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Freitag, 11. August 2017
Abraham ist schuld – vierteiliger Kurzkrimi – Teil III
c. fabry, 17:15h
Am nächsten Morgen erschien Vahid zum Frühstück in einem leuchtend weißen Kleid. Er sprach kaum mit Abraham, doch kurz bevor er und seine Mitreisenden aufbrachen und sich für die Gastfreundschaft bedankten, wandte er sich an den Patriarchen: „Noch ehe ein Jahr vergangen ist, wird deine Frau Sarah dein Kind zur Welt bringen und deine Nachkommen werden so zahlreich sein wie die Sandkörner in der Wüste.“
Abraham war zutiefst beeindruckt von den gewichtigen Worten des Fremden, später einmal würde er behaupten, der Mann sei ein Bote Elohims gewesen, einer seiner Engel. Sarah konnte ein lautes Prusten nicht verhindern, doch Abraham schöpfte keinen Verdacht. Er meinte, Sarah lache, weil sie die Prophezeiung für unglaublich hielt, weil sie sich bereits im fortgeschrittenen Alter befand. Abraham nahm die Ankündigung als Aufforderung, dem Glück auf die Sprünge zu helfen und teilte in den 28 folgenden Nächten das Bett ausschließlich mit Sarah. Sie war erleichtert, als er endlich wieder von ihr abließ, doch als sie deutliche Anzeichen einer Schwangerschaft an sich spürte, war sie heilfroh, dass sie sich ihrem Ehemann hingegeben hatte.
Neun Monate später brachte Sarah einen Sohn zur Welt und nannte ihn Isaak, das bedeutet Lachen. Sie behauptete, den Namen habe sie ausgewählt, weil sie bei der Prophezeiung so ungläubig gelacht habe. In Wirklichkeit hatte sie jedoch das Gefühl, beim Anblick ihres Sohnes ständig darüber lachen zu müssen, dass sie Abraham mit demselben Mann ein Kuckucksei ins Nest gelegt hatte wie Hagar.
Der zwölfjährige Ismael dagegen war alles andere als amüsiert über die Ankunft eines Brüderchens, verlor er doch seinen Einzelkindstatus von heute auf morgen. Als Isaak begann, herumzukrabbeln und erste unartikulierte Laute von sich zu geben, ging Ismael dazu über, den Bruder heimlich zu hänseln und zu quälen. Doch Isaak wuchs heran und mit zunehmendem Alter wuchs auch seine Fähigkeit, sich gegen den Größeren zu wehren. Schon bald standen sich die beiden Brüder in Durchtriebenheit und Skrupellosigkeit in nichts nach und Abraham war ihrem ewigen Zwist nicht mehr gewachsen, ganz zu schweigen von den Müttern. Abraham beschloss, durch ein Gottesurteil entscheiden zu lassen, wer sein rechtmäßiger Sohn sein solle. Der Verlierer sollte geopfert werden, so hatte Elohim es ihm im Traum vorgeschlagen. Als er seinen Frauen diesen Plan offenbarte, waren beide gleichermaßen entsetzt.
„Bist du Wahnsinnig, Mann?“, fragte Hagar aufgebracht. „Weißt du eigentlich, wie viel Mühe es macht, einem Kind das Leben zu schenken? Und du willst einfach so leichtfertig einen deiner Söhne ins Feuer werfen, nur weil du ihnen nicht beibringen kannst, sich zu vertragen? Was für ein Vater bist du eigentlich?“
„Es war Elohim, der meinen Söhnen das Leben schenkte. Ihr Frauen wart nur das Gefäß.“
erwiderte Abraham würdevoll.
„So einen Unsinn kann auch nur ein Mann erzählen!“, schimpfte Hagar.
„Und wer sagt dir eigentlich, ob das wirklich Elohim war, der da im Traum zu dir gesprochen hat?“, fragte Sarah. „Vielleicht war es ja auch die Einflüsterung eines Dämons. Schließlich hat Elohim uns diese Söhne geschenkt. Warum sollte er sie uns nehmen?“
„Das weiß nur Elohim.“, erwiderte Abraham und verließ das Zelt.
Die Mütter waren verzweifelt. Stundenlang saßen sie zusammen und arbeiteten an einer Strategie, wie sie das Leben beider Jungen retten könnten. Schließlich kamen sie zu einem Ergebnis, das sie Abraham unterbreiteten. Sarah ergriff das Wort: „Mein lieber Mann. Es ist gut möglich, dass Elohim zu dir gesprochen hat, aber es ist auch möglich, dass du den Ewigen nicht richtig verstanden hast. Vielleicht hat er dich auf die Probe gestellt, um zu prüfen, ob du weise genug bist, um dich als Vater vieler Völker als würdig zu erweisen. Wer aber Vater zweier Söhne ist und einen schlachten muss, weil er anders nicht ihren Streit schlichten kann, der ist nicht weise, sondern ein Idiot, dessen Linie zu Ende geht, noch bevor sie sich verzweigen kann. Du weißt, dass Elohim oft in unverständlichen Bildern und Rätseln spricht. Einen Sohn opfern, heißt nicht, ihn verbrennen, sondern ihn fortschicken. Gib einem die Herde und schicke ihn zu deinem Neffen Lot, den anderen behalte und züchte mit ihm eine neue Herde. Er soll dein Land erben. Wenn die Entscheidung gefallen ist, opfert ihr gemeinsam einen Bock. Das Blut ist für Elohim, der Rest für ein Festmahl mit deiner Sippe und für Almosen für die Besitzlosen.“
Wie Sarah es vorgeschlagen hatte, geschah es. Das Los für die Herde fiel auf Ismael. Abraham zog mit seinem Erstgeborenen nach Osten. In den Nächten am Feuer erklärte Abraham seinem Sohn: „Ich hätte dich lieber bei mir behalten und dir die Herde dazu überlassen, denn du bist mein Erstgeborener. Aber ich kann Isaak nicht leer ausgehen lassen, nicht nachdem seine Mutter so lange auf ihn gewartet hat. Der Besitz der Herde macht dich zu meinem einzig wahren Erben. Du wirst mein Blut in die Welt tragen und die Prophezeiung erfüllen. Und weil du mein wahrer Sohn bist, Ismail, will ich für dich nicht mehr Abraham heißen, sondern Ibrahim.“
Bald erreichten sie einen besonderen Ort in der Wüste. „Mein lieber Sohn“, erklärte Abraham oder Ibrahim, „hier war ich schon einmal vor sehr langer Zeit, als junger Mann, als ich gerade aus meiner alten Heimat aufgebrochen war. Hier betete vor vielen Generationen Adam um die gleiche Säule des Lichts, an der er Elohim verehrt hatte, bevor der ihn aus dem Paradies vertrieben hatte. Die Säule des Lichts erschien und Adam betete zu Elohim, indem er sie umschritt. Doch bald verschwand die Säule und an ihrer Stelle lag dort ein schwarzer Stein. Ein Prophet errichtete an dieser Stelle einen viereckigen Tempel und baute den schwarzen Stein in eine der Ecken ein. Dann schickte Elohim die große Flut und der Tempel liegt seither unter Sand begraben. Wir beide, mein Sohn, werden nun den Sand beiseite wischen und auf den Grundmauern des alten Tempels einen neuen errichten.“
Sie bauten ein Quaderförmiges Gebäude aus schwarzen Steinen und als es fertig war, betete Ibrahim darum, dass dies für immer ein sicherer Ort sein sollte.
Danach verabschiedete er sich von seinem Erstgeborenen und kehrte nach Haran zurück.
Als Abraham nach Haran zurückkehrte, bat er die Frauen, ein besonderes Abendessen zu bereiten und ihn mit Isaak allein essen zu lassen. Als sie das Mahl beendet hatten, richtete er das Wort an seinen Zweitgeborenen: „Mein Sohn“, sagte er, „mein einzig wahrer, denn den anderen hat Elohim fortgeschickt. Er hatte natürlich Anspruch auf eine Abfindung, darum musste ich ihm die Herde überlassen. Aber gräm dich nicht. Die besten Muttertiere und den kräftigsten Bock habe ich dabehalten, außerdem ein junges Ziegenpaar und schon bald haben wir wieder eine Menge prachtvoller Tiere, die du eines Tages erben wirst. Doch dir wird auch dieses Land gehören und Land ist das Einzige, was zählt, das Einzige, was bleibt. Das Land bringt die Nahrung hervor, die Mensch und Tier gedeihen lässt, ist die Heimat, der sichere Boden, auf dem wir unsere Zelte errichten und unsere Nachkommen werden hier vielleicht sogar eines Tages Häuser bauen, Tempel, Burgen und Paläste.
