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Freitag, 22. Juli 2022
Blaulicht
c. fabry, 18:17h
"Was genau ist passiert?", fragt Kerkenbrock.
"Bis jetzt noch nichts.", erwidert Keller. "Es war die Rede von Geiselnahme von einem Unbekannten. Eine Frau hat die Zentrale angerufen, ziemlich aufgeregt, und erklärt, es sei ein Eindringling im Haus, der sie und ihren Mann festhalte, sie wisse nicht warum, aber er sei ziemlich bedrohlich. Maskiert, kräftig, offenbar mit Migrationshintergrund."
"Er hat sich also bis jetzt nicht zu seinen Motiven geäußert?"
"Offenbar nicht."
"Und die Verfassung der Geiseln?"
"Wir wissen nichts. Vermutlich grenzt es schon an ein Wunder, dass sie heimlich den Notruf absetzen konnte."
"Kann man nicht hineinsehen?"
"Schon, aber alle Räume scheinen leer zu sein. Nur der eine, dessen Fenster direkt auf den Hof weist, hat zugezogene Vorhänge. Vermutlich hat sich hier der Täter mit den Geiseln verbarrikadiert. Wir haben schon drei Lautsprecherdurchsagen gemacht, bekommen aber bisher überhaupt keine Reaktion."
"Keinen Laut?"
"Doch, Schreie. Möglicherweise foltert er seine Opfer. Aber wir diskutieren noch, wie wir da am besten hineingehen, denn wir wissen ja nicht, ob und wenn ja wie der Täter bewaffnet ist."
90 MINUTEN ZUVOR
"Mach mal das Licht aus, das ist mir zu grell."
"So ganz im Dunkeln? Na gut. Warte, ich muss noch eben den Wecker stellen."
Er angelt nach dem Reisewecker, stellt die Weckzeit und aktiviert den Alarm. Das Gerät leuchtet für kurze Zeit den gesamten Raum mit einem dezenten bläulichen Lichtschein aus.
"Guck mal.", kichert er. "Können wir bei Blaulicht vögeln."
Das Licht des Weckers erlischt.
"Wäre irgendwie geil, oder?", fragt sie. "Stell dir mal vor, so ein bis fünf Peterwagen vor der Tür, alle mit Blaulicht, das sanft durch die Vorhänge schimmert. Voll romantisch."
"Ja, dazu müsste es einen grausamen Verkehrsunfall direkt vor unserer Haustür geben, dann hätten wir das. Das wäre es mir aber nicht wert."
"Es gäbe noch eine Möglichkeit.", meint sie. Sie steht auf und geht zum Telefon. Wählt nur drei Ziffern: "Ja, Hallo?", flüstert sie in den Hörer. "Wir werden hier als Geiseln festgehalten, in unserem eigenen Haus..."
"Bis jetzt noch nichts.", erwidert Keller. "Es war die Rede von Geiselnahme von einem Unbekannten. Eine Frau hat die Zentrale angerufen, ziemlich aufgeregt, und erklärt, es sei ein Eindringling im Haus, der sie und ihren Mann festhalte, sie wisse nicht warum, aber er sei ziemlich bedrohlich. Maskiert, kräftig, offenbar mit Migrationshintergrund."
"Er hat sich also bis jetzt nicht zu seinen Motiven geäußert?"
"Offenbar nicht."
"Und die Verfassung der Geiseln?"
"Wir wissen nichts. Vermutlich grenzt es schon an ein Wunder, dass sie heimlich den Notruf absetzen konnte."
"Kann man nicht hineinsehen?"
"Schon, aber alle Räume scheinen leer zu sein. Nur der eine, dessen Fenster direkt auf den Hof weist, hat zugezogene Vorhänge. Vermutlich hat sich hier der Täter mit den Geiseln verbarrikadiert. Wir haben schon drei Lautsprecherdurchsagen gemacht, bekommen aber bisher überhaupt keine Reaktion."
"Keinen Laut?"
"Doch, Schreie. Möglicherweise foltert er seine Opfer. Aber wir diskutieren noch, wie wir da am besten hineingehen, denn wir wissen ja nicht, ob und wenn ja wie der Täter bewaffnet ist."
