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Samstag, 30. Juni 2018
Konfi-Camp-Vorlauf – Kurzkrimi, auch als Black Story geeignet*
c. fabry, 01:03h
Wenn sie gewusst hätte, dass Rike längst in den Startlöchern saß, hätte sie keine Schuld auf sich geladen.
Einige Tage zuvor:
Diesmal würde es klappen, ganz bestimmt. Mit fünfzehn war sie eh noch zu jung gewesen, mit sechzehn hatte sie die JuLeiCa-Schulung verpasst, mit siebzehn war sie krank gewesen und dann hatte es geheißen: Ja klar, du wärst ja eigentlich auch mal dran, aber wir haben hier gerade so eine harmonische Teamer-Clique, die wollen wir ungern auseinanderreißen. Sie hatte sich regelrecht betrogen gefühlt, aber dann hatte Jacky aus der Nachbargemeinde die geniale Idee gehabt, dass sie übers Orga-Team mitfahren könnte.
Die Mail an die Camp-Leitung hatte sie abgeschickt und jetzt wartete sie aufgeregt auf die Bestätigung. Sie würde jede Menge Spaß haben, tagsüber Sonne tanken, nachts heimlich im See baden und Jacky wäre die ganze Zeit dabei.
Jacky war schon immer cool drauf gewesen, hatte aber in jedem Jahr an Schönheit und Charme gewonnen. Es hatte immer an Gelegenheiten gefehlt, sich näher kennenzulernen und nun sah sie es vor sich wir überreife Kirschen, die direkt vor dem offenen Mund in der Sonne glänzten. Die warme Luft, die durchs offene Fenster hereinströmte, roch nach Verheißung, und ein Hochgefühl bemächtigte sich ihres ganzen Körpers.
Ping! Da war das langersehnte Geräusch, die Zusage aus dem Jugendreferat. Ihr Herz machte einen Satz und sie wechselte auf die geöffnete Seite ihres E-Mail-Accounts. Da stand:
Hallo Lena!
Toll, dass Du Dein Interesse bekundet hast, aber leider sind alle Mitarbeiter-Plätze belegt. Vielleicht klappt es ja im nächsten Jahr.
Liebe Grüße, Jochen
Waaas? Das konnte doch nicht wahr sein! Die eingebildete Luca war doch auch noch ins Orga-Team gerutscht, obwohl sie schon dreimal mitgefahren war. Das Leben war so ungerecht! Es war wie eh und je das Gleiche. Immer hatten die Anderen den ganzen Spaß und sie musste in die Röhre gucken.
Und was, wenn sie es diesmal einfach nicht hinnähme? Wenn sie an entscheidender Stelle den Stecker zog, statt klaglos und störungsfrei Energie einzuspeisen? Jemand würde den Platz für sie räumen müssen und sie hatte schon entschieden, dass Luca ihre Wunschkandidatin war. Luca hatte alles, was Lena nicht hatte: ein Hingucker-Gesicht, eine Model-Figur, Pfirsichhaut und seidiges Haar, ein Einser-Abi, große Zukunftschancen, jede Menge Freunde und massenhaft Sex. Aber sie hatte noch etwas, das Lena nicht hatte: eine Erdnuss-Allergie. Und die war ganz besonders vertrackt, denn schon kleinste Spuren von Erdnüssen konnten einen lebensbedrohlichen, anaphylaktischen Schock auslösen. Lena fand ja, dass Luca sich mit ihrer Allergie wichtig tat und wie immer überall in den Mittelpunkt rückte. Dies sollte ihr nun zum Verhängnis werden.
Es war nicht schwierig, nach dem Mitarbeitendenkreis am Dienstag ging Luca immer joggen. Sie kam schon in ihrer unverschämt gut sitzenden Bodyshaper-Lauf-Montur zur Gruppe, um danach direkt durchzustarten. Auch so ein peinlicher Akt der Selbstinszenierung.
