Mittwoch, 15. Juni 2016
Bloggershot – abgeschlossener Kurzkrimi
c. fabry, 20:10h
Sabine Kerkenbrock schlenderte zufrieden über den Platz der Matthäuskirche. Obwohl sie kirchlich sozialisiert war und schon seit drei Jahren hier wohnte, nahm sie mit dem Besuch des Sommerfestes zum ersten Mal an einer hiesigen Gemeindeveranstaltung teil. Dabei war es eine Gemeinde ganz nach ihrem Geschmack: politisch engagiert, fortschrittlich, betont menschlich, pragmatisch, offen und freundlich. Es war ein buntes Fest mit vielen Ständen zum Mitmachen, raffinierten kulinarischen Angeboten und kulturellen Darbietungen.
„Endlich mal ein langes, freies Wochenende bei bestem Sommerwetter.“, dachte die junge Kriminalkommissarin und genehmigte sich gerade einen alkoholfreien Cocktail, als eine Welle entsetzter Schreie und Rufe zu ihr hinüber schwappte.
„Was ist da los?“, fragte sie einen ihr entgegen eilenden, kreidebleichen jungen Mann.
„Ein Unfall!“, keuchte er. „Jemand ist durch die Absperrung am Bogenschießstand gestürzt und von einem Pfeil getroffen worden. Ich suche gerade Doktor Täubner.“
Langsam näherte die Kommissarin sich der Unfallstelle. Wo sie nun schon einmal da war, konnte sie auch gleich überprüfen, ob es hier tatsächlich nichts für sie und ihre Kollegen von der Mordkommission zu tun gab. Da sie zufällig ihren Dienstausweis in der Handtasche trug, drang sie mit seiner Hilfe zum Zentrum des Entsetzens vor. Sie sprach die Pfarrerin an, die von allen Anwesenden sicher am besten wusste, um wen es sich handelte und was sich da gerade abgespielt hatte. Sie stellte sich vor und fragte: „Kennen Sie das Unfallopfer?“
„Ja, natürlich. Das ist Carsten Lehmann. Der spielt im Posaunenchor. Ein netter, zurückhaltender junger Mann.“
„Wie genau ist das denn passiert?“
„Fragen Sie doch mal unseren Jugendmitarbeiter, Herrn Renyard. Der hat alles mit angesehen. - Simon, hier ist eine Dame von der Polizei. Kannst Du ihr bitte mal genau erzählen, was da eben passiert ist?“
Der Jugendreferent war noch sehr jung, blonde Dreadlocks standen wild von seinem Kopf ab, Nase und Augenbrauen waren mit Piercings geschmückt und zur dreiviertellangen Cargo-Hose trug er ein T-Shirt der Evangelischen Jugend. Er zitterte und antwortete:
„So genau weiß ich das ehrlich gesagt auch nicht. Gerade eben hat einer von den Jungs geschossen und auf einmal fiel Carsten in die Schusslinie. Ich verstehe das nicht, der war nicht betrunken und auch kein Kandidat für schwachen Kreislauf.“
Kerkenbrock sah sich den Verletzten aus der Nähe an, soweit das möglich war, denn der Arzt kniete schon über ihm, flüsterte aber schließlich: „Dem kann niemand mehr helfen. Einen Rettungswagen brauchen wir nicht mehr.“
Als der Arzt zurück trat, entdeckte Kerkenbrock auf dem Rücken des Opfers einen eindeutigen Hinweis, dass es sich hier höchstwahrscheinlich um ein Tötungsdelikt handelte: Auf dem hellen Oberhemd zeichnete sich im Rückenbereich der schmutzige Abdruck einer Hand ab.
„Er ist gestoßen worden.“, stellte sie an die Pfarrerin gewandt fest. „Könnten Sie bitte dafür sorgen, dass diese Nachricht möglichst nicht verbreitet wird? Sagen Sie einfach, Herr Lehmann sei verletzt worden, man habe ihn in die Ambulanz gebracht und er sei auf dem Weg der Besserung und er habe sich gewünscht, dass das Fest wie geplant weiter gehe. Ich vermute, es wird leichter für mich und meine Kollegen, wenn alle ganz entspannt ihren Geschäften nachgehen.“
In Godehard Sandjohanns Kopf fuhren die Gedanken Karussell. Wann würde die Polizistin entdecken, dass seine Hände schwarz von der Grillkohle waren? Wann würde jemand damit heraus platzen, dass Carsten sich immer über ihn und seine Texte lustig gemacht hatte? Bei seinen Lesungen hatte er immer kopfschüttelnd mit einem überlegenem Grinsen in der letzten Reihe gesessen, statt einfach zu Hause zu bleiben und sich an der riesigen Menge der Follower seines Blogs hochzuziehen. Warum musste er heute hier auftauchen, wo er doch jedem, der es nicht wissen wollte, erzählt hatte, er hätte keine Zeit, zum Gemeindefest zu kommen, weil er an einem Poetry-Slam teilnehme. Hatte er ihm etwa eine Falle gestellt? Hatte er damit gerechnet, dass Godehard sich bei seinen Texten bedienen würde? So gut waren sie nun auch wieder nicht, nur dieser eine eben, der hatte sich so gut in die Kette seiner Gedanken eingefügt. Aber er hätte ihn unweigerlich erkannt. Und dann hätte er ihn bloßgestellt. Jetzt würde er wie geplant gar nichts mitbekommen von der Lesung und somit auch niemandem offenbaren, dass der Text, dem man zum Abschluss des Festes lauschen konnte, zum Teil aus seiner Feder und nicht aus der Godehard Sandjohanns stammte. Er konnte auch unmöglich bemerkt haben, wer ihm den Stoß versetzt hatte. Langsam beruhigte sich Godehard und nahm einen tiefen Zug aus seinem Bierglas.