90 MINUTEN ZUVOR
"Mach mal das Licht aus, das ist mir zu grell."
"So ganz im Dunkeln? Na gut. Warte, ich muss noch eben den Wecker stellen."
Er angelt nach dem Reisewecker, stellt die Weckzeit und aktiviert den Alarm. Das Gerät leuchtet für kurze Zeit den gesamten Raum mit einem dezenten bläulichen Lichtschein aus.
"Guck mal.", kichert er. "Können wir bei Blaulicht vögeln."
Das Licht des Weckers erlischt.
"Wäre irgendwie geil, oder?", fragt sie. "Stell dir mal vor, so ein bis fünf Peterwagen vor der Tür, alle mit Blaulicht, das sanft durch die Vorhänge schimmert. Voll romantisch."
"Ja, dazu müsste es einen grausamen Verkehrsunfall direkt vor unserer Haustür geben, dann hätten wir das. Das wäre es mir aber nicht wert."
"Es gäbe noch eine Möglichkeit.", meint sie. Sie steht auf und geht zum Telefon. Wählt nur drei Ziffern: "Ja, Hallo?", flüstert sie in den Hörer. "Wir werden hier als Geiseln festgehalten, in unserem eigenen Haus..."
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Samstag, 16. Juli 2022
Wer hat die Flex aus der Hose geklaut?
c. fabry, 02:00h
So ein Quatsch. Eine Flex passt in keine Hosentasche. Aber Hendrik hatte diese affige elektrische Nagelfeile, eine der zahlreichen, sinnlosen Erfindungen seines Erzeugers und er liebte es, damit zu posieren, seine vollendeten Nägel zu maniküren. Er übte schon für die Chefetage, die er in ferner Zukunft zu besetzen gedachte.
Sandro nannte das Ding immer Hendriks Flex, und irgendwann sagten es alle. Und jetzt war sie weg. Irgendjemand musste sie ihm heimlich aus der Tasche gezogen haben. Er war verzweifelt. Das Ding war ein Prototyp, er durfte es nicht verlieren. Jemand musste Schuld sein.
"Scheiß Drecks-Camp!" fluchte er und starrte wütend auf Summer, die sich auf der Tischtennisplatte rekelte und die Lichtreflexe auf ihren Knallroten Kunstnägeln versonnen betrachtete. Natürlich, Summer, die stand voll auf Beauty.
"Rück meine Feile wieder raus, du Bronx-Braut!", fuhr er sie an.
Sie betrachtete ihn mit diesem dümmlich-trotzig leeren Blick, den nur ganz bestimmte Mädchen drauf hatten. Sie glaubten, dass die Jungs drauf standen, doch das taten die wenigsten.
Vom anderen Ende des Camps tönte ein Jungen-Chor: "Wer hat die Flex aus der Hose geklaut?" "Der Louis hat die Flex aus der Hose geklaut." "Wer, ich?" "Ja, du." "Niemals!" "Wer dann?" "Die Lizzy hat die Flex aus der Hose geklaut!"?
Sie verstanden nichts. Sie dachten, die Feile sei nichts weiter als ein Fan, so ein Kleinstventilator mit Batteriebetrieb. Aber wenn er den Prototyp nicht wieder mit nach Hause brachte, dann erwartete ihn mehr als eine Schimpftirade. Er wollte es sich lieber gar nicht vorstellen. Es half nichts. Er würde sich jeden einzelnen gründlich vornehmen müssen.
Als Nummer sechs in der Nacht keine Luft mehr bekam, hielt er das zuerst für Theater. Dann merkte er, dass es ernst war, ließ von ihm ab und lief zurück in sein Zimmer. Die anderen holten schließlich Hilfe, zwanzig Minuten später stand ein Rettungswagen auf dem Gelände.
Jetzt gab es richtig Ärger. Adrian hätte es beinahe nicht überlebt und Hendrik hätte sich denken können, dass man ihn verpfeifen würde, denn sie wussten ja alle, wer ihnen die Kehle zugedrückt hatte und warum.
Er musste seine Sachen packen. Vorzeitig abreisen, da würde noch etwas hinterher kommen. Zwischen den muffigen Handtüchern war etwas Hartes. Er schüttelte sie. Die Flex ging zu Boden.
