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Samstag, 28. Dezember 2019
Oh Tannenbaum
c. fabry, 22:07h
Die Atemzüge vom Sofa waren schon seit einiger Zeit regelmäßig, die Kerzen aber höchstens zur Hälfte heruntergebrannt, endlich mal Gelegenheit, bei Festbeleuchtung zum Leben zu erwachen. Die Lebkuchenfrau sah sich um: da neben ihrem Mann hing immer noch der schwarze Engel, schön wie die Sünde, bunt bemalt wie die klare Winterdämmerung, glatt, schlank und glänzend.
„Frag ihn doch mal, wo er herkommt“, zischte sie ihrem Mann zu, der gelangweilt an seiner Goldkordel baumelte und ins Kerzenlicht blinzelte.
„Warum willst du das wissen?“, stöhnte er.
„Jetzt frag schon!“
„Verzeihung, Sie sind wohl nicht von hier?“
Der Engel reagierte nicht, drehte sich nur leicht und schillernd im Kerzenlicht.
„Der redet nicht mit uns, ist sich wohl zu fein.“
Die Lebkuchenfrau nahm all ihren Mut zusammen: „Sie, schwarzer Engel, hatten Sie eine weite Reise oder sind Sie auch hier im Haus zum Leben erwacht?“
„Ach, Sie meinen mich.“, flüsterte der schwarze Engel. „Ich kam mit der Post. Und wo ich genau zum Leben erwacht bin, weiß ich nicht. Das hier ist mein zweites, früher war ich ein Tonträger für Musik, also nicht für dieses Gedudel, das der pupsende Schnarchsack da auf dem Sofa hört, etwas Flotteres, aber dann hatte die Platte irgendwann so viele Kratzer, dass sie eigentlich verbrannt werden sollte, zusammen mit Zigarettenkippen, Papierschnipseln, Kerzenresten, verdorbener Wurst und allerlei staubigem Unrat. Jemand rettete mich und wir wurden viele. Dann riss man uns auseinander und nun bin ich hier. Und Sie sind beide hier erweckt worden?“
„Ganz genau.“, erklärte der Lebkuchenmann steif. „Wir sind von hier. Waren nie woanders. Sind immer am Ort unserer Bestimmung geblieben.“
„Wer‘s glaubt.“, flüsterte der schwarze Engel und behielt für sich, dass das Lebkuchenpaar wohl sehr bald in irgendeinem Darm enden würde, während er selbst davon ausgehen konnte, wieder in Seidenpapier gewickelt in eine Kiste gelegt zu werden, um sich nach etwa einem Jahr wieder im Kerzenschein zu drehen. Das geradlinig gebackene Strichmännchen war ihm einfach zu blöd, aber das kurvige, wohlgerundete, weibliche Pendant verfügte über einen gewissen Charme und für die Restlaufzeit in der hiesigen Blaufichte wäre sie eine entzückende Gesprächspartnerin und wer wusste das schon, vielleicht auch etwas mehr.
„Sind Sie zusammen aus dem Ofen gekommen?“, fragte der schwarze Engel interessiert und zwinkerte der Lebkuchenfrau zu, der plötzlich ganz heiß wurde.
„Ja“, antwortete sie sanft. „Wir stammen vom selben Blech. Man sucht sich halt nicht aus, mit wem man sein Leben verbringt.“
„Das klingt ja gerade so, als sei es unabänderlich.“, säuselte der Lebkuchenmann und versetzte sich selbst zunehmend in Schwingung. Inspiriert von seinem Schwung verfiel die Lebkuchenfrau in denselben Rhythmus. Ganz außer sich vor Wonne bemerkte sie gar nicht, wie ihr von der aufsteigenden Feuchtigkeit ein Teil ihres Zuckergussrandes von der Hüfte fiel.
„Oh oh“, säuselte der Engel. „Sie übertreffen all meine Erwartungen, wer hätte gedacht, dass Sie so freigebig ihre Hüllen fallen lassen.“
„Aber nicht doch“, erwiderte die Lebkuchenfrau verschämt und ihr Mann wurde ebenfalls in Schwingung versetzt – vor Zorn über die dreiste Annäherung des Auswärtigen und auch durch den Rhythmus der anderen beiden.
Schon bald hatte der schwarze Engel sein Ziel erreicht. Der farblose, fahle Lebkuchenmann wankte ein ums andere Mal durch eine immer heftiger züngelnde Kerzenflamme, bis er schließlich ganz verkohlt war, sogar seine einst so strahlend weiße Zuckerkruste bestand nur noch aus dunkelbraunen Borken und am Ende war er zwischen Loch und Schädeldecke so dünn und mürbe, dass die Goldkordel den schmalen Steg durchschnitt und er berstend zu Boden ging.
