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Freitag, 8. Dezember 2023
Spoiler 8
c. fabry, 16:54h
1970
Ingrid nahm ihren 21. Geburtstag zur Kenntnis. Gefeiert wurde nicht.
"Wenn du feiern willst, kümmere dich selbst darum.", hatte die Mutter gesagt. Aber wen hätte Ingrid schon einladen sollen? Sie hatte keine Freundinnen und Freunde erst recht nicht. Sie war jetzt volljährig, sie konnte tun, was sie wollte, aufbrechen, zu welchem Ort auch immer sie wollte, aber wohin hätte sie schon gehen können? Sie war nicht ausgebildet, besaß kein eigenes Geld und hatte - wie gesagt - keine Freunde, die sie hätten beherbergen und unterstützen können. Ihre einzige Chance auf etwas Würde bestand in der baldigen Heirat eines anständigen Mannes - die Besten waren bereits in festen Händen, so viele in Ingrids Alter waren bereits verlobt.
Bis zur nächsten Tanzveranstaltung in der Umgebung war es noch acht Wochen hin, dann begann die Saison und bis dahin wollte sie gut aussehen. Die Feld- und Gartenarbeit verrichtete sie jetzt, so oft es ging leicht bekleidet, damit sie Farbe bekam. Sie aß nicht so viel von allem, was fettig war und süßte Kaffee und Tee nur noch mit Süßstoff. Tatsächlich verlor sie ein paar Pfunde und fühlte sich gleich attraktiver, da konnten auch die spitzen und abwertenden Bemerkungen ihrer missgünstigen Mutter nichts ausrichten. Lisbeths Beleidigungen machten keinen Eindruck mehr auf sie, denn mit den hohlen Wangen, den dunklen Ringen unter den Augen, den Krähenfüßen und den gekräuselten Lippen und dem viel zu dünnen aschblond-grauen Haar wirkte ihre Mutter mehr wie ein Gespenst als wie eine gestandene Bäuerin. Ingrid hatte ihre Statur mehr vom Vater geerbt; stämmige Beine und einen kräftigen Rücken, dazu war sie mit üppigen Brüsten und einer vollendeten Hüftrundung gesegnet. Sie war ein richtiges Vollweib, das durchaus das Potential besaß, die Blicke der Männer auf sich zu ziehen, wenn sie nur nicht immer so mürrisch dreingeblickt hätte. Aber aus ihrem vollen, langen Haar ließ sich Einiges machen und das neue Tanzkleid hing schon auf dem Bügel - nichts Großartiges, aber fesch und für die üblichen Zeltfeste mehr als ausreichend. Dieses Jahr würde es klappen, da war sie sich sicher, jetzt war sie endlich auch einmal dran. Gerds Frau erwartete nämlich bereits das zweite Kind und ließ keine Gelegenheit aus, darauf hinzuweisen, dass Ingrids Enkel-Lieferungen jawohl noch in weiter Ferne lägen, zumal sie sich noch nicht einmal einen geeigneten Vater für die Kinder angelacht habe. Ingrid wollte es allen zeigen.
So versank sie gerade in ihren Gedanken an einem Mittwoch im Mai, durchgeschwitzt und erschöpft von der Arbeit, die Schweine lärmten in Erwartung der Fütterung und Ingrid gab sich dem fast schon kontemplativen Rhythmus des Handgemelks hin, als sie sich wunderte, warum die Schweine nicht allmählich Ruhe gaben. Sie molk die Kuh noch zu Ende, dann schlurfte sie in Richtung der Schweineboxen, um nachzusehen, was da nicht nach Plan lief.
Die Sauen gingen gierig schreiend und quiekend die Wände hoch und Ingrid stellte sofort fest, dass sie noch kein Futter bekommen hatten. Nur ganz hinten war es ruhig. Warum war Fritz einfach weggegangen und hatte die Tiere nicht komplett versorgt? Sie rief ihn, erhielt aber keine Antwort und weil sie ihn nirgends erblickte, erbarmte sie sich der Tiere und setzte die Fütterung fort. Als alle zufrieden grunzten, schrubbte sie ihre Hände, tauschte die Holzpantinen gegen Hausschuhe aus und ging in die Küche, wo die Mutter bereits den Tisch fürs Abendessen deckte.
"Is' Vatter immer noch nich' fertig mit füttern?", fragte Lisbeth angespannt.
"Ich habe gefüttert.", antwortete Ingrid. "Wo unser Vatter is' weiß ich auch nich'. Wahrscheinlich im Gasthof."
"So was macht der nicht.", antwortete Lisbeth. "Der läuft doch nicht mitten bei der Arbeit weg."
"Wer weiß.", erwiderte Ingrid. "Je oller, je doller."
"Jetzt geh unsern Vatter suchen.", wies die Mutter sie scharf zurecht. "Gibt gleich Abendbrot."
Widerwillig schlurfte Ingrid in den Stall zurück. Wo sollte sie den Alten denn suchen? Seufzend schlüpfte sie in ihre Pantinen. Sie würde wohl auf dem ganzen Hof herumstöbern müssen, eher gäbe Lisbeth keine Ruhe. Sie spürte einen leichten Harndrang und entschloss sich, den Toilettengang auf einem Weg zu erledigen. Das Plumpsklo im Stall war jetzt schön ruhig, wo die Tiere versorgt waren.
