Mittwoch, 16. Februar 2022
Brandstifter - DIE KINDER
Unser Zimmer ist viel kleiner als das Kinderzimmer in unserer schönen Wohnung. Aber die haben wir ja nicht mehr und es ist besser ein kleines Zimmer zu haben, als auf der Straße zu schlafen. Mama hat ein schönes Zimmer, ganz groß und wenn man aus dem Fenster guckt, sind überall Bäume. Bei Papa im Wohnwagen ist es auch gemütlich, aber da ist zu wenig Platz für eine ganze Familie. Darum sind wir bei Nadine und Claas. Nadine ist nett, aber sie redet die ganze Zeit, da klingelt es manchmal schon in meinem Kopf. Claas ist meistens weg und wenn er da ist, hat man das Gefühl, dass hier gar kein Platz mehr ist. Er ist überall und riesig und laut und er riecht komisch. Aber er macht gern Witze und ist auch nett. Nadine und Claas schreien sich nie an. Sie sehen auch nie so traurig aus wie Mama und Papa und sie hören immer zu, wenn man mit ihnen redet.
Marlon hat ein Zimmer, das ist doppelt so groß wie unseres und das hat er für sich allein. Aber er ist ja auch das richtige Kind und er bleibt hier, wir sind ja nur zu Besuch. Früher hatten wir auch auch so ein Zimmer. Wir hatten immer genug Geld, seit Tante Emmi gestorben ist, weil die, als die noch gelebt hat, gesagt hat, dass Mama alles von ihr kriegen soll, wenn sie tot ist. Und Tante Emmi hatte viel Geld. Aber das Geld ist jetzt alle. Mama hatte keine Zeit zum Geldverdienen, weil sie sich um uns kümmern musste und ums ?Reset?, das ist Papas Firma und die haben ganz viele Mitarbeiter, aber da bleibt dann für uns gar nichts übrig, weil die anderen Mitarbeiter ja noch weniger haben als wir und die dann alles brauchen, was ?Reset? verdient. Papa sagt immer, das wird bald anders, aber bald heißt doch eigentlich übermorgen oder nächste Woche und Papa hat das aber schon gesagt, als ich noch in die Grundschule ging.
Augustus macht immer ins Bett, aber Nadine schimpft nie. Sie wechselt dann einfach das Laken und die Unterlage. Sie sagt, Augustus muss sich gründlich ausruhen von dem ganzen Stress. Sie sagt, für uns Kinder ist das alles am schlimmsten, weil wir gar nichts machen können, weil mit uns immer einfach alles passiert. Aber das stimmt gar nicht, wir können doch was machen. Ich kann ein Bild malen, Fahrrad fahren und sogar bei ?Reset? helfen, einen Hund Gassi führen oder irgendwo Laub zusammenharken. Aber Augustus ist ja erst acht, da kann der noch nicht so viel wie ich.
Bestimmt findet Papa bald eine bessere Arbeit, wo er mehr Geld verdient und Mama kommt aus dem Krankenhaus und findet auch eine kleine Arbeit, wenn wir morgens in der Schule sind und dann haben die beiden bald wieder genug Geld, dass wir eine schöne Wohnung mieten können und wir kriegen alle neue Fahrräder und machen mal eine Tour um den Dümmer See. Davon reden die beiden schon immer. Und wenn ich groß bin, fliege ich nach Amerika und werde so eine Frau, die immer schicke Sachen an hat und den anderen erklärt, was man sich ins Gesicht schmieren muss, damit man toll aussieht. Dann gibt es eine feine Creme und die heißt Livia genau wie ich. Morgens mache ich dann immer die Videos für YouTube und nachmittags gehe ich Schwimmen im Meer oder reite am Strand lang oder liege auf meiner Terrasse und lese ein Buch oder ich male ein Bild und höre dabei Musik.
Nadine und Claas haben gerade Besuch gekriegt und jetzt rufen sie mich. Ich schreibe später weiter.

Fortsetzung Donnerstag

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