Samstag, 26. März 2022
Vertrauenssache
c. fabry, 16:37h
Ich fahre schon viel zu lange auf Fortbildungen - denkt Carola - Es geschieht nichts Neues unter der Sonne. Ach ja, immer die gleichen blöden Spiele.
Sie ärgert sich, dass sie neben Yvette sitzt, denn wenn schon ein Spiel mit Anfassen und Augen zu angeordnet wird, dann würde sie es gern mit Benni spielen, aber sie fügt sich in ihr Schicksal. Man ist ja keine Mimose.
"Willst du führen oder geführt werden?", fragt Carola.
"Wir tauschen bestimmt.", erwidert,e Yvette. "Ich kann dich aber gern zuerst führen."
Na gut - denkt Carola - Augen zu und durch. Muss sie der fetten Yvette wenigstens nicht in das bräsige, selbstzufriedene Grinsegesicht sehen. Die Übung hätte man sich sparen können. Kennen doch alle. Kurze Imaginationspause und weiter.
Yvette riecht unangenehm: eine verheerende Mischung aus altem, süßlich-säuerlich riechendem Schweiß und aufdringlichen Duschgel- und Deo-Düften zieht Carola in die Nase, den Rachen, das limbische System. Widerlich. Yvettes fleischige, schwitzige Patschehändchen, ihre gepresste Stimme, der man die Adipositas direkt anhört.
"Jetzt gehen wir durch die Tür. So, noch ein paar Meter und jetzt bleiben wir hier vor dem Fahrstuhl stehen."
Fahrstuhl? - denkt Carola alarmiert. - Oh Gott! Nein! Carola möchte nicht mit Yvette in einen engen Raum. Ist sie überhaupt geimpft? In einer Vier-Quadratmeter-Box konzentriert sich der Gestank und womöglich entweichen ihr zusätzlich intensive Darmwinde oder Schlimmeres bei den Fleischbergen, die sie täglich verschlingt.
Aber Carola ist zu höflich, um zu widersprechen. Sie betritt folgsam das Gefängnis auf Zeit und muss sich beherrschen, um ihren Phantasien Einhalt zu gebieten. Eine Fahrt in den Keller, ein abgelegener, dunkler Raum, in dem schon Reparaturband, Heizungsrohre, Kabelbinder und spitze Gegenstände warten.
Aber der Fahrstuhl fährt nach oben. Ist ja auch Quatsch. Warum sollte Yvette ihr etwas antun?
Mit jedem Meter, den der Fahrstuhl höher fährt, wächst Yvettes Selbstvertrauen und ihre Vorfreude. Sie hat alle Macht über Carola, diese perfekte Kollegin mit dem durchtrainierten BMI-20-Körper, mit der feinporigen, ebenmäßigen Vegetarierhaut, mit all ihren Vorzeige-Fortbildungen, der dezidierten Ausdrucksweise, dem unerschütterlichen Selbstbewusstsein und der vernichtenden Arroganz.
Yvette spürt es, wenn Carola an ihr vorbei sieht, sie nicht fragt, ob sie mitmachen will und beredt schweigt, wenn Yvette sich eingebracht hat. Keine Resonanz, aber die klare Botschaft: Du darfst nicht mitspielen, weil du es nicht kannst und weil du nicht gesellschaftsfähig bist.
Carola stand immer oben, Yvette immer unten. Die Fahrstuhltür öffnet sich.
"So, jetzt hier durch die Brandschutztür, dann kommen wir in den großen Saal. - Ach guck, die lüften aber gründlich. Komm, wir gehen jetzt mal ans Fenster, da fühlst du die Sonne auf deiner Haut."
"Was ist das denn hier für ein Fußboden?", fragt Carola.
Yvette zögert mit der Antwort. Sie führt Carola energisch an das Ende des Flachdachs. Dann sagt sie: "Kies." und gibt Carola einen kräftigen Stoß.
