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Freitag, 18. November 2016
Appetithäppchen
c. fabry, 18:28h
Auf dem Friedhof eines ostwestfälischen Dorfes werden zwei Kinder tot aufgefunden. Ein langes Wochenende steht bevor, das fünf Frauen nutzen, um ihr 30-jähriges Abitur-Jubiläum zu feiern. In zahlreichen Rückblicken, vor allem in die Siebziger und Achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wird ihre gemeinsame Geschichte erzählt. Aber was hat der gemeine Dorfzickenterror
mit den beiden Morden zu tun?
Das Ermittlerduo Keller und Kerkenbrock machen sich auf die Suche, lüften Geheimnisse, sitzen Irrtümern auf und begegnen ungewöhnlichen Menschen, um am Ende einer verstörenden Wahrheit auf die Spur zu kommen.
Der Prolog aus diesem Krimi wurde unter dem Titel "Rattenloch" in diesem Blog veröffentlicht. Viel Spaß!
10. Kapitel aus dem Roman "Brauseflocken - totes Kind, liebes Kind" von Cristina Fabry
Donnerstag, 26.Mai 2016
Da saßen sie nun bei Kaffee und Kuchen, die PANIC-Girls im gesetzten Alter und schwelgten in Erinnerungen. „War das nicht auch 1978“, fragte Cornelia, „als wir auf dem Friedhof Privatdetektiv gespielt haben?“
„Hör bloß auf!“, bremste Petra sie. „Das ist so was von peinlich!“
„Was meint ihr denn?“, fragte Nicole. „ich kann mich nur an die bitteren Wildkirschen erinnern, von denen mir sterbenselend war.“
„Da waren nicht alle dabei.“, erklärte Cornelia, „Nur Petra, Iris und ich.“
Iris grinste und sagte: „Ich werde nie vergessen, wie wir in das offene Grab geklettert sind und nicht mehr raus kamen.“
Petra hielt sich die Hände vors Gesicht. „Haltet endlich die Klappe!“, beschwor sie die Freundinnen. „Das muss niemand wissen.“
„Warum seid ihr denn in ein offenes Grab geklettert? Und von wem?“, fragte Angela neugierig.
„Für wen das war, weiß ich nicht mehr.“, erklärte Iris.
„Aber ich.“, stieß Petra hervor. „Schafmeiers Horst. Und unsere Mutter hat mich 'ne gefühlte halbe Stunde dafür vermöbelt.“
„Auf jeden Fall“, setzte Iris ihren Bericht fort, „hatten wir von unserem Garten aus beobachtet, wie der abgerockte Typ, der in Benten Kotten hauste, mit 'ner Kiste aufm Friedhof verschwunden war und ohne zurückkam.“
„So genau konntet ihr das sehen?“, fragte Angela.
„Wir hatten ein Fernglas.“, erklärte Cornelia.
„Genau genommen“, berichtigte Iris sie, „hatten wir meinen Kinder-Fotoapparat mit automatischem Weitwinkel. Wenn man bei dem verkehrt herum durch den Sucher guckte, hatte man einen leichten Tele-Effekt. War zwar alles etwas unscharf, aber näher dran. Jedenfalls wollten wir diese Kiste finden und sind auf den Friedhof geschlichen und haben alles nach frischer Erde abgesucht, unter der jemand etwas vergraben haben könnte. Als wir das Grab gesehen haben, kam uns die Idee, dass der Typ die Kiste bestimmt da versenkt hatte; sicherer als unter einer Leiche kann man ja gar nichts verstecken.“
„Nicht uns kam die Idee.“, unterbrach Petra sie mit hochrotem Kopf. „Dir kam die Idee.“
„So genau weiß ich das gar nicht mehr.“
„Aber ich.“
„Jedenfalls sind wir in die Grube geklettert, haben mit bloßen Händen rumgebuddelt und natürlich nichts gefunden. Und als wir endlich aufgegeben hatten, kamen wir nicht mehr raus.“
„Auch nicht mit Räuberleiter?“, fragte Angela.
„Da sind wir nicht drauf gekommen.“, kicherte Cornelia.
„Und dann hat Röthemeiers Sigrid uns gehört und eine nach der anderen raus gezogen. Die hat mächtig geschimpft, und wir wussten auch nicht, was wir sagen sollten, als sie fragte, warum wir in dem Grab waren.“
„Ja, und dann hat sie uns verpetzt, die blöde Kuh.“, sagte Petra und entspannte sich allmählich, jetzt, wo ohnehin alles heraus war.
„Das ist ja wirklich unheimlich.“, bemerkte Nicole. „Damals hat Röthemeiers Sigrid euch aus dem Grab gezogen, und gestern hat sie die toten Kinder im offenen Grab gefunden.“
„Ach, Tante Sigrid war das?", fragte Petra. „Wußt' ich gar nicht. Weiß man denn schon, wer die Kinder auf dem Gewissen hat?“
„Heute Morgen haben sie den Friebe verhaftet.“, wusste Nicole.
„Den Friedhofsgärtner?“, fragte Petra neugierig. „Woher weißt du das denn jetzt schon wieder?“
„Meine Mutter war heute in Lavelsloh einkaufen.“, erklärte Nicole. „Da ist ja schon Niedersachsen, bei denen ist ja heute kein Feiertag. Und da hat sie Bredemeiers Tanja, getroffen. Die wohnt nebenan und hat das mitgekriegt.“
„Die arme Sau.“, bemerkte Iris. „Das ist mal wieder typisch, die ungewaschenen Versagertypen mit Mangel an Sozialkontakten halten alle sofort für den Mörder, sogar die blöden Bullen. War der denn überhaupt auf dem Friedhof, als die Kinder da waren?“
Alle zuckten unwissend mit den Schultern. In das nachdenkliche Schweigen hinein sagte Iris plötzlich: „Moment mal, der kann das doch gar nicht gewesen sein. Als ich auf dem Friedhof war, habe ich mitbekommen, wie der abgehauen ist, und danach habe ich die Kinder noch gesehen und die lebten.“
„Der könnte doch aber noch mal zurückgekommen sein.“, überlegte Angela. „Er hat dafür gesorgt, dass du ihn weggehen siehst, und dann hat er sich woanders wieder drauf geschlichen. Perfektes Alibi.“
„Klaus-Dieter Friebe?“, fragte Iris laut. „Der ist doch zu doof, um aus dem Bus zu gucken. So einer plant doch kein Verbrechen, damit wäre der total überfordert. Außerdem ist er absolut gutmütig, dem traue ich nicht mal zu, dass er im Affekt jemanden umbringt. Aber was mir aufgefallen ist, als Klaus-Dieter schon weg war, kam irgendwann so ‘n Rocker angefahren, der sein Motorrad vor dem Friedhof parkte, war 'ne ziemlich laute Maschine. Als ich ging, stand die Maschine noch, aber den Typen hab' ich nicht mehr gesehen.“
„Dann musst du aber unbedingt die Polizei anrufen.“, bemerkte Nicole wichtigtuerisch.
„Ja, klar.“, sagte Iris und zog sofort ihr Mobiltelefon aus der Tasche. Sie wurde direkt mit Polizeihauptkommissar Stefan Keller verbunden, dem sie ihre Beobachtungen mitteilte. Der erklärte, er werde Klaus-Dieter Friebes Entlassung aus der U-Haft umgehend veranlassen und bat Iris, falls es ihr nicht zu viele Umstände mache, Freitagvormittag zur Phantombild-Erstellung ins Bielefelder Polizeipräsidium zu kommen, wo sie dann auch gleich ihre Aussage zu Protokoll geben könne.
„Wolltest du dir nicht eigentlich ein entspanntes, langes Wochenende in Nordhemmern gönnen?“, fragte Cornelia mitfühlend.
„Ach ja“, seufzte Iris. „So schlimm ist das nun auch wieder nicht. Dann fahre ich eben morgen früh 'ne Stunde nach Bielefeld, setze mich da 'ne Stunde ins Präsidium und fahre 'ne Stunde zurück. Morgen Mittag bewässere ich Simones Garten und gieße die Zimmerpflanzen und nachmittags hänge ich dann schon wieder auf der Terrasse ab.“
„Und du hast keine Ahnung, wer der Rocker war?“, fragte Petra.
„Nee, den kannte ich nicht.“
„Wie sah er denn aus?“
„So schulterlange, brünette Haare, Arme wie Oberschenkel und Oberlippenbusch, so 'n hässliches Gerät, das wie runter gezogene Mundwinkel aussieht.“
„Hoffentlich kennen wir den nicht aus der Grundschule.“, sagte Angela.
„Hast du 'n Verdacht?“, fragte Nicole.
