Freitag, 30. April 2021
Nur ein Witz
"...und die deutlichste und sympathischste Form, im interreligiösen Dialog seine Offenheit zu zeigen, ist das Mittel des Humors, die Fähigkeit, auch über das zu lachen, was einem selbst heilig ist.", schloss Reinhard seine Predigt. "So wie in diesem frechen kleinen Witz:

Jesus kehrt erneut zurück auf die Erde und will den Menschen durch ein Wunder beweisen, dass er der Sohn Gottes ist. Während einer Bootsfahrt auf einem See, steigt er plötzlich aus, um auf dem Wasser zu wandeln, geht aber direkt unter und ertrinkt. Wieder im Himmel fragt er seinen Vater: "Wieso hat das beim letzten Mal so gut geklappt und diesmal nicht?"
"Na ja", erklärte sein Vater. "Beim letzten Mal hattest du noch keine Löcher in den Füßen."

- Bei Jesus geht es nicht darum, ihn zur Ikone zu machen und ihm voller Ehrfurcht zu huldigen. Ich glaube so ein eitler und selbstsüchtiger Gott mit Star-Allüren ist Jesus nicht. Es geht darum Dinge so zu tun, wie er sie getan hätte, das ist der beste Weg, ihm die gebührende Ehre zu erweisen. Und ein Witz öffnet Herzen und zaubert ein Lachen auf alle Gesichter. Amen."

Ein leises Raunen ging durch die Bankreihen. Die zum Gottesdienstbesuch verdonnerten Konfirmand*innen kicherten hysterisch. Einige Mienen der älteren Herrschaften waren eingefroren. Damit hatte Reinhard gerechnet.

Beim Händeschütteln klopfte Lothar ihm anerkennend auf die Schultern. "Schöne Predigt.´", sagte er grinsend. "Und mutig." Einige verließen die Kirche ohne Händedruck, ohne Worte, ohne ihn nur eines Blickes zu würdigen. Petermann blieb kurz stehen, nahm ihn ins Visier und sagte nur: "Wir sprechen uns noch.", dann machte er sich auf den Heimweg.

Danach geriet es außer Kontrolle. Finstere E-Mails landeten in seinem Ordner und in dem des Gemeindebüros:
"Gelacht haben nur die Konfirmanden. Vermutlich wollten sie bei denen gut ankommen und das scheint Ihnen gelungen zu sein. Aber wenn die applaudieren, die noch nicht richtig denken können, sind Sie wohl auf dem falschen Dampfer."

"Der Pfarrer macht sich zum Handlanger der Christenverfolger."

"Es gab einmal Zeiten, da hat man Blasphemikern nicht nur das Kanzelrecht entzogen."

"Eine Kirche, die unseren Herrn Jesus zur Witzfigur macht, ist keine Kirche zu der ich länger gehören will."

In einem Leserbrief der Tagespresse war von einem Faustschlag ins Gesicht der Gläubigen die Rede.

An der Supermarktkasse meldeten sich vornehmlich die zu Wort, die weder Gottesdienste in Anspruch nahmen (außer zu Weihnachten und zu Initiationsriten) noch sonst in irgendeiner Weise am Gemeindeleben beteiligt waren.

"Den Pastor sollten sie gleich rausschmeißen!"

"Da hat wohl einer seinen Beruf verfehlt."

"Der will die Kirche unterwandern und alle zu Moslems machen. Dauert nicht mehr lange und der Kirchturm wird zum Minarett."

"Der Herr Pastor wäre wohl gerne Komiker. Aber Witze über den Kreuzestod sind nicht witzig sondern einfach nur geschmacklos."

Abends amüsierten sie sich dann über gestreamte groteske Serien und freuten sich auf den nächsten Aufreger. War ja sonst nichts los.

Arno fand dagegen, dass es jetzt reichte. Wenn sich einer als Gottesmann ausgab, der den HERRN verhöhnte, brauchte es jemanden der ihm Einhalt gebot. Arno besaß keine Waffen. Auch keine prall trainierten Muskeln. Arno besaß ein Feuerzeug, Benzin und Öl. Leider mussten Frau und Kinder mit auf die Reise gehen. Die Frau hatte sich den Mann ja ausgesucht. Die Kinder waren unschuldig. Aber sie konnten schließlich nicht tiefer fallen als in Gottes Hand.

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