ENDE TEIL III – FORTSETZUNG FOLGT
Abraham war zutiefst beeindruckt von den gewichtigen Worten des Fremden, später einmal würde er behaupten, der Mann sei ein Bote Elohims gewesen, einer seiner Engel. Sarah konnte ein lautes Prusten nicht verhindern, doch Abraham schöpfte keinen Verdacht. Er meinte, Sarah lache, weil sie die Prophezeiung für unglaublich hielt, weil sie sich bereits im fortgeschrittenen Alter befand. Abraham nahm die Ankündigung als Aufforderung, dem Glück auf die Sprünge zu helfen und teilte in den 28 folgenden Nächten das Bett ausschließlich mit Sarah. Sie war erleichtert, als er endlich wieder von ihr abließ, doch als sie deutliche Anzeichen einer Schwangerschaft an sich spürte, war sie heilfroh, dass sie sich ihrem Ehemann hingegeben hatte.
Neun Monate später brachte Sarah einen Sohn zur Welt und nannte ihn Isaak, das bedeutet Lachen. Sie behauptete, den Namen habe sie ausgewählt, weil sie bei der Prophezeiung so ungläubig gelacht habe. In Wirklichkeit hatte sie jedoch das Gefühl, beim Anblick ihres Sohnes ständig darüber lachen zu müssen, dass sie Abraham mit demselben Mann ein Kuckucksei ins Nest gelegt hatte wie Hagar.
Der zwölfjährige Ismael dagegen war alles andere als amüsiert über die Ankunft eines Brüderchens, verlor er doch seinen Einzelkindstatus von heute auf morgen. Als Isaak begann, herumzukrabbeln und erste unartikulierte Laute von sich zu geben, ging Ismael dazu über, den Bruder heimlich zu hänseln und zu quälen. Doch Isaak wuchs heran und mit zunehmendem Alter wuchs auch seine Fähigkeit, sich gegen den Größeren zu wehren. Schon bald standen sich die beiden Brüder in Durchtriebenheit und Skrupellosigkeit in nichts nach und Abraham war ihrem ewigen Zwist nicht mehr gewachsen, ganz zu schweigen von den Müttern. Abraham beschloss, durch ein Gottesurteil entscheiden zu lassen, wer sein rechtmäßiger Sohn sein solle. Der Verlierer sollte geopfert werden, so hatte Elohim es ihm im Traum vorgeschlagen. Als er seinen Frauen diesen Plan offenbarte, waren beide gleichermaßen entsetzt.
„Bist du Wahnsinnig, Mann?“, fragte Hagar aufgebracht. „Weißt du eigentlich, wie viel Mühe es macht, einem Kind das Leben zu schenken? Und du willst einfach so leichtfertig einen deiner Söhne ins Feuer werfen, nur weil du ihnen nicht beibringen kannst, sich zu vertragen? Was für ein Vater bist du eigentlich?“
„Es war Elohim, der meinen Söhnen das Leben schenkte. Ihr Frauen wart nur das Gefäß.“
erwiderte Abraham würdevoll.
„So einen Unsinn kann auch nur ein Mann erzählen!“, schimpfte Hagar.
„Und wer sagt dir eigentlich, ob das wirklich Elohim war, der da im Traum zu dir gesprochen hat?“, fragte Sarah. „Vielleicht war es ja auch die Einflüsterung eines Dämons. Schließlich hat Elohim uns diese Söhne geschenkt. Warum sollte er sie uns nehmen?“
„Das weiß nur Elohim.“, erwiderte Abraham und verließ das Zelt.
Die Mütter waren verzweifelt. Stundenlang saßen sie zusammen und arbeiteten an einer Strategie, wie sie das Leben beider Jungen retten könnten. Schließlich kamen sie zu einem Ergebnis, das sie Abraham unterbreiteten. Sarah ergriff das Wort: „Mein lieber Mann. Es ist gut möglich, dass Elohim zu dir gesprochen hat, aber es ist auch möglich, dass du den Ewigen nicht richtig verstanden hast. Vielleicht hat er dich auf die Probe gestellt, um zu prüfen, ob du weise genug bist, um dich als Vater vieler Völker als würdig zu erweisen. Wer aber Vater zweier Söhne ist und einen schlachten muss, weil er anders nicht ihren Streit schlichten kann, der ist nicht weise, sondern ein Idiot, dessen Linie zu Ende geht, noch bevor sie sich verzweigen kann. Du weißt, dass Elohim oft in unverständlichen Bildern und Rätseln spricht. Einen Sohn opfern, heißt nicht, ihn verbrennen, sondern ihn fortschicken. Gib einem die Herde und schicke ihn zu deinem Neffen Lot, den anderen behalte und züchte mit ihm eine neue Herde. Er soll dein Land erben. Wenn die Entscheidung gefallen ist, opfert ihr gemeinsam einen Bock. Das Blut ist für Elohim, der Rest für ein Festmahl mit deiner Sippe und für Almosen für die Besitzlosen.“
Wie Sarah es vorgeschlagen hatte, geschah es. Das Los für die Herde fiel auf Ismael. Abraham zog mit seinem Erstgeborenen nach Osten. In den Nächten am Feuer erklärte Abraham seinem Sohn: „Ich hätte dich lieber bei mir behalten und dir die Herde dazu überlassen, denn du bist mein Erstgeborener. Aber ich kann Isaak nicht leer ausgehen lassen, nicht nachdem seine Mutter so lange auf ihn gewartet hat. Der Besitz der Herde macht dich zu meinem einzig wahren Erben. Du wirst mein Blut in die Welt tragen und die Prophezeiung erfüllen. Und weil du mein wahrer Sohn bist, Ismail, will ich für dich nicht mehr Abraham heißen, sondern Ibrahim.“
Bald erreichten sie einen besonderen Ort in der Wüste. „Mein lieber Sohn“, erklärte Abraham oder Ibrahim, „hier war ich schon einmal vor sehr langer Zeit, als junger Mann, als ich gerade aus meiner alten Heimat aufgebrochen war. Hier betete vor vielen Generationen Adam um die gleiche Säule des Lichts, an der er Elohim verehrt hatte, bevor der ihn aus dem Paradies vertrieben hatte. Die Säule des Lichts erschien und Adam betete zu Elohim, indem er sie umschritt. Doch bald verschwand die Säule und an ihrer Stelle lag dort ein schwarzer Stein. Ein Prophet errichtete an dieser Stelle einen viereckigen Tempel und baute den schwarzen Stein in eine der Ecken ein. Dann schickte Elohim die große Flut und der Tempel liegt seither unter Sand begraben. Wir beide, mein Sohn, werden nun den Sand beiseite wischen und auf den Grundmauern des alten Tempels einen neuen errichten.“
Sie bauten ein Quaderförmiges Gebäude aus schwarzen Steinen und als es fertig war, betete Ibrahim darum, dass dies für immer ein sicherer Ort sein sollte.
Danach verabschiedete er sich von seinem Erstgeborenen und kehrte nach Haran zurück.
Als Abraham nach Haran zurückkehrte, bat er die Frauen, ein besonderes Abendessen zu bereiten und ihn mit Isaak allein essen zu lassen. Als sie das Mahl beendet hatten, richtete er das Wort an seinen Zweitgeborenen: „Mein Sohn“, sagte er, „mein einzig wahrer, denn den anderen hat Elohim fortgeschickt. Er hatte natürlich Anspruch auf eine Abfindung, darum musste ich ihm die Herde überlassen. Aber gräm dich nicht. Die besten Muttertiere und den kräftigsten Bock habe ich dabehalten, außerdem ein junges Ziegenpaar und schon bald haben wir wieder eine Menge prachtvoller Tiere, die du eines Tages erben wirst. Doch dir wird auch dieses Land gehören und Land ist das Einzige, was zählt, das Einzige, was bleibt. Das Land bringt die Nahrung hervor, die Mensch und Tier gedeihen lässt, ist die Heimat, der sichere Boden, auf dem wir unsere Zelte errichten und unsere Nachkommen werden hier vielleicht sogar eines Tages Häuser bauen, Tempel, Burgen und Paläste.