„Nee, aber wer in Nordhemmern auf dem Friedhof rum läuft, kommt ja höchstwahrscheinlich aus dem Dorf. Und ich fänd' das total schrecklich, wenn das einer ist, den man kennt, vor allem, wenn man den mal nett fand.“
„An wen denkst du denn?“, fragte Cornelia
„Niemand Bestimmtes.“, antwortete Angela.
„Ach komm, Angela, du stilles Wasser.“, frotzelte Cornelia. „Da gibt es bestimmt 'ne fast vergessene heimliche Liebe aus deiner Vergangenheit, um die du jetzt bangst.“
Iris begann zu singen: „Die Geli saß am Fenster und knackte eine Nuss, knackte eine Nuss...“
Alle brachen in Gelächter aus, nur Angela schüttelte verlegen lächelnd den Kopf und Petra meinte: „Jetzt hört aber auf damit, ihr seid peinlich.“
„Du warst früher immer die Erste, die für solche Späße zu haben war.“, erinnerte Iris sie.
„Ja, früher.“, konterte Petra. „Aber irgendwann wird man ja auch mal erwachsen.“
„Langweilig!“, rief Iris mit röhrender Stimme und Cornelia kicherte beifällig, während Nicole die ganze Zeit über dümmlich grinsend von einer zur anderen guckte.
„Ich war in der Grundschule nie verliebt.“, erklärte Angela, um die Spekulation endlich zu beenden. „Nicht mal in der Katechumenen- und Konfirmandenzeit, zumindest in keinen aus Nordhemmern.“
„Hört hört!“, rief Cornelia. „War es dann wohl einer aus unserer Klasse?“
„Ja.“
„und wer?“
„Sag ich nicht.“
„Weiß ich sowieso.“, erklärte Nicole spitz. „Das war Thorsten Oppermann.“
„Stimmt!“, rief Cornelia begeistert aus. „Der war dann doch mit Sonja Schabowski zusammen. Was ist aus dem eigentlich geworden?“
„Klempner, glaube ich.“, erklärte Angela.
„Echt?“, rief Cornelia. „Gas, Wasser Scheiße? Wie unromantisch. Aber woher weißt du das? Hast du den gegoogelt?“
„Quatsch. Irgendwer hat mir das mal erzählt. Ich hab' aber vergessen, wer. Ist ja auch egal.“
„Ja, das würd' ich jetzt auch behaupten“, bemerkte Nicole mit einem schelmischen Grinsen und Angela quittierte dies mit einer resignierten Handbewegung.
„Hast du das Konfi-Foto noch hier?“, fragte Cornelia Nicole.
„Meine Fotos habe ich alle in Hille.“, antwortete Nicole, „Aber meine Eltern haben ja auch eins, das kann ich mal eben holen.“
Und dann saßen die fünf 49-jährigen Frauen um ihr Konfirmationsfoto geschart, machten witzige Bemerkungen über jedes Outfit und fielen zurück in die Jahre 1979 bis 1981, von denen es viel zu erzählen gab.
mit den beiden Morden zu tun?
Das Ermittlerduo Keller und Kerkenbrock machen sich auf die Suche, lüften Geheimnisse, sitzen Irrtümern auf und begegnen ungewöhnlichen Menschen, um am Ende einer verstörenden Wahrheit auf die Spur zu kommen.
Der Prolog aus diesem Krimi wurde unter dem Titel "Rattenloch" in diesem Blog veröffentlicht. Viel Spaß!
10. Kapitel aus dem Roman "Brauseflocken - totes Kind, liebes Kind" von Cristina Fabry
Donnerstag, 26.Mai 2016
Da saßen sie nun bei Kaffee und Kuchen, die PANIC-Girls im gesetzten Alter und schwelgten in Erinnerungen. „War das nicht auch 1978“, fragte Cornelia, „als wir auf dem Friedhof Privatdetektiv gespielt haben?“
„Hör bloß auf!“, bremste Petra sie. „Das ist so was von peinlich!“
„Was meint ihr denn?“, fragte Nicole. „ich kann mich nur an die bitteren Wildkirschen erinnern, von denen mir sterbenselend war.“
„Da waren nicht alle dabei.“, erklärte Cornelia, „Nur Petra, Iris und ich.“
Iris grinste und sagte: „Ich werde nie vergessen, wie wir in das offene Grab geklettert sind und nicht mehr raus kamen.“
Petra hielt sich die Hände vors Gesicht. „Haltet endlich die Klappe!“, beschwor sie die Freundinnen. „Das muss niemand wissen.“
„Warum seid ihr denn in ein offenes Grab geklettert? Und von wem?“, fragte Angela neugierig.
„Für wen das war, weiß ich nicht mehr.“, erklärte Iris.
„Aber ich.“, stieß Petra hervor. „Schafmeiers Horst. Und unsere Mutter hat mich 'ne gefühlte halbe Stunde dafür vermöbelt.“
„Auf jeden Fall“, setzte Iris ihren Bericht fort, „hatten wir von unserem Garten aus beobachtet, wie der abgerockte Typ, der in Benten Kotten hauste, mit 'ner Kiste aufm Friedhof verschwunden war und ohne zurückkam.“
„So genau konntet ihr das sehen?“, fragte Angela.
„Wir hatten ein Fernglas.“, erklärte Cornelia.
„Genau genommen“, berichtigte Iris sie, „hatten wir meinen Kinder-Fotoapparat mit automatischem Weitwinkel. Wenn man bei dem verkehrt herum durch den Sucher guckte, hatte man einen leichten Tele-Effekt. War zwar alles etwas unscharf, aber näher dran. Jedenfalls wollten wir diese Kiste finden und sind auf den Friedhof geschlichen und haben alles nach frischer Erde abgesucht, unter der jemand etwas vergraben haben könnte. Als wir das Grab gesehen haben, kam uns die Idee, dass der Typ die Kiste bestimmt da versenkt hatte; sicherer als unter einer Leiche kann man ja gar nichts verstecken.“
„Nicht uns kam die Idee.“, unterbrach Petra sie mit hochrotem Kopf. „Dir kam die Idee.“
„So genau weiß ich das gar nicht mehr.“
„Aber ich.“
„Jedenfalls sind wir in die Grube geklettert, haben mit bloßen Händen rumgebuddelt und natürlich nichts gefunden. Und als wir endlich aufgegeben hatten, kamen wir nicht mehr raus.“
„Auch nicht mit Räuberleiter?“, fragte Angela.
„Da sind wir nicht drauf gekommen.“, kicherte Cornelia.
„Und dann hat Röthemeiers Sigrid uns gehört und eine nach der anderen raus gezogen. Die hat mächtig geschimpft, und wir wussten auch nicht, was wir sagen sollten, als sie fragte, warum wir in dem Grab waren.“
„Ja, und dann hat sie uns verpetzt, die blöde Kuh.“, sagte Petra und entspannte sich allmählich, jetzt, wo ohnehin alles heraus war.
„Das ist ja wirklich unheimlich.“, bemerkte Nicole. „Damals hat Röthemeiers Sigrid euch aus dem Grab gezogen, und gestern hat sie die toten Kinder im offenen Grab gefunden.“
„Ach, Tante Sigrid war das?", fragte Petra. „Wußt' ich gar nicht. Weiß man denn schon, wer die Kinder auf dem Gewissen hat?“
„Heute Morgen haben sie den Friebe verhaftet.“, wusste Nicole.
„Den Friedhofsgärtner?“, fragte Petra neugierig. „Woher weißt du das denn jetzt schon wieder?“
„Meine Mutter war heute in Lavelsloh einkaufen.“, erklärte Nicole. „Da ist ja schon Niedersachsen, bei denen ist ja heute kein Feiertag. Und da hat sie Bredemeiers Tanja, getroffen. Die wohnt nebenan und hat das mitgekriegt.“
„Die arme Sau.“, bemerkte Iris. „Das ist mal wieder typisch, die ungewaschenen Versagertypen mit Mangel an Sozialkontakten halten alle sofort für den Mörder, sogar die blöden Bullen. War der denn überhaupt auf dem Friedhof, als die Kinder da waren?“
Alle zuckten unwissend mit den Schultern. In das nachdenkliche Schweigen hinein sagte Iris plötzlich: „Moment mal, der kann das doch gar nicht gewesen sein. Als ich auf dem Friedhof war, habe ich mitbekommen, wie der abgehauen ist, und danach habe ich die Kinder noch gesehen und die lebten.“
„Der könnte doch aber noch mal zurückgekommen sein.“, überlegte Angela. „Er hat dafür gesorgt, dass du ihn weggehen siehst, und dann hat er sich woanders wieder drauf geschlichen. Perfektes Alibi.“
„Klaus-Dieter Friebe?“, fragte Iris laut. „Der ist doch zu doof, um aus dem Bus zu gucken. So einer plant doch kein Verbrechen, damit wäre der total überfordert. Außerdem ist er absolut gutmütig, dem traue ich nicht mal zu, dass er im Affekt jemanden umbringt. Aber was mir aufgefallen ist, als Klaus-Dieter schon weg war, kam irgendwann so ‘n Rocker angefahren, der sein Motorrad vor dem Friedhof parkte, war 'ne ziemlich laute Maschine. Als ich ging, stand die Maschine noch, aber den Typen hab' ich nicht mehr gesehen.“
„Dann musst du aber unbedingt die Polizei anrufen.“, bemerkte Nicole wichtigtuerisch.