Sandro nannte das Ding immer Hendriks Flex, und irgendwann sagten es alle. Und jetzt war sie weg. Irgendjemand musste sie ihm heimlich aus der Tasche gezogen haben. Er war verzweifelt. Das Ding war ein Prototyp, er durfte es nicht verlieren. Jemand musste Schuld sein.
"Scheiß Drecks-Camp!" fluchte er und starrte wütend auf Summer, die sich auf der Tischtennisplatte rekelte und die Lichtreflexe auf ihren Knallroten Kunstnägeln versonnen betrachtete. Natürlich, Summer, die stand voll auf Beauty.
"Rück meine Feile wieder raus, du Bronx-Braut!", fuhr er sie an.
Sie betrachtete ihn mit diesem dümmlich-trotzig leeren Blick, den nur ganz bestimmte Mädchen drauf hatten. Sie glaubten, dass die Jungs drauf standen, doch das taten die wenigsten.
Vom anderen Ende des Camps tönte ein Jungen-Chor: "Wer hat die Flex aus der Hose geklaut?" "Der Louis hat die Flex aus der Hose geklaut." "Wer, ich?" "Ja, du." "Niemals!" "Wer dann?" "Die Lizzy hat die Flex aus der Hose geklaut!"?
Sie verstanden nichts. Sie dachten, die Feile sei nichts weiter als ein Fan, so ein Kleinstventilator mit Batteriebetrieb. Aber wenn er den Prototyp nicht wieder mit nach Hause brachte, dann erwartete ihn mehr als eine Schimpftirade. Er wollte es sich lieber gar nicht vorstellen. Es half nichts. Er würde sich jeden einzelnen gründlich vornehmen müssen.
Als Nummer sechs in der Nacht keine Luft mehr bekam, hielt er das zuerst für Theater. Dann merkte er, dass es ernst war, ließ von ihm ab und lief zurück in sein Zimmer. Die anderen holten schließlich Hilfe, zwanzig Minuten später stand ein Rettungswagen auf dem Gelände.
Jetzt gab es richtig Ärger. Adrian hätte es beinahe nicht überlebt und Hendrik hätte sich denken können, dass man ihn verpfeifen würde, denn sie wussten ja alle, wer ihnen die Kehle zugedrückt hatte und warum.
Er musste seine Sachen packen. Vorzeitig abreisen, da würde noch etwas hinterher kommen. Zwischen den muffigen Handtüchern war etwas Hartes. Er schüttelte sie. Die Flex ging zu Boden.
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Freitag, 8. Juli 2022
Vier Käse - Teil IV - Der Mascarpone
c. fabry, 12:28h
Gianluigi stürmte keuchend ins Esszimmer.
"Was hast du Aufregendes auf dem Abtritt erlebt, dass du so außer Atem bist?", fragte Luca schmunzelnd. Dann sah er das Blut, das von der Hand des Heranwachsenden tropfte.
Luca sprang auf. "Was hast du gemacht?", rief er.
"Frag mich lieber, was Veronica gemacht hat.", blaffte Gianluigi ihn an. "Sie ist mit der Schere auf mich los. Sie wollte mich abstechen."
Angelina rannte in den Flur und rief ihre große Schwester. Sie entdeckte sie zusammengesunken im Badezimmer. Neben ihr lag eine Haarschere, an der eine kleine Menge Blut klebte. Sie schluchzte, bis sie schließlich hervorstieß: "Ich hätte das viel eher erledigen sollen, als er sich noch nicht wehren konnte."
"Wovon redest du?"
"Gianluigi, das kleine Scheusal. Dauert nicht mehr lange und er ist das große Monster, das schon immer in ihm steckte."
"Aber er ist unser kleiner Bruder. Ein Kind."
"Halbbruder.", korrigierte Veronica sie. "Erinnerst du dich an Luigi Speranza, den Freund, den ich hatte, als ich achtzehn war? Er war damals dreißig und sie hat ihn mir ausgespannt. Einfach so, weil sie es konnte."
"Wer hat ihn dir ausgespannt?"