ENDE TEIL III – FORTSETZUNG FOLGT
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Freitag, 4. August 2017
Abraham ist schuld – vierteiliger Kurzkrimi – Teil II
c. fabry, 23:46h
Voll Wonne ließ Abram seine alten Knochen knacken. Die ersten Strahlen der Morgensonne durchdrangen das Zelt und tanzten auf Hagars reizvollen Rundungen. Heute Nacht würde er sich mal eine Pause gönnen, aber morgen wäre Sarai wieder dran. Elohim hatte ihn mit zwei prachtvollen Weibern gesegnet, wenn sie auch nicht besonders fruchtbar waren. Immerhin hatte Hagar vor zehn Jahren den Ismael entbunden, aber Sarais flacher Bauch hatte sich bis heute nicht gerundet, dabei war sie wie Erdbeben und Lava zwischen den Laken. Hagar öffnete ihre ägyptischen Mandelaugen und murmelte: „Steht die Sonne schon hoch?“
„Ja, mein Herz.“, erwiderte Abram zärtlich. „Eigentlich sollte ich dich Feuer machen schicken, aber das kann Sarai ja auch allein bestellen, derweil ich meine Lieblingsfrau noch eine Weile im Arm halte.“
„Ich muss nach Ismael sehen:“, erwiderte Hagar. „Es ging ihm gestern Abend nicht gut. Vielleicht brauchte er nur die Ruhe der Nacht, aber vielleicht braucht er auch Arznei.“
Sie wand sich aus den Armen ihres Mannes und streifte ihr Gewand über. Ihre prachtvollen, glänzenden Locken drehte sie in einen Turban aus blauem Tuch, das ihre bronzefarbene Haut zum Leuchten brachte. Mit wiegenden Hüften verließ sie das Zelt und Abram seufzte vor Entzücken.
Ismael war längst auf den Beinen und melkte die ersten Ziegen. Sarai schichtete gerade Holz und Ziegenkot auf, Hagar brachte das Feuerwerkzeug.
„Wird ein heißer Tag heute.“, meinte sie. „Eigentlich müssten wir nur warten, dann könnte die Sonne den Morgentee bereiten.“
„Abram würde toben, wenn wir den Tee erst zur Mittagszeit fertig hätten.“, erwiderte Sarai. „Vielleicht sollten wir ihm mal einen starken Schlaftrunk brauen, der ihn bis zur Mittagsstunde schlafen lässt, dann könnten wir tatsächlich die Sonne für uns arbeiten lassen und morgens länger schlafen.“
„Die nächste Generation lauert schon.“, entgegnete Hagar grinsend. „Mein Sohn übt schon heimlich Patriarchen-Posen. Wenn Abram morgens nicht wach würde, würde er umgehend sein Erbe antreten und uns schlimmer scheuchen, als der Alte es je vermocht hat.“
„Wenigstens hast du einen Sohn.“, seufzte Sarai.
„Verschaff dir doch auch einen.“, schlug Hagar vor.
„Ich liege doch schon so viele Nächte bei Abram.“, rechtfertigte sich Sarai. „Was soll ich denn noch alles tun? Elohim lässt meinen Leib verdorren und ich weiß nicht warum.“
„Vielleicht ist es ja gar nicht dein Leib, den Elohim verdorren lässt.“, gab Hagar zu bedenken. „Es hat Jahre gedauert, bis ich schwanger wurde, und in den letzten zehn Jahren ist es nicht wieder vorgekommen. Neun Monde bevor Ismael zur Welt kam, habe ich mir Unterstützung außerhalb der Sippe geholt und es hat prompt geklappt.“
„Ich verstehe dich nicht ganz.“, entgegnete Sarai fassungslos, die längst ahnte, was sie nicht glauben konnte.
„Ismaels Vater war ein Fremder, der auf der Durchreise unser Gast war. Ein bildschöner Bursche, ich habe allerdings auch darauf geachtet, dass er Abram etwas ähnlich sah, damit nicht sofort auffällt, dass ich meinem Mann das Kind eines Anderen in die Arme gelegt habe. Aber wie sollte ich mir Nachkommen verschaffen von einem, dessen Samen kraftlos ist? Sicher ist dein Schoß genauso fruchtbar wie meiner, du hast ja noch deinen Blutfluss, versuche es einfach, bevor es zu spät ist.“
Etwa ein Jahr später kamen die Frauen wieder morgens an der Feuerstelle zusammen. Sarai kicherte. „Abram meint, er hat die Lösung für meine Kinderlosigkeit gefunden. Elohim hat angeblich zu ihm gesprochen und angekündigt, dass er so viele Nachkommen haben wird wie Sterne am Himmel und dass wir ab sofort neue Namen bekommen.“
„Und wie heißt du jetzt?“
„Sarah“
„Wie innovativ. Und Abram? Heißt der jetzt Abrm?“
„Nee, Abraham.“
„Das war ja wieder klar. Dein Name wird verstümmelt und seiner aufgebläht und das soll dann gegen Kinderlosigkeit helfen. Die Männer, was die sich immer auf ihre unnützen kleinen Beiträge einbilden. Liegen den ganzen Tag nur rum, trinken Tee, reden mit ihrem eingebildeten Gott und behaupten, uns zu beschützen. Dabei bin ich diejenige, die die Löwen vertreibt und du diejenige, die die Schlangen verscheucht. Und in der Nacht schmiert er uns ein bisschen voll mit dem, was er für seine Nachkommen hält. Die Welt ist schon verrückt, in der ausgerechnet die das Sagen haben, die zu gar nichts nütze sind.“
„Es ist, wie es ist.“, erwiderte Sarah. „Ich bin jetzt Sarah, er Abraham. - Sieh mal, aus dem Westen kommt eine kleine Karawane angerückt.“
„Das bedeutet, wir müssen dreimal soviel Wasser kochen und Brot backen.“, erwiderte Hagar seufzend. „Ich schicke Ismael zur Wasserstelle. Dann können wir noch mehr Körner mahlen und das Feuer schüren.“
Die Frauen arbeiteten unter Hochdruck. Als die Karawane fast bei ihnen angekommen war, blieb Hagar der Mund offen stehen. „Das ist er.“, raunte sie Sarah zu.
„Das ist wer?“, flüsterte Sarah zurück.
„Ismaels Vater. Der mit dem weißen Turban.“
„Oh.“, sagte Sarah nur, denn er war eine beeindruckende Erscheinung, ein bildschöner Mann, der die Besonderheiten verschiedenster Volksgruppen in seinem Gesicht und an seinem Körper vereinte. Er war hoch gewachsen wie die Äthiopier, seine Haut hatte die Farbe von Lehm und die Augen waren schräg wie die der Menschen, die von sehr weit her aus dem Osten kamen. Sein Haar war schwarz und glatt, der Bart dagegen kraus und drahtig und die Lippen geschwungen wie bei denen vom Euphrat- wie auch die von Abraham. Die hohen Wangenknochen stammten wohl ebenfalls aus dem Osten, er stellte die vollendete Komposition aus vielen verschiedenen Völkern dar.
Hagar war schon auf die Gruppe zugegangen, hatte sie begrüßt und ihnen Wasser gereicht. Sarah sah, wie sie sich mit dem schönen Fremden unterhielt und sich dann zu ihr umdrehte. Der Fremde sah sie an mit seinen warmen Mandelaugen und als ihre Blicke sich trafen, empfand Sarah eine verwirrende Mischung aus tiefster Sehnsucht und aufkommenden Fluchtimpulsen. Der Fremde nickte lächelnd und Sarah verschwand im Zelt, verwirrt und aufgewühlt. Sie füllte frisch geröstete Körner in die Getreidemühle und zerrieb den Weizen zwischen den Mühlsteinen. Hagar betrat grinsend das Zelt. „Er ist einverstanden:“, sagte sie.