„Ja, klar.“, sagte Iris und zog sofort ihr Mobiltelefon aus der Tasche. Sie wurde direkt mit Polizeihauptkommissar Stefan Keller verbunden, dem sie ihre Beobachtungen mitteilte. Der erklärte, er werde Klaus-Dieter Friebes Entlassung aus der U-Haft umgehend veranlassen und bat Iris, falls es ihr nicht zu viele Umstände mache, Freitagvormittag zur Phantombild-Erstellung ins Bielefelder Polizeipräsidium zu kommen, wo sie dann auch gleich ihre Aussage zu Protokoll geben könne.
„Wolltest du dir nicht eigentlich ein entspanntes, langes Wochenende in Nordhemmern gönnen?“, fragte Cornelia mitfühlend.
„Ach ja“, seufzte Iris. „So schlimm ist das nun auch wieder nicht. Dann fahre ich eben morgen früh 'ne Stunde nach Bielefeld, setze mich da 'ne Stunde ins Präsidium und fahre 'ne Stunde zurück. Morgen Mittag bewässere ich Simones Garten und gieße die Zimmerpflanzen und nachmittags hänge ich dann schon wieder auf der Terrasse ab.“
„Und du hast keine Ahnung, wer der Rocker war?“, fragte Petra.
„Nee, den kannte ich nicht.“
„Wie sah er denn aus?“
„So schulterlange, brünette Haare, Arme wie Oberschenkel und Oberlippenbusch, so 'n hässliches Gerät, das wie runter gezogene Mundwinkel aussieht.“
„Hoffentlich kennen wir den nicht aus der Grundschule.“, sagte Angela.
„Hast du 'n Verdacht?“, fragte Nicole.
„Nee, aber wer in Nordhemmern auf dem Friedhof rum läuft, kommt ja höchstwahrscheinlich aus dem Dorf. Und ich fänd' das total schrecklich, wenn das einer ist, den man kennt, vor allem, wenn man den mal nett fand.“
„An wen denkst du denn?“, fragte Cornelia
„Niemand Bestimmtes.“, antwortete Angela.
„Ach komm, Angela, du stilles Wasser.“, frotzelte Cornelia. „Da gibt es bestimmt 'ne fast vergessene heimliche Liebe aus deiner Vergangenheit, um die du jetzt bangst.“
Iris begann zu singen: „Die Geli saß am Fenster und knackte eine Nuss, knackte eine Nuss...“
Alle brachen in Gelächter aus, nur Angela schüttelte verlegen lächelnd den Kopf und Petra meinte: „Jetzt hört aber auf damit, ihr seid peinlich.“
„Du warst früher immer die Erste, die für solche Späße zu haben war.“, erinnerte Iris sie.
„Ja, früher.“, konterte Petra. „Aber irgendwann wird man ja auch mal erwachsen.“
„Langweilig!“, rief Iris mit röhrender Stimme und Cornelia kicherte beifällig, während Nicole die ganze Zeit über dümmlich grinsend von einer zur anderen guckte.
„Ich war in der Grundschule nie verliebt.“, erklärte Angela, um die Spekulation endlich zu beenden. „Nicht mal in der Katechumenen- und Konfirmandenzeit, zumindest in keinen aus Nordhemmern.“
„Hört hört!“, rief Cornelia. „War es dann wohl einer aus unserer Klasse?“
„Ja.“
„und wer?“
„Sag ich nicht.“
„Weiß ich sowieso.“, erklärte Nicole spitz. „Das war Thorsten Oppermann.“
„Stimmt!“, rief Cornelia begeistert aus. „Der war dann doch mit Sonja Schabowski zusammen. Was ist aus dem eigentlich geworden?“
„Klempner, glaube ich.“, erklärte Angela.
„Echt?“, rief Cornelia. „Gas, Wasser Scheiße? Wie unromantisch. Aber woher weißt du das? Hast du den gegoogelt?“
„Quatsch. Irgendwer hat mir das mal erzählt. Ich hab' aber vergessen, wer. Ist ja auch egal.“
„Ja, das würd' ich jetzt auch behaupten“, bemerkte Nicole mit einem schelmischen Grinsen und Angela quittierte dies mit einer resignierten Handbewegung.
„Hast du das Konfi-Foto noch hier?“, fragte Cornelia Nicole.
„Meine Fotos habe ich alle in Hille.“, antwortete Nicole, „Aber meine Eltern haben ja auch eins, das kann ich mal eben holen.“
Und dann saßen die fünf 49-jährigen Frauen um ihr Konfirmationsfoto geschart, machten witzige Bemerkungen über jedes Outfit und fielen zurück in die Jahre 1979 bis 1981, von denen es viel zu erzählen gab.
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Freitag, 11. November 2016
Ohrenbeichte - DREI JAHRE SPÄTER
c. fabry, 19:07h
Zufrieden legte der Pfarrer die Tageszeitung zusammen und murmelte: „Endlich.“
„Was heißt hier endlich?“, fragte Miriam aufmerksam. „Bist du so froh, dass ich mein Abi geschafft habe und mit einem auswärtigen Studienplatz hoffentlich bald ausziehe?“
„Darauf habe ich mich gerade nicht bezogen.“
„Worauf denn?“
Lange sah der Pfarrer seine Tochter schweigend an, dann schlug er seufzend die Zeitung auf, breitete sie vor seiner Tochter aus und zeigte auf folgenden Artikel:
„MUTTERMÖRDER RECHTSKRÄFTIG VERURTEILT.
Dem einundvierzigjährigen Olaf S. Hat das Oberlandgericht den Mord an seiner Mutter Inge S. Nun endgültig lückenlos nachgewiesen. Olaf S. bestreitet die Tat nach wie vor. Inge S. verstarb an einer Überdosis Schmerzmittel. Dabei sollte der Eindruck erweckt werden, das Opfer habe sich das Medikament selbst verabreicht. Tatsächlich fanden sich aber Fingerabdrücke und DNA-Spuren an entscheidenden Stellen, die die Gabe des Medikamentes durch den Tatverdächtigen bewiesen, während keine Fingerabdrücke der Mutter zu finden waren. Der Täter handelte offenkundig aus Habgier, da seine Mutter über ein erhebliches Vermögen verfügte, dessen Erbe an ihn fiel. Wegen besonders niederer Motive und der hinterhältigen Heimtücke, mit der der Beschuldigte vorgegangen sei, verurteilte das Gericht ihn zu einer lebenslamgen Freiheitsstrafe, die keinesfalls vor dem Ablauf von 15 Jahren enden wird.“
„Und?“, fragte Miriam. „Was interessiert dich so daran?“
Der Pfarrer setzte sich zurecht und gab seiner Tochter durch seine Körpersprache zu verstehen, dass sie sich auf ein längeres und ernsthaftes Gespräch einstellen musste. Dann sagte er: „Stell dir vor, der vermeintliche Mörder war gar nicht der Täter, aber er wäre in einem anderen Fall schuldig geworden, ohne bestraft zu werden, erheblich schuldig. Stell dir dann vor, dieser nicht verurteilte, völlig unbehelligt weiterlebende Schwerverbrecher hat eine Mutter, die schon lange nicht mehr leben will, unheilbar krank, so sehr, dass sie schon um Sterbehilfe gebettelt hat. Stell dir vor, jemand tut ihr den Gefallen, besorgt ihr ein Medikament, hilft ihr bei der Einnahme und trägt Handschuhe, damit er keine Spuren hinterlässt, aber er sorgt dafür, dass vorher die Spuren des Täters auf der Medikamentenschachtel und dem Blisterstreifen landen. Stell dir vor, jetzt wandert er wegen Mordes ins Gefängnis. Und stell dir vor, das wäre dein Vergewaltiger gewesen.“
Miriam starrte ihren Vater fassungslos an. „Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein! Du hast eine alte Frau ermordet und ihrem unschuldigen Sohn die Tat in die Schuhe geschoben?“
„Nein. So war das nicht. Erstens habe nicht ich das getan sondern jemand, den ich darauf angesetzt habe. Zweitens handelte es sich genau genommen um halbaktive Sterbehilfe. Die Dame hätte die Medikamente selbst aus der Packung geholt, wenn ihr Helfer nicht so zuvorkommend gewesen wäre. Und der Sohn war nicht unschuldig. Er hat es mir selbst gebeichtet.“
„Wann?“
„Vor drei Jahren, etwa fünf Monate nach der Tat.“
„Und warum hast du ihn verdammt nochmal nicht angezeigt? Warum hast du mir nichts davon erzählt? Schließlich ging es um mich!“