Als sie die Tür öffnete, starrte sie verwundert auf ihren Vater und wollte ihn gerade anfauchen, weil er stundenlang auf dem Klo saß und nicht antwortete, wenn man ihn rief, doch dann dämmerte ihr, dass Fritz weder antworten noch irgendetwas hören konnte. Seine halb geöffneten Augen blickten starr ins Nichts, der Oberkörper war zur Seite gekippt und lehnte schlaff in einer Mauerecke, die Lippen schimmerten bläulich, die Gesichtsfarbe erschien blass und wächsern. Und auch wenn sie viele Jahre lang diesen Moment herbeigesehnt hatte, schrie sie aus Leibeskräften und konnte gar nicht mehr aufhören, auch nicht, als Lisbeth dazu kam und mit einfiel in die vermeintliche Totenklage.
Mit der Tanzboden-Bekanntschaft wurde es auch in diesem Jahr nichts, das Trauerjahr war einzuhalten, auch wenn es für Ingrid nichts zu betrauern gab.
Ingrid nahm ihren 21. Geburtstag zur Kenntnis. Gefeiert wurde nicht.
"Wenn du feiern willst, kümmere dich selbst darum.", hatte die Mutter gesagt. Aber wen hätte Ingrid schon einladen sollen? Sie hatte keine Freundinnen und Freunde erst recht nicht. Sie war jetzt volljährig, sie konnte tun, was sie wollte, aufbrechen, zu welchem Ort auch immer sie wollte, aber wohin hätte sie schon gehen können? Sie war nicht ausgebildet, besaß kein eigenes Geld und hatte - wie gesagt - keine Freunde, die sie hätten beherbergen und unterstützen können. Ihre einzige Chance auf etwas Würde bestand in der baldigen Heirat eines anständigen Mannes - die Besten waren bereits in festen Händen, so viele in Ingrids Alter waren bereits verlobt.
Bis zur nächsten Tanzveranstaltung in der Umgebung war es noch acht Wochen hin, dann begann die Saison und bis dahin wollte sie gut aussehen. Die Feld- und Gartenarbeit verrichtete sie jetzt, so oft es ging leicht bekleidet, damit sie Farbe bekam. Sie aß nicht so viel von allem, was fettig war und süßte Kaffee und Tee nur noch mit Süßstoff. Tatsächlich verlor sie ein paar Pfunde und fühlte sich gleich attraktiver, da konnten auch die spitzen und abwertenden Bemerkungen ihrer missgünstigen Mutter nichts ausrichten. Lisbeths Beleidigungen machten keinen Eindruck mehr auf sie, denn mit den hohlen Wangen, den dunklen Ringen unter den Augen, den Krähenfüßen und den gekräuselten Lippen und dem viel zu dünnen aschblond-grauen Haar wirkte ihre Mutter mehr wie ein Gespenst als wie eine gestandene Bäuerin. Ingrid hatte ihre Statur mehr vom Vater geerbt; stämmige Beine und einen kräftigen Rücken, dazu war sie mit üppigen Brüsten und einer vollendeten Hüftrundung gesegnet. Sie war ein richtiges Vollweib, das durchaus das Potential besaß, die Blicke der Männer auf sich zu ziehen, wenn sie nur nicht immer so mürrisch dreingeblickt hätte. Aber aus ihrem vollen, langen Haar ließ sich Einiges machen und das neue Tanzkleid hing schon auf dem Bügel - nichts Großartiges, aber fesch und für die üblichen Zeltfeste mehr als ausreichend. Dieses Jahr würde es klappen, da war sie sich sicher, jetzt war sie endlich auch einmal dran. Gerds Frau erwartete nämlich bereits das zweite Kind und ließ keine Gelegenheit aus, darauf hinzuweisen, dass Ingrids Enkel-Lieferungen jawohl noch in weiter Ferne lägen, zumal sie sich noch nicht einmal einen geeigneten Vater für die Kinder angelacht habe. Ingrid wollte es allen zeigen.
So versank sie gerade in ihren Gedanken an einem Mittwoch im Mai, durchgeschwitzt und erschöpft von der Arbeit, die Schweine lärmten in Erwartung der Fütterung und Ingrid gab sich dem fast schon kontemplativen Rhythmus des Handgemelks hin, als sie sich wunderte, warum die Schweine nicht allmählich Ruhe gaben. Sie molk die Kuh noch zu Ende, dann schlurfte sie in Richtung der Schweineboxen, um nachzusehen, was da nicht nach Plan lief.
Die Sauen gingen gierig schreiend und quiekend die Wände hoch und Ingrid stellte sofort fest, dass sie noch kein Futter bekommen hatten. Nur ganz hinten war es ruhig. Warum war Fritz einfach weggegangen und hatte die Tiere nicht komplett versorgt? Sie rief ihn, erhielt aber keine Antwort und weil sie ihn nirgends erblickte, erbarmte sie sich der Tiere und setzte die Fütterung fort. Als alle zufrieden grunzten, schrubbte sie ihre Hände, tauschte die Holzpantinen gegen Hausschuhe aus und ging in die Küche, wo die Mutter bereits den Tisch fürs Abendessen deckte.
"Is' Vatter immer noch nich' fertig mit füttern?", fragte Lisbeth angespannt.
"Ich habe gefüttert.", antwortete Ingrid. "Wo unser Vatter is' weiß ich auch nich'. Wahrscheinlich im Gasthof."
"So was macht der nicht.", antwortete Lisbeth. "Der läuft doch nicht mitten bei der Arbeit weg."
"Wer weiß.", erwiderte Ingrid. "Je oller, je doller."
"Jetzt geh unsern Vatter suchen.", wies die Mutter sie scharf zurecht. "Gibt gleich Abendbrot."