An diesem Abend wurde nicht nur Organisatorisches besprochen; es gab auch ein paar Team-Bildungs-Spiele. Beim langwierigen Blinden Hürdenlauf klagte Lena plötzlich über so ein Grummeln im Bauch, sie müsse mal verschwinden. Sie rannte eilig zum Klo und weil eine der Kabinen besetzt war, stürmte sie die freie Toilette und imitierte eklige Durchfall-Geräusche. Sie stöhnte und jammerte, und ihre Nachbarin suchte zügig das Weite. Sie würde alle anderen vor infernalischen Gerüchen warnen, und Lena öffnete ein Fenster, um den Mythos vom Flatterschiss aufrecht zu erhalten. Dann schlich sie vorsichtig in den Mitarbeiterraum und sah sich nach Lucas Laufrucksack um. Wie erwartet befand sich darin eine schicke Trinkflasche mit Lucas selbst gemixtem, isotonischen Getränk; auch so etwas , womit sie gerne angab. Sie schraubte den Verschluss ab und atmete tief durch. Wenn jetzt jemand hereinkäme, wäre sie geliefert. Nur die Ruhe bewahren und zügig arbeiten, umso größer die Chance, unentdeckt zu bleiben und Erfolg zu haben. Sie stellte die Flasche auf einen Stuhl und schraubte das Fläschchen mit dem Erdnussöl auf, das sie in der großräumigen Seitentasche ihrer Cargo-Hosen verstaut hatte. Ein paar Tropfen sollten genügen. Rasch verschloss sie das Öl und steckte es blitzschnell wieder ein, dann zog sie ein Fläschchen mit Emulgator hervor. Auch hiervon reichten ein paar Tropfen. So verhinderte sie, dass das Öl obenauf lag und sofort von Luca bemerkt worden wäre. Sie war gerade dabei, die Trinkflasche wieder sorgfältig zu verschließen, als sie Schritte auf dem Flur hörte. Ihr blieb keine zeit mehr, gründlich zu schütteln und so musste sie darauf setzen, dass das Getränk während des Laufens ausreichend gerüttelt und gemixt würde.
Sie ließ die Flasche zurück in Lucas Tasche gleiten und huschte hinter die Theke. Als die Tür geöffnet wurde, gab sie vor, gerade einen Becher Wasser geleert zu haben und sie hielt sich demonstrativ mit schmerzverzerrtem Gesicht den Bauch.
„Oh, du Ärmste!“, rief Luca mit gespieltem Bedauern aus. Die Anteilnahme sollte ehrlich rüberkommen, aber Lena wusste, dass es Luca egal war, ob sie Bauchweh hatte. Sie würde sich eh von ihr fernhalten, um sich nicht anzustecken.
„Seit wann geht es dir denn so schlecht?“, fragte sie nach.
„So schlecht erst seit eben.“, log Lena. „Aber mir war heute Morgen nach dem Aufstehen leicht schwindlig. Ich hoffe, das ist kein Virus. Ich will ja niemanden anstecken.“
„Nee, das wär' doof.“, pflichtete Luca ihr bei und nestelte an ihrem Rucksack herum. Verdammt! Wollte sie etwa jetzt schon etwas trinken? Dann bekäme sie ja sofort Hilfe und die ganze Mühe wäre umsonst gewesen. Doch Luca suchte nur ein Taschentuch und ihre merkwürdigen Blicke in Lenas Richtung verrieten ihre Gedanken: - Besser noch einmal gründlich die Hände waschen, damit ich mir dieses Virus nicht einfange. -
- Wenn du wüsstest, Bitch – feixte Lena innerlich und bedauerte beinahe, dass sie ihr nachher nicht beim Sterben zusehen konnte.
In der Nacht bekam sie tatsächlich Durchfall. Die Ungeheuerlichkeit ihrer Schuld schlug ihr auf die Därme. Fieber kam auch dazu. Als sie nach ein paar Tagen wieder zu Kräften kam, nahm sie sich die Nachrichten auf dem Smartphone vor. Die letzte Nachricht kam von Rike:
Kann mich gar nicht richtig freuen. Obwohl ich so gerne mit ins Konfi-Camp wollte, aber Lucas Tod, das ist wie ein großer Schatten, der jeden Sonnenstrahl verschluckt.
* Als Black Stories bekannt wurden Rätsel-Geschichten, in denen von einer/einem Eingeweihten ein einziger Satz in den Raum gestellt wird und die Mitspielenden müssen die Geschichte, die dahinter steckt, rekonstruieren, indem sie der/dem Eingeweihten Alternativfragen stellen, also solche, die ausschließlich mit Ja oder Nein beantwortet werden können.