„Ich wollte dir das alles ersparen.“, rechtfertigte sich der Vater. „Außerdem hätte ich das Beichtgeheimnis verletzt, an das ich als evangelischer Pfarrer auch gebunden bin. Ich kann die Ohrenbeichte verweigern, aber wenn ich jemanden unter diesem Versprechen zuhöre, muss ich das Gehörte genauso für mich behalten wie ein katholischer Priester das muss. Das Schwein hat mir seine Tat haarklein beschrieben und sich noch an meinem Entsetzen aufgegeilt und sich darüber gefreut, dass ich nichts gegen ihn unternehmen kann. Ich habe ihn des Pfarrhauses verwiesen und ihm verboten jemals wieder das Grundstück zu betreten, dafür tauchte er dann regelmäßig im Gottesdienst oder bei Gemeindeveranstaltungen auf, grinste überlegen, machte dreiste, zweideutige Bemerkungen, die nur ich verstand. Ich habe dann schließlich einen Privatdetektiv auf ihn angesetzt, der möglichst viel über ihn herausfinden sollte, damit ich einen Ansatz fand, ihn aus dem Verkehr zu ziehen. Nach einem halben Jahr hatte ich schließlich die Information mit der todkranken Mutter. Ich kenne einen ehemaligen Häftling aus meiner Zeit in der Gefängnis-Seelsorge, der hat das mit der Sterbehilfe übernommen, sich geschickt in das Leben der alten Dame gedrängt und ihr schließlich das Medikament verabreicht. Er hat vorher dafür gesorgt, dass der Täter es anfasst, ohne etwas zu bemerken, hat ihm KO-Tropfen verpasst. Er war gut darin, sich im Verborgenen zu halten, hatte mit der Mutter die Vereinbarung getroffen, ihre Freundschaft geheim zu halten, hatte einen Wohnungsschlüssel, von dem der Sohn nichts wusste usw. Dein Vergewaltiger wusste nicht einmal, dass dieser Freund seiner Mutter existierte.“
„Aber das ist Selbstjustiz!“
„Ja.“
„Und du sagst immer: Mein ist die Rache, spricht der Herr.“
„Ja.“
„Du hast Gott gespielt.“
„Ja, vielleicht, ein bisschen.“, gab der Pfarrer zu. „Aber warum auch nicht? Gott wohnt in jedem von uns. Von Zeit zu Zeit müssen wir ihn auch mal seine Arbeit machen lassen und für Gerechtigkeit sorgen.“
„Jetzt verstehe ich, was der alte Luther gemeint hat“, sagte Miriam deren innere Distanzierung von ihrem Vater nicht zu übersehen war, „wenn er sagte, du sollst den Herrn, deinen Gott über alle Dinge fürchten und lieben. Geliebt habe ich dich schon immer. Ich hätte nie gedacht, dass ich dich auch einmal fürchten würde.“
ENDE –
Hauptsächlich inspiriert von Birgit die Starke, aber irgendwie auch von allen anderen, Ich hatte viel Spaß bei diesem kleinen Projekt und plane nach ein paar Leckerbissen aus meinem aktuellen Roman einen interaktiven Krimi, bei dem ihr hoffentlich auch wieder alle mitschreibt. Danke!
„Was heißt hier endlich?“, fragte Miriam aufmerksam. „Bist du so froh, dass ich mein Abi geschafft habe und mit einem auswärtigen Studienplatz hoffentlich bald ausziehe?“
„Darauf habe ich mich gerade nicht bezogen.“
„Worauf denn?“
Lange sah der Pfarrer seine Tochter schweigend an, dann schlug er seufzend die Zeitung auf, breitete sie vor seiner Tochter aus und zeigte auf folgenden Artikel:
„MUTTERMÖRDER RECHTSKRÄFTIG VERURTEILT.
Dem einundvierzigjährigen Olaf S. Hat das Oberlandgericht den Mord an seiner Mutter Inge S. Nun endgültig lückenlos nachgewiesen. Olaf S. bestreitet die Tat nach wie vor. Inge S. verstarb an einer Überdosis Schmerzmittel. Dabei sollte der Eindruck erweckt werden, das Opfer habe sich das Medikament selbst verabreicht. Tatsächlich fanden sich aber Fingerabdrücke und DNA-Spuren an entscheidenden Stellen, die die Gabe des Medikamentes durch den Tatverdächtigen bewiesen, während keine Fingerabdrücke der Mutter zu finden waren. Der Täter handelte offenkundig aus Habgier, da seine Mutter über ein erhebliches Vermögen verfügte, dessen Erbe an ihn fiel. Wegen besonders niederer Motive und der hinterhältigen Heimtücke, mit der der Beschuldigte vorgegangen sei, verurteilte das Gericht ihn zu einer lebenslamgen Freiheitsstrafe, die keinesfalls vor dem Ablauf von 15 Jahren enden wird.“
„Und?“, fragte Miriam. „Was interessiert dich so daran?“
Der Pfarrer setzte sich zurecht und gab seiner Tochter durch seine Körpersprache zu verstehen, dass sie sich auf ein längeres und ernsthaftes Gespräch einstellen musste. Dann sagte er: „Stell dir vor, der vermeintliche Mörder war gar nicht der Täter, aber er wäre in einem anderen Fall schuldig geworden, ohne bestraft zu werden, erheblich schuldig. Stell dir dann vor, dieser nicht verurteilte, völlig unbehelligt weiterlebende Schwerverbrecher hat eine Mutter, die schon lange nicht mehr leben will, unheilbar krank, so sehr, dass sie schon um Sterbehilfe gebettelt hat. Stell dir vor, jemand tut ihr den Gefallen, besorgt ihr ein Medikament, hilft ihr bei der Einnahme und trägt Handschuhe, damit er keine Spuren hinterlässt, aber er sorgt dafür, dass vorher die Spuren des Täters auf der Medikamentenschachtel und dem Blisterstreifen landen. Stell dir vor, jetzt wandert er wegen Mordes ins Gefängnis. Und stell dir vor, das wäre dein Vergewaltiger gewesen.“
Miriam starrte ihren Vater fassungslos an. „Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein! Du hast eine alte Frau ermordet und ihrem unschuldigen Sohn die Tat in die Schuhe geschoben?“
„Nein. So war das nicht. Erstens habe nicht ich das getan sondern jemand, den ich darauf angesetzt habe. Zweitens handelte es sich genau genommen um halbaktive Sterbehilfe. Die Dame hätte die Medikamente selbst aus der Packung geholt, wenn ihr Helfer nicht so zuvorkommend gewesen wäre. Und der Sohn war nicht unschuldig. Er hat es mir selbst gebeichtet.“
„Wann?“
„Vor drei Jahren, etwa fünf Monate nach der Tat.“
„Und warum hast du ihn verdammt nochmal nicht angezeigt? Warum hast du mir nichts davon erzählt? Schließlich ging es um mich!“
„Ich wollte dir das alles ersparen.“, rechtfertigte sich der Vater. „Außerdem hätte ich das Beichtgeheimnis verletzt, an das ich als evangelischer Pfarrer auch gebunden bin. Ich kann die Ohrenbeichte verweigern, aber wenn ich jemanden unter diesem Versprechen zuhöre, muss ich das Gehörte genauso für mich behalten wie ein katholischer Priester das muss. Das Schwein hat mir seine Tat haarklein beschrieben und sich noch an meinem Entsetzen aufgegeilt und sich darüber gefreut, dass ich nichts gegen ihn unternehmen kann. Ich habe ihn des Pfarrhauses verwiesen und ihm verboten jemals wieder das Grundstück zu betreten, dafür tauchte er dann regelmäßig im Gottesdienst oder bei Gemeindeveranstaltungen auf, grinste überlegen, machte dreiste, zweideutige Bemerkungen, die nur ich verstand. Ich habe dann schließlich einen Privatdetektiv auf ihn angesetzt, der möglichst viel über ihn herausfinden sollte, damit ich einen Ansatz fand, ihn aus dem Verkehr zu ziehen. Nach einem halben Jahr hatte ich schließlich die Information mit der todkranken Mutter. Ich kenne einen ehemaligen Häftling aus meiner Zeit in der Gefängnis-Seelsorge, der hat das mit der Sterbehilfe übernommen, sich geschickt in das Leben der alten Dame gedrängt und ihr schließlich das Medikament verabreicht. Er hat vorher dafür gesorgt, dass der Täter es anfasst, ohne etwas zu bemerken, hat ihm KO-Tropfen verpasst. Er war gut darin, sich im Verborgenen zu halten, hatte mit der Mutter die Vereinbarung getroffen, ihre Freundschaft geheim zu halten, hatte einen Wohnungsschlüssel, von dem der Sohn nichts wusste usw. Dein Vergewaltiger wusste nicht einmal, dass dieser Freund seiner Mutter existierte.“
„Aber das ist Selbstjustiz!“
„Ja.“
„Und du sagst immer: Mein ist die Rache, spricht der Herr.“
„Ja.“
„Du hast Gott gespielt.“
„Ja, vielleicht, ein bisschen.“, gab der Pfarrer zu. „Aber warum auch nicht? Gott wohnt in jedem von uns. Von Zeit zu Zeit müssen wir ihn auch mal seine Arbeit machen lassen und für Gerechtigkeit sorgen.“
„Jetzt verstehe ich, was der alte Luther gemeint hat“, sagte Miriam deren innere Distanzierung von ihrem Vater nicht zu übersehen war, „wenn er sagte, du sollst den Herrn, deinen Gott über alle Dinge fürchten und lieben. Geliebt habe ich dich schon immer. Ich hätte nie gedacht, dass ich dich auch einmal fürchten würde.“
ENDE –
Hauptsächlich inspiriert von Birgit die Starke, aber irgendwie auch von allen anderen, Ich hatte viel Spaß bei diesem kleinen Projekt und plane nach ein paar Leckerbissen aus meinem aktuellen Roman einen interaktiven Krimi, bei dem ihr hoffentlich auch wieder alle mitschreibt. Danke!
