Samstag, 4. Juni 2016
Ein Pfarrer verschwindet – Kurzkrimi in vier Teilen – Teil III
c. fabry, 15:23h
Vor dem Abendtermin suchten die Polizeibeamten noch einmal das Präsidium auf und kümmerten sich um einen Teil der sich auf dem Schreibtisch türmenden Verwaltungsangelegenheiten, bevor sie in das besagte Gemeindehaus zurückkehrten.
Die Mitglieder des Kirchenchores trudelten ein und Keller stellte zischend fest: „Was die Damen heute Nachmittag zu wenig im Kopf hatten, ist bei denen hier offensichtlich zu viel.“
„Wie kommen sie denn zu der Schlussfolgerung?“, fragte Kerkenbrock.
„Na, die Omas haben ja schon eine Menge Blödsinn vom Stapel gelassen, aber die hier machen auf mich alle den Eindruck, als wären sie Lehrer, Ärzte, Anwälte, Professoren und so weiter.“
„Bildungsbürger, meinen Sie.“
„Ja genau.“
„Aber warum sollten die mehr im Kopf haben, als ein Mitglied der Frauenhilfe?“
„Weitaus mehr Bildung.“
„Na und? In unserem Land machen Leute Abitur, die eigentlich nicht bis drei zählen können und hochintelligente, problemlösungsbegabte junge Leute fallen durchs Raster unseres Bildungssystems. Diese verbildeten Eingebildeten können bisweilen so blöd sein, dass man nur noch fassungslos davor steht. Warten Sie’s ab. Die Omas eben waren witzig, aber wenn das hier so eine Bachkantaten-Abteilung ist, trinken Sie schnell noch einen Espresso, damit Sie gleich nicht einschlafen. Die Chorleiterin sieht jedenfalls stilecht aus, die habe ich eben schon ausgemacht.“
„Stilecht? Inwiefern?“
„Enger Rollkragenpullover, schlichter Mozartzopf, blasser Teint, ungeschminkt. Steht da vorne mit einem Stapel Noten.“
„Dann sind die vermutlich so mit ihren kulturellen Umtrieben befasst, dass die gar nicht mitbekommen, wenn ihr Pfarrer sich auffällig verhält?“
„Oh nein, Es gibt in jedem Kirchenchor den Bodensatz der Möchte-gern-Bildungsbürger. Leute mit Volksschulabschluss mit einfacher oder auch ohne Berufsausbildung, die gern dazu gehören möchten und sich so geben, sich an ihren Vorbildern orientieren, sie nachäffen, Konzerte besuchen und hinterher darüber reden, obwohl sie sich kaum auskennen, die Lippen pikiert zusammen pressen, wenn ein unflätiges Wort fällt und ihr sauer verdientes Geld in edle, englische Markenkleidung investieren, damit sie genauso aussehen wie der Herr Professor und die Frau des Herzchirurgen und auch mit dem gleichen Respekt behandelt werden. Sie bemühen sich, sich besonders gewählt auszudrücken, benutzen dabei aber die falschen Vokabeln, die sie zu allem Überfluss auch noch verkehrt aussprechen oder mit unpassenden Artikeln und Pluralformen versehen. So ein paar von der Sorte „Ich habe zwar kein Abitur, aber ich bin reich.“, gibt es dann auch noch, meistens Eigentümer gut durchgestarteter Betriebe, die es aus eigener Kraft geschafft haben. Die Männer sind oft nur harmlose, großspurige Schenkelklopfer, aber die Frauen sind die zickigsten Giftspritzen, die man sich vorstellen kann, schlimmer als in jedem vorhersehbaren Groschenroman.“
„Haben Sie das alles in der kurzen Zeit mitbekommen, in der sie ehrenamtlich in der Jugendfreizeitarbeit mitgewirkt haben?“
„Ach was. Meine Mutter hat im Kirchenchor gesungen. Die haben gemeinsame Ausflüge veranstaltet, auf die ich sie als Kind begleiten durfte. Als ich älter wurde, hat meine Mutter dann immer die schärfsten Schoten aus dem Chor zum Besten gegeben. Da gab es oft viel zu lachen.“
„Lassen Sie uns mal rein gehen, bevor die anfangen, sich einzusingen.“
„Hey Keller, Sie kennen sich ja richtig aus!“
Kerkenbrock sprach die Chorleiterin an, die dem Chor die Polizeibeamten vorstellte und ihnen dann die Regie überließ.
Doch in den betont kultivierten Kreisen des Kirchenchores wagte niemand, sich vor versammelter Mannschaft als tratschsüchtig zu offenbaren und so ernteten die Beamten nur ratloses Kopfschütteln und Schulterzucken. Erst als sie den Gemeindesaal frustriert verließen, eilte ein hochgewachsener, älterer Herr ihnen hinterher und rief: „Warten Sie einen Augenblick, mir ist da doch noch etwas eingefallen!“
FORTSETZUNG FOLGT MORGEN.