"Mama. Seit ich dreizehn bin, hat sie jede Liebschaft verhindert. Wenn ich mich mal mit einem Jungen getroffen habe, hat sie einen Riesenaufstand gemacht, mir eingeredet, ich hätte die Seele einer Hure. Sie hat alles unterbunden, mich eingesperrt, die Eltern informiert und mit Anzeige gedroht. Mein Ruf war ihr immer wichtiger als mein Glück. Und dann, als ich achtzehn war und tun konnte, was ich wollte und einen Freund hatte, der alt genug war, dass ich zu ihm hätte ziehen können, da hat sie ihn mir ausgespannt. Sie war ja nur sieben Jahre älter als er und sah noch gut aus. Sie hat mir gedroht, dass ich das mit der Uni vergessen könnte, wenn ich Papa davon erzählen würde und sie hätte es geschafft, mir auch das zu versauen. Dann wurde sie schwanger und als Luigi sich rar machte, hat sie den Bastard Papa untergeschoben. Ich habe damals sofort gesehen, dass es Luigis Sohn war. Und dir ist doch auch schon oft aufgefallen, dass er weder Mama noch Papa ähnelt."
"Aber dafür kann doch Gianluigi nichts."
"Dafür nicht, aber für das mit Federico."
"Jetzt komme ich nicht mehr mit."
"Federico ist Mitarbeiter in meiner Abteilung. Über die Jahre sind wir uns immer näher gekommen und vor ein paar Wochen haben wir uns zum Eisessen verabredet. Gianluigi hat uns gesehen und Mama davon erzählt. Federico hat einen Sohn und mit dem geht Gianluigi in eine Klasse. Es war ihm wohl peinlich, dass der Vater seines Freundes mit seiner Schwester ausgeht und um zu verhindern, dass mehr daraus wird, hat er Federicos Sohn Geschichten über mich erzählt. Unfassbare Lügenmärchen, aber unterfüttert mit fingierten Beweisen. Ich weiß das nur, weil ich Federico, nachdem er sich plötzlich, scheinbar grundlos von mir fernhielt, zur Rede gestellt habe. Ich wollte endlich wissen, was schief gelaufen war. Dann hat er mir erzählt, dass mein Bruder, seinem Sohn Geschichten über mich erzählt hat, die ihm Angst machten. Er hätte sich zuerst geweigert, das zu glauben, aber Gianluigi habe gleich die Beweise mitgeliefert. Er hatte Fotos auf dem Telefonino, die kann der Bastard nur von Mama bekommen haben. Dazu Fotos von alten Tagebuchseiten, die Mama mir damals weggenommen hat. Wenn man das geschickt zusammenmanipuliert, kommt da ein echtes Horrorbild raus. Ich habe Federico erklärt, dass ich das Opfer eines Komplotts bin, er hat gesagt, es tue ihm leid, aber das sei ihm alles zu kompliziert und auch wenn ich Recht hätte, so wäre es doch eine zu komplizierte Familie für eine tiefer gehende Beziehung. Eben stand ich hier vor dem Waschbecken und habe mir das Gesicht gewaschen, weil ich kotzen musste, von dem ganzen Dreck in dieser Familie und weil ich mich die ganze Zeit gefragt habe, ob ich langsam verrückt werde und ob ich unsere Mutter erdrosselt habe, ich hätte jeden erdenklichen Grund. Ich war es aber nicht. Jedenfalls hatte ich die Tür nicht abgeschlossen und Gianluigi wollte aufs Klo. Als er rein kam, fiel der Strom aus und dann fing er an mich zu peinigen. Wie es mir denn jetzt ginge, so als einsame Muttermörderin oder ob ich schon wieder jemanden gefunden hätte, den ich mir reinziehen könnte, lauter solches Zeugs. Ich habe versucht, drüber zu stehen, mich nicht provozieren zu lassen und nur so Sachen gesagt wie: Halt die Klappe! Oder werd erstmal erwachsen. Aber er hörte nicht auf, versuchte immer, in meine Nähe zu gelangen und ich bin ihm ausgewichen, dem kleinen Ekel. Dann ging plötzlich das Licht wieder an und ich blickte in sein irres Gesicht. Mit einem sadistischen Grinsen sagte er: 'Vielleicht sollte ich mal an dein Institut schreiben. Die wollen doch bestimmt auch keine Irre in ihrer Forschungsabteilung.' Und dann ist mir die Sicherung durchgebrannt. Die Haarschere lag auf der Ablage, ich habe danach gegriffen und mich auf ihn gestürzt. Irgendwo habe ich ihn getroffen und er ist schreiend weggerannt. Ist er sehr schwer verletzt?"