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Freitag, 4. November 2016
Ohrenbeichte – ein offener Kurzkrimi
c. fabry, 23:32h
„Und Sie dürfen wirklich mit niemandem darüber reden, genauso wie ein katholischer Priester?“
„Das ist richtig. Die Schweigepflicht beziehungsweise das Beichtgeheimnis gilt auch bei uns.“
„Egal was Ihnen jemand erzählt?“
„Meinen Sie, auch, wenn jemand einen Mord begangen hat?“
„Ja, zum Beispiel.“
„Ja, das ist so. Ich werden ihm nahelegen, sich der Polizei zu stellen. Ich könnte der Polizei auch Hinweise auf Zusammenhänge geben, die mir nicht in der Beichte anvertraut wurden. Aber das, was der Mörder mir erzählen würde, müsste ich für mich behalten.“
„Na dann hören Sie mal zu.“ Er lehnte sich mit einem süffisanten Lächeln nach vorne, stützte die Ellbogen auf den Knien ab. Der Pfarrer lehnte sich entspannt zurück, war dabei aber neugierig und besonders aufmerksam.
„Ich hatte dieses Ziehen in der Körpermitte, wogegen nur eins hilft, Sie wissen schon.“
„Nein, ich weiß nicht, was sie meinen.“
„Herrgott, Sie sind doch auch ein Mann, der seine Frau zumindest gelegentlich zum Singen bringt oder haben Sie die Kinderproduktion autgesourced?“
„Ach so, nein, das sind schon auch unsere biologischen Kinder. Also, ich habe verstanden. Sie hatten ein sexuelles Bedürfnis.“
„Ja genau. Und zwar so eins, dass ich mir absolut nicht mehr verkneifen konnte. Das Problem war, ich hatte gerade keine Frau zur Hand. Und Glück im Spiel hatte ich auch nicht.“
„Glück im Spiel? Ich verstehe nicht recht.“
„Glück im Spiel, Geld für die Liebe.“, er zog das linke Unterlid mit dem Zeigefinger herunter und drehte dem Pfarrer das freigelegte Auge zu.
„Ach so, Sie meinen, Sie hatten auch nicht die Möglichkeit, sich in einem Bordell Erleichterung zu verschaffen.“
„Ganz genau. Ich war wirklich verzweifelt, mir kam der Saft schon aus den Ohren raus. Was tun Sie, Herr Pfarrer, wenn sie fast überlaufen? Beten? Kalt Duschen?“
„Das ist meine Privatangelegenheit, darüber werde ich mit Ihnen nicht reden.“
„Aber Herr Pfarrer, so unter Männern.“
„Uns verbindet keine Männerfreundschaft. Sie sind ein Gemeindeglied und ich bin Ihr Pfarrer. Erzählen Sie mir einfach Ihre Geschichte und dann gehen Sie bitte.“
„Also gut. Ich hatte einen verdammten Ständer...“
„Diese Tatsache haben Sie hinreichend erläutert.“
„Ja und dann kam die kleine Miri vorbei geradelt. Sie bewegte sich so weich und geschmeidig und ihr langes, braunes Haar wehte dazu im Wind, sie sah fast aus wie eine Meerjungfrau, so als wäre sie unter Wasser unterwegs und würde schweben.“
Dem Pfarrer verschlug es die Sprache. Er sagte nichts, war aber hellwach.
„Es war Sommer. Man vergisst immer, dass noch vor einem halben Jahr draußen alles ganz anders aussah und das Leben ganz anders ablief, weil es ja warm war und trocken. Alles ging ganz leicht. Ich musste ihr nur eine sanften Schubs geben und schon fiel sie mitsamt dem Fahrrad auf den Asphalt. Das tat mir leid, aber wenn ich sie zu mir ins hohe Gras gezogen hätte, hätte ich mich vielleicht verletzt, das werden sie sicher verstehen. Ich habe sie ja dann auch direkt von der Straße gezogen, das Fahrrad übrigens auch und dann hab ich sie da hinter den Weißdornbüschen getröstet. Sie hat ihre Schrammen und Beulen sofort vergessen, als ich sie zur Frau gemacht habe. Sie hat ein bisschen gezappelt und geschrien, aber das hat mich erst recht auf Touren gebracht. Sie müssen sich keine Sorgen machen, Herr Pfarrer, ich habe Ihr Töchterchen nicht beschmutzt, ich habe ein blitzsauberes Kondom benutzt, dieses Verantwortungsbewusstsein, wird mir beim jüngsten Gericht doch sicher zugute gehalten werden, oder? Mal ganz davon abgesehen, dass ich sie am Leben gelassen habe, weil ich so umsichtig war, eine Skimaske zu benutzen, ich habe ihr nicht einmal einen Knochen gebrochen. Das gibt doch sicher Ermäßigung beim Höllenfeuer, oder? Oder werde ich am Ende vielleicht sogar belohnt, weil ich ihr ganz neue Welten erschlossen habe? Sie sagen ja gar nichts, Herr Pfarrer.“
WAS WIRD DER BEICHTVATER TUN? WIE WIRD ER SICH ENTSCHEIDEN? ICH SAMMLE EURE VORSCHLÄGE UND VERARBEITE DANN MIT EURER ERLAUBNIS DEN VORSCHLA G ZUM SCHLUSS DER GESCHICHTE, DER MIR AM BESTEN GEFÄLLT.
„Das ist richtig. Die Schweigepflicht beziehungsweise das Beichtgeheimnis gilt auch bei uns.“
„Egal was Ihnen jemand erzählt?“
„Meinen Sie, auch, wenn jemand einen Mord begangen hat?“
„Ja, zum Beispiel.“
„Ja, das ist so. Ich werden ihm nahelegen, sich der Polizei zu stellen. Ich könnte der Polizei auch Hinweise auf Zusammenhänge geben, die mir nicht in der Beichte anvertraut wurden. Aber das, was der Mörder mir erzählen würde, müsste ich für mich behalten.“
„Na dann hören Sie mal zu.“ Er lehnte sich mit einem süffisanten Lächeln nach vorne, stützte die Ellbogen auf den Knien ab. Der Pfarrer lehnte sich entspannt zurück, war dabei aber neugierig und besonders aufmerksam.
„Ich hatte dieses Ziehen in der Körpermitte, wogegen nur eins hilft, Sie wissen schon.“
„Nein, ich weiß nicht, was sie meinen.“
„Herrgott, Sie sind doch auch ein Mann, der seine Frau zumindest gelegentlich zum Singen bringt oder haben Sie die Kinderproduktion autgesourced?“
„Ach so, nein, das sind schon auch unsere biologischen Kinder. Also, ich habe verstanden. Sie hatten ein sexuelles Bedürfnis.“
„Ja genau. Und zwar so eins, dass ich mir absolut nicht mehr verkneifen konnte. Das Problem war, ich hatte gerade keine Frau zur Hand. Und Glück im Spiel hatte ich auch nicht.“
„Glück im Spiel? Ich verstehe nicht recht.“
„Glück im Spiel, Geld für die Liebe.“, er zog das linke Unterlid mit dem Zeigefinger herunter und drehte dem Pfarrer das freigelegte Auge zu.
