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Freitag, 21. Oktober 2016
JuLeiCa - abgeschlossener Kurzkrimi
c. fabry, 13:57h
31. Oktober 2015 – Walter von der Ahe, 71 Jahre alt, wird erstochen in seinem Garten in Hille-Südhemmern aufgefunden. Als Tatwaffe wird ein altmodischer Eispickel vermutet. Der Täter hatte etliche Male zugestochen, bevor er den letalen Stich ins Herz ansetzte. Walter von der Ahe hinterlässt einen Sohn, eine Schwiegertochter, und zwei Enkel.
06. Dezember 2015 – Karsten Göhner, 44 Jahre alt, wird im Mindener Stadtteil Haddenhausen erschlagen in seinem Wohnzimmer aufgefunden. Neben der Leiche liegt ein Jutesack sowie ein großer Knüppel aus Olivenholz. Er starb an seinen Kopfverletzungen. Karsten Göhner lebte allein, seine geschiedene Frau lebt mit dem gemeinsamen Sohn im Mindener Stadtteil Dützen.
08. März 2016 – Auf der A7 ereignet sich in den Kasseler Bergen ein tragischer Unfall. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen rast der 43-jährige Norbert Buthenuth aus Minden während einer Dienstreise nach München mit einer Geschwindigkeit von 180 Stundenkilometern ungebremst durch die Leitplanke in den Gegenverkehr. Der Fahrer des LKW mit dem er kollidiert ist schwerverletzt, wenn auch nicht lebensgefährlich. Buthenuth ist sofort tot. Er hinterlässt eine Ehefrau, einen erwachsenen Sohn und eine heranwachsende Tochter.
08. Mai 2016 – Porta Westfalica Kleinenbremen. Karin Kleinebekel wird in einem Waldstück in der Nähe ihres Wohnhauses an einen Baum gefesselt tot aufgefunden. Sie ist in Panik erstickt wäre aber innerhalb weniger Stunden an reduzierter Sauerstoffzufuhr und gestörter Blutzirkulation gestorben. Sie hinterlässt einen 16-jährigen Sohn. Sie starb ausgerechnet am Muttertag.
Ein Zusammenhang zwischen den Tötungsdelikten ist für die Behörden nicht erkennbar, vier voneinander unabhängige Teams ermitteln ergebnislos. Bei dem dritten Toten wird nicht einmal wegen Mordes ermittelt, weil die Behörden von einem Unfall oder Suizid ausgehen.
Oktober 2015
Judith atmete tief durch: Der Ankunftstag der achttägigen Jugendgruppenleiter-Schulung war überstanden. Fünfundzwanzig Mädchen und Jungen im Alter von fünfzehn oder sechzehn Jahren hatten ihre Betten bezogen, die Anweisungen der Hausleitung über sich ergehen lassen, zu Abend gegessen und einen Abend mit Namensspielen, Lockerungsübungen und weiteren Kennenlern-Aktivitäten verbracht. Johannes hatte den ersten Programmpunkt moderiert, jetzt saßen die Jugendlichen mehrheitlich im Schall-isolierten SpieleRaum im Keller, hörten Musik, kickerten oder spielten Billard. Die Gruppe machte insgesamt einen recht angenehmen Eindruck auf sie. Nach dieser Woche konnte sie sicher entspannt in den herbstlichen Freizeitausgleich gehen und die Dinge tun, zu denen ihr meistens die Zeit fehlte.
Am nächsten Morgen ahnte sie bereits, dass die stressfreie Ausbildung der Jugendlichen auf dem Weg zur Jugend-Leiter-Card eine schöne Wunschvorstellung bleiben würde. Carina aus Rodenbeck saß ihr am Frühstückstisch gegenüber vor einem leeren Teller und einer leeren Tasse mit ausdruckslosen, geröteten Augen.
„Willst du gar nichts essen?“, fragte Judith besorgt
Carina schüttelte wortlos den Kopf.
„Bist du krank?“
„Ich weiß nicht.“
„Trink doch wenigstens einen Tee.“
Carina goss sich etwas Tee in den Becher und nippte an der Tasse. Judith bemerkte, dass das Mädchen nur mühsam die Tränen zurückhalten konnte. Sie war zwar dran mit dem ersten Programmpunkt am Vormittag, doch hatte sie sicher noch Zeit für ein Gespräch unter vier Augen. Nach dem Frühstück bat sie Carina, sie eben ins Leiterzimmer zu begleiten.