„Wer ist womit einverstanden?“
„Vahid ist bereit, dich kennenzulernen.“
„Wozu?“
„Damit du dir von ihm Nachkommen verschaffen kannst.“
„Vahid? Was ist das überhaupt für ein Name? Was bedeutet er?“
„Vahid ist ein Name aus dem Reich Elam und er bedeutet: der Einzigartige.“
„Wie passend.“
„Ja, nicht wahr? Ist er nicht entzückend?“
„Er ist so hinreißend, dass ich es kaum aushalte. Wie soll ich mich mit ihm unterhalten, wenn ich ihm in Gedanken bereits die Gewänder von den Hüften reiße?“
„Du schaffst das schon, ich habe das ja schließlich auch hinbekommen.“
„Ja, du. Du bist ja auch selbst so schön wie der Morgen.“, dass Abraham ihr schon viele Male nachts ins Ohr geflüstert hatte, dass er die Liebe eigentlich nur mit ihr genieße und Hagar nur wegen der Nachkommen beschlafe, behielt sie für sich. Allerdings ahnte sie, dass er Hagar dasselbe erzählte und sie war froh, dass die Freundin sie genauso wenig als Rivalin sah, wie sie selbst.
Sarah war mit den Gedanken nicht so recht bei der Sache und hätte Hagar nicht aufgepasst, wäre der Brotteig missraten und die frischen Fladen wären im Feuer verbrannt. Den ganze Tag über waren die Frauen mit dem Zubereiten von Mahlzeiten beschäftigt, während sich der Patriarch mit den Gästen in den Schatten fläzte und sich bedienen ließ. Vahid warf Sarah verheißungsvolle Blicke zu und sie betete, dass Abraham es nicht bemerkte, aber der war so mit seiner narzistischen Selbstdarstellung beschäftigt, dass er kaum wahrnahm, was um ihn herum geschah. Sie raunte Hagar zu: „Beim Gäste unterhalten ist er genauso wie im Bett. Er wird einfach nicht fertig.“
„Das ist bei Vahid auch anders.“, kicherte Hagar. „Er sagte, er glaube, Abraham braucht so lange, weil er seine Vorhaut beschnitten hat. Bei jungen Männern soll das nicht schlecht sein, sonst sind die schon damit zu Ende, wenn du gerade überlegst, dass es dir vielleicht gefallen könnte. Aber wenn sie älter werden, ist es eine Plage mit ihnen. Sie reiben sich in dir und rühren in dir herum und mühen sich ab und du bist mit den Gedanken schon beim Eintopf und der Wäsche und betest, dass sie endlich von dir herunter steigen, damit du wieder Luft bekommst und dich sauber machen kannst.“
„Ach ja.“, erwiderte Sarah. „Dass die Männer uns aber auch immer mit diesem klebrigen Eiter beflecken müssen und uns nicht wie die Blumen bestäuben können. Oder ist das bei Vahid auch anders?“
„Nein, ganz im Gegenteil. Aus seinen Lenden kommt drei Mal soviel Saft, du denkst danach, dein Blutfluss habe eingesetzt. Aber währenddessen denkst du gar nicht.“
In der Nacht schlich Sarah sich aus dem Zelt. In eine Decke gehüllt machte sie sich auf den Weg zur nahe gelegenen Höhle, um dort ein Feuer zu entzünden. Hagar hatte Vahid bei passender Gelegenheit zugeflüstert, dass er die Höhle nachts aufsuchen solle. Hagar hielt Abraham die halbe Nacht auf Trab, bis er schließlich total erschöpft in einen tiefen Schlaf fiel.
Sarahs Feuer verbreitete gerade eine wohlige Wärme in der Höhle, als Vahid eintrat. Sie sprachen kein Wort, sie sahen sich nur an. Sarah breitete die Decke neben dem Feuer aus und legte ihr Gewand ab. Vahid tat es ihr gleich, setzte sich auf die Decke und zog sie zu sich herunter. Hagar hatte nicht zu viel versprochen; Vahid war ein Zauberkünstler. Sie liebten sich nicht nur einmal und als sie nacheinander ins Lager zurück schlichen – sie noch im Mondschein, er in der Morgendämmerung - lagen alle anderen fest in Morpheus Armen und nicht einmal Hagar wusste mit Sicherheit, ob das, was sie eingefädelt hatte, tatsächlich stattgefunden hatte.
ENDE TEIL II – FORTSETZUNG FOLGT
„Ja, mein Herz.“, erwiderte Abram zärtlich. „Eigentlich sollte ich dich Feuer machen schicken, aber das kann Sarai ja auch allein bestellen, derweil ich meine Lieblingsfrau noch eine Weile im Arm halte.“
„Ich muss nach Ismael sehen:“, erwiderte Hagar. „Es ging ihm gestern Abend nicht gut. Vielleicht brauchte er nur die Ruhe der Nacht, aber vielleicht braucht er auch Arznei.“
Sie wand sich aus den Armen ihres Mannes und streifte ihr Gewand über. Ihre prachtvollen, glänzenden Locken drehte sie in einen Turban aus blauem Tuch, das ihre bronzefarbene Haut zum Leuchten brachte. Mit wiegenden Hüften verließ sie das Zelt und Abram seufzte vor Entzücken.
Ismael war längst auf den Beinen und melkte die ersten Ziegen. Sarai schichtete gerade Holz und Ziegenkot auf, Hagar brachte das Feuerwerkzeug.
„Wird ein heißer Tag heute.“, meinte sie. „Eigentlich müssten wir nur warten, dann könnte die Sonne den Morgentee bereiten.“
„Abram würde toben, wenn wir den Tee erst zur Mittagszeit fertig hätten.“, erwiderte Sarai. „Vielleicht sollten wir ihm mal einen starken Schlaftrunk brauen, der ihn bis zur Mittagsstunde schlafen lässt, dann könnten wir tatsächlich die Sonne für uns arbeiten lassen und morgens länger schlafen.“
„Die nächste Generation lauert schon.“, entgegnete Hagar grinsend. „Mein Sohn übt schon heimlich Patriarchen-Posen. Wenn Abram morgens nicht wach würde, würde er umgehend sein Erbe antreten und uns schlimmer scheuchen, als der Alte es je vermocht hat.“
„Wenigstens hast du einen Sohn.“, seufzte Sarai.
„Verschaff dir doch auch einen.“, schlug Hagar vor.
„Ich liege doch schon so viele Nächte bei Abram.“, rechtfertigte sich Sarai. „Was soll ich denn noch alles tun? Elohim lässt meinen Leib verdorren und ich weiß nicht warum.“
„Vielleicht ist es ja gar nicht dein Leib, den Elohim verdorren lässt.“, gab Hagar zu bedenken. „Es hat Jahre gedauert, bis ich schwanger wurde, und in den letzten zehn Jahren ist es nicht wieder vorgekommen. Neun Monde bevor Ismael zur Welt kam, habe ich mir Unterstützung außerhalb der Sippe geholt und es hat prompt geklappt.“
„Ich verstehe dich nicht ganz.“, entgegnete Sarai fassungslos, die längst ahnte, was sie nicht glauben konnte.
„Ismaels Vater war ein Fremder, der auf der Durchreise unser Gast war. Ein bildschöner Bursche, ich habe allerdings auch darauf geachtet, dass er Abram etwas ähnlich sah, damit nicht sofort auffällt, dass ich meinem Mann das Kind eines Anderen in die Arme gelegt habe. Aber wie sollte ich mir Nachkommen verschaffen von einem, dessen Samen kraftlos ist? Sicher ist dein Schoß genauso fruchtbar wie meiner, du hast ja noch deinen Blutfluss, versuche es einfach, bevor es zu spät ist.“
Etwa ein Jahr später kamen die Frauen wieder morgens an der Feuerstelle zusammen. Sarai kicherte. „Abram meint, er hat die Lösung für meine Kinderlosigkeit gefunden. Elohim hat angeblich zu ihm gesprochen und angekündigt, dass er so viele Nachkommen haben wird wie Sterne am Himmel und dass wir ab sofort neue Namen bekommen.“
„Und wie heißt du jetzt?“
„Sarah“
„Wie innovativ. Und Abram? Heißt der jetzt Abrm?“
„Nee, Abraham.“
„Das war ja wieder klar. Dein Name wird verstümmelt und seiner aufgebläht und das soll dann gegen Kinderlosigkeit helfen. Die Männer, was die sich immer auf ihre unnützen kleinen Beiträge einbilden. Liegen den ganzen Tag nur rum, trinken Tee, reden mit ihrem eingebildeten Gott und behaupten, uns zu beschützen. Dabei bin ich diejenige, die die Löwen vertreibt und du diejenige, die die Schlangen verscheucht. Und in der Nacht schmiert er uns ein bisschen voll mit dem, was er für seine Nachkommen hält. Die Welt ist schon verrückt, in der ausgerechnet die das Sagen haben, die zu gar nichts nütze sind.“
„Es ist, wie es ist.“, erwiderte Sarah. „Ich bin jetzt Sarah, er Abraham. - Sieh mal, aus dem Westen kommt eine kleine Karawane angerückt.“
„Das bedeutet, wir müssen dreimal soviel Wasser kochen und Brot backen.“, erwiderte Hagar seufzend. „Ich schicke Ismael zur Wasserstelle. Dann können wir noch mehr Körner mahlen und das Feuer schüren.“
Die Frauen arbeiteten unter Hochdruck. Als die Karawane fast bei ihnen angekommen war, blieb Hagar der Mund offen stehen. „Das ist er.“, raunte sie Sarah zu.
