Samstag, 3. Juli 2021
Aussitzen
Kein schöner Anblick. Aber das war er auch vorher nicht gewesen. Sie hatte nie verstanden, was ihre Tochter an so einem Tätowierten fand. Die Typen sahen irgendwie immer dreckig aus, egal, wie fein sie sich herausputzten.

Es hatte so harmlos angefangen. Zuerst waren Lilly und Sebi einfach ein junges Paar gewesen, er war gelegentlich aufgetaucht, ab und zu zum Essen geblieben, genauso wie seine Vorgänger. Sie hatte mit Holger Wetten abgeschlossen, wie lange es diesmal dauern würde. Lilly wollte wohl ihre Grenzen ausloten. Man sollte viel ausprobieren im Leben, warum nicht auch einen tätowierten Lover mit definierten Muskeln und Sitzfleisch?

Denn Sitzfleisch hatte er, den Beweis war er ihnen nicht schuldig geblieben. Die Intervalle zwischen den Besuchen waren immer kürzer geworden und schließlich war er ganz eingezogen ? zuerst für ein paar Nächte, wegen Krach in der WG, dann für ein paar Wochen, er hatte da was in Aussicht, später wurden diese vier bis sechs Wochen immer oben drauf gelegt, bis eine Wohnung gefunden war und schließlich kam heraus, dass er bereits seit Monaten keine eigenen Einnahmen hatte und auch bei der erfolglosen Jobsuche war er weder um Ausreden noch um Vertröstungen verlegen.

Er blieb, breitete sich aus, belagerte zunächst Lillys Zimmer, ließ danach Schuhe und Jacken einfach im Eingangsbereich fallen, lagerte ganz selbstverständlich seine Toilettensachen im Bad, fraß den Kühlschrank leer und fläzte sich Chips krümelnd auf der Wohnzimmercouch, ohne jemals einen Putzlappen, einen Besen oder einen Staubsauger in die Hand zu nehmen.

Und dann hatte es ihr einfach gereicht. Sie hatten sich nicht einmal gestritten. Sie wollte diesen elenden Parasiten nur nicht länger ihr Leben bestimmen lassen.
"Ich nehme zwei Scheiben Hackbraten", hatte er von der Couch aus gerufen ohne den Blick von seiner geliebten, gestreamten Actionserie abzuwenden.
"Sollst du haben.", hatte sie geantwortet und den Stecker gezogen. Er war vollkommen abgelenkt, als sie das elektrische Messer wieder einstöpselte und kurz und präzise an seinem tätowierten Hals ansetzte. Zwei Mal mitten durch die schwarz-rote Schlange, zerstückelt hatte sie sie wie einen Regenwurm und ihn gleich mit.

War schade um das Sofa von Tante Elfriede, das musste wohl aufs Feuer. Holger würde ihr helfen müssen bei dem Sofa.
Und auch beim Sebi, den mussten sie wohl im Rhein versenken, zusammen mit seinen Brocken und dem alten Schweinetrog, den Holger vor Jahren begeistert angeschleppt hatte, für ein Kräuterbeet und der noch immer nutzlos im Weg herumstand. Nun erfüllte er wenigstens einen Zweck als Sarkophag.

Und Sebi hatte ausgesessen.

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