"Nur ein Kratzer.", sagte Angelina. "Komm mit nach unten. Der Mascarpone wartet. Es gibt Tiramisù. Verputzen wir es, bevor die Polizei kommt, damit wir nicht teilen müssen."
Ende
"Was hast du Aufregendes auf dem Abtritt erlebt, dass du so außer Atem bist?", fragte Luca schmunzelnd. Dann sah er das Blut, das von der Hand des Heranwachsenden tropfte.
Luca sprang auf. "Was hast du gemacht?", rief er.
"Frag mich lieber, was Veronica gemacht hat.", blaffte Gianluigi ihn an. "Sie ist mit der Schere auf mich los. Sie wollte mich abstechen."
Angelina rannte in den Flur und rief ihre große Schwester. Sie entdeckte sie zusammengesunken im Badezimmer. Neben ihr lag eine Haarschere, an der eine kleine Menge Blut klebte. Sie schluchzte, bis sie schließlich hervorstieß: "Ich hätte das viel eher erledigen sollen, als er sich noch nicht wehren konnte."
"Wovon redest du?"
"Gianluigi, das kleine Scheusal. Dauert nicht mehr lange und er ist das große Monster, das schon immer in ihm steckte."
"Aber er ist unser kleiner Bruder. Ein Kind."
"Halbbruder.", korrigierte Veronica sie. "Erinnerst du dich an Luigi Speranza, den Freund, den ich hatte, als ich achtzehn war? Er war damals dreißig und sie hat ihn mir ausgespannt. Einfach so, weil sie es konnte."
"Wer hat ihn dir ausgespannt?"
"Mama. Seit ich dreizehn bin, hat sie jede Liebschaft verhindert. Wenn ich mich mal mit einem Jungen getroffen habe, hat sie einen Riesenaufstand gemacht, mir eingeredet, ich hätte die Seele einer Hure. Sie hat alles unterbunden, mich eingesperrt, die Eltern informiert und mit Anzeige gedroht. Mein Ruf war ihr immer wichtiger als mein Glück. Und dann, als ich achtzehn war und tun konnte, was ich wollte und einen Freund hatte, der alt genug war, dass ich zu ihm hätte ziehen können, da hat sie ihn mir ausgespannt. Sie war ja nur sieben Jahre älter als er und sah noch gut aus. Sie hat mir gedroht, dass ich das mit der Uni vergessen könnte, wenn ich Papa davon erzählen würde und sie hätte es geschafft, mir auch das zu versauen. Dann wurde sie schwanger und als Luigi sich rar machte, hat sie den Bastard Papa untergeschoben. Ich habe damals sofort gesehen, dass es Luigis Sohn war. Und dir ist doch auch schon oft aufgefallen, dass er weder Mama noch Papa ähnelt."
"Aber dafür kann doch Gianluigi nichts."
"Dafür nicht, aber für das mit Federico."
"Jetzt komme ich nicht mehr mit."
"Federico ist Mitarbeiter in meiner Abteilung. Über die Jahre sind wir uns immer näher gekommen und vor ein paar Wochen haben wir uns zum Eisessen verabredet. Gianluigi hat uns gesehen und Mama davon erzählt. Federico hat einen Sohn und mit dem geht Gianluigi in eine Klasse. Es war ihm wohl peinlich, dass der Vater seines Freundes mit seiner Schwester ausgeht und um zu verhindern, dass mehr daraus wird, hat er Federicos Sohn Geschichten über mich erzählt. Unfassbare Lügenmärchen, aber unterfüttert mit fingierten Beweisen. Ich weiß das nur, weil ich Federico, nachdem er sich plötzlich, scheinbar grundlos von mir fernhielt, zur Rede gestellt habe. Ich wollte endlich wissen, was schief gelaufen war. Dann hat er mir erzählt, dass mein Bruder, seinem Sohn Geschichten über mich erzählt hat, die ihm Angst machten. Er hätte sich zuerst geweigert, das zu glauben, aber Gianluigi habe gleich die Beweise mitgeliefert. Er hatte Fotos auf dem Telefonino, die kann der Bastard nur von Mama bekommen haben. Dazu Fotos von alten Tagebuchseiten, die Mama mir damals weggenommen hat. Wenn man das geschickt zusammenmanipuliert, kommt da ein echtes Horrorbild raus. Ich habe Federico erklärt, dass ich das Opfer eines Komplotts bin, er hat gesagt, es tue ihm leid, aber das sei ihm alles zu kompliziert und auch wenn ich Recht hätte, so wäre es doch eine zu komplizierte Familie für eine tiefer gehende Beziehung. Eben stand ich hier vor dem Waschbecken und habe mir das Gesicht gewaschen, weil ich kotzen musste, von dem ganzen Dreck in dieser Familie und weil ich mich die ganze Zeit gefragt habe, ob ich langsam verrückt werde und ob ich unsere Mutter erdrosselt habe, ich hätte jeden erdenklichen Grund. Ich war es aber nicht. Jedenfalls hatte ich die Tür nicht abgeschlossen und Gianluigi wollte aufs Klo. Als er rein kam, fiel der Strom aus und dann fing er an mich zu peinigen. Wie es mir denn jetzt ginge, so als einsame Muttermörderin oder ob ich schon wieder jemanden gefunden hätte, den ich mir reinziehen könnte, lauter solches Zeugs. Ich habe versucht, drüber zu stehen, mich nicht provozieren zu lassen und nur so Sachen gesagt wie: Halt die Klappe! Oder werd erstmal erwachsen. Aber er hörte nicht auf, versuchte immer, in meine Nähe zu gelangen und ich bin ihm ausgewichen, dem kleinen Ekel. Dann ging plötzlich das Licht wieder an und ich blickte in sein irres Gesicht. Mit einem sadistischen Grinsen sagte er: 'Vielleicht sollte ich mal an dein Institut schreiben. Die wollen doch bestimmt auch keine Irre in ihrer Forschungsabteilung.' Und dann ist mir die Sicherung durchgebrannt. Die Haarschere lag auf der Ablage, ich habe danach gegriffen und mich auf ihn gestürzt. Irgendwo habe ich ihn getroffen und er ist schreiend weggerannt. Ist er sehr schwer verletzt?"
"Nur ein Kratzer.", sagte Angelina. "Komm mit nach unten. Der Mascarpone wartet. Es gibt Tiramisù. Verputzen wir es, bevor die Polizei kommt, damit wir nicht teilen müssen."
Ende
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Samstag, 2. Juli 2022
Vier Käse - Teil III - Der Ricotta
c. fabry, 11:36h
Angelina holte die Pasqualina aus dem Ofen. Den Ofen hatte jemand ausgestellt und die Torte aus Spinat, Ei, Ricotta und traditionellem Blätterteig war noch nicht zu dunkel geraten. Sie duftete köstlich und Angelina trug beide Auflaufformen ins Esszimmer und bat Rosario die Torten zu schneiden.
"Ich sehe mal nach Mama.", meinte sie, verließ das Esszimmer und lief rufend durchs Haus. Die Hälfte der Pasqualina war schon in den Mägen gelandet da stand sie kreidebleich in der Tür. "Sie liegt im Schlafzimmer, vor dem Frisiertisch. Sie ist...tot."
"Wie tot?", fragte Paolo ungläubig.
"Einfach tot.", erklärte Angelina.
Paolo rannte nach oben, um sich selbst zu überzeugen. Er fand seine Mutter auf dem Teppichboden, leblos, unverletzt, doch der elegante Schal aus cremefarbener Crincle-Seide schien ein wenig zu eng um den zarten Hals geschlungen. Aus Fernsehkrimis kannte Paolo das Anzeichen winziger geplatzter Äderchen in der Gesichtshaut, Petechien, die auf Ersticken hindeuteten. Jemand hatte Giulia erdrosselt. Aber wer war zu so einer Gräueltat fähig? Er rannte zurück ins Esszimmer. Alle saßen fassungslos um den Tisch versammelt.
"Wer war gleichzeitig mit Mama draußen?", fragte er in scharfem Ton.
"Spielst du jetzt Krimidinner?", fragte Livia genervt. "Sie war eine Ewigkeit weg, praktisch jeder war draußen. Aber es wird sie wohl keiner ermordet haben. Alte Leute sterben einfach irgendwann. Das ist ein Naturgesetz."
"Sie ist erdrosselt worden.", konterte Paolo. "Mit ihrem eigenen Schal. Und es ist sehr unwahrscheinlich, dass jemand von außen ins Haus gekommen ist, den wir nicht bemerkt haben."
"Vielleicht hat sie ihn ja selbst rein gelassen.", erwiderte Veronica. "Sie hatte zahlreiche Liebhaber. Da kann man schon einmal einen Fehlgriff machen und das rächt sich dann."
"Du bist unglaublich.", sagte Luca.
"Danke.", erwiderte Veronica.
"Das war nicht als Kompliment gemeint."
"Schon klar. Ich glaub? ich muss brechen. Bis später."
Veronica rannte aus dem Zimmer.
"Jetzt hört auf Euch gegenseitig zu zerfleischen.", mahnte Luca. ?Ich kann mir nicht vorstellen, dass einer von uns Mama erdrosselt hat. Es gibt nichts zu erben und auch keinen nennenswerten Streit in der Familie, nur das übliche Gezicke, was überall auf der Welt entsteht, wo viele verschiedene Menschen miteinander auskommen müssen. Wenn es stimmt, was Paolo sagt, müssen wir die Polizei rufen. Der Täter kann noch nicht weit weg sein."
Gianluigi stand auf und stürmte nach oben. Er wollte wohl auch nach seiner toten Mutter sehen und niemand hatte im Augenblick die Kraft, ihn zu begleiten.
"Es gibt was zu erben und ich ahne auch, wer seine armseligen Fühler danach ausstreckt.", meinte Paolo. Sein wütender Blick heftete sich auf Rosario.
"Jetzt reicht es aber!", fauchte Angelina. "Der einzige in dieser Familie, der eines Tages an seiner Gier ersticken wird, bist du, Bruderherz. Du häufst Vermögen auf Schweizer Konten an und hast trotzdem ständig Angst, zu kurz zu kommen, sogar beim Essen. Dabei kannst du gar nicht so viel fressen, wie du bezahlen könntest. Rosario hat sich noch nie etwas aus Geld gemacht, wir sind zufrieden mit unserem Lebensstandard und genießen lieber unsere Zeit, als uns den Arsch abzuarbeiten. Vielleicht war sie ja noch gar nicht tot und du hast den Rest erledigt."
"Was erlaubst du dir?", rief Paolo empört. "Das ist eine infame Unterstellung!"
"Ich erlaube mir nicht mehr, als Du Dir erlaubt hast, Bruder. Und jetzt hör auf mit dem Unsinn. Lass uns lieber die Polizei rufen."
Das Licht erlosch und die Dunkelheit im Raum stand allen Anwesenden wie eine schwarze Wand vor Augen. Rosario kramte ein Feuerzeug aus der Tasche, fand blitzschnell eine Kerze und nach und nach kam wieder Licht ins Zimmer. Ein Stromausfall, auch die Mobilfunknetze waren zusammengebrochen. Sie mussten sich einen Augenblick gedulden.
"Wir müssen nach Gianluigi sehen.", meinte seine Schwägerin Matilda. "Willst du das übernehmen, Luca?"
Er wollte sich gerade mit einem Kandelaber in Bewegung setzen, da ging das Licht an.
Fortsetzung folgt.
"Ich sehe mal nach Mama.", meinte sie, verließ das Esszimmer und lief rufend durchs Haus. Die Hälfte der Pasqualina war schon in den Mägen gelandet da stand sie kreidebleich in der Tür. "Sie liegt im Schlafzimmer, vor dem Frisiertisch. Sie ist...tot."
"Wie tot?", fragte Paolo ungläubig.
"Einfach tot.", erklärte Angelina.
Paolo rannte nach oben, um sich selbst zu überzeugen. Er fand seine Mutter auf dem Teppichboden, leblos, unverletzt, doch der elegante Schal aus cremefarbener Crincle-Seide schien ein wenig zu eng um den zarten Hals geschlungen. Aus Fernsehkrimis kannte Paolo das Anzeichen winziger geplatzter Äderchen in der Gesichtshaut, Petechien, die auf Ersticken hindeuteten. Jemand hatte Giulia erdrosselt. Aber wer war zu so einer Gräueltat fähig? Er rannte zurück ins Esszimmer. Alle saßen fassungslos um den Tisch versammelt.
"Wer war gleichzeitig mit Mama draußen?", fragte er in scharfem Ton.
"Spielst du jetzt Krimidinner?", fragte Livia genervt. "Sie war eine Ewigkeit weg, praktisch jeder war draußen. Aber es wird sie wohl keiner ermordet haben. Alte Leute sterben einfach irgendwann. Das ist ein Naturgesetz."
"Sie ist erdrosselt worden.", konterte Paolo. "Mit ihrem eigenen Schal. Und es ist sehr unwahrscheinlich, dass jemand von außen ins Haus gekommen ist, den wir nicht bemerkt haben."
"Vielleicht hat sie ihn ja selbst rein gelassen.", erwiderte Veronica. "Sie hatte zahlreiche Liebhaber. Da kann man schon einmal einen Fehlgriff machen und das rächt sich dann."
"Du bist unglaublich.", sagte Luca.
"Danke.", erwiderte Veronica.
"Das war nicht als Kompliment gemeint."
"Schon klar. Ich glaub? ich muss brechen. Bis später."
Veronica rannte aus dem Zimmer.
"Jetzt hört auf Euch gegenseitig zu zerfleischen.", mahnte Luca. ?Ich kann mir nicht vorstellen, dass einer von uns Mama erdrosselt hat. Es gibt nichts zu erben und auch keinen nennenswerten Streit in der Familie, nur das übliche Gezicke, was überall auf der Welt entsteht, wo viele verschiedene Menschen miteinander auskommen müssen. Wenn es stimmt, was Paolo sagt, müssen wir die Polizei rufen. Der Täter kann noch nicht weit weg sein."
Gianluigi stand auf und stürmte nach oben. Er wollte wohl auch nach seiner toten Mutter sehen und niemand hatte im Augenblick die Kraft, ihn zu begleiten.
"Es gibt was zu erben und ich ahne auch, wer seine armseligen Fühler danach ausstreckt.", meinte Paolo. Sein wütender Blick heftete sich auf Rosario.
"Jetzt reicht es aber!", fauchte Angelina. "Der einzige in dieser Familie, der eines Tages an seiner Gier ersticken wird, bist du, Bruderherz. Du häufst Vermögen auf Schweizer Konten an und hast trotzdem ständig Angst, zu kurz zu kommen, sogar beim Essen. Dabei kannst du gar nicht so viel fressen, wie du bezahlen könntest. Rosario hat sich noch nie etwas aus Geld gemacht, wir sind zufrieden mit unserem Lebensstandard und genießen lieber unsere Zeit, als uns den Arsch abzuarbeiten. Vielleicht war sie ja noch gar nicht tot und du hast den Rest erledigt."
"Was erlaubst du dir?", rief Paolo empört. "Das ist eine infame Unterstellung!"
"Ich erlaube mir nicht mehr, als Du Dir erlaubt hast, Bruder. Und jetzt hör auf mit dem Unsinn. Lass uns lieber die Polizei rufen."
Das Licht erlosch und die Dunkelheit im Raum stand allen Anwesenden wie eine schwarze Wand vor Augen. Rosario kramte ein Feuerzeug aus der Tasche, fand blitzschnell eine Kerze und nach und nach kam wieder Licht ins Zimmer. Ein Stromausfall, auch die Mobilfunknetze waren zusammengebrochen. Sie mussten sich einen Augenblick gedulden.
"Wir müssen nach Gianluigi sehen.", meinte seine Schwägerin Matilda. "Willst du das übernehmen, Luca?"
Er wollte sich gerade mit einem Kandelaber in Bewegung setzen, da ging das Licht an.
Fortsetzung folgt.
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