„Oh“, entfuhr es der Lebkuchenfrau schuldbewusst, aber sie fühlte auch eine freudige Erregung in sich aufsteigen, weil nun nichts mehr zwischen ihr und dem bildschönen Exoten hing.
Der lächelte verstohlen und raunte: „Am Ende denken sowieso alle, dass es die Katze gewesen ist.“
„Frag ihn doch mal, wo er herkommt“, zischte sie ihrem Mann zu, der gelangweilt an seiner Goldkordel baumelte und ins Kerzenlicht blinzelte.
„Warum willst du das wissen?“, stöhnte er.
„Jetzt frag schon!“
„Verzeihung, Sie sind wohl nicht von hier?“
Der Engel reagierte nicht, drehte sich nur leicht und schillernd im Kerzenlicht.
„Der redet nicht mit uns, ist sich wohl zu fein.“
Die Lebkuchenfrau nahm all ihren Mut zusammen: „Sie, schwarzer Engel, hatten Sie eine weite Reise oder sind Sie auch hier im Haus zum Leben erwacht?“
„Ach, Sie meinen mich.“, flüsterte der schwarze Engel. „Ich kam mit der Post. Und wo ich genau zum Leben erwacht bin, weiß ich nicht. Das hier ist mein zweites, früher war ich ein Tonträger für Musik, also nicht für dieses Gedudel, das der pupsende Schnarchsack da auf dem Sofa hört, etwas Flotteres, aber dann hatte die Platte irgendwann so viele Kratzer, dass sie eigentlich verbrannt werden sollte, zusammen mit Zigarettenkippen, Papierschnipseln, Kerzenresten, verdorbener Wurst und allerlei staubigem Unrat. Jemand rettete mich und wir wurden viele. Dann riss man uns auseinander und nun bin ich hier. Und Sie sind beide hier erweckt worden?“
„Ganz genau.“, erklärte der Lebkuchenmann steif. „Wir sind von hier. Waren nie woanders. Sind immer am Ort unserer Bestimmung geblieben.“
„Wer‘s glaubt.“, flüsterte der schwarze Engel und behielt für sich, dass das Lebkuchenpaar wohl sehr bald in irgendeinem Darm enden würde, während er selbst davon ausgehen konnte, wieder in Seidenpapier gewickelt in eine Kiste gelegt zu werden, um sich nach etwa einem Jahr wieder im Kerzenschein zu drehen. Das geradlinig gebackene Strichmännchen war ihm einfach zu blöd, aber das kurvige, wohlgerundete, weibliche Pendant verfügte über einen gewissen Charme und für die Restlaufzeit in der hiesigen Blaufichte wäre sie eine entzückende Gesprächspartnerin und wer wusste das schon, vielleicht auch etwas mehr.
„Sind Sie zusammen aus dem Ofen gekommen?“, fragte der schwarze Engel interessiert und zwinkerte der Lebkuchenfrau zu, der plötzlich ganz heiß wurde.
„Ja“, antwortete sie sanft. „Wir stammen vom selben Blech. Man sucht sich halt nicht aus, mit wem man sein Leben verbringt.“
„Das klingt ja gerade so, als sei es unabänderlich.“, säuselte der Lebkuchenmann und versetzte sich selbst zunehmend in Schwingung. Inspiriert von seinem Schwung verfiel die Lebkuchenfrau in denselben Rhythmus. Ganz außer sich vor Wonne bemerkte sie gar nicht, wie ihr von der aufsteigenden Feuchtigkeit ein Teil ihres Zuckergussrandes von der Hüfte fiel.
„Oh oh“, säuselte der Engel. „Sie übertreffen all meine Erwartungen, wer hätte gedacht, dass Sie so freigebig ihre Hüllen fallen lassen.“
„Aber nicht doch“, erwiderte die Lebkuchenfrau verschämt und ihr Mann wurde ebenfalls in Schwingung versetzt – vor Zorn über die dreiste Annäherung des Auswärtigen und auch durch den Rhythmus der anderen beiden.
Schon bald hatte der schwarze Engel sein Ziel erreicht. Der farblose, fahle Lebkuchenmann wankte ein ums andere Mal durch eine immer heftiger züngelnde Kerzenflamme, bis er schließlich ganz verkohlt war, sogar seine einst so strahlend weiße Zuckerkruste bestand nur noch aus dunkelbraunen Borken und am Ende war er zwischen Loch und Schädeldecke so dünn und mürbe, dass die Goldkordel den schmalen Steg durchschnitt und er berstend zu Boden ging.
„Oh“, entfuhr es der Lebkuchenfrau schuldbewusst, aber sie fühlte auch eine freudige Erregung in sich aufsteigen, weil nun nichts mehr zwischen ihr und dem bildschönen Exoten hing.
Der lächelte verstohlen und raunte: „Am Ende denken sowieso alle, dass es die Katze gewesen ist.“
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