Einige Tage zuvor:
Diesmal würde es klappen, ganz bestimmt. Mit fünfzehn war sie eh noch zu jung gewesen, mit sechzehn hatte sie die JuLeiCa-Schulung verpasst, mit siebzehn war sie krank gewesen und dann hatte es geheißen: Ja klar, du wärst ja eigentlich auch mal dran, aber wir haben hier gerade so eine harmonische Teamer-Clique, die wollen wir ungern auseinanderreißen. Sie hatte sich regelrecht betrogen gefühlt, aber dann hatte Jacky aus der Nachbargemeinde die geniale Idee gehabt, dass sie übers Orga-Team mitfahren könnte.
Die Mail an die Camp-Leitung hatte sie abgeschickt und jetzt wartete sie aufgeregt auf die Bestätigung. Sie würde jede Menge Spaß haben, tagsüber Sonne tanken, nachts heimlich im See baden und Jacky wäre die ganze Zeit dabei.
Jacky war schon immer cool drauf gewesen, hatte aber in jedem Jahr an Schönheit und Charme gewonnen. Es hatte immer an Gelegenheiten gefehlt, sich näher kennenzulernen und nun sah sie es vor sich wir überreife Kirschen, die direkt vor dem offenen Mund in der Sonne glänzten. Die warme Luft, die durchs offene Fenster hereinströmte, roch nach Verheißung, und ein Hochgefühl bemächtigte sich ihres ganzen Körpers.
Ping! Da war das langersehnte Geräusch, die Zusage aus dem Jugendreferat. Ihr Herz machte einen Satz und sie wechselte auf die geöffnete Seite ihres E-Mail-Accounts. Da stand:
Hallo Lena!
Toll, dass Du Dein Interesse bekundet hast, aber leider sind alle Mitarbeiter-Plätze belegt. Vielleicht klappt es ja im nächsten Jahr.
Liebe Grüße, Jochen
Waaas? Das konnte doch nicht wahr sein! Die eingebildete Luca war doch auch noch ins Orga-Team gerutscht, obwohl sie schon dreimal mitgefahren war. Das Leben war so ungerecht! Es war wie eh und je das Gleiche. Immer hatten die Anderen den ganzen Spaß und sie musste in die Röhre gucken.
Und was, wenn sie es diesmal einfach nicht hinnähme? Wenn sie an entscheidender Stelle den Stecker zog, statt klaglos und störungsfrei Energie einzuspeisen? Jemand würde den Platz für sie räumen müssen und sie hatte schon entschieden, dass Luca ihre Wunschkandidatin war. Luca hatte alles, was Lena nicht hatte: ein Hingucker-Gesicht, eine Model-Figur, Pfirsichhaut und seidiges Haar, ein Einser-Abi, große Zukunftschancen, jede Menge Freunde und massenhaft Sex. Aber sie hatte noch etwas, das Lena nicht hatte: eine Erdnuss-Allergie. Und die war ganz besonders vertrackt, denn schon kleinste Spuren von Erdnüssen konnten einen lebensbedrohlichen, anaphylaktischen Schock auslösen. Lena fand ja, dass Luca sich mit ihrer Allergie wichtig tat und wie immer überall in den Mittelpunkt rückte. Dies sollte ihr nun zum Verhängnis werden.
Es war nicht schwierig, nach dem Mitarbeitendenkreis am Dienstag ging Luca immer joggen. Sie kam schon in ihrer unverschämt gut sitzenden Bodyshaper-Lauf-Montur zur Gruppe, um danach direkt durchzustarten. Auch so ein peinlicher Akt der Selbstinszenierung.