Widerwillig schlurfte Ingrid in den Stall zurück. Wo sollte sie den Alten denn suchen? Seufzend schlüpfte sie in ihre Pantinen. Sie würde wohl auf dem ganzen Hof herumstöbern müssen, eher gäbe Lisbeth keine Ruhe. Sie spürte einen leichten Harndrang und entschloss sich, den Toilettengang auf einem Weg zu erledigen. Das Plumpsklo im Stall war jetzt schön ruhig, wo die Tiere versorgt waren.
Als sie die Tür öffnete, starrte sie verwundert auf ihren Vater und wollte ihn gerade anfauchen, weil er stundenlang auf dem Klo saß und nicht antwortete, wenn man ihn rief, doch dann dämmerte ihr, dass Fritz weder antworten noch irgendetwas hören konnte. Seine halb geöffneten Augen blickten starr ins Nichts, der Oberkörper war zur Seite gekippt und lehnte schlaff in einer Mauerecke, die Lippen schimmerten bläulich, die Gesichtsfarbe erschien blass und wächsern. Und auch wenn sie viele Jahre lang diesen Moment herbeigesehnt hatte, schrie sie aus Leibeskräften und konnte gar nicht mehr aufhören, auch nicht, als Lisbeth dazu kam und mit einfiel in die vermeintliche Totenklage.
Mit der Tanzboden-Bekanntschaft wurde es auch in diesem Jahr nichts, das Trauerjahr war einzuhalten, auch wenn es für Ingrid nichts zu betrauern gab.
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Freitag, 1. Dezember 2023
Spoiler 7 - nichts für Kinder
c. fabry, 07:47h
1967
Ostern war gerade vorbei. Am Montag war Gerd mit seiner Frau zum Kaffeetrinken da gewesen. Waltraud war ein ziemlicher Besen, das gönnte Ingrid ihrem Bruder. Die würde ihn sein Leben lang in Schach halten. Besonders nett war sie allerdings nicht. Sie ging mit Ingrid um wie mit einer Magd und nicht wie mit einer Schwägerin. In ihrem Dorf nannte man sie die Warmenau-Prinzessin, aber nicht etwa wegen ihrer bezaubernden Schönheit und Grazie oder wegen eines feinsinnigen und kultivierten Wesens, nein, sie führte sich auf wie eine Herrscherin, die es als verwöhntes Einzelkind schlichtweg erwartete, dass sie stets erhielt, wonach sie verlangte.
Ingrid spürte nicht die geringste Lust, dem jungen Paar einen Gegenbesuch abzustatten. Und jetzt hatte sie der Alltag längst wieder - Fritz war mit der Getreideaussaat beschäftigt und Lisbeth und Ingrid hatten es im Stall umso eiliger.
Ach wenn sie doch einen Mann fände, der mit seinem Vermögen den elterlichen Hof einfach in die Tasche stecken könnte, jeder würde verstehen, wenn sie zu ihrem reichen Bräutigam ziehen würde, und der könnte großzügig Knechte und Mägde abstellen und alle wären zufrieden. Dann könnte Fritz sich ja zur Abwechslung mal mit der Magd vergnügen.
Aber dann erreichte sie eine Nachricht, mit der niemand gerechnet hatte: Ihr Bruder Rainer war plötzlich verstorben. Und als die Eltern nicht locker ließen, nachzufragen, wie jemand bei der Marine umkommen könne, wenn die Bundeswehr sich doch gar nicht im Krieg befände, wurden sie mit der grausamen Wahrheit konfrontiert, dass Rainer selbstständig seinem Leben ein Ende gesetzt hatte. Erhängt hatte er sich, weil er die rüden Umgangsformen bei der Marine nicht länger ertragen hatte. Und statt seine Vorgesetzten mit klagen zu überziehen wegen der Vernachlässigung ihrer Fürsorgepflicht, schämten sich Lisbeth und Fritz für ihren Sohn, der so kläglich versagt hatte und nicht einmal den Grundwehrdienst in Friedenszeiten ertragen hatte. Sie sprachen nicht mehr von ihm, stellten auch keine Bilder auf und die Beerdigung fand im engsten Familienkreis statt. Nur Ingrid trauerte um ihren Bruder, doch auch sie schwieg, denn es wollte ja sonst niemand über ihn reden und so dachte sie viel zu selten an ihn und die Erinnerungen begannen bereits zu verblassen.
Sie hatte wieder einen besonders harten Tag im Stall hinter sich, denn Lisbeth hatte sich nach dem Mittagessen mit Fieber ins Bett gelegt, was Fritz zum Anlass genommen hatte, schon am Nachmittag den Gasthof aufzusuchen, um in bierseliger Gesellschaft das häusliche Elend eine Zeitlang auszublenden. Als er betrunken zurückkehrte, lag Ingrid schon im Bett, war völlig ermattet eingeschlafen und schreckte hoch, weil Fritz durch seine alkoholisch eingeschränkte Feinmotorik und Koordinationsfähigkeit mehrere Gegenstände auf der Deele umstieß und dabei ein ohrenbetäubendes Spektakel veranstaltete. Ingrid zog sich die Decke über den Kopf, bis Poltern und Fluchen verstummt waren und schlief dann bald wieder ein.
Als sie wieder erwachte, fröstelte sie, weil der Alte ihre Decke zurückgeschlagen hatte und sich an ihrem Nachthemd zu schaffen machte. Sich selbst hatte er unten herum schon entblößt und sein gieriges Keuchen roch nach Schnaps, Bier, Zigaretten und einem deutlich übersäuerten Magen, vom bestialischen Gestank der Ausscheidungen seiner zahlreichen Kariesbakterien einmal ganz zu schweigen. Das alles mischte sich mit dem süßlich ungesunden Gestank seines ungewaschenen, alternden Männerkörpers.
