hätte das viel eher erledigen sollen, als er sich noch nicht wehren konnte."
"Wovon redest du?"
"Gianluigi, das kleine Scheusal. Dauert nicht mehr lange und er ist das große Monster, das schon immer in ihm steckte."
"Aber er ist unser kleiner Bruder. Ein Kind."
"Halbbruder.", korrigierte Veronica sie. "Erinnerst du dich an Luigi Speranza, den Freund, den ich hatte, als ich achtzehn war? Er war damals dreißig und sie hat ihn mir ausgespannt. Einfach so, weil sie es konnte."
"Wer hat ihn dir ausgespannt?"
"Mama. Seit ich dreizehn bin, hat sie jede Liebschaft verhindert. Wenn ich mich mal mit einem Jungen getroffen habe, hat sie einen Riesenaufstand gemacht, mir eingeredet, ich hätte die Seele einer Hure. Sie hat alles unterbunden, mich eingesperrt, die Eltern informiert und mit Anzeige gedroht. Mein Ruf war ihr immer wichtiger als mein Glück. Und dann, als ich achtzehn war und tun konnte, was ich wollte und einen Freund hatte, der alt genug war, dass ich zu ihm hätte ziehen können, da hat sie ihn mir ausgespannt. Sie war ja nur sieben Jahre älter als er und sah noch gut aus. Sie hat mir gedroht, dass ich das mit der Uni vergessen könnte, wenn ich Papa davon erzählen würde und sie hätte es geschafft, mir auch das zu versauen. Dann wurde sie schwanger und als Luigi sich rar machte, hat sie den Bastard Papa untergeschoben. Ich habe damals sofort gesehen, dass es Luigis Sohn war. Und dir ist doch auch schon oft aufgefallen, dass er weder Mama noch Papa ähnelt."
"Aber dafür kann doch Gianluigi nichts."
"Dafür nicht, aber für das mit Federico."
"Jetzt komme ich nicht mehr mit."
"Federico ist Mitarbeiter in meiner Abteilung. Über die Jahre sind wir uns immer näher gekommen und vor ein paar Wochen haben wir uns zum Eisessen verabredet. Gianluigi hat uns gesehen und Mama davon erzählt. Federico hat einen Sohn und mit dem geht Gianluigi in eine Klasse. Es war ihm wohl peinlich, dass der Vater seines Freundes mit seiner Schwester ausgeht und um zu verhindern, dass mehr daraus wird, hat er Federicos Sohn Geschichten über mich erzählt. Unfassbare Lügenmärchen, aber unterfüttert mit fingierten Beweisen. Ich weiß das nur, weil ich Federico, nachdem er sich plötzlich, scheinbar grundlos von mir fernhielt, zur Rede gestellt habe. Ich wollte endlich wissen, was schief gelaufen war. Dann hat er mir erzählt, dass mein Bruder, seinem Sohn Geschichten über mich erzählt hat, die ihm Angst machten. Er hätte sich zuerst geweigert, das zu glauben, aber Gianluigi habe gleich die Beweise mitgeliefert. Er hatte Fotos auf dem Telefonino, die kann der Bastard nur von Mama bekommen haben. Dazu Fotos von alten Tagebuchseiten, die Mama mir damals weggenommen hat. Wenn man das geschickt zusammenmanipuliert, kommt da ein echtes Horrorbild raus. Ich habe Federico erklärt, dass ich das Opfer eines Komplotts bin, er hat gesagt, es tue ihm leid, aber das sei ihm alles zu kompliziert und auch wenn ich Recht hätte, so wäre es doch eine zu komplizierte Familie für eine tiefer gehende Beziehung. Eben stand ich hier vor dem Waschbecken und habe mir das Gesicht gewaschen, weil ich kotzen musste, von dem ganzen Dreck in dieser Familie und weil ich mich die ganze Zeit gefragt habe, ob ich langsam verrückt werde und ob ich unsere Mutter erdrosselt habe, ich hätte jeden erdenklichen Grund. Ich war es aber nicht. Jedenfalls hatte ich die Tür nicht abgeschlossen und Gianluigi wollte aufs Klo. Als er rein kam, fiel der Strom aus und dann fing er an mich zu peinigen. Wie es mir denn jetzt ginge, so als einsame Muttermörderin oder ob ich schon wieder jemanden gefunden hätte, den ich mir reinziehen könnte, lauter solches Zeugs. Ich habe versucht, drüber zu stehen, mich nicht provozieren zu lassen und nur so Sachen gesagt wie: Halt die Klappe! Oder werd erstmal erwachsen. Aber er hörte nicht auf, versuchte immer, in meine Nähe zu gelangen und ich bin ihm ausgewichen, dem kleinen Ekel. Dann ging plötzlich das Licht wieder an und ich blickte in sein irres Gesicht. Mit einem sadistischen Grinsen sagte er: 'Vielleicht sollte ich mal an dein Institut schreiben. Die wollen doch bestimmt auch keine Irre in ihrer Forschungsabteilung.' Und dann ist mir die Sicherung durchgebrannt. Die Haarschere lag auf der Ablage, ich habe danach gegriffen und mich auf ihn gestürzt. Irgendwo habe ich ihn getroffen und er ist schreiend weggerannt. Ist er sehr schwer verletzt?"
"Nur ein Kratzer.", sagte Angelina. "Komm mit nach unten. Der Mascarpone wartet. Es gibt Tiramisù. Verputzen wir es, bevor die Polizei kommt, damit wir nicht teilen müssen."
Ende
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