An diesem Abend wurde nicht nur Organisatorisches besprochen; es gab auch ein paar Team-Bildungs-Spiele. Beim langwierigen Blinden Hürdenlauf klagte Lena plötzlich über so ein Grummeln im Bauch, sie müsse mal verschwinden. Sie rannte eilig zum Klo und weil eine der Kabinen besetzt war, stürmte sie die freie Toilette und imitierte eklige Durchfall-Geräusche. Sie stöhnte und jammerte, und ihre Nachbarin suchte zügig das Weite. Sie würde alle anderen vor infernalischen Gerüchen warnen, und Lena öffnete ein Fenster, um den Mythos vom Flatterschiss aufrecht zu erhalten. Dann schlich sie vorsichtig in den Mitarbeiterraum und sah sich nach Lucas Laufrucksack um. Wie erwartet befand sich darin eine schicke Trinkflasche mit Lucas selbst gemixtem, isotonischen Getränk; auch so etwas , womit sie gerne angab. Sie schraubte den Verschluss ab und atmete tief durch. Wenn jetzt jemand hereinkäme, wäre sie geliefert. Nur die Ruhe bewahren und zügig arbeiten, umso größer die Chance, unentdeckt zu bleiben und Erfolg zu haben. Sie stellte die Flasche auf einen Stuhl und schraubte das Fläschchen mit dem Erdnussöl auf, das sie in der großräumigen Seitentasche ihrer Cargo-Hosen verstaut hatte. Ein paar Tropfen sollten genügen. Rasch verschloss sie das Öl und steckte es blitzschnell wieder ein, dann zog sie ein Fläschchen mit Emulgator hervor. Auch hiervon reichten ein paar Tropfen. So verhinderte sie, dass das Öl obenauf lag und sofort von Luca bemerkt worden wäre. Sie war gerade dabei, die Trinkflasche wieder sorgfältig zu verschließen, als sie Schritte auf dem Flur hörte. Ihr blieb keine zeit mehr, gründlich zu schütteln und so musste sie darauf setzen, dass das Getränk während des Laufens ausreichend gerüttelt und gemixt würde.
Sie ließ die Flasche zurück in Lucas Tasche gleiten und huschte hinter die Theke. Als die Tür geöffnet wurde, gab sie vor, gerade einen Becher Wasser geleert zu haben und sie hielt sich demonstrativ mit schmerzverzerrtem Gesicht den Bauch.
„Oh, du Ärmste!“, rief Luca mit gespieltem Bedauern aus. Die Anteilnahme sollte ehrlich rüberkommen, aber Lena wusste, dass es Luca egal war, ob sie Bauchweh hatte. Sie würde sich eh von ihr fernhalten, um sich nicht anzustecken.
„Seit wann geht es dir denn so schlecht?“, fragte sie nach.
„So schlecht erst seit eben.“, log Lena. „Aber mir war heute Morgen nach dem Aufstehen leicht schwindlig. Ich hoffe, das ist kein Virus. Ich will ja niemanden anstecken.“
„Nee, das wär' doof.“, pflichtete Luca ihr bei und nestelte an ihrem Rucksack herum. Verdammt! Wollte sie etwa jetzt schon etwas trinken? Dann bekäme sie ja sofort Hilfe und die ganze Mühe wäre umsonst gewesen. Doch Luca suchte nur ein Taschentuch und ihre merkwürdigen Blicke in Lenas Richtung verrieten ihre Gedanken: - Besser noch einmal gründlich die Hände waschen, damit ich mir dieses Virus nicht einfange. -
- Wenn du wüsstest, Bitch – feixte Lena innerlich und bedauerte beinahe, dass sie ihr nachher nicht beim Sterben zusehen konnte.
In der Nacht bekam sie tatsächlich Durchfall. Die Ungeheuerlichkeit ihrer Schuld schlug ihr auf die Därme. Fieber kam auch dazu. Als sie nach ein paar Tagen wieder zu Kräften kam, nahm sie sich die Nachrichten auf dem Smartphone vor. Die letzte Nachricht kam von Rike:
Kann mich gar nicht richtig freuen. Obwohl ich so gerne mit ins Konfi-Camp wollte, aber Lucas Tod, das ist wie ein großer Schatten, der jeden Sonnenstrahl verschluckt.
* Als Black Stories bekannt wurden Rätsel-Geschichten, in denen von einer/einem Eingeweihten ein einziger Satz in den Raum gestellt wird und die Mitspielenden müssen die Geschichte, die dahinter steckt, rekonstruieren, indem sie der/dem Eingeweihten Alternativfragen stellen, also solche, die ausschließlich mit Ja oder Nein beantwortet werden können.
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