Was Godehard nicht ahnte: Einer der begeistertsten Follower von Carsten Lehmanns Blog, der mit dem Künstlernamen „Herr Berger“ agierte, wie er auch von vielen Freunden und Bekannten genannt wurde, war hier auf dem Fest: Sabine Kerkenbrock.
„Endlich mal ein langes, freies Wochenende bei bestem Sommerwetter.“, dachte die junge Kriminalkommissarin und genehmigte sich gerade einen alkoholfreien Cocktail, als eine Welle entsetzter Schreie und Rufe zu ihr hinüber schwappte.
„Was ist da los?“, fragte sie einen ihr entgegen eilenden, kreidebleichen jungen Mann.
„Ein Unfall!“, keuchte er. „Jemand ist durch die Absperrung am Bogenschießstand gestürzt und von einem Pfeil getroffen worden. Ich suche gerade Doktor Täubner.“
Langsam näherte die Kommissarin sich der Unfallstelle. Wo sie nun schon einmal da war, konnte sie auch gleich überprüfen, ob es hier tatsächlich nichts für sie und ihre Kollegen von der Mordkommission zu tun gab. Da sie zufällig ihren Dienstausweis in der Handtasche trug, drang sie mit seiner Hilfe zum Zentrum des Entsetzens vor. Sie sprach die Pfarrerin an, die von allen Anwesenden sicher am besten wusste, um wen es sich handelte und was sich da gerade abgespielt hatte. Sie stellte sich vor und fragte: „Kennen Sie das Unfallopfer?“
„Ja, natürlich. Das ist Carsten Lehmann. Der spielt im Posaunenchor. Ein netter, zurückhaltender junger Mann.“
„Wie genau ist das denn passiert?“
„Fragen Sie doch mal unseren Jugendmitarbeiter, Herrn Renyard. Der hat alles mit angesehen. - Simon, hier ist eine Dame von der Polizei. Kannst Du ihr bitte mal genau erzählen, was da eben passiert ist?“
Der Jugendreferent war noch sehr jung, blonde Dreadlocks standen wild von seinem Kopf ab, Nase und Augenbrauen waren mit Piercings geschmückt und zur dreiviertellangen Cargo-Hose trug er ein T-Shirt der Evangelischen Jugend. Er zitterte und antwortete:
„So genau weiß ich das ehrlich gesagt auch nicht. Gerade eben hat einer von den Jungs geschossen und auf einmal fiel Carsten in die Schusslinie. Ich verstehe das nicht, der war nicht betrunken und auch kein Kandidat für schwachen Kreislauf.“
Kerkenbrock sah sich den Verletzten aus der Nähe an, soweit das möglich war, denn der Arzt kniete schon über ihm, flüsterte aber schließlich: „Dem kann niemand mehr helfen. Einen Rettungswagen brauchen wir nicht mehr.“
Als der Arzt zurück trat, entdeckte Kerkenbrock auf dem Rücken des Opfers einen eindeutigen Hinweis, dass es sich hier höchstwahrscheinlich um ein Tötungsdelikt handelte: Auf dem hellen Oberhemd zeichnete sich im Rückenbereich der schmutzige Abdruck einer Hand ab.
„Er ist gestoßen worden.“, stellte sie an die Pfarrerin gewandt fest. „Könnten Sie bitte dafür sorgen, dass diese Nachricht möglichst nicht verbreitet wird? Sagen Sie einfach, Herr Lehmann sei verletzt worden, man habe ihn in die Ambulanz gebracht und er sei auf dem Weg der Besserung und er habe sich gewünscht, dass das Fest wie geplant weiter gehe. Ich vermute, es wird leichter für mich und meine Kollegen, wenn alle ganz entspannt ihren Geschäften nachgehen.“
In Godehard Sandjohanns Kopf fuhren die Gedanken Karussell. Wann würde die Polizistin entdecken, dass seine Hände schwarz von der Grillkohle waren? Wann würde jemand damit heraus platzen, dass Carsten sich immer über ihn und seine Texte lustig gemacht hatte? Bei seinen Lesungen hatte er immer kopfschüttelnd mit einem überlegenem Grinsen in der letzten Reihe gesessen, statt einfach zu Hause zu bleiben und sich an der riesigen Menge der Follower seines Blogs hochzuziehen. Warum musste er heute hier auftauchen, wo er doch jedem, der es nicht wissen wollte, erzählt hatte, er hätte keine Zeit, zum Gemeindefest zu kommen, weil er an einem Poetry-Slam teilnehme. Hatte er ihm etwa eine Falle gestellt? Hatte er damit gerechnet, dass Godehard sich bei seinen Texten bedienen würde? So gut waren sie nun auch wieder nicht, nur dieser eine eben, der hatte sich so gut in die Kette seiner Gedanken eingefügt. Aber er hätte ihn unweigerlich erkannt. Und dann hätte er ihn bloßgestellt. Jetzt würde er wie geplant gar nichts mitbekommen von der Lesung und somit auch niemandem offenbaren, dass der Text, dem man zum Abschluss des Festes lauschen konnte, zum Teil aus seiner Feder und nicht aus der Godehard Sandjohanns stammte. Er konnte auch unmöglich bemerkt haben, wer ihm den Stoß versetzt hatte. Langsam beruhigte sich Godehard und nahm einen tiefen Zug aus seinem Bierglas.
Was Godehard nicht ahnte: Einer der begeistertsten Follower von Carsten Lehmanns Blog, der mit dem Künstlernamen „Herr Berger“ agierte, wie er auch von vielen Freunden und Bekannten genannt wurde, war hier auf dem Fest: Sabine Kerkenbrock.
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