Ihr Schrei hat etwas Erregendes. Der Aufprall klingt nach Erlösung. Sie wird sich wohl nicht herauslügen können. Aber wenigstens diesmal hat sie gewonnen.
Sie ärgert sich, dass sie neben Yvette sitzt, denn wenn schon ein Spiel mit Anfassen und Augen zu angeordnet wird, dann würde sie es gern mit Benni spielen, aber sie fügt sich in ihr Schicksal. Man ist ja keine Mimose.
"Willst du führen oder geführt werden?", fragt Carola.
"Wir tauschen bestimmt.", erwidert,e Yvette. "Ich kann dich aber gern zuerst führen."
Na gut - denkt Carola - Augen zu und durch. Muss sie der fetten Yvette wenigstens nicht in das bräsige, selbstzufriedene Grinsegesicht sehen. Die Übung hätte man sich sparen können. Kennen doch alle. Kurze Imaginationspause und weiter.
Yvette riecht unangenehm: eine verheerende Mischung aus altem, süßlich-säuerlich riechendem Schweiß und aufdringlichen Duschgel- und Deo-Düften zieht Carola in die Nase, den Rachen, das limbische System. Widerlich. Yvettes fleischige, schwitzige Patschehändchen, ihre gepresste Stimme, der man die Adipositas direkt anhört.
"Jetzt gehen wir durch die Tür. So, noch ein paar Meter und jetzt bleiben wir hier vor dem Fahrstuhl stehen."
Fahrstuhl? - denkt Carola alarmiert. - Oh Gott! Nein! Carola möchte nicht mit Yvette in einen engen Raum. Ist sie überhaupt geimpft? In einer Vier-Quadratmeter-Box konzentriert sich der Gestank und womöglich entweichen ihr zusätzlich intensive Darmwinde oder Schlimmeres bei den Fleischbergen, die sie täglich verschlingt.
Aber Carola ist zu höflich, um zu widersprechen. Sie betritt folgsam das Gefängnis auf Zeit und muss sich beherrschen, um ihren Phantasien Einhalt zu gebieten. Eine Fahrt in den Keller, ein abgelegener, dunkler Raum, in dem schon Reparaturband, Heizungsrohre, Kabelbinder und spitze Gegenstände warten.
Aber der Fahrstuhl fährt nach oben. Ist ja auch Quatsch. Warum sollte Yvette ihr etwas antun?
Mit jedem Meter, den der Fahrstuhl höher fährt, wächst Yvettes Selbstvertrauen und ihre Vorfreude. Sie hat alle Macht über Carola, diese perfekte Kollegin mit dem durchtrainierten BMI-20-Körper, mit der feinporigen, ebenmäßigen Vegetarierhaut, mit all ihren Vorzeige-Fortbildungen, der dezidierten Ausdrucksweise, dem unerschütterlichen Selbstbewusstsein und der vernichtenden Arroganz.
Yvette spürt es, wenn Carola an ihr vorbei sieht, sie nicht fragt, ob sie mitmachen will und beredt schweigt, wenn Yvette sich eingebracht hat. Keine Resonanz, aber die klare Botschaft: Du darfst nicht mitspielen, weil du es nicht kannst und weil du nicht gesellschaftsfähig bist.
Carola stand immer oben, Yvette immer unten. Die Fahrstuhltür öffnet sich.
"So, jetzt hier durch die Brandschutztür, dann kommen wir in den großen Saal. - Ach guck, die lüften aber gründlich. Komm, wir gehen jetzt mal ans Fenster, da fühlst du die Sonne auf deiner Haut."
"Was ist das denn hier für ein Fußboden?", fragt Carola.
Yvette zögert mit der Antwort. Sie führt Carola energisch an das Ende des Flachdachs. Dann sagt sie: "Kies." und gibt Carola einen kräftigen Stoß.
Ihr Schrei hat etwas Erregendes. Der Aufprall klingt nach Erlösung. Sie wird sich wohl nicht herauslügen können. Aber wenigstens diesmal hat sie gewonnen.
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