„Ach so, Sie meinen, Sie hatten auch nicht die Möglichkeit, sich in einem Bordell Erleichterung zu verschaffen.“
„Ganz genau. Ich war wirklich verzweifelt, mir kam der Saft schon aus den Ohren raus. Was tun Sie, Herr Pfarrer, wenn sie fast überlaufen? Beten? Kalt Duschen?“
„Das ist meine Privatangelegenheit, darüber werde ich mit Ihnen nicht reden.“
„Aber Herr Pfarrer, so unter Männern.“
„Uns verbindet keine Männerfreundschaft. Sie sind ein Gemeindeglied und ich bin Ihr Pfarrer. Erzählen Sie mir einfach Ihre Geschichte und dann gehen Sie bitte.“
„Also gut. Ich hatte einen verdammten Ständer...“
„Diese Tatsache haben Sie hinreichend erläutert.“
„Ja und dann kam die kleine Miri vorbei geradelt. Sie bewegte sich so weich und geschmeidig und ihr langes, braunes Haar wehte dazu im Wind, sie sah fast aus wie eine Meerjungfrau, so als wäre sie unter Wasser unterwegs und würde schweben.“
Dem Pfarrer verschlug es die Sprache. Er sagte nichts, war aber hellwach.
„Es war Sommer. Man vergisst immer, dass noch vor einem halben Jahr draußen alles ganz anders aussah und das Leben ganz anders ablief, weil es ja warm war und trocken. Alles ging ganz leicht. Ich musste ihr nur eine sanften Schubs geben und schon fiel sie mitsamt dem Fahrrad auf den Asphalt. Das tat mir leid, aber wenn ich sie zu mir ins hohe Gras gezogen hätte, hätte ich mich vielleicht verletzt, das werden sie sicher verstehen. Ich habe sie ja dann auch direkt von der Straße gezogen, das Fahrrad übrigens auch und dann hab ich sie da hinter den Weißdornbüschen getröstet. Sie hat ihre Schrammen und Beulen sofort vergessen, als ich sie zur Frau gemacht habe. Sie hat ein bisschen gezappelt und geschrien, aber das hat mich erst recht auf Touren gebracht. Sie müssen sich keine Sorgen machen, Herr Pfarrer, ich habe Ihr Töchterchen nicht beschmutzt, ich habe ein blitzsauberes Kondom benutzt, dieses Verantwortungsbewusstsein, wird mir beim jüngsten Gericht doch sicher zugute gehalten werden, oder? Mal ganz davon abgesehen, dass ich sie am Leben gelassen habe, weil ich so umsichtig war, eine Skimaske zu benutzen, ich habe ihr nicht einmal einen Knochen gebrochen. Das gibt doch sicher Ermäßigung beim Höllenfeuer, oder? Oder werde ich am Ende vielleicht sogar belohnt, weil ich ihr ganz neue Welten erschlossen habe? Sie sagen ja gar nichts, Herr Pfarrer.“
WAS WIRD DER BEICHTVATER TUN? WIE WIRD ER SICH ENTSCHEIDEN? ICH SAMMLE EURE VORSCHLÄGE UND VERARBEITE DANN MIT EURER ERLAUBNIS DEN VORSCHLA G ZUM SCHLUSS DER GESCHICHTE, DER MIR AM BESTEN GEFÄLLT.
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Freitag, 28. Oktober 2016
Sozialmafia, abgeschlossener Kurzkrimi
c. fabry, 13:56h
Für den Abgestürzten kam jede Hilfe zu spät. Um ihn herum hatte sich das Pflaster von seinem Blut dunkelrot gefärbt und sein Körper war ein einziger Trümmerhaufen aus aufgeplatzter Haut und offenen Brüchen. Es war unvorstellbar, dass er die ganze Nacht so dagelegen hatte, unterhalb des Kirchturms, an dem normalerweise auch nachts Passanten vorbei kamen. Vermutlich hatten sie ihn für eine Schnapsleiche gehalten und waren achtlos an ihm vorbeigegangen, wie der Priester und der Levit im Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Wie stürzte jemand einfach so vom Kirchturm? Dem konnte doch nur ein Suizid zugrunde liegen, ein Unfall war es sicher nicht. Als der Pfarrer sich endlich wieder gefasst hatte, überlegte er, welche Motive der Verstorbene gehabt haben könnte. „Vielleicht war er unheilbar krank oder er hatte eine Ehekrise, aber davon weiß ich nichts. Es gab auch wieder Probleme mit der Finanzierung seiner Arbeit, aber das hat er schon viele Male erlebt. Ich glaube nicht, dass er darum so verzweifelt gehandelt hätte.“
EIN TAG ZUVOR
„Komm mal mit auf den Kirchturm, Peter, ich will dir was zeigen.“
„Hör mal, Jan, ich habe noch einiges zu erledigen heute Abend und irgendwann will ich auch mal nach Hause. Sag einfach, was du zu sagen hast.“
„Ach komm, so viel Zeit muss sein, vielleicht ist das ja die letzte Gelegenheit, denn wer weiß, wo ich demnächst unterkomme.“
„Jetzt sei doch nicht so pessimistisch. Aber damit du endlich Ruhe gibst, meinetwegen. Dann spar ich mir nachher den Stepper..“
Sie stiegen die 84 Stufen hoch bis zu der offenen Plattform.
„Tolle Aussicht.“, nuschelte Peter ironisch.
„Ja, genau.“, erwiderte Jan. „Genau das wollte ich Dir zeigen. In eurem Inner Circle macht ihr euch vielleicht gern über das dämliche Christenpack lustig, aber am Ende sind wir es, die die Dinge viel mehr überblicken, als euch lieb ist.“
„Jetzt hör auf, mich mit deinen neutestamentlichen Metaphern zu nerven. Sag, was du sagen willst oder lass uns sofort wieder runter gehen. Dieses Kaff sieht nicht mal von oben toll aus.“
„Ich weiß, was ihr getan habt, Peter.“
„Was soll das heißen?“
„Das soll heißen, dass ich auch meine Maulwürfe in eurem JAGOT-Kungelverein habe. Ich weiß Bescheid, dass die sogenannte Jugendpolitische Arbeits-Gemeinschaft der Offenen Türen nur noch Theater ist und ihr die Mehrheit der Mitglieder im Vorfeld auf eine Strategie eingeschworen habt, uns raus zu kegeln. Wenn das raus kommt, Peter, und ich verspreche dir, das wird rauskommen, bist du ein für alle mal erledigt. Die werden dich nicht nur als Bezirksjugendpfleger an die Luft setzten, du kriegst überhaupt keinen Job mehr, nirgendwo.“
„Es wird aber nichts rauskommen.“, sagte Peter eiskalt, „weil es gar nichts gibt, was rauskommen könnte. - Und erst recht niemanden, aus dem es rauskommen könnte.“ Peter packte Jan blitzschnell am Kniegelenk und schleuderte ihn über die Brüstung. Als er zuerst den Schrei und dann das Aufschlagen des Körpers auf dem Pflaster hörte, verzog er angestrengt das Gesicht. Was hatte er getan? Wie kam er heil aus der Sache heraus? Er schrie verzweifelt: „Jan! Nein!“, um zu suggerieren, dass er von Jans Suzid überrascht worden war. Als er von oben die Straßen entlang blickte, sah er nirgendwo eine Menschenseele. Die waren wohl alle beim Stadtfest. Niemand wusste, dass er mit Jan auf dem Turm gewesen war. Und wenn es doch ans Licht käme, könnte er noch immer behaupten, er habe unter Schock gestanden und mit einer Aussage sowieso nichts mehr an dem Unglück ändern können.