„Das ist wer?“, flüsterte Sarah zurück.
„Ismaels Vater. Der mit dem weißen Turban.“
„Oh.“, sagte Sarah nur, denn er war eine beeindruckende Erscheinung, ein bildschöner Mann, der die Besonderheiten verschiedenster Volksgruppen in seinem Gesicht und an seinem Körper vereinte. Er war hoch gewachsen wie die Äthiopier, seine Haut hatte die Farbe von Lehm und die Augen waren schräg wie die der Menschen, die von sehr weit her aus dem Osten kamen. Sein Haar war schwarz und glatt, der Bart dagegen kraus und drahtig und die Lippen geschwungen wie bei denen vom Euphrat- wie auch die von Abraham. Die hohen Wangenknochen stammten wohl ebenfalls aus dem Osten, er stellte die vollendete Komposition aus vielen verschiedenen Völkern dar.
Hagar war schon auf die Gruppe zugegangen, hatte sie begrüßt und ihnen Wasser gereicht. Sarah sah, wie sie sich mit dem schönen Fremden unterhielt und sich dann zu ihr umdrehte. Der Fremde sah sie an mit seinen warmen Mandelaugen und als ihre Blicke sich trafen, empfand Sarah eine verwirrende Mischung aus tiefster Sehnsucht und aufkommenden Fluchtimpulsen. Der Fremde nickte lächelnd und Sarah verschwand im Zelt, verwirrt und aufgewühlt. Sie füllte frisch geröstete Körner in die Getreidemühle und zerrieb den Weizen zwischen den Mühlsteinen. Hagar betrat grinsend das Zelt. „Er ist einverstanden:“, sagte sie.
„Wer ist womit einverstanden?“
„Vahid ist bereit, dich kennenzulernen.“
„Wozu?“
„Damit du dir von ihm Nachkommen verschaffen kannst.“
„Vahid? Was ist das überhaupt für ein Name? Was bedeutet er?“
„Vahid ist ein Name aus dem Reich Elam und er bedeutet: der Einzigartige.“
„Wie passend.“
„Ja, nicht wahr? Ist er nicht entzückend?“
„Er ist so hinreißend, dass ich es kaum aushalte. Wie soll ich mich mit ihm unterhalten, wenn ich ihm in Gedanken bereits die Gewänder von den Hüften reiße?“
„Du schaffst das schon, ich habe das ja schließlich auch hinbekommen.“
„Ja, du. Du bist ja auch selbst so schön wie der Morgen.“, dass Abraham ihr schon viele Male nachts ins Ohr geflüstert hatte, dass er die Liebe eigentlich nur mit ihr genieße und Hagar nur wegen der Nachkommen beschlafe, behielt sie für sich. Allerdings ahnte sie, dass er Hagar dasselbe erzählte und sie war froh, dass die Freundin sie genauso wenig als Rivalin sah, wie sie selbst.
Sarah war mit den Gedanken nicht so recht bei der Sache und hätte Hagar nicht aufgepasst, wäre der Brotteig missraten und die frischen Fladen wären im Feuer verbrannt. Den ganze Tag über waren die Frauen mit dem Zubereiten von Mahlzeiten beschäftigt, während sich der Patriarch mit den Gästen in den Schatten fläzte und sich bedienen ließ. Vahid warf Sarah verheißungsvolle Blicke zu und sie betete, dass Abraham es nicht bemerkte, aber der war so mit seiner narzistischen Selbstdarstellung beschäftigt, dass er kaum wahrnahm, was um ihn herum geschah. Sie raunte Hagar zu: „Beim Gäste unterhalten ist er genauso wie im Bett. Er wird einfach nicht fertig.“
„Das ist bei Vahid auch anders.“, kicherte Hagar. „Er sagte, er glaube, Abraham braucht so lange, weil er seine Vorhaut beschnitten hat. Bei jungen Männern soll das nicht schlecht sein, sonst sind die schon damit zu Ende, wenn du gerade überlegst, dass es dir vielleicht gefallen könnte. Aber wenn sie älter werden, ist es eine Plage mit ihnen. Sie reiben sich in dir und rühren in dir herum und mühen sich ab und du bist mit den Gedanken schon beim Eintopf und der Wäsche und betest, dass sie endlich von dir herunter steigen, damit du wieder Luft bekommst und dich sauber machen kannst.“
„Ach ja.“, erwiderte Sarah. „Dass die Männer uns aber auch immer mit diesem klebrigen Eiter beflecken müssen und uns nicht wie die Blumen bestäuben können. Oder ist das bei Vahid auch anders?“
„Nein, ganz im Gegenteil. Aus seinen Lenden kommt drei Mal soviel Saft, du denkst danach, dein Blutfluss habe eingesetzt. Aber währenddessen denkst du gar nicht.“
In der Nacht schlich Sarah sich aus dem Zelt. In eine Decke gehüllt machte sie sich auf den Weg zur nahe gelegenen Höhle, um dort ein Feuer zu entzünden. Hagar hatte Vahid bei passender Gelegenheit zugeflüstert, dass er die Höhle nachts aufsuchen solle. Hagar hielt Abraham die halbe Nacht auf Trab, bis er schließlich total erschöpft in einen tiefen Schlaf fiel.
Sarahs Feuer verbreitete gerade eine wohlige Wärme in der Höhle, als Vahid eintrat. Sie sprachen kein Wort, sie sahen sich nur an. Sarah breitete die Decke neben dem Feuer aus und legte ihr Gewand ab. Vahid tat es ihr gleich, setzte sich auf die Decke und zog sie zu sich herunter. Hagar hatte nicht zu viel versprochen; Vahid war ein Zauberkünstler. Sie liebten sich nicht nur einmal und als sie nacheinander ins Lager zurück schlichen – sie noch im Mondschein, er in der Morgendämmerung - lagen alle anderen fest in Morpheus Armen und nicht einmal Hagar wusste mit Sicherheit, ob das, was sie eingefädelt hatte, tatsächlich stattgefunden hatte.
ENDE TEIL II – FORTSETZUNG FOLGT
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Freitag, 28. Juli 2017
Abraham ist schuld – vierteiliger Kurzkrimi – Teil I
c. fabry, 19:34h
Es war das zweite Klassenfest an der Grundschule am Tuchtweg. Tuncay verzichtete auf ein gegrilltes Steak, obwohl er einen rasenden Hunger auf Fleisch hatte. Es lag zwar Rindfleisch auf dem Rost, aber halal war es trotzdem nicht. Dass die Schafe, die sie zum Opferfest in der Familie mit einem Spaten schlachteten, genaugenommen auch nicht halal waren, weil sie vom Schächten so viel verstanden wie ein Soziologe vom Mauern, blendete er dabei aus. Er hatte eben seine Prinzipien. Daniel verzehrte auch nur Salat. Das wunderte ihn und er fragte: „Bist du Vegetarier?“
„Nein, Jude.“
„Aber das ist kein Schweinefleisch.“
„Richtig, aber die Steaks sind in Sahne eingelegt und damit nicht koscher. Mal davon abgesehen, auch nicht koscher geschlachtet.“
„Tja“, mischte Jörn sich ein. „Wenn ihr eure Kinder auf eine evangelische Bekenntnisschule schickt, müsst ihr euch nicht wundern, wenn ihr bei euren komplizierten Essgewohnheiten nicht richtig satt werdet. Das ist eben der Vorteil, wenn man Christ ist; man darf alles essen.“
„Klar, auch Scheiße.“, murmelte Tuncay.