Die Mitglieder des Kirchenchores trudelten ein und Keller stellte zischend fest: „Was die Damen heute Nachmittag zu wenig im Kopf hatten, ist bei denen hier offensichtlich zu viel.“
„Wie kommen sie denn zu der Schlussfolgerung?“, fragte Kerkenbrock.
„Na, die Omas haben ja schon eine Menge Blödsinn vom Stapel gelassen, aber die hier machen auf mich alle den Eindruck, als wären sie Lehrer, Ärzte, Anwälte, Professoren und so weiter.“
„Bildungsbürger, meinen Sie.“
„Ja genau.“
„Aber warum sollten die mehr im Kopf haben, als ein Mitglied der Frauenhilfe?“
„Weitaus mehr Bildung.“
„Na und? In unserem Land machen Leute Abitur, die eigentlich nicht bis drei zählen können und hochintelligente, problemlösungsbegabte junge Leute fallen durchs Raster unseres Bildungssystems. Diese verbildeten Eingebildeten können bisweilen so blöd sein, dass man nur noch fassungslos davor steht. Warten Sie’s ab. Die Omas eben waren witzig, aber wenn das hier so eine Bachkantaten-Abteilung ist, trinken Sie schnell noch einen Espresso, damit Sie gleich nicht einschlafen. Die Chorleiterin sieht jedenfalls stilecht aus, die habe ich eben schon ausgemacht.“
„Stilecht? Inwiefern?“
„Enger Rollkragenpullover, schlichter Mozartzopf, blasser Teint, ungeschminkt. Steht da vorne mit einem Stapel Noten.“
„Dann sind die vermutlich so mit ihren kulturellen Umtrieben befasst, dass die gar nicht mitbekommen, wenn ihr Pfarrer sich auffällig verhält?“
„Oh nein, Es gibt in jedem Kirchenchor den Bodensatz der Möchte-gern-Bildungsbürger. Leute mit Volksschulabschluss mit einfacher oder auch ohne Berufsausbildung, die gern dazu gehören möchten und sich so geben, sich an ihren Vorbildern orientieren, sie nachäffen, Konzerte besuchen und hinterher darüber reden, obwohl sie sich kaum auskennen, die Lippen pikiert zusammen pressen, wenn ein unflätiges Wort fällt und ihr sauer verdientes Geld in edle, englische Markenkleidung investieren, damit sie genauso aussehen wie der Herr Professor und die Frau des Herzchirurgen und auch mit dem gleichen Respekt behandelt werden. Sie bemühen sich, sich besonders gewählt auszudrücken, benutzen dabei aber die falschen Vokabeln, die sie zu allem Überfluss auch noch verkehrt aussprechen oder mit unpassenden Artikeln und Pluralformen versehen. So ein paar von der Sorte „Ich habe zwar kein Abitur, aber ich bin reich.“, gibt es dann auch noch, meistens Eigentümer gut durchgestarteter Betriebe, die es aus eigener Kraft geschafft haben. Die Männer sind oft nur harmlose, großspurige Schenkelklopfer, aber die Frauen sind die zickigsten Giftspritzen, die man sich vorstellen kann, schlimmer als in jedem vorhersehbaren Groschenroman.“
„Haben Sie das alles in der kurzen Zeit mitbekommen, in der sie ehrenamtlich in der Jugendfreizeitarbeit mitgewirkt haben?“
„Ach was. Meine Mutter hat im Kirchenchor gesungen. Die haben gemeinsame Ausflüge veranstaltet, auf die ich sie als Kind begleiten durfte. Als ich älter wurde, hat meine Mutter dann immer die schärfsten Schoten aus dem Chor zum Besten gegeben. Da gab es oft viel zu lachen.“
„Lassen Sie uns mal rein gehen, bevor die anfangen, sich einzusingen.“
„Hey Keller, Sie kennen sich ja richtig aus!“
Kerkenbrock sprach die Chorleiterin an, die dem Chor die Polizeibeamten vorstellte und ihnen dann die Regie überließ.
Doch in den betont kultivierten Kreisen des Kirchenchores wagte niemand, sich vor versammelter Mannschaft als tratschsüchtig zu offenbaren und so ernteten die Beamten nur ratloses Kopfschütteln und Schulterzucken. Erst als sie den Gemeindesaal frustriert verließen, eilte ein hochgewachsener, älterer Herr ihnen hinterher und rief: „Warten Sie einen Augenblick, mir ist da doch noch etwas eingefallen!“
FORTSETZUNG FOLGT MORGEN.
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