DREI TAGE ZUVOR
„Wir müssen da noch einmal drüber reden, Peter. Du sitzt da an deinem Schreibtisch und kriegst überhaupt nicht mehr mit, was in den Stadtteilen abgeht. Ich habe dich hier, glaube ich, das letzte Mal vor drei Jahren gesehen. Komm hier mal Mittags vorbei und sieh dir den Laden an, bevor du so weitreichende Entscheidungen triffst.“
„Die Entscheidung habe doch nicht ich getroffen.“, verteidigte sich Peter. „Das war die JAGOT. Pass mal auf. Ich habe jetzt echt keine Zeit. Ich denke, übermorgen lässt sich da was einrichten, so gegen sieben. Mittags geht’s wirklich nicht.“
„Du hast Angst vor der Zielgruppe.“
„Das ist doch Quatsch!“
„Klar, warum sonst hast du dir so einen Behörden-Sesselpupser-Job gesucht, statt an der Basis zu kämpfen, wie du es mal gelernt hast?“
„Jan, ich beende das jetzt. Ich komme übermorgen gegen sieben. Wenn du da bist, bist du da, wenn nicht, dann eben nicht.“
Peter legte auf. „Verdammte Flachpfeife.“, zischte er. „Kriegt selber nichts gebacken und krepelt als Opa noch im Jugendzentrum rum und macht mir zum Vorwurf, dass ich nicht genauso ein Versager bin wie er.“
FÜNF TAGE ZUVOR
„Kommen wir jetzt zu TOP sechs.“, erklärte Peter, der als Bezirksjugendpfleger durch die Sitzung der JAGOT führte. „Es gab da noch einige Änderungen bei den Richtlinien für die Förderungsvoraussetzungen der offenen Türen. Kannst du das mal für alle zusammenfassen, Axel?“
Axel von den Falken brachte es auf den Punkt: „Also vor allem wollen wir endlich glattziehen, dass die Aufgabenbereiche des Offenen Ganztags und die der Jugendzentren deutlich voneinander abgegrenzt sind. Wir arbeiten bedarfsorientiert und müssen unserer Zielgruppe Öffnungszeiten im Bereich des späten Nachmittags, des Abends und an den Wochenenden bieten.“
Jan von der Evangelischen Jugend meldete sich zu Wort: „Ihr wisst doch alle, dass in unseren drei Jugendzentren ein Großteil der Besucher aufgrund des Mittagstisches und der Hausaufgabenhilfe zu uns kommt.“
„Das sind nicht die Kernaufgaben der Häuser der offenen Türen.“, konstatierte Esther von der Arbeiterwohlfahrt. „Dafür ist die OGS zuständig.“
„Die es ja in eurer Trägerschaft nur höchst unzureichend auf die Reihe kriegt.“, polemisierte Jan. „Ihr seid doch nur unruhig wegen unserer hohen Besucherzahlen, von denen ihr alle nur träumen könnt. Also werden sich schnell mal ein paar Kriterien zurecht gelegt, damit das Erfolgsmodell Mittagstisch als Methode der Einrichtungsbindung nicht mehr greift und man unsere Besucherzahlen kleinrechnen kann.“
„Keiner will euch kleinrechnen.“, beschwichtigte Peter den Leiter des Evangelischen Jugendzentrums. „Wir haben das in der Redaktionsgruppe nur inhaltlich diskutiert und hier wird es ja erst abgestimmt. Niemand verbietet euch, weiterhin euren Mittagstisch und eure Hausaufgabenhilfe anzubieten, es gehört nur nicht zu euren Kernaufgaben.“
„Ja, schön, aber wie sollen wir das bei unserem begrenzten Personalstamm hinbekommen, wenn wir plötzlich weiter in den Abend und am Wochenende Öffnungszeiten vorhalten müssen?“
„Es gibt doch Honorarkräfte.“
„Die Kräfte schon.“, antwortete Jan. „Nur bekommen wir leider nicht die Mittel, um diese Kräfte zu bezahlen.“
Die Diskussion drehte sich im Kreis und schließlich wurde sie von Peter beendet und abgestimmt. Mit neun Stimmen dafür und drei Gegenstimmen von den Vertretern der Evangelischen Jugend wurden die Änderungsvorschläge verabschiedet.
Als die Versammlung sich auflöste und Jan frustriert und verärgert sein Auto aufschloss, stand plötzlich Andi Bosse vom Verein „Klau's und Bring's“ neben ihm, der das autonome Jugendzentrum „Klaus Störtebeker“ vertrat. Er raunte: „Ich muss dir was erzählen, aber versprich mir, dass du keinem verrätst, von wem du es weißt.“
16 TAGE ZUVOR
Der Bezirksjugendpfleger Peter, die AWO-Managerin Esther und Falken-Geschäftsführer Axel, saßen im Jugendamt vor ihren Kaffeebechern und grinsten.
„Ich finde, das ist eine richtig gute Lösung.“, meinte Esther. „Die Argumente sind sachlich und wenn die Scheiß Evangelen ihre Suppenküchen-Sozialarbeit nicht mehr finanziert kriegen, gehen da auch keine Jugendlichen mehr hin und wir haben endlich die richtigen Argumente, diese religiösen Kaderschmieden ein für alle mal dicht zu machen.“
„Ja, so schlimm sind die nun auch wieder nicht.“, hielt Axel dagegen. „Ich bin ja auch eher religiös unmusikalisch, aber mein Sohn war vom Konfi-Camp ganz begeistert und die haben es nicht geschafft ihn zu indoktrinieren. Hörte sich auch nicht so an, als ob sie es versucht hätten. Aber die Kohle ist knapp und es hat wenig Sinn, überall nach dem Rasenmäherprinzip zu kürzen, da muss man Prioritäten setzen. Der öffentliche Träger schützt seine städtischen Mitarbeiter sowieso. Einem autonomen Jugendzentrum die Kohle zu kürzen fände ich politisch absolut nicht vertretbar, eine SPD-Kommune ohne Falken ist wie DGB ohne Gewerkschaftsjugend, die Sportjugend zu schröpfen wäre politischer Selbstmord und vom KuJU halte ich definitiv mehr als von den alten Häusern der Offenen Tür, die die Kirchen sich mal irgendwann geleistet haben, als das Geld noch in Strömen floss.“
„Eben.“, pflichtete Peter ihm bei. „Darum wäre ich auch dafür, dass wir mit den übrigen freien Trägern Gespräche führen, damit sie diese Änderungen durchwinken, dann wird es eine leichte Übung, die Evangelische Jugend und eventuelle Sympathisanten zu überstimmen.“
„Wer knöpft sich wen vor?“, fragte Esther geschäftig.
„Also ich habe wohl den besten Draht zu Margit vom Kinder- und Jugend-Universum und ich glaube, Axel, du hast doch noch Kontakte zu „Klau's und Bring's“, oder?“
„Als wenn du früher nicht im Störtebeker rumgehangen hättest.“, erwiderte Axel grinsend.
„Aber du hast recht, ich kann ganz gut mit Andi Bosse.“
„Dann kümmere ich mich um die Sportjugend.“, erklärte Esther. „Haben wir noch irgendwen vergessen?“
„Nee, lass mal lieber.“, bremste Peter sie. „Die BSV ist total unberechenbar, die Julis und die Junge Union würden uns an die Gurgel gehen und wenn der Schnulli von den Jusos Verschwörungen wittert, spielt er gern den Helden, auch wenn es eigentlich in seinem Sinne wäre. Die ganzen kleinen freien Träger haben ja eh keine Jugendzentren. Wir müssen einfach die Diskussion kurz halten und alles durchwinken, bevor irgendwer Verdacht schöpft, dass wir das vorher abgekartet haben.“
Esther hob ihren Kaffeebecher: „Ex und Hopp.“, skandierte sie pathetisch und leerte den Becher in einem Zug.
EIN TAG ZUVOR
„Komm mal mit auf den Kirchturm, Peter, ich will dir was zeigen.“
„Hör mal, Jan, ich habe noch einiges zu erledigen heute Abend und irgendwann will ich auch mal nach Hause. Sag einfach, was du zu sagen hast.“
„Ach komm, so viel Zeit muss sein, vielleicht ist das ja die letzte Gelegenheit, denn wer weiß, wo ich demnächst unterkomme.“
„Jetzt sei doch nicht so pessimistisch. Aber damit du endlich Ruhe gibst, meinetwegen. Dann spar ich mir nachher den Stepper..“
Sie stiegen die 84 Stufen hoch bis zu der offenen Plattform.
„Tolle Aussicht.“, nuschelte Peter ironisch.
„Ja, genau.“, erwiderte Jan. „Genau das wollte ich Dir zeigen. In eurem Inner Circle macht ihr euch vielleicht gern über das dämliche Christenpack lustig, aber am Ende sind wir es, die die Dinge viel mehr überblicken, als euch lieb ist.“
„Jetzt hör auf, mich mit deinen neutestamentlichen Metaphern zu nerven. Sag, was du sagen willst oder lass uns sofort wieder runter gehen. Dieses Kaff sieht nicht mal von oben toll aus.“
„Ich weiß, was ihr getan habt, Peter.“
„Was soll das heißen?“
„Das soll heißen, dass ich auch meine Maulwürfe in eurem JAGOT-Kungelverein habe. Ich weiß Bescheid, dass die sogenannte Jugendpolitische Arbeits-Gemeinschaft der Offenen Türen nur noch Theater ist und ihr die Mehrheit der Mitglieder im Vorfeld auf eine Strategie eingeschworen habt, uns raus zu kegeln. Wenn das raus kommt, Peter, und ich verspreche dir, das wird rauskommen, bist du ein für alle mal erledigt. Die werden dich nicht nur als Bezirksjugendpfleger an die Luft setzten, du kriegst überhaupt keinen Job mehr, nirgendwo.“
„Es wird aber nichts rauskommen.“, sagte Peter eiskalt, „weil es gar nichts gibt, was rauskommen könnte. - Und erst recht niemanden, aus dem es rauskommen könnte.“ Peter packte Jan blitzschnell am Kniegelenk und schleuderte ihn über die Brüstung. Als er zuerst den Schrei und dann das Aufschlagen des Körpers auf dem Pflaster hörte, verzog er angestrengt das Gesicht. Was hatte er getan? Wie kam er heil aus der Sache heraus? Er schrie verzweifelt: „Jan! Nein!“, um zu suggerieren, dass er von Jans Suzid überrascht worden war. Als er von oben die Straßen entlang blickte, sah er nirgendwo eine Menschenseele. Die waren wohl alle beim Stadtfest. Niemand wusste, dass er mit Jan auf dem Turm gewesen war. Und wenn es doch ans Licht käme, könnte er noch immer behaupten, er habe unter Schock gestanden und mit einer Aussage sowieso nichts mehr an dem Unglück ändern können.