„Gleich fängst du dir eine ein!“, drohte Jörn.
„Entspannt euch.“, beschwichtigte Daniel die beiden Hitzköpfe. „Es kann doch jeder essen, was er für richtig hält. Das geht keinen etwas an.“
„Ach“, beklagte sich Jörn. „Aber wenn die Moslems beim Schlachten den Tierschutz nicht einhalten und die armen Viecher kopfüber aufgehängt langsam ausbluten lassen, dann geht mich das als Bürger dieses Landes schon was an! Das sollte man mal mit euch machen und zwar genau dann, wenn euer scheiß Opferfest ist. Könnt euch ja mal selber opfern.“
Tuncay stürmte auf Jörn zu, Daniel ging dazwischen. „Jetzt versaut euren Kindern nicht das Klassenfest, ihr Spinner!“, schimpfte er. „Vom Schächten hast du echt keine Ahnung, Jörn. Das haben nicht die Muslime erfunden, sondern wir Juden und zwar auch aus Gründen des Tierschutzes. Da muss nämlich die Halsschlagader mit einem sauberen, sehr scharfen Messer mit einem einzigen Schnitt blitzschnell geöffnet werden, so dass das Tier sofort das Bewusstsein verliert. In euren Schlachthöfen werden die Tiere auch kopfüber aufgehängt und dann wachen sie oft nochmal auf und werden zuckend ins kochende Wasser getaucht. Also erzähl du uns nichts von Tierschutz, oder willst du behaupten, dass du nur Biofleisch isst?“
„Das ist ja viel zu teuer.“, entschuldigte Jörn sich. „Aber was du da vom Schächten erzählst, ist doch nur graue Theorie. Jeden Herbst marodieren die Moslems durch die Gegend, schwatzen den Bauern Schafe ab, die sie dann im Hinterhof irgendwie schlachten, wenn sie sich nicht sogar nachts auf die Weide schleichen und die Tiere da direkt mit nem Beil erschlagen oder, weil sie zu blöd dafür sind, die schwer verletzten Viecher halb tot liegen lassen. Und wozu das alles? Weil sie immer noch wie in grauer Vorzeit ihre scheiß Schlachtopfer bringen müssen.“
„Du hast echt überhaupt keine Ahnung, Mann.“, erwiderte Tuncay. „Beim Opferfest geht es darum, wie Ibrahim seinen Sohn Ismail opfern sollte, das hatte Allah ihm so aufgetragen. Aber dann schickte Allah einen Widder und den schlachtete Ibrahim anstelle seines Sohnes. Das Fleisch teilte er mit den Armen und in Erinnerung an diese Geschichte feiern wir das Opferfest, treffen uns in den Familien und teilen das Fleisch mit denen, die sich das nicht leisten können.“
„Aber eigentlich hat die Geschichte sich ja etwas anders zugetragen.“, erklärte Daniel. „Ibrahim oder Abraham, wie wir ihn nennen, hatte Ismael mit seiner Mutter Hagar längst in die Wüste geschickt. Haschem hatte ihn beauftragt seinen Sohn Isaak zu opfern, seinen einzigen rechtmäßigen Sohn, von seiner Ehefrau Sarah, denn Ismaels Mutter war nur die Zofe seiner Frau. Gott stellte Abraham damit auf die Probe, wie sehr er ihn liebte und ihm gehorchte. Als klar war, wie treu ergeben Abraham seinem Schöpfer war, zeigte der sich gnädig und schickte einen Widder, der sich im Gestrüpp verfing. Den legte Abraham dann auf den Brandopfer-Altar. Die Muslime haben diese Geschichte verdreht und ihren Stammvater Ismael an die Stelle des jüdischen Stammvaters Isaak gesetzt.“
„Von wegen verdreht!“, protestierte Tuncay. „Der Islam ist die älteste Religion der Welt! Der Islam war schon immer da.“
„Hallo?“, erwiderte Daniel. „Mohammed tauchte erst im 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung auf. Da ist ja das Christentum ein halbes Jahrtausend älter. Und das Judentum ist gleich noch mal ein Jahrtausend älter. Ist doch wohl klar, wer da von wem abgeschrieben hat.“
Jetzt mischte Tuncays Frau Kerime sich ein: „Müsst ihr Männer schon wieder alles aufmischen? Könnt ihr nicht einmal friedlich zusammen feiern? Ist doch egal wen der alte Mann vor dreitausend Jahren schlachten wollte. Der Sinn der Sache ist doch, dass alle sich vertragen. Im Koran wird Isaak übrigens als rechtschaffener Prophet gepriesen und gesegnet. Also vertragt euch.“ Dann wandte sie sich an Jörn: „Als Christ solltest du die Geschichte doch auch kennen. Was wird denn bei euch in der Kirche erzählt?“
„Woher soll ich das wissen?“, erwiderte Jörn. „So genau kenne ich mich in der Bibel nicht aus. Ich bin ja schließlich kein Pastor.“
„Die Geschichte von Abraham und Isaak steht auch in der Bibel.“, erklärte die Lehrerin.
„Na also!“, ereiferte sich Jörn. „Zwei gegen einen. Muslime können eben nur billige Fälschungen abliefern, sonst nichts.“
Daniel schüttelte mit dem Kopf und Tuncay rief: „Und ihr scheiß Deutschen könnt nur Schweinefleisch fressen und Minderheiten verfolgen. Meint, ihr wärt was Besseres, weil ihr Christen seid und habt noch nicht mal Ahnung von eurer Religion.“
„Erzähl du mir nicht, wie ich in meinem Land zu leben habe!“, zischte Jörn und griff sich plötzlich ein Messer, mit dem der Grillmeister große Fleischstücke zerlegte. Kerime ging erneut dazwischen: „Jetzt kommt runter, Männer. Das ist doch total überflüssig, was ihr hier abzieht.“
„Der einzige, der hier gerade was abzieht, ist diese verdammte Kartoffel!“, brüllte Tuncay. Nun brannten Jörn endgültig die Sicherungen durch. Er stürzte sich auf den muslimischen Vater, Kerime warf sich schützend vor ihren Mann. „Ibrahim...“, murmelte sie noch, dann ging sie zu Boden.
ENDE TEIL I – FORTSETZUNG FOLGT
„Nein, Jude.“
„Aber das ist kein Schweinefleisch.“
„Richtig, aber die Steaks sind in Sahne eingelegt und damit nicht koscher. Mal davon abgesehen, auch nicht koscher geschlachtet.“
„Tja“, mischte Jörn sich ein. „Wenn ihr eure Kinder auf eine evangelische Bekenntnisschule schickt, müsst ihr euch nicht wundern, wenn ihr bei euren komplizierten Essgewohnheiten nicht richtig satt werdet. Das ist eben der Vorteil, wenn man Christ ist; man darf alles essen.“
„Klar, auch Scheiße.“, murmelte Tuncay.
„Gleich fängst du dir eine ein!“, drohte Jörn.