Diesmal war Ingrids Abscheu und Ekel stärker als ihre Angst. Sie begann zu schreien und auf die haarige, verschwitzte Brust ihres Vaters einzuschlagen. Er wollte ihr den Mund zuhalten, aber er musste auch ihre Schläge abwehren, und er war viel zu betrunken, um derartig koordinierte Bewegungen zu vollziehen. Ingrid schrie immer weiter, schrill und laut, als ginge es ums nackte Überleben und sie trommelte immer weiter auf den betrunkenen Sack über ihr ein, bis schließlich Lisbeth in der Tür stand. Die ging auf das Bett zu, bekam ihren Mann am Hemd zu fassen und zerrte ihn von der gemeinsamen Tochter. Er fiel zu Boden. Ingrid schrie noch immer. Lisbeth verpasste ihr eine schallende Ohrfeige und zischte: " Bist du still! Was sollen denn die Nachbarn denken?"
"Welche Nachbarn?", dachte Ingrid, ohne es auszusprechen.
Fritz kam wieder auf die Beine und zog seine Schlafanzughose hoch. Er wankte in Richtung Schlafzimmer und Lisbeth folgte ihm auf den Fersen. Sie blickte sich nicht einmal zu ihrer Tochter um.
Ingrid erfuhr niemals, was sich danach zwischen ihren Eltern abspielte. Es war ihr auch egal. Auf jeden Fall war es das letzte Mal, dass ihr Vater ihr Schlafzimmer betreten hatte.
Ostern war gerade vorbei. Am Montag war Gerd mit seiner Frau zum Kaffeetrinken da gewesen. Waltraud war ein ziemlicher Besen, das gönnte Ingrid ihrem Bruder. Die würde ihn sein Leben lang in Schach halten. Besonders nett war sie allerdings nicht. Sie ging mit Ingrid um wie mit einer Magd und nicht wie mit einer Schwägerin. In ihrem Dorf nannte man sie die Warmenau-Prinzessin, aber nicht etwa wegen ihrer bezaubernden Schönheit und Grazie oder wegen eines feinsinnigen und kultivierten Wesens, nein, sie führte sich auf wie eine Herrscherin, die es als verwöhntes Einzelkind schlichtweg erwartete, dass sie stets erhielt, wonach sie verlangte.
Ingrid spürte nicht die geringste Lust, dem jungen Paar einen Gegenbesuch abzustatten. Und jetzt hatte sie der Alltag längst wieder - Fritz war mit der Getreideaussaat beschäftigt und Lisbeth und Ingrid hatten es im Stall umso eiliger.
Ach wenn sie doch einen Mann fände, der mit seinem Vermögen den elterlichen Hof einfach in die Tasche stecken könnte, jeder würde verstehen, wenn sie zu ihrem reichen Bräutigam ziehen würde, und der könnte großzügig Knechte und Mägde abstellen und alle wären zufrieden. Dann könnte Fritz sich ja zur Abwechslung mal mit der Magd vergnügen.
Aber dann erreichte sie eine Nachricht, mit der niemand gerechnet hatte: Ihr Bruder Rainer war plötzlich verstorben. Und als die Eltern nicht locker ließen, nachzufragen, wie jemand bei der Marine umkommen könne, wenn die Bundeswehr sich doch gar nicht im Krieg befände, wurden sie mit der grausamen Wahrheit konfrontiert, dass Rainer selbstständig seinem Leben ein Ende gesetzt hatte. Erhängt hatte er sich, weil er die rüden Umgangsformen bei der Marine nicht länger ertragen hatte. Und statt seine Vorgesetzten mit klagen zu überziehen wegen der Vernachlässigung ihrer Fürsorgepflicht, schämten sich Lisbeth und Fritz für ihren Sohn, der so kläglich versagt hatte und nicht einmal den Grundwehrdienst in Friedenszeiten ertragen hatte. Sie sprachen nicht mehr von ihm, stellten auch keine Bilder auf und die Beerdigung fand im engsten Familienkreis statt. Nur Ingrid trauerte um ihren Bruder, doch auch sie schwieg, denn es wollte ja sonst niemand über ihn reden und so dachte sie viel zu selten an ihn und die Erinnerungen begannen bereits zu verblassen.
Sie hatte wieder einen besonders harten Tag im Stall hinter sich, denn Lisbeth hatte sich nach dem Mittagessen mit Fieber ins Bett gelegt, was Fritz zum Anlass genommen hatte, schon am Nachmittag den Gasthof aufzusuchen, um in bierseliger Gesellschaft das häusliche Elend eine Zeitlang auszublenden. Als er betrunken zurückkehrte, lag Ingrid schon im Bett, war völlig ermattet eingeschlafen und schreckte hoch, weil Fritz durch seine alkoholisch eingeschränkte Feinmotorik und Koordinationsfähigkeit mehrere Gegenstände auf der Deele umstieß und dabei ein ohrenbetäubendes Spektakel veranstaltete. Ingrid zog sich die Decke über den Kopf, bis Poltern und Fluchen verstummt waren und schlief dann bald wieder ein.
Als sie wieder erwachte, fröstelte sie, weil der Alte ihre Decke zurückgeschlagen hatte und sich an ihrem Nachthemd zu schaffen machte. Sich selbst hatte er unten herum schon entblößt und sein gieriges Keuchen roch nach Schnaps, Bier, Zigaretten und einem deutlich übersäuerten Magen, vom bestialischen Gestank der Ausscheidungen seiner zahlreichen Kariesbakterien einmal ganz zu schweigen. Das alles mischte sich mit dem süßlich ungesunden Gestank seines ungewaschenen, alternden Männerkörpers.