DREI TAGE ZUVOR
„Wir müssen da noch einmal drüber reden, Peter. Du sitzt da an deinem Schreibtisch und kriegst überhaupt nicht mehr mit, was in den Stadtteilen abgeht. Ich habe dich hier, glaube ich, das letzte Mal vor drei Jahren gesehen. Komm hier mal Mittags vorbei und sieh dir den Laden an, bevor du so weitreichende Entscheidungen triffst.“
„Die Entscheidung habe doch nicht ich getroffen.“, verteidigte sich Peter. „Das war die JAGOT. Pass mal auf. Ich habe jetzt echt keine Zeit. Ich denke, übermorgen lässt sich da was einrichten, so gegen sieben. Mittags geht’s wirklich nicht.“
„Du hast Angst vor der Zielgruppe.“
„Das ist doch Quatsch!“
„Klar, warum sonst hast du dir so einen Behörden-Sesselpupser-Job gesucht, statt an der Basis zu kämpfen, wie du es mal gelernt hast?“
„Jan, ich beende das jetzt. Ich komme übermorgen gegen sieben. Wenn du da bist, bist du da, wenn nicht, dann eben nicht.“
Peter legte auf. „Verdammte Flachpfeife.“, zischte er. „Kriegt selber nichts gebacken und krepelt als Opa noch im Jugendzentrum rum und macht mir zum Vorwurf, dass ich nicht genauso ein Versager bin wie er.“
FÜNF TAGE ZUVOR
„Kommen wir jetzt zu TOP sechs.“, erklärte Peter, der als Bezirksjugendpfleger durch die Sitzung der JAGOT führte. „Es gab da noch einige Änderungen bei den Richtlinien für die Förderungsvoraussetzungen der offenen Türen. Kannst du das mal für alle zusammenfassen, Axel?“
Axel von den Falken brachte es auf den Punkt: „Also vor allem wollen wir endlich glattziehen, dass die Aufgabenbereiche des Offenen Ganztags und die der Jugendzentren deutlich voneinander abgegrenzt sind. Wir arbeiten bedarfsorientiert und müssen unserer Zielgruppe Öffnungszeiten im Bereich des späten Nachmittags, des Abends und an den Wochenenden bieten.“
Jan von der Evangelischen Jugend meldete sich zu Wort: „Ihr wisst doch alle, dass in unseren drei Jugendzentren ein Großteil der Besucher aufgrund des Mittagstisches und der Hausaufgabenhilfe zu uns kommt.“
„Das sind nicht die Kernaufgaben der Häuser der offenen Türen.“, konstatierte Esther von der Arbeiterwohlfahrt. „Dafür ist die OGS zuständig.“
„Die es ja in eurer Trägerschaft nur höchst unzureichend auf die Reihe kriegt.“, polemisierte Jan. „Ihr seid doch nur unruhig wegen unserer hohen Besucherzahlen, von denen ihr alle nur träumen könnt. Also werden sich schnell mal ein paar Kriterien zurecht gelegt, damit das Erfolgsmodell Mittagstisch als Methode der Einrichtungsbindung nicht mehr greift und man unsere Besucherzahlen kleinrechnen kann.“
„Keiner will euch kleinrechnen.“, beschwichtigte Peter den Leiter des Evangelischen Jugendzentrums. „Wir haben das in der Redaktionsgruppe nur inhaltlich diskutiert und hier wird es ja erst abgestimmt. Niemand verbietet euch, weiterhin euren Mittagstisch und eure Hausaufgabenhilfe anzubieten, es gehört nur nicht zu euren Kernaufgaben.“
„Ja, schön, aber wie sollen wir das bei unserem begrenzten Personalstamm hinbekommen, wenn wir plötzlich weiter in den Abend und am Wochenende Öffnungszeiten vorhalten müssen?“
„Es gibt doch Honorarkräfte.“
„Die Kräfte schon.“, antwortete Jan. „Nur bekommen wir leider nicht die Mittel, um diese Kräfte zu bezahlen.“
Die Diskussion drehte sich im Kreis und schließlich wurde sie von Peter beendet und abgestimmt. Mit neun Stimmen dafür und drei Gegenstimmen von den Vertretern der Evangelischen Jugend wurden die Änderungsvorschläge verabschiedet.
Als die Versammlung sich auflöste und Jan frustriert und verärgert sein Auto aufschloss, stand plötzlich Andi Bosse vom Verein „Klau's und Bring's“ neben ihm, der das autonome Jugendzentrum „Klaus Störtebeker“ vertrat. Er raunte: „Ich muss dir was erzählen, aber versprich mir, dass du keinem verrätst, von wem du es weißt.“
16 TAGE ZUVOR
Der Bezirksjugendpfleger Peter, die AWO-Managerin Esther und Falken-Geschäftsführer Axel, saßen im Jugendamt vor ihren Kaffeebechern und grinsten.
„Ich finde, das ist eine richtig gute Lösung.“, meinte Esther. „Die Argumente sind sachlich und wenn die Scheiß Evangelen ihre Suppenküchen-Sozialarbeit nicht mehr finanziert kriegen, gehen da auch keine Jugendlichen mehr hin und wir haben endlich die richtigen Argumente, diese religiösen Kaderschmieden ein für alle mal dicht zu machen.“
„Ja, so schlimm sind die nun auch wieder nicht.“, hielt Axel dagegen. „Ich bin ja auch eher religiös unmusikalisch, aber mein Sohn war vom Konfi-Camp ganz begeistert und die haben es nicht geschafft ihn zu indoktrinieren. Hörte sich auch nicht so an, als ob sie es versucht hätten. Aber die Kohle ist knapp und es hat wenig Sinn, überall nach dem Rasenmäherprinzip zu kürzen, da muss man Prioritäten setzen. Der öffentliche Träger schützt seine städtischen Mitarbeiter sowieso. Einem autonomen Jugendzentrum die Kohle zu kürzen fände ich politisch absolut nicht vertretbar, eine SPD-Kommune ohne Falken ist wie DGB ohne Gewerkschaftsjugend, die Sportjugend zu schröpfen wäre politischer Selbstmord und vom KuJU halte ich definitiv mehr als von den alten Häusern der Offenen Tür, die die Kirchen sich mal irgendwann geleistet haben, als das Geld noch in Strömen floss.“
„Eben.“, pflichtete Peter ihm bei. „Darum wäre ich auch dafür, dass wir mit den übrigen freien Trägern Gespräche führen, damit sie diese Änderungen durchwinken, dann wird es eine leichte Übung, die Evangelische Jugend und eventuelle Sympathisanten zu überstimmen.“
„Wer knöpft sich wen vor?“, fragte Esther geschäftig.
„Also ich habe wohl den besten Draht zu Margit vom Kinder- und Jugend-Universum und ich glaube, Axel, du hast doch noch Kontakte zu „Klau's und Bring's“, oder?“
„Als wenn du früher nicht im Störtebeker rumgehangen hättest.“, erwiderte Axel grinsend.
„Aber du hast recht, ich kann ganz gut mit Andi Bosse.“
„Dann kümmere ich mich um die Sportjugend.“, erklärte Esther. „Haben wir noch irgendwen vergessen?“
„Nee, lass mal lieber.“, bremste Peter sie. „Die BSV ist total unberechenbar, die Julis und die Junge Union würden uns an die Gurgel gehen und wenn der Schnulli von den Jusos Verschwörungen wittert, spielt er gern den Helden, auch wenn es eigentlich in seinem Sinne wäre. Die ganzen kleinen freien Träger haben ja eh keine Jugendzentren. Wir müssen einfach die Diskussion kurz halten und alles durchwinken, bevor irgendwer Verdacht schöpft, dass wir das vorher abgekartet haben.“
Esther hob ihren Kaffeebecher: „Ex und Hopp.“, skandierte sie pathetisch und leerte den Becher in einem Zug.
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