„Entspannt euch.“, beschwichtigte Daniel die beiden Hitzköpfe. „Es kann doch jeder essen, was er für richtig hält. Das geht keinen etwas an.“
„Ach“, beklagte sich Jörn. „Aber wenn die Moslems beim Schlachten den Tierschutz nicht einhalten und die armen Viecher kopfüber aufgehängt langsam ausbluten lassen, dann geht mich das als Bürger dieses Landes schon was an! Das sollte man mal mit euch machen und zwar genau dann, wenn euer scheiß Opferfest ist. Könnt euch ja mal selber opfern.“
Tuncay stürmte auf Jörn zu, Daniel ging dazwischen. „Jetzt versaut euren Kindern nicht das Klassenfest, ihr Spinner!“, schimpfte er. „Vom Schächten hast du echt keine Ahnung, Jörn. Das haben nicht die Muslime erfunden, sondern wir Juden und zwar auch aus Gründen des Tierschutzes. Da muss nämlich die Halsschlagader mit einem sauberen, sehr scharfen Messer mit einem einzigen Schnitt blitzschnell geöffnet werden, so dass das Tier sofort das Bewusstsein verliert. In euren Schlachthöfen werden die Tiere auch kopfüber aufgehängt und dann wachen sie oft nochmal auf und werden zuckend ins kochende Wasser getaucht. Also erzähl du uns nichts von Tierschutz, oder willst du behaupten, dass du nur Biofleisch isst?“
„Das ist ja viel zu teuer.“, entschuldigte Jörn sich. „Aber was du da vom Schächten erzählst, ist doch nur graue Theorie. Jeden Herbst marodieren die Moslems durch die Gegend, schwatzen den Bauern Schafe ab, die sie dann im Hinterhof irgendwie schlachten, wenn sie sich nicht sogar nachts auf die Weide schleichen und die Tiere da direkt mit nem Beil erschlagen oder, weil sie zu blöd dafür sind, die schwer verletzten Viecher halb tot liegen lassen. Und wozu das alles? Weil sie immer noch wie in grauer Vorzeit ihre scheiß Schlachtopfer bringen müssen.“
„Du hast echt überhaupt keine Ahnung, Mann.“, erwiderte Tuncay. „Beim Opferfest geht es darum, wie Ibrahim seinen Sohn Ismail opfern sollte, das hatte Allah ihm so aufgetragen. Aber dann schickte Allah einen Widder und den schlachtete Ibrahim anstelle seines Sohnes. Das Fleisch teilte er mit den Armen und in Erinnerung an diese Geschichte feiern wir das Opferfest, treffen uns in den Familien und teilen das Fleisch mit denen, die sich das nicht leisten können.“
„Aber eigentlich hat die Geschichte sich ja etwas anders zugetragen.“, erklärte Daniel. „Ibrahim oder Abraham, wie wir ihn nennen, hatte Ismael mit seiner Mutter Hagar längst in die Wüste geschickt. Haschem hatte ihn beauftragt seinen Sohn Isaak zu opfern, seinen einzigen rechtmäßigen Sohn, von seiner Ehefrau Sarah, denn Ismaels Mutter war nur die Zofe seiner Frau. Gott stellte Abraham damit auf die Probe, wie sehr er ihn liebte und ihm gehorchte. Als klar war, wie treu ergeben Abraham seinem Schöpfer war, zeigte der sich gnädig und schickte einen Widder, der sich im Gestrüpp verfing. Den legte Abraham dann auf den Brandopfer-Altar. Die Muslime haben diese Geschichte verdreht und ihren Stammvater Ismael an die Stelle des jüdischen Stammvaters Isaak gesetzt.“
„Von wegen verdreht!“, protestierte Tuncay. „Der Islam ist die älteste Religion der Welt! Der Islam war schon immer da.“
„Hallo?“, erwiderte Daniel. „Mohammed tauchte erst im 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung auf. Da ist ja das Christentum ein halbes Jahrtausend älter. Und das Judentum ist gleich noch mal ein Jahrtausend älter. Ist doch wohl klar, wer da von wem abgeschrieben hat.“
Jetzt mischte Tuncays Frau Kerime sich ein: „Müsst ihr Männer schon wieder alles aufmischen? Könnt ihr nicht einmal friedlich zusammen feiern? Ist doch egal wen der alte Mann vor dreitausend Jahren schlachten wollte. Der Sinn der Sache ist doch, dass alle sich vertragen. Im Koran wird Isaak übrigens als rechtschaffener Prophet gepriesen und gesegnet. Also vertragt euch.“ Dann wandte sie sich an Jörn: „Als Christ solltest du die Geschichte doch auch kennen. Was wird denn bei euch in der Kirche erzählt?“
„Woher soll ich das wissen?“, erwiderte Jörn. „So genau kenne ich mich in der Bibel nicht aus. Ich bin ja schließlich kein Pastor.“
„Die Geschichte von Abraham und Isaak steht auch in der Bibel.“, erklärte die Lehrerin.
„Na also!“, ereiferte sich Jörn. „Zwei gegen einen. Muslime können eben nur billige Fälschungen abliefern, sonst nichts.“
Daniel schüttelte mit dem Kopf und Tuncay rief: „Und ihr scheiß Deutschen könnt nur Schweinefleisch fressen und Minderheiten verfolgen. Meint, ihr wärt was Besseres, weil ihr Christen seid und habt noch nicht mal Ahnung von eurer Religion.“
„Erzähl du mir nicht, wie ich in meinem Land zu leben habe!“, zischte Jörn und griff sich plötzlich ein Messer, mit dem der Grillmeister große Fleischstücke zerlegte. Kerime ging erneut dazwischen: „Jetzt kommt runter, Männer. Das ist doch total überflüssig, was ihr hier abzieht.“
„Der einzige, der hier gerade was abzieht, ist diese verdammte Kartoffel!“, brüllte Tuncay. Nun brannten Jörn endgültig die Sicherungen durch. Er stürzte sich auf den muslimischen Vater, Kerime warf sich schützend vor ihren Mann. „Ibrahim...“, murmelte sie noch, dann ging sie zu Boden.
ENDE TEIL I – FORTSETZUNG FOLGT
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Samstag, 22. Juli 2017
Vulkanausbruch
c. fabry, 21:44h
Es war nur ein Augenblick, ein Augenblick im wahrsten Sinne des Wortes und schon stand sie in Flammen. Nicht zum ersten Mal. Ihre Blicke hatten sich nur kurz getroffen, aber mit einer solchen Intensität, dass das Bild sich augenblicklich auf ihrer biologischen Festplatte einbrannte und zwar für immer. Es gesellte sich zu den anderen, bereits gespeicherten Bildern vom TEN SING-Festival, vom Vorbereitungstreffen für die Romfahrt, vom Kirchentag. Sie hatte nicht geahnt, dass sie ihm auch beim Jubiläumsfest des Kirchenkreises begegnen würde, über die Aktivitäten des Jugendreferates war sie nicht informiert, Jugendpfarrer war ja Jochen Twellsiek. Dass man so einen zum Jugendpfarrer gemacht hatte, war für sie nicht nachvollziehbar, ein selten unpragmatischer Typ mit der Empathie eines Fisches. Julian dagegen... Als sie ihm zum ersten Mal begegnet war, vor einem Jahr beim Open Space zum Thema Jugend und Gemeinde, da hatte sie noch gedacht, was für eiskalte Augen, der könnte doch glatt jemanden umbringen, ohne mit der Wimper zu zucken. Dann hatten sie sich zufällig unterhalten. Wie heiße Milch mit Honig war seine sanfte Stimme in sie hinein geströmt und als er mit seinen vermeintlich eiskalten Augen in die ihren blickte, verwandelten diese sich in wärmende Sonnen, die begannen ihre Seele sachte aber stetig immer weiter Richtung Siedepunkt zu treiben. Zuerst hatte sie nur große Sympathie empfunden, sich in seiner Gegenwart wohlgefühlt und ihm ihren Respekt gezollt. Die Veranstaltung war zu Ende gegangen und sie hatte nicht damit gerechnet, ihn jemals wieder zu sehen. Vor einem halben Jahr hatte sie ihn auf dem Festival urplötzlich in der Menge ausgemacht und sich gewundert, warum diese Tatsache ihren Puls nach oben trieb. Ihre Blicke hatten sich getroffen und dann war er auf sie zugekommen und hatte sie angesprochen. In diesem Moment hatte sie gewusst, dass sie ihn nie wieder aus ihrem Kopf verbannen konnte. Beim Vorbereitungstreffen für die Romfahrt war sie dann auf ihn zugegangen und hatte ihm ins Gesicht gesagt, wie sehr sie sich freue, dass er auch mit im Team sei. Vor sich selbst rechtfertigte sie sich damit, dass sie Netzwerke knüpfen musste, um im kommenden Jahr überzeugend bei ihrer Bewerbung als Jugendpfarrerin auftreten zu können. Sollte Jochen sich doch um Diakonie kümmern, das passte ohnehin viel besser zu ihm.