„Jetzt sag mal, Carina, Dir geht’s doch nicht gut. Ist gestern Abend oder heute Morgen irgendwas passiert?“
„Nein.“
„Hast du Kopfschmerzen oder ist dir schlecht?“
„Ein bisschen.“
„Aber es gibt doch sicher ein Problem.“
„Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen.“
„Und warum nicht?“
„Probleme zu Hause.“
Die Sozialarbeiterin musste dem Mädchen alle Informationen einzeln aus der Nase ziehen, bis sich schließlich ein umfassendes Bild ergab: Carina war in Sorge um ihre Mutter und um ihren großen Bruder. Der Bruder, offensichtlich überfordert von den Bemühungen um einen Ausbildungsplatz oder wenigstens um einen Aushilfsjob, reagierte auf den elterlichen Druck mit Wut- und Gewaltausbrüchen. Schon einmal war er so heftig auf seine Mutter losgegangen, dass sie eigentlich einen Arzt hätte aufsuchen müssen, jedoch aus Scham darauf verzichtet hatte und auch, um ihren Sohn zu schützen. Carina selbst hatte einen guten Draht zu ihrem Bruder, verstand seine Ängste und Probleme und es gelang ihr, ihn in Konfliktsituationen zu beschwichtigen. Aber jetzt war die Mutter allein mit dem postpubertären, Affekt-anfälligen Kraftpaket und sie fürchtete um deren Gesundheit, wenn nicht sogar um ihr Leben und damit auch um die Zukunft ihres geliebten Bruders, der ihrem Dafürhalten nach nichts dafür konnte, dass er so voller Wut war, hatte der Vater ihm doch schon in frühester Kindheit zu verstehen gegeben, dass er nichts taugte, nichts konnte, zwei linke Hände hatte, zu dumm war, irgendetwas zu begreifen und seinem Unmut dadurch Ausdruck verliehen, dass er seinen Sohn ohrfeigte, schubste oder ihm sogar Tritte ins Gesäß verpasste. Zur Zeit war der Vater beruflich unterwegs, was einerseits dafür sprach, dass die häusliche Situation nicht eskalierte, andererseits aber auch bedeutete, dass die Mutter mit dem unberechenbaren Bruder allein zu Hause war. Carina war im Beratungsgespräch kaum zu beruhigen und nur schwer davon zu überzeugen, dass sie diese Woche Abstand für sich nutzen sollte, um Kräfte zu sammeln.
Am Sonntag schlich sie immer noch mit Tränen-verschmiertem Gesicht durchs Haus und beteiligte sich nur halbherzig an den Programmpunkten, doch Judith und Johannes fehlte die Zeit für Einzelfallhilfe, sie mussten sich auf ihr Schulungsprogramm konzentrieren und wie sich bald herausstellte, war Carina nicht der einzige Problemfall. Dorian aus Dützen war bereits allen erheblich auf die Nerven gegangen, als er bei dem Gemeinschaftsprojekt „Werkstatt-Gottesdienst“ ständig seine abwertenden Kommentare abgeben musste, während er, als er selbst an der Reihe war, nichts Nennenswertes zustande brachte. Als er am Abend auch jedes gruppendynamische Spiel torpedierte, schickte ihn Johannes nach dem vierten Zwischenfall schließlich vor die Tür, damit das Programm auch funktionierte. Judith übernahm die Einzelbetreuung, doch wie sie es auch anstellte, ob mit strengen Anweisungen, einfühlsamen Fragen oder Provokationen wie zum Beispiel: Wir können Dich auch den Rest der Woche als Küchenhilfe einsetzen, dann kriegst Du nicht nur keinen Spaß sondern auch keine JuLeiCa, weil Du von dem Programm ja nichts mitbekommst.“ Sie kam nicht an den Jungen heran. Er gab nur völlig sinnentleerte Unverschämtheiten von sich.
„Dorian, was sollen wir denn deiner Meinung mit dir machen?“, fragte Judith.
„Ihr sollt gar nichts mit mir machen. Ihr sollt mich in Ruhe lassen.“
„Aber du merkst doch sicher auch, dass es so mit dir nicht geht, du bringst das ganze Programm durcheinander.“
„Mir doch egal.“
„Dann musst du dich aber auch nicht wundern, wenn du uns irgendwann auch egal bist.“
„Na und? Das bin ich doch sowieso.“
„Nein, das bist du nicht. Wenn du uns egal wärst, hätten wir dich schon heute Morgen abholen lassen.“
„Ja mach doch, Alte.“
„Warum bist du denn überhaupt mitgefahren?“
„Ist doch meine Sache.“ Sprachs, machte auf dem Absatz kehrt und lief nach draußen.
