Freitag, 22. Juli 2022
Blaulicht
"Was genau ist passiert?", fragt Kerkenbrock.
"Bis jetzt noch nichts.", erwidert Keller. "Es war die Rede von Geiselnahme von einem Unbekannten. Eine Frau hat die Zentrale angerufen, ziemlich aufgeregt, und erklärt, es sei ein Eindringling im Haus, der sie und ihren Mann festhalte, sie wisse nicht warum, aber er sei ziemlich bedrohlich. Maskiert, kräftig, offenbar mit Migrationshintergrund."
"Er hat sich also bis jetzt nicht zu seinen Motiven geäußert?"
"Offenbar nicht."
"Und die Verfassung der Geiseln?"
"Wir wissen nichts. Vermutlich grenzt es schon an ein Wunder, dass sie heimlich den Notruf absetzen konnte."
"Kann man nicht hineinsehen?"
"Schon, aber alle Räume scheinen leer zu sein. Nur der eine, dessen Fenster direkt auf den Hof weist, hat zugezogene Vorhänge. Vermutlich hat sich hier der Täter mit den Geiseln verbarrikadiert. Wir haben schon drei Lautsprecherdurchsagen gemacht, bekommen aber bisher überhaupt keine Reaktion."
"Keinen Laut?"
"Doch, Schreie. Möglicherweise foltert er seine Opfer. Aber wir diskutieren noch, wie wir da am besten hineingehen, denn wir wissen ja nicht, ob und wenn ja wie der Täter bewaffnet ist."

90 MINUTEN ZUVOR
"Mach mal das Licht aus, das ist mir zu grell."
"So ganz im Dunkeln? Na gut. Warte, ich muss noch eben den Wecker stellen."
Er angelt nach dem Reisewecker, stellt die Weckzeit und aktiviert den Alarm. Das Gerät leuchtet für kurze Zeit den gesamten Raum mit einem dezenten bläulichen Lichtschein aus.
"Guck mal.", kichert er. "Können wir bei Blaulicht vögeln."
Das Licht des Weckers erlischt.
"Wäre irgendwie geil, oder?", fragt sie. "Stell dir mal vor, so ein bis fünf Peterwagen vor der Tür, alle mit Blaulicht, das sanft durch die Vorhänge schimmert. Voll romantisch."
"Ja, dazu müsste es einen grausamen Verkehrsunfall direkt vor unserer Haustür geben, dann hätten wir das. Das wäre es mir aber nicht wert."
"Es gäbe noch eine Möglichkeit.", meint sie. Sie steht auf und geht zum Telefon. Wählt nur drei Ziffern: "Ja, Hallo?", flüstert sie in den Hörer. "Wir werden hier als Geiseln festgehalten, in unserem eigenen Haus..."

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