„Uomini da diecianove“, klang es in ihrem Kopf, die erste Zeile von „I Maschi“ von Gianna Nannini. Süße Neunzehn und sie war doppelt so alt, könnte seine Mutter sein. „Na, und? Ist doch nicht strafbar, ist ja schließlich erwachsen.“
Sie wandte den Blick kurz in die andere Richtung und blickte in ein paar wirklich eiskalte Augen. Es war Jochen. Er beobachtete sie. Warum tat er das? Sie war doch einfach nur hier, unterhielt sich mit Leuten wie alle anderen auch. Ahnte er, dass sie plante, ihn vom Thron zu stoßen?
Dann spürte sie zwei Hände an ihren Schultern. Oh Gott, dachte sie, Wanderkrötenalarm, Sigmar von hinten, gleich muss ich kotzen. Sie drehte sich um und knickte ein wenig in den Knien ein, denn sie blickte in zwei gelbgrüne Samtaugen. Julian hatte gerade die nächste Grenze überschritten, eine Hürde genommen und jetzt war die Frage, ob sie die Latte für die nächste Begegnung höher legen durfte.
„Tschuldigung“, sagte er lächelnd, „Anders komme ich hier nicht vorbei.“
„Du musst dich nicht entschuldigen.“, sagte sie. „Ist mir ein Vergnügen.“
Julian strahlte sie an und ging weiter. Rom, wir kommen, dachte sie.
Die Natur forderte ihren Tribut und trieb sie zum Toilettenwagen. Als sie zum Festplatz zurückging, trat plötzlich Jochen zwischen zwei Ständen hervor, an deren Rückseite sie sich aufhielten.
„Übertreib es besser nicht.“, sagte er. „Das hat schon so manchem das Genick gebrochen.“
„Was meinst du?“, fragte sie.
„Julian, meine ich. Ich beobachte das schon länger. Glaub nicht, dass das niemand merkt. Zumindest ich merke es und ich werde nicht tatenlos zusehen.“
Dann verschwand er in Richtung Toilettenwagen.
Dieser letzte Satz traf sie wie ein Giftpfeil. Sie spürte, wie die Kräfte sie schon verließen. Horrorbilder tauchten vor ihrem inneren Auge auf: angeekelte Blicke von Kollegen, peinliche Gespräche mit dem Sup, Aussagen vor einer disziplinarischen Kommission, Strafversetzung oder im schlimmsten Fall sogar Beschäftigungsverbot. Sie konnte nicht zulassen, dass Jochen ihr Leben zerstörte. Er war gerade allein im Toilettenwagen. Sie hatte noch das Skalpell vom Passepartout-Workshop in der Handtasche. Sie dachte nicht lange nach, dazu war keine Zeit. Sie ging zurück zum Wagen. Nur eine Tür war verschlossen. Sie betrat die Nebenkabine und schloss sich ein. Kurz darauf ging nebenan die Spülung. Sie spülte ebenfalls. Jochen schloss auf, sie tat es ihm gleich. Jochen ging zum Handwaschbecken, sie trat hinter ihn. Seine Halsschlagader trat deutlich hervor, eine Tatsache, die seinem fortgeschrittenen Alter geschuldet war. Jugendpfarrer mit fünfzig, das war ja auch unverantwortlich, Zeit für eine weibliche Ablösung in den Dreißigern. Sie musste nur einmal in die Tasche greifen und weil er nichts ahnte, ließ sich der Schnitt präzise ansetzen. Er versuchte noch, die Wunde zuzudrücken, aber es war zwecklos. Vor Ablauf einer Minute ging er zu Boden. Wie durch ein Wunder hatte sie kaum Spritzer abbekommen. Sie wusch sich die Hände und die Tatwaffe, wickelte das Skalpell in Handtuchpapier und trug es in einen der zahlreichen überquellenden Müllsäcke. Selbst wenn es gefunden würde, würde niemand einen Zusammenhang zu ihr herstellen. Wieder auf dem Festplatz holte sie sich einen Kaffee. Kurz darauf traf ihr Blick auf Julians grüne Samtaugen. Rom, wir kommen, dachte sie noch. Dann zerriss ein markerschütternder Schrei das friedliche Treiben und nichts würde mehr sein wie es war.
„Uomini da diecianove“, klang es in ihrem Kopf, die erste Zeile von „I Maschi“ von Gianna Nannini. Süße Neunzehn und sie war doppelt so alt, könnte seine Mutter sein. „Na, und? Ist doch nicht strafbar, ist ja schließlich erwachsen.“
Sie wandte den Blick kurz in die andere Richtung und blickte in ein paar wirklich eiskalte Augen. Es war Jochen. Er beobachtete sie. Warum tat er das? Sie war doch einfach nur hier, unterhielt sich mit Leuten wie alle anderen auch. Ahnte er, dass sie plante, ihn vom Thron zu stoßen?
Dann spürte sie zwei Hände an ihren Schultern. Oh Gott, dachte sie, Wanderkrötenalarm, Sigmar von hinten, gleich muss ich kotzen. Sie drehte sich um und knickte ein wenig in den Knien ein, denn sie blickte in zwei gelbgrüne Samtaugen. Julian hatte gerade die nächste Grenze überschritten, eine Hürde genommen und jetzt war die Frage, ob sie die Latte für die nächste Begegnung höher legen durfte.
„Tschuldigung“, sagte er lächelnd, „Anders komme ich hier nicht vorbei.“
„Du musst dich nicht entschuldigen.“, sagte sie. „Ist mir ein Vergnügen.“
Julian strahlte sie an und ging weiter. Rom, wir kommen, dachte sie.
Die Natur forderte ihren Tribut und trieb sie zum Toilettenwagen. Als sie zum Festplatz zurückging, trat plötzlich Jochen zwischen zwei Ständen hervor, an deren Rückseite sie sich aufhielten.
„Übertreib es besser nicht.“, sagte er. „Das hat schon so manchem das Genick gebrochen.“
„Was meinst du?“, fragte sie.
„Julian, meine ich. Ich beobachte das schon länger. Glaub nicht, dass das niemand merkt. Zumindest ich merke es und ich werde nicht tatenlos zusehen.“
Dann verschwand er in Richtung Toilettenwagen.
Dieser letzte Satz traf sie wie ein Giftpfeil. Sie spürte, wie die Kräfte sie schon verließen. Horrorbilder tauchten vor ihrem inneren Auge auf: angeekelte Blicke von Kollegen, peinliche Gespräche mit dem Sup, Aussagen vor einer disziplinarischen Kommission, Strafversetzung oder im schlimmsten Fall sogar Beschäftigungsverbot. Sie konnte nicht zulassen, dass Jochen ihr Leben zerstörte. Er war gerade allein im Toilettenwagen. Sie hatte noch das Skalpell vom Passepartout-Workshop in der Handtasche. Sie dachte nicht lange nach, dazu war keine Zeit. Sie ging zurück zum Wagen. Nur eine Tür war verschlossen. Sie betrat die Nebenkabine und schloss sich ein. Kurz darauf ging nebenan die Spülung. Sie spülte ebenfalls. Jochen schloss auf, sie tat es ihm gleich. Jochen ging zum Handwaschbecken, sie trat hinter ihn. Seine Halsschlagader trat deutlich hervor, eine Tatsache, die seinem fortgeschrittenen Alter geschuldet war. Jugendpfarrer mit fünfzig, das war ja auch unverantwortlich, Zeit für eine weibliche Ablösung in den Dreißigern. Sie musste nur einmal in die Tasche greifen und weil er nichts ahnte, ließ sich der Schnitt präzise ansetzen. Er versuchte noch, die Wunde zuzudrücken, aber es war zwecklos. Vor Ablauf einer Minute ging er zu Boden. Wie durch ein Wunder hatte sie kaum Spritzer abbekommen. Sie wusch sich die Hände und die Tatwaffe, wickelte das Skalpell in Handtuchpapier und trug es in einen der zahlreichen überquellenden Müllsäcke. Selbst wenn es gefunden würde, würde niemand einen Zusammenhang zu ihr herstellen. Wieder auf dem Festplatz holte sie sich einen Kaffee. Kurz darauf traf ihr Blick auf Julians grüne Samtaugen. Rom, wir kommen, dachte sie noch. Dann zerriss ein markerschütternder Schrei das friedliche Treiben und nichts würde mehr sein wie es war.
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