„Dorian, wenn du jetzt abhaust, muss ich die Polizei anrufen.“, rief sie ihm hinterher und hoffte er würde auf dem Gelände bleiben. In ihrer Hilflosigkeit rief sie seine Mutter an. Als sie ihr das Problem eingehend geschildert hatte, meinte die: „Ja wir waren ja schon mit Dorian bei der Familienberatung. In der Schule gab es auch Probleme. Das liegt alles an seinem Vater, wissen Sie, der hat uns ständig verprügelt, als Dorian klein war. Zuerst habe ich noch gedacht, er kann sich ändern, aber nach ein paar Jahren habe ich mich endgültig von ihm getrennt. Mein neuer Lebenspartner kommt wirklich gut mit Dorian zurecht, aber mein Mann hat uns immer weiter terrorisiert, auch jetzt noch. Er schreibt Dorian What‘s-App-Nachrichten, in denen er ihm androht, dass er seinem Vater gefälligst etwas von seinem ersten Ausbildungsgehalt abgeben soll, er schulde ihm den Unterhalt, den er als Vater für ihn zahlen musste, weil er ja schließlich nichts von seinem Sohn hatte. Das muss man sich mal vorstellen. Die meiste Zeit bleibt er uns den Unterhalt schuldig, kriegt es immer wieder hin, dass er seine Arbeit nur kurz behält, damit er ja nichts verdient und nicht zahlen muss. Ich befürchte, er kommt auch noch irgendwann damit durch und lässt sich den Rest seines Lebens von seinem vernachlässigten Sohn versorgen, den er in den ersten Jahren schwer misshandelt hat. Es gab ja kürzlich so ein Gerichtsurteil.“
„Ja, das ist schlimm.“, gab Judith der verzweifelten Mutter Recht. „Die Frage ist, was machen wir jetzt mit Dorian? So wie er sich hier im Augenblick verhält, steht er nicht nur sich selbst im Weg, sondern mischt permanent die ganze Veranstaltung auf.“
„Ja, da kann ich Ihnen auch nicht weiterhelfen. Ich bin ja selbst völlig hilflos.“
„Sie würden sich also nicht zutrauen, ihm jetzt eindringlich ins Gewissen zu reden?“
„Wenn er so verrückt spielt, komme ich auch nicht an ihn heran.“
„Frau Göhner, wenn Sie so gar keine Idee haben, wie wir Ihren Sohn zur Vernunft bringen können, müssen Sie ihn abholen.“
„Fortmann. Ich heiße nicht mehr Göhner. Was das Abholen betrifft, ich habe gar kein Auto. Mein Mann ist unterwegs und wir haben nur einen Wagen.“
„Können Sie Ihren Mann nicht per Mobiltelefon erreichen?“
„Das stellt er bei diesen Gelegenheiten immer aus. Er kommt wohl auch erst mitten in der Nacht nach Hause und muss morgen früh gleich wieder los. Das geht jetzt die ganze Woche so.“
„Dann müssen Sie eine andere Lösung finden, Frau Fortmann. Leihen Sie sich ein Auto oder kommen Sie mit dem öffentlichen Nahverkehr hier hin. Wir können Ihre Sohn auch zum Bahnhof bringen und Sie organisieren, dass Sie ihn am Zielbahnhof abholen. Oder Sie versuchen jetzt mit ihm zu reden. Vielleicht erreichen Sie ja doch etwas.“
„Na gut, wenn Sie darauf bestehen, aber ich kann für nichts garantieren.“
Glücklicherweise hatte Dorian das Gelände nicht verlassen und war auch bereit, mit seiner Mutter zu sprechen. Das Gespräch zeigte eine größere Wirkung als die Mutter erwartet hatte. Er war danach immer noch schwierig, aber es war nicht mehr unmöglich, ihn an den Programmpunkten teilnehmen zu lassen.
Der Montag verlief ruhig. Am Dienstag geriet Johannes mit Leon aus Kleinenbremen aneinander. Er war bisher niemandem aufgefallen, war nicht sonderlich engagiert gewesen, hatte aber auch nicht gestört oder sichtbar Regeln verletzt. Nun hatte Johannes Leon nachts in einem Mädchenzimmer erwischt. Der Sozialarbeiter erklärte ihm, wenn er noch einmal eine Regel verletzen würde, müsse er nach Hause fahren. Jetzt rastete Leon vollständig aus: „Is‘ schon schlimm genug, dass die scheiß Weiber immer Terror machen, jetzt fängst du auch noch an.“, brüllte er. „Räum deine Hose weg, mach deine Schularbeiten, schon wieder nur `ne Drei in Mathe, aus dir wird doch nie was, räum die Spülmaschine aus, guck dich doch mal an, siehst genauso nichtsnutzig aus wie dein Erzeuger. Meine Alte kriegt nichts gebacken zu Hause. Sie geht den ganzen Tag arbeiten, verdient fast nichts und wenn sie nach Hause kommt hat sie schlechte Laune und nölt mich voll. Ich muss alles machen und immer hat sie was zu meckern, nie reicht irgendwas, nie ist irgendwas gut genug. Und hier bauen alle die ganze Zeit Scheiße und ich hab‘ überhaupt nichts gemacht und jetzt gehe ich einmal noch bei Nele und Lucie vorbei und sofort krieg ich ne Packung.“
Am Mittwoch führte Johannes ein längeres Gespräch mit Leon und stellte fest, dass der Junge in völlig unannehmbaren Verhältnissen aufwuchs. Sein Martyrium währte bereits zehn Jahre – nachdem der Vater die Mutter verlassen hatte. Sie war herrschsüchtig, cholerisch und völlig unberechenbar. Sie wurde zwar nicht körperlich gewalttätig, aber sie demütigte ihren Sohn mit unsinnigen Reinigungsarbeiten wie z.B. der gründlichen
Urinstein-Entfernung mit Hilfe einer alten Zahnbürste, sie sprach plötzlich und unerwartet Verbote aus, so dass der Junge ständig seine Pläne mit Freunden aufgeben und Verabredungen absagen musste. Dem Vater hatte sie auch eine Szene nach der anderen gemacht und als der sie gebeten hatte, sich professionelle, psychologische Hilfe zu holen, hatte sie sich geweigert. Schließlich hatte der Mann aufgegeben und war gegangen. Statt seinen Sohn ebenfalls aus dieser Hölle zu befreien, hatte er ihn einfach im Stich gelassen und war nach Australien ausgewandert. Leon versprach, für den Rest der Maßnahme die Regeln zu beachten und Johannes bot ihm an, den Kontakt zu einer Jugendberatungsstelle für ihn herzustellen, doch Leon winkte ab: „Die letzten drei Jahre sitze ich auf einer Arschbacke ab. Tagsüber ist sie ja weg und ich gehe zweimal die Woche abends zum Sport und zwei Mal ins Gemeindehaus. Am Wochenende sehe ich zu, dass ich bei meinen Freunden bin.“
Judith war fassungslos, dass nun schon der dritte Teilnehmer eine so unerträgliche Geschichte mitbrachte, doch der Gipfel des Schreckens war noch nicht erreicht.
Am Donnerstag durchliefen die Jugendlichen eine Mehrstationen-Andacht mit kurzen Texten, Raum für Stille, meditativen Elementen und Sinnesreizen, die das Risiko bargen, verdrängte Verletzungen an die Oberfläche zu befördern. Es flossen oft Tränen, denn viele hatten sich schon mal im sprichwörtlichen finsteren Tal befunden, von dem im 23. Psalm die Rede ist. Doch Melanies Tränen wollten nicht mehr versiegen. Melanie, aus dem abgelegenen Dorf Südhemmern, unscheinbar, zurückhaltend, höflich und leise. Niemand legte einen tröstenden Arm um ihre Schulter wie bei den hübschen, schmalschultrigen Langhaarblondinen. Melanie mit ihrem praktischen, aschblonden Kurzhaarschnitt, dem grenzwertigen Körpergewicht und den unvorteilhaften Proportionen: volle Schultern, Taillenspeck, flacher Po und wenig Brust. Judith hatte das Gefühl, der Schmerz des Mädchens war so überdeutlich, dass man ihn anfassen konnte. Und der Schmerz hatte einen furchtbaren Grund. Seit ihrem achten Lebensjahr wurde Melanie sexuell missbraucht. Von ihrem eigenen Großvater. Und die Eltern glaubten ihr kein Wort, wie so oft, wenn Kinder dieses Entsetzen erleben. Der Ruheständler erfreute sich bester Gesundheit und gab keinen Anlass zu der Hoffnung, die Natur würde diesen Horrorfilm beenden. Aber Melanie sah keinen Ausweg und auch nach zwei Stunden intensiven Zuhörens, Tröstens und Beratens fand sich kein Lösungsansatz, mit dem das Mädchen einverstanden war.
„All diese verantwortungslosen, inkompetenten, gleichgültigen Scheißeltern!“, dachte Judith wütend. Sie war so hilflos, es gab so wenig, was sie tun konnte. Die Hilfssysteme griffen meistens viel zu spät und das Gesetz bot kaum Möglichkeiten, frühzeitig und effektiv einzugreifen.
September 2016
Gerade eben hatte Judith mit Johannes die Details für die kommende JuLeiCa-Schulung abgesprochen. Sie hatten schon 15 Anmeldungen aus fünf Gemeinden des Kirchenkreises. Sicher würde es wieder voll werden. Sie dachte an das letzte Jahr zurück und hoffte, es diesmal ausschließlich mit behüteten Jugendlichen zu tun zu haben. Eine solche Konzentration von Problemfällen wie 2015 hatte sie nie zuvor erlebt. Vielleicht war das eine Ausnahme. Doch als sie so aus dem Fenster in die goldene Herbstsonne blinzelte und das fallende Laub betrachtete, mit dem sie schon immer den nahenden Tod assoziiert hatte, überlegte sie, ob sie in fünfzehn oder zwanzig Jahren nicht noch einmal genauso würde handeln müssen wie in den vergangenen Monaten, denn die Opfer von heute würden mit großer Wahrscheinlichkeit zu den Tätern von morgen werden.
06. Dezember 2015 – Karsten Göhner, 44 Jahre alt, wird im Mindener Stadtteil Haddenhausen erschlagen in seinem Wohnzimmer aufgefunden. Neben der Leiche liegt ein Jutesack sowie ein großer Knüppel aus Olivenholz. Er starb an seinen Kopfverletzungen. Karsten Göhner lebte allein, seine geschiedene Frau lebt mit dem gemeinsamen Sohn im Mindener Stadtteil Dützen.
08. März 2016 – Auf der A7 ereignet sich in den Kasseler Bergen ein tragischer Unfall. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen rast der 43-jährige Norbert Buthenuth aus Minden während einer Dienstreise nach München mit einer Geschwindigkeit von 180 Stundenkilometern ungebremst durch die Leitplanke in den Gegenverkehr. Der Fahrer des LKW mit dem er kollidiert ist schwerverletzt, wenn auch nicht lebensgefährlich. Buthenuth ist sofort tot. Er hinterlässt eine Ehefrau, einen erwachsenen Sohn und eine heranwachsende Tochter.
08. Mai 2016 – Porta Westfalica Kleinenbremen. Karin Kleinebekel wird in einem Waldstück in der Nähe ihres Wohnhauses an einen Baum gefesselt tot aufgefunden. Sie ist in Panik erstickt wäre aber innerhalb weniger Stunden an reduzierter Sauerstoffzufuhr und gestörter Blutzirkulation gestorben. Sie hinterlässt einen 16-jährigen Sohn. Sie starb ausgerechnet am Muttertag.
Ein Zusammenhang zwischen den Tötungsdelikten ist für die Behörden nicht erkennbar, vier voneinander unabhängige Teams ermitteln ergebnislos. Bei dem dritten Toten wird nicht einmal wegen Mordes ermittelt, weil die Behörden von einem Unfall oder Suizid ausgehen.
Oktober 2015
Judith atmete tief durch: Der Ankunftstag der achttägigen Jugendgruppenleiter-Schulung war überstanden. Fünfundzwanzig Mädchen und Jungen im Alter von fünfzehn oder sechzehn Jahren hatten ihre Betten bezogen, die Anweisungen der Hausleitung über sich ergehen lassen, zu Abend gegessen und einen Abend mit Namensspielen, Lockerungsübungen und weiteren Kennenlern-Aktivitäten verbracht. Johannes hatte den ersten Programmpunkt moderiert, jetzt saßen die Jugendlichen mehrheitlich im Schall-isolierten SpieleRaum im Keller, hörten Musik, kickerten oder spielten Billard. Die Gruppe machte insgesamt einen recht angenehmen Eindruck auf sie. Nach dieser Woche konnte sie sicher entspannt in den herbstlichen Freizeitausgleich gehen und die Dinge tun, zu denen ihr meistens die Zeit fehlte.
Am nächsten Morgen ahnte sie bereits, dass die stressfreie Ausbildung der Jugendlichen auf dem Weg zur Jugend-Leiter-Card eine schöne Wunschvorstellung bleiben würde. Carina aus Rodenbeck saß ihr am Frühstückstisch gegenüber vor einem leeren Teller und einer leeren Tasse mit ausdruckslosen, geröteten Augen.
„Willst du gar nichts essen?“, fragte Judith besorgt
Carina schüttelte wortlos den Kopf.
„Bist du krank?“
„Ich weiß nicht.“
„Trink doch wenigstens einen Tee.“
Carina goss sich etwas Tee in den Becher und nippte an der Tasse. Judith bemerkte, dass das Mädchen nur mühsam die Tränen zurückhalten konnte. Sie war zwar dran mit dem ersten Programmpunkt am Vormittag, doch hatte sie sicher noch Zeit für ein Gespräch unter vier Augen. Nach dem Frühstück bat sie Carina, sie eben ins Leiterzimmer zu begleiten.
„Jetzt sag mal, Carina, Dir geht’s doch nicht gut. Ist gestern Abend oder heute Morgen irgendwas passiert?“
„Nein.“
„Hast du Kopfschmerzen oder ist dir schlecht?“
„Ein bisschen.“
„Aber es gibt doch sicher ein Problem.“
„Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen.“
„Und warum nicht?“
„Probleme zu Hause.“
Die Sozialarbeiterin musste dem Mädchen alle Informationen einzeln aus der Nase ziehen, bis sich schließlich ein umfassendes Bild ergab: Carina war in Sorge um ihre Mutter und um ihren großen Bruder. Der Bruder, offensichtlich überfordert von den Bemühungen um einen Ausbildungsplatz oder wenigstens um einen Aushilfsjob, reagierte auf den elterlichen Druck mit Wut- und Gewaltausbrüchen. Schon einmal war er so heftig auf seine Mutter losgegangen, dass sie eigentlich einen Arzt hätte aufsuchen müssen, jedoch aus Scham darauf verzichtet hatte und auch, um ihren Sohn zu schützen. Carina selbst hatte einen guten Draht zu ihrem Bruder, verstand seine Ängste und Probleme und es gelang ihr, ihn in Konfliktsituationen zu beschwichtigen. Aber jetzt war die Mutter allein mit dem postpubertären, Affekt-anfälligen Kraftpaket und sie fürchtete um deren Gesundheit, wenn nicht sogar um ihr Leben und damit auch um die Zukunft ihres geliebten Bruders, der ihrem Dafürhalten nach nichts dafür konnte, dass er so voller Wut war, hatte der Vater ihm doch schon in frühester Kindheit zu verstehen gegeben, dass er nichts taugte, nichts konnte, zwei linke Hände hatte, zu dumm war, irgendetwas zu begreifen und seinem Unmut dadurch Ausdruck verliehen, dass er seinen Sohn ohrfeigte, schubste oder ihm sogar Tritte ins Gesäß verpasste. Zur Zeit war der Vater beruflich unterwegs, was einerseits dafür sprach, dass die häusliche Situation nicht eskalierte, andererseits aber auch bedeutete, dass die Mutter mit dem unberechenbaren Bruder allein zu Hause war. Carina war im Beratungsgespräch kaum zu beruhigen und nur schwer davon zu überzeugen, dass sie diese Woche Abstand für sich nutzen sollte, um Kräfte zu sammeln.
Am Sonntag schlich sie immer noch mit Tränen-verschmiertem Gesicht durchs Haus und beteiligte sich nur halbherzig an den Programmpunkten, doch Judith und Johannes fehlte die Zeit für Einzelfallhilfe, sie mussten sich auf ihr Schulungsprogramm konzentrieren und wie sich bald herausstellte, war Carina nicht der einzige Problemfall. Dorian aus Dützen war bereits allen erheblich auf die Nerven gegangen, als er bei dem Gemeinschaftsprojekt „Werkstatt-Gottesdienst“ ständig seine abwertenden Kommentare abgeben musste, während er, als er selbst an der Reihe war, nichts Nennenswertes zustande brachte. Als er am Abend auch jedes gruppendynamische Spiel torpedierte, schickte ihn Johannes nach dem vierten Zwischenfall schließlich vor die Tür, damit das Programm auch funktionierte. Judith übernahm die Einzelbetreuung, doch wie sie es auch anstellte, ob mit strengen Anweisungen, einfühlsamen Fragen oder Provokationen wie zum Beispiel: Wir können Dich auch den Rest der Woche als Küchenhilfe einsetzen, dann kriegst Du nicht nur keinen Spaß sondern auch keine JuLeiCa, weil Du von dem Programm ja nichts mitbekommst.“ Sie kam nicht an den Jungen heran. Er gab nur völlig sinnentleerte Unverschämtheiten von sich.
„Dorian, was sollen wir denn deiner Meinung mit dir machen?“, fragte Judith.
„Ihr sollt gar nichts mit mir machen. Ihr sollt mich in Ruhe lassen.“
„Aber du merkst doch sicher auch, dass es so mit dir nicht geht, du bringst das ganze Programm durcheinander.“
„Mir doch egal.“
„Dann musst du dich aber auch nicht wundern, wenn du uns irgendwann auch egal bist.“
„Na und? Das bin ich doch sowieso.“
„Nein, das bist du nicht. Wenn du uns egal wärst, hätten wir dich schon heute Morgen abholen lassen.“
„Ja mach doch, Alte.“
„Warum bist du denn überhaupt mitgefahren?“
„Ist doch meine Sache.“ Sprachs, machte auf dem Absatz kehrt und lief nach draußen.
„Dorian, wenn du jetzt abhaust, muss ich die Polizei anrufen.“, rief sie ihm hinterher und hoffte er würde auf dem Gelände bleiben. In ihrer Hilflosigkeit rief sie seine Mutter an. Als sie ihr das Problem eingehend geschildert hatte, meinte die: „Ja wir waren ja schon mit Dorian bei der Familienberatung. In der Schule gab es auch Probleme. Das liegt alles an seinem Vater, wissen Sie, der hat uns ständig verprügelt, als Dorian klein war. Zuerst habe ich noch gedacht, er kann sich ändern, aber nach ein paar Jahren habe ich mich endgültig von ihm getrennt. Mein neuer Lebenspartner kommt wirklich gut mit Dorian zurecht, aber mein Mann hat uns immer weiter terrorisiert, auch jetzt noch. Er schreibt Dorian What‘s-App-Nachrichten, in denen er ihm androht, dass er seinem Vater gefälligst etwas von seinem ersten Ausbildungsgehalt abgeben soll, er schulde ihm den Unterhalt, den er als Vater für ihn zahlen musste, weil er ja schließlich nichts von seinem Sohn hatte. Das muss man sich mal vorstellen. Die meiste Zeit bleibt er uns den Unterhalt schuldig, kriegt es immer wieder hin, dass er seine Arbeit nur kurz behält, damit er ja nichts verdient und nicht zahlen muss. Ich befürchte, er kommt auch noch irgendwann damit durch und lässt sich den Rest seines Lebens von seinem vernachlässigten Sohn versorgen, den er in den ersten Jahren schwer misshandelt hat. Es gab ja kürzlich so ein Gerichtsurteil.“
„Ja, das ist schlimm.“, gab Judith der verzweifelten Mutter Recht. „Die Frage ist, was machen wir jetzt mit Dorian? So wie er sich hier im Augenblick verhält, steht er nicht nur sich selbst im Weg, sondern mischt permanent die ganze Veranstaltung auf.“
„Ja, da kann ich Ihnen auch nicht weiterhelfen. Ich bin ja selbst völlig hilflos.“
„Sie würden sich also nicht zutrauen, ihm jetzt eindringlich ins Gewissen zu reden?“
„Wenn er so verrückt spielt, komme ich auch nicht an ihn heran.“
„Frau Göhner, wenn Sie so gar keine Idee haben, wie wir Ihren Sohn zur Vernunft bringen können, müssen Sie ihn abholen.“
„Fortmann. Ich heiße nicht mehr Göhner. Was das Abholen betrifft, ich habe gar kein Auto. Mein Mann ist unterwegs und wir haben nur einen Wagen.“
„Können Sie Ihren Mann nicht per Mobiltelefon erreichen?“
„Das stellt er bei diesen Gelegenheiten immer aus. Er kommt wohl auch erst mitten in der Nacht nach Hause und muss morgen früh gleich wieder los. Das geht jetzt die ganze Woche so.“
„Dann müssen Sie eine andere Lösung finden, Frau Fortmann. Leihen Sie sich ein Auto oder kommen Sie mit dem öffentlichen Nahverkehr hier hin. Wir können Ihre Sohn auch zum Bahnhof bringen und Sie organisieren, dass Sie ihn am Zielbahnhof abholen. Oder Sie versuchen jetzt mit ihm zu reden. Vielleicht erreichen Sie ja doch etwas.“
„Na gut, wenn Sie darauf bestehen, aber ich kann für nichts garantieren.“
Glücklicherweise hatte Dorian das Gelände nicht verlassen und war auch bereit, mit seiner Mutter zu sprechen. Das Gespräch zeigte eine größere Wirkung als die Mutter erwartet hatte. Er war danach immer noch schwierig, aber es war nicht mehr unmöglich, ihn an den Programmpunkten teilnehmen zu lassen.
Der Montag verlief ruhig. Am Dienstag geriet Johannes mit Leon aus Kleinenbremen aneinander. Er war bisher niemandem aufgefallen, war nicht sonderlich engagiert gewesen, hatte aber auch nicht gestört oder sichtbar Regeln verletzt. Nun hatte Johannes Leon nachts in einem Mädchenzimmer erwischt. Der Sozialarbeiter erklärte ihm, wenn er noch einmal eine Regel verletzen würde, müsse er nach Hause fahren. Jetzt rastete Leon vollständig aus: „Is‘ schon schlimm genug, dass die scheiß Weiber immer Terror machen, jetzt fängst du auch noch an.“, brüllte er. „Räum deine Hose weg, mach deine Schularbeiten, schon wieder nur `ne Drei in Mathe, aus dir wird doch nie was, räum die Spülmaschine aus, guck dich doch mal an, siehst genauso nichtsnutzig aus wie dein Erzeuger. Meine Alte kriegt nichts gebacken zu Hause. Sie geht den ganzen Tag arbeiten, verdient fast nichts und wenn sie nach Hause kommt hat sie schlechte Laune und nölt mich voll. Ich muss alles machen und immer hat sie was zu meckern, nie reicht irgendwas, nie ist irgendwas gut genug. Und hier bauen alle die ganze Zeit Scheiße und ich hab‘ überhaupt nichts gemacht und jetzt gehe ich einmal noch bei Nele und Lucie vorbei und sofort krieg ich ne Packung.“
Am Mittwoch führte Johannes ein längeres Gespräch mit Leon und stellte fest, dass der Junge in völlig unannehmbaren Verhältnissen aufwuchs. Sein Martyrium währte bereits zehn Jahre – nachdem der Vater die Mutter verlassen hatte. Sie war herrschsüchtig, cholerisch und völlig unberechenbar. Sie wurde zwar nicht körperlich gewalttätig, aber sie demütigte ihren Sohn mit unsinnigen Reinigungsarbeiten wie z.B. der gründlichen
Urinstein-Entfernung mit Hilfe einer alten Zahnbürste, sie sprach plötzlich und unerwartet Verbote aus, so dass der Junge ständig seine Pläne mit Freunden aufgeben und Verabredungen absagen musste. Dem Vater hatte sie auch eine Szene nach der anderen gemacht und als der sie gebeten hatte, sich professionelle, psychologische Hilfe zu holen, hatte sie sich geweigert. Schließlich hatte der Mann aufgegeben und war gegangen. Statt seinen Sohn ebenfalls aus dieser Hölle zu befreien, hatte er ihn einfach im Stich gelassen und war nach Australien ausgewandert. Leon versprach, für den Rest der Maßnahme die Regeln zu beachten und Johannes bot ihm an, den Kontakt zu einer Jugendberatungsstelle für ihn herzustellen, doch Leon winkte ab: „Die letzten drei Jahre sitze ich auf einer Arschbacke ab. Tagsüber ist sie ja weg und ich gehe zweimal die Woche abends zum Sport und zwei Mal ins Gemeindehaus. Am Wochenende sehe ich zu, dass ich bei meinen Freunden bin.“
Judith war fassungslos, dass nun schon der dritte Teilnehmer eine so unerträgliche Geschichte mitbrachte, doch der Gipfel des Schreckens war noch nicht erreicht.
Am Donnerstag durchliefen die Jugendlichen eine Mehrstationen-Andacht mit kurzen Texten, Raum für Stille, meditativen Elementen und Sinnesreizen, die das Risiko bargen, verdrängte Verletzungen an die Oberfläche zu befördern. Es flossen oft Tränen, denn viele hatten sich schon mal im sprichwörtlichen finsteren Tal befunden, von dem im 23. Psalm die Rede ist. Doch Melanies Tränen wollten nicht mehr versiegen. Melanie, aus dem abgelegenen Dorf Südhemmern, unscheinbar, zurückhaltend, höflich und leise. Niemand legte einen tröstenden Arm um ihre Schulter wie bei den hübschen, schmalschultrigen Langhaarblondinen. Melanie mit ihrem praktischen, aschblonden Kurzhaarschnitt, dem grenzwertigen Körpergewicht und den unvorteilhaften Proportionen: volle Schultern, Taillenspeck, flacher Po und wenig Brust. Judith hatte das Gefühl, der Schmerz des Mädchens war so überdeutlich, dass man ihn anfassen konnte. Und der Schmerz hatte einen furchtbaren Grund. Seit ihrem achten Lebensjahr wurde Melanie sexuell missbraucht. Von ihrem eigenen Großvater. Und die Eltern glaubten ihr kein Wort, wie so oft, wenn Kinder dieses Entsetzen erleben. Der Ruheständler erfreute sich bester Gesundheit und gab keinen Anlass zu der Hoffnung, die Natur würde diesen Horrorfilm beenden. Aber Melanie sah keinen Ausweg und auch nach zwei Stunden intensiven Zuhörens, Tröstens und Beratens fand sich kein Lösungsansatz, mit dem das Mädchen einverstanden war.
„All diese verantwortungslosen, inkompetenten, gleichgültigen Scheißeltern!“, dachte Judith wütend. Sie war so hilflos, es gab so wenig, was sie tun konnte. Die Hilfssysteme griffen meistens viel zu spät und das Gesetz bot kaum Möglichkeiten, frühzeitig und effektiv einzugreifen.
September 2016
Gerade eben hatte Judith mit Johannes die Details für die kommende JuLeiCa-Schulung abgesprochen. Sie hatten schon 15 Anmeldungen aus fünf Gemeinden des Kirchenkreises. Sicher würde es wieder voll werden. Sie dachte an das letzte Jahr zurück und hoffte, es diesmal ausschließlich mit behüteten Jugendlichen zu tun zu haben. Eine solche Konzentration von Problemfällen wie 2015 hatte sie nie zuvor erlebt. Vielleicht war das eine Ausnahme. Doch als sie so aus dem Fenster in die goldene Herbstsonne blinzelte und das fallende Laub betrachtete, mit dem sie schon immer den nahenden Tod assoziiert hatte, überlegte sie, ob sie in fünfzehn oder zwanzig Jahren nicht noch einmal genauso würde handeln müssen wie in den vergangenen Monaten, denn die Opfer von heute würden mit großer Wahrscheinlichkeit zu den Tätern von morgen werden.
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