Diesmal war Ingrids Abscheu und Ekel stärker als ihre Angst. Sie begann zu schreien und auf die haarige, verschwitzte Brust ihres Vaters einzuschlagen. Er wollte ihr den Mund zuhalten, aber er musste auch ihre Schläge abwehren, und er war viel zu betrunken, um derartig koordinierte Bewegungen zu vollziehen. Ingrid schrie immer weiter, schrill und laut, als ginge es ums nackte Überleben und sie trommelte immer weiter auf den betrunkenen Sack über ihr ein, bis schließlich Lisbeth in der Tür stand. Die ging auf das Bett zu, bekam ihren Mann am Hemd zu fassen und zerrte ihn von der gemeinsamen Tochter. Er fiel zu Boden. Ingrid schrie noch immer. Lisbeth verpasste ihr eine schallende Ohrfeige und zischte: " Bist du still! Was sollen denn die Nachbarn denken?"
"Welche Nachbarn?", dachte Ingrid, ohne es auszusprechen.
Fritz kam wieder auf die Beine und zog seine Schlafanzughose hoch. Er wankte in Richtung Schlafzimmer und Lisbeth folgte ihm auf den Fersen. Sie blickte sich nicht einmal zu ihrer Tochter um.
Ingrid erfuhr niemals, was sich danach zwischen ihren Eltern abspielte. Es war ihr auch egal. Auf jeden Fall war es das letzte Mal, dass ihr Vater ihr Schlafzimmer betreten hatte.
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Donnerstag, 23. November 2023
Spoiler 6
c. fabry, 23:48h
1966
Ingrid war wahnsinnig aufgeregt. Zeltfeste und Hochzeiten waren nach nunmehr zwei Jahren die einzigen Gelegenheiten, zu denen sie den elterlichen Hof verlassen durfte. Mit dem Ende der Schulzeit hatten auch praktisch all ihre Sozialkontakte geendet. Eine Ausbildung sei nicht nötig, hatten die Eltern gemeint, irgendwann würde sie ja doch heiraten und da war ein gut situierter Bauer das Beste, was ihr passieren konnte. Die effektivste Vorbereitung darauf war, dass sie auf dem Hof jede Arbeit tat und außerdem entlastete sie damit ihre Eltern und Brüder. Ingrid träumte heimlich von einem bequemen und eleganten Leben als mondäne Arztfrau oder Anwaltsgattin. Es musste nicht gleich ein superreicher Industrieller sein. Aber sie wäre schon froh gewesen, wenn nur irgendein anständiger Kerl mit ausreichend Vieh und Land an den Hacken ein Auge auf sie geworfen hätte. Aussichtsreiche Kandidaten begegneten ihr aber nur bei Festen und Feiern.
Und nun war es wieder einmal soweit: Ihr Bruder Gerd heiratete eine als Einzelkind aufgewachsene Bauerntochter aus dem benachbarten Bardüttingdorf, die den großen Hof ihrer Eltern erben würde. Dieser Bruder hatte ausgesorgt und Rainer würde den Hof auch nicht übernehmen; er ging in ein paar Wochen zur Marine und hatte sich dort für zwölf Jahre verpflichtet. Unter anderen Umständen hätte Ingrid sich über diese Entwicklung freuen können. Als Jüngste stand ihr zwar ohnehin das Erbe zu, aber oft wurde an diesem alten Recht herumgeschraubt, sodass eigentlich immer der jüngste Sohn das Erbe antrat, während die jüngste Tochter leer ausging. Im Augenblick hätte Ingrid aber gern auf das Erbe verzichtet, wenn nur Rainer bleiben würde und sie nicht für die Marine im Stich ließe. Nun war sie bald ganz allein mit ihren schrecklichen Eltern. Darum betete sie inbrünstig, ihr möge bei Gerds Hochzeit ein aussichtsreicher Kandidat begegnen, der sie aus ihrem Martyrium befreite.
Das als nach dem Vier-Gänge-Menü der Tanzboden eröffnet wurde, forderte niemand den ungeschickten Backfisch mit den hängenden Schultern, der blühenden Akne und der unzeitgemäßen Zopffrisur auf. Ingrids Körper hatte etwas Plumpes, ihre Bewegungen wirkten schwerfällig und unsicher. Damit schützte sie sich unbewusst vor Belästigungen und Übergriffen - aber leider verhinderte das auch die schönen und aufregenden ersten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht. Die hübschen Jungen in ihrem Alter würdigten sie keines Blickes und nicht einmal mit den Mittelmäßigen konnte sie sich unterhalten, denn worüber hätte sie mit ihnen reden sollen, wo sie doch seit zwei Jahren von allem ferngehalten wurde?
Es wurde einerseits angenehmer nach Gerds Hochzeit, denn der älteste Bruder hatte sie in einem fort beleidigt und im Gegensatz zu Rainer nie Partei für sie ergriffen. Andererseits fehlte Gerds Arbeitskraft auf dem Hof. Das war bis vor einem Jahr schon einmal zwei Jahre lang so gewesen, in der Zeit, als Gerd bei der Bundeswehr diente, aber da hatte er wenigstens am Wochenende mit angefasst oder wenn er Urlaub hatte. Und die Kaserne war auch nicht so weit weg gewesen. Nach der Grundausbildung hatte er abends noch mit ins Heu gekonnt oder bei der Getreideernte geholfen. Dies würde jetzt ausbleiben. Er hatte nun einen eigenen Hof zu versorgen. Und dann würde auch noch Rainer fehlen - nicht nur als Arbeitskraft sondern als Einziger in der Familie, mit dem man mal ein vernünftiges Wort wechseln konnte. Kein Wunder, dass er es auch nicht mehr zu Hause aushielt. Er nutzte seine Chance und sie hätte das auch getan, darum konnte sie es ihm nicht verübeln. Sie fürchtete die schlechte Laune ihrer Mutter und die häufiger auftretenden cholerischen Ausbrüche ihres Vaters. Der einzige Vorteil der sich verändernden Situation bestand darin, dass der Alte nun viel zu erschöpft von der Arbeit sein würde, um mitten in der Nacht aufzuwachen und sich über sie herzumachen.
Alles kam so, wie Ingrid es befürchtet hatte - nur ihre Hoffnung auf Schonung ihrer Nachtruhe erfüllte sich nicht. Dazu reichte es bei dem 44-jährigen Fritz noch immer.
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Ingrid war wahnsinnig aufgeregt. Zeltfeste und Hochzeiten waren nach nunmehr zwei Jahren die einzigen Gelegenheiten, zu denen sie den elterlichen Hof verlassen durfte. Mit dem Ende der Schulzeit hatten auch praktisch all ihre Sozialkontakte geendet. Eine Ausbildung sei nicht nötig, hatten die Eltern gemeint, irgendwann würde sie ja doch heiraten und da war ein gut situierter Bauer das Beste, was ihr passieren konnte. Die effektivste Vorbereitung darauf war, dass sie auf dem Hof jede Arbeit tat und außerdem entlastete sie damit ihre Eltern und Brüder. Ingrid träumte heimlich von einem bequemen und eleganten Leben als mondäne Arztfrau oder Anwaltsgattin. Es musste nicht gleich ein superreicher Industrieller sein. Aber sie wäre schon froh gewesen, wenn nur irgendein anständiger Kerl mit ausreichend Vieh und Land an den Hacken ein Auge auf sie geworfen hätte. Aussichtsreiche Kandidaten begegneten ihr aber nur bei Festen und Feiern.
Und nun war es wieder einmal soweit: Ihr Bruder Gerd heiratete eine als Einzelkind aufgewachsene Bauerntochter aus dem benachbarten Bardüttingdorf, die den großen Hof ihrer Eltern erben würde. Dieser Bruder hatte ausgesorgt und Rainer würde den Hof auch nicht übernehmen; er ging in ein paar Wochen zur Marine und hatte sich dort für zwölf Jahre verpflichtet. Unter anderen Umständen hätte Ingrid sich über diese Entwicklung freuen können. Als Jüngste stand ihr zwar ohnehin das Erbe zu, aber oft wurde an diesem alten Recht herumgeschraubt, sodass eigentlich immer der jüngste Sohn das Erbe antrat, während die jüngste Tochter leer ausging. Im Augenblick hätte Ingrid aber gern auf das Erbe verzichtet, wenn nur Rainer bleiben würde und sie nicht für die Marine im Stich ließe. Nun war sie bald ganz allein mit ihren schrecklichen Eltern. Darum betete sie inbrünstig, ihr möge bei Gerds Hochzeit ein aussichtsreicher Kandidat begegnen, der sie aus ihrem Martyrium befreite.
Das als nach dem Vier-Gänge-Menü der Tanzboden eröffnet wurde, forderte niemand den ungeschickten Backfisch mit den hängenden Schultern, der blühenden Akne und der unzeitgemäßen Zopffrisur auf. Ingrids Körper hatte etwas Plumpes, ihre Bewegungen wirkten schwerfällig und unsicher. Damit schützte sie sich unbewusst vor Belästigungen und Übergriffen - aber leider verhinderte das auch die schönen und aufregenden ersten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht. Die hübschen Jungen in ihrem Alter würdigten sie keines Blickes und nicht einmal mit den Mittelmäßigen konnte sie sich unterhalten, denn worüber hätte sie mit ihnen reden sollen, wo sie doch seit zwei Jahren von allem ferngehalten wurde?
Es wurde einerseits angenehmer nach Gerds Hochzeit, denn der älteste Bruder hatte sie in einem fort beleidigt und im Gegensatz zu Rainer nie Partei für sie ergriffen. Andererseits fehlte Gerds Arbeitskraft auf dem Hof. Das war bis vor einem Jahr schon einmal zwei Jahre lang so gewesen, in der Zeit, als Gerd bei der Bundeswehr diente, aber da hatte er wenigstens am Wochenende mit angefasst oder wenn er Urlaub hatte. Und die Kaserne war auch nicht so weit weg gewesen. Nach der Grundausbildung hatte er abends noch mit ins Heu gekonnt oder bei der Getreideernte geholfen. Dies würde jetzt ausbleiben. Er hatte nun einen eigenen Hof zu versorgen. Und dann würde auch noch Rainer fehlen - nicht nur als Arbeitskraft sondern als Einziger in der Familie, mit dem man mal ein vernünftiges Wort wechseln konnte. Kein Wunder, dass er es auch nicht mehr zu Hause aushielt. Er nutzte seine Chance und sie hätte das auch getan, darum konnte sie es ihm nicht verübeln. Sie fürchtete die schlechte Laune ihrer Mutter und die häufiger auftretenden cholerischen Ausbrüche ihres Vaters. Der einzige Vorteil der sich verändernden Situation bestand darin, dass der Alte nun viel zu erschöpft von der Arbeit sein würde, um mitten in der Nacht aufzuwachen und sich über sie herzumachen.
Alles kam so, wie Ingrid es befürchtet hatte - nur ihre Hoffnung auf Schonung ihrer Nachtruhe erfüllte sich nicht. Dazu reichte es bei dem 44-jährigen Fritz noch immer.
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Freitag, 17. November 2023
Spoiler 5 - nichts für Kinder
c. fabry, 08:26h
1963
Der 28.04. war Ingrids großer Tag: Ganz in weiß schritt sie mit den anderen Mädchen in 2er-Reihen in die Kirche zu Häger, dicht gefolgt von den Jungen in schwarzen Anzügen. Die Posaunen bliesen ihnen zu Ehren und die Gemeinde erhob sich. Als sie und ihre Mitkonfirmanden Platz genommen hatten, fieberte sie einfach nur ihrem Auftritt entgegen. Hatten die Perlonstrümpfe auch keine Laufmasche? Würde sie ohne zu straucheln die Altarstufen empor schreiten?
Die Liturgie, die Lieder und die Predigt gingen durch sie hindurch wie der Atem; nichts davon nahm sie bewusst wahr. Dann hörte sie ihren Namen: Ingrid Vollweiter. Sie erhob sich und es folgten Ursula Vosspeter, Edith Dicke-Kleine und Barbara Oberbiermann. Gemeinsam schritten sie in den Altarraum, reichten Pastor Hahnemann die Hände und knieten nieder. Barbara bangte um ihre kunstvoll toupierte Frisur, doch der Pfarrer hatte Erfahrung mit berührungsempfindlichen Haarkreationen. Alles ging reibungslos über die Bühne und am Ende fand sich Ingrid nach dem tadellosen Auszug erleichtert schwatzend vor der Kirche, um wenig später zum elterlichen Hof zurückzukehren, wo zwei freundliche Nachbarinnen letzte Vorbereitungen trafen und die Glückwunschkarten in Empfang nahmen.
Das Essen war zünftig, die Gäste schwatzten fröhlich und auf dem Gabentisch stapelte sich Wäsche für Ingrids Aussteuer. Sie hatte aber auch eine silberne Halskette mit einem Kreuz bekommen, darauf war sie besonders stolz.
Nach dem Essen kippten die Männer die ersten Schnäpse und verpesteten mit dicken Zigarren sogar in der hohen Deele die ganze Luft. Die Damen erledigten gemeinsam fröhlich plappernd den Abwasch, machten einen kleinen Inspektionsgang durch den Garten und nahmen schließlich für ein Weilchen in der Stube Platz, wo sie mit einem Likörchen die mittägliche Gaumenfreude abrundeten.
Hätte Ingrid ältere Schwestern gehabt, hätte man die damit betraut, die älteren Brüder jedoch waren qua Geschlecht befreit - sie schenkten lediglich Schnaps aus - Ingrid dagegen musste das Bier ranschaffen für die immer trockenen Kehlen der durstigen Männer, die sich einen Dreck darum scherten, wessen Ehrentag das heute war und sich stattdessen beim Skat durch den Dunst von Rauchwaren und Alkoholfahnen zotige Schenkelklopfer zuriefen. Solange sie die Kellnerin ignorierten, war es eben noch zu ertragen, doch als sie begannen, den frisch konfirmierten Backfisch qualitativ zu begutachten, wäre Ingrid am liebsten in die Dunkelheit ihres winzigen Zimmers geflüchtet, zu der die rauen Kerle mit den glasigen Augen und den schleimig belegten Stimmenkeinen Zugang hatten.
Als alle Gäste verschwunden waren, musste Ingrid mit der Mutter das Geschirr spülen, während Gerd und Rainer die notwendige Stallarbeit, also die Fütterung des Viehs und das Melken erledigten. Fritz dagegen lag halb angezogen, betrunken im Bett und schnarchte, dass die Wände erzitterten. Sie hatten extra mit dem Abendessen auf ihn gewartet, aber als sie ihn nicht wach bekamen, hatten sie ohne ihn gegessen und waren schließlich ins Bett gegangen.
Ein Geräusch in der Dunkelheit riss Ingrid aus dem Halbschlaf. Fritz war aus dem Vollrausch erwacht und der Alkohol hatte seinen Blutdruck in die Höhe getrieben, sodass er mitten in der Nacht auf Betriebstemperatur geriet. Lisbeth war so erschöpft, dass sie wie ein Sack Korn auf der Matratze lag, das Nachthemd eng um den langsam dahinwelkenden Körper geschlungen. Nun betrat er das Zimmer seiner 14-jährigen Tochter. Er hatte längst aufgehört sich für die sexuelle Gewalt zu schämen, auch wenn er natürlich wusste, dass es gesellschaftlich verpönt war und einen Rechtsbruch darstellte. Er empfand sein Handeln aber nicht als unmoralisch, schließlich war es sein gutes Recht, sich als hart arbeitender Mann sexuelle Befriedigung zu verschaffen. Diesmal würde er sich nicht mit der weichen, nackten Haut zufrieden geben. Ingrid war jetzt schließlich konfirmiert und damit sozusagen erwachsen. Und war es nicht eine uralte Tradition, dass dem Herrn des Huses die erste Nacht zustand?
Ingrid erstarrte vor Schreck und lag da wie versteinert. Gleich würde er sich wieder an ihr zu schaffen zu machen. Doch diesmal war alles anders. Das Hochschieben des Nachthemdes war ihr ja noch vertraut, aber plötzlich war er über ihr. Oh Gott! Das würde sie nicht überleben, sie würde ersticken. Er roch nach Alkohol und kaltem Aschenbecher, nach klebrigem, süßlichem Schweiß und nach Schweinestall, und er lag auf ihr wie ein umgestürzter Baum. Die Angst zu ersticken wurde verdrängt von der Gewissheit zu zerreißen. Der Schmerz fuhr durch ihre Körpermitte und legte sie lahm. Ihr fehlte sogar die Kraft, zu schreien. Sie war nur noch Fassungslosigkeit und Entsetzen, Schmerz und Todesangst.
Als er sich in ihr erleichtert hatte rollte er von ihrem Körper wie ein befriedigter Rammler. Er begann direkt zu schnarchen und zu stinken und sich breit zu machen. Ingrid floh aus ihrem eigenen Bett und merkte auf dem Weg in die Waschküche, wie etwas an den Innenseiten ihrer Oberschenkel entlang lief. Zitternd und schluchzend ließ sie einen Eimer mit Wasser voll laufen, setzte sich in den Badezuber und goss das kalte Wasser in ihren vor Schmerz brennenden Schritt. Die Kälte nahm ihr den Atem, aber sie linderte auch den Schmerz und das kalte Wasser wusch das ekelerregende Gemisch aus Blut und Sperma weg. Eine halbe stunde blieb sie in der kalten Pfütze sitzen, bis sie so sehr fror, dass sie schlotternd aus dem Zuber stieg und wieder in ihr Nachthemd schlüpfte. Sie leerte die Badewanne aus, erhitzte auf dem Herd etwas Milch und rührte Zucker hinein. Die warme, süße Milch vertrieb die Kälte aus ihren Gliedern und hatte etwas Tröstliches. Als sie schließlich in ihr Schlafzimmer zurückkehrte, war ihr absonderlicher Vater verschwunden.
Wegen des massiven Schlafmangels kam Ingrid am nächsten Morgen sehr schlecht aus dem Bett.
"Jetzt beweg deinen Hintern!", maulte Lisbeth. "Wir haben jede Menge zu tun, heute Nachmittag kommen die Nachbarn zum Kaffee."
Stumm schälte Ingrid sich aus den Laken, griff sich frische Kleidung und rannte in die Waschküche, wo sie sich nochmals gründlich wusch, bevor sie sich ankleidete. Sie gab sich Mühe, heil und unauffällig durch den Tag zu kommen, ging dem Vater aus dem Weg und tat, was die Mutter ihr auftrug.
Doch seit dieser Nacht überkamen sie Schlafstörungen wie nie zuvor. Sie fürchtete sich, einzuschlafen, denn dann kamen schreckliche Albträume, die sie ohnehin wieder aufweckten und starr vor Angst an die Decke starren ließen. Was, wenn er wiederkam und das gleiche mit ihr machte? Irgendwann würde er sie damit umbringen. Lisbeth hatte er auch schon oft genug halbtot geprügelt. Sie musste es ihrer Mutter erzählen, damit sie gemeinsam eine Überlebensstrategie entwickeln konnten.
An einem warmen Julitag saßen sie im Garten und schälten Erbsen aus.
"Mama", begann sie zaghaft, "Papa ist gefährlich."
"Wie kommst du denn auf so einen Tinnef?", fragte Lisbeth unwirsch.
"Er haut dich doch immer halbtot."
"Ach Quatsch! Erzähl das bloß nicht rum! Dann halten die Leute uns noch für Taugenichtse! Papa ist vielleicht ein Rüpel, aber er arbeitet anständig und sorgt für uns."
"Aber er kommt nachts in mein Bett."
"Das denkst du dir aus."
"Nein. Früher dachte ich, ich träume das. Aber nach meiner Konfirmation, da hat er sogar, ich weiß nicht, aber das tat weh und ich hab' geblutet."
Watsch!
Lisbeth schlug ihrer Tochter mitten ins Gesicht. Dann schrie sie zornig: "Was hast du gemacht, du Drecksluder? Hast du etwa irgendwelche Jungen bei dir rangelassen? Reicht dir wohl nicht mehr, an dir selbst rumzuspielen. Und jetzt probierst du, das auf deinen Vater zu schieben? Eins sag' ich dir, Frollein, wenn du jetzt ein Kind unterm Kittel hast, dann schmeiß ich dich achtkantig raus! Mein Mann fällt nicht über seine Tochter her! Sowas hat der nicht nötig. Ab heute werden andere Saiten aufgezogen. Nach der Schule kommst du direkt nach Hause und du arbeitest nur noch unter meiner Aufsicht. Du bringst keine Schande über unsere Familie!"
Und so sank Ingrid in sich zusammen wie eine welkende Rose. Wenn nicht einmal die Mutter ihr glaubte, wem sonst sollte sie sich anvertrauen? Sie würde sich wappnen müssen und versuchen, es zu überleben, bis eines Tages der Eine käme, der sie aus ihrer Hölle erlöste.
Der 28.04. war Ingrids großer Tag: Ganz in weiß schritt sie mit den anderen Mädchen in 2er-Reihen in die Kirche zu Häger, dicht gefolgt von den Jungen in schwarzen Anzügen. Die Posaunen bliesen ihnen zu Ehren und die Gemeinde erhob sich. Als sie und ihre Mitkonfirmanden Platz genommen hatten, fieberte sie einfach nur ihrem Auftritt entgegen. Hatten die Perlonstrümpfe auch keine Laufmasche? Würde sie ohne zu straucheln die Altarstufen empor schreiten?
Die Liturgie, die Lieder und die Predigt gingen durch sie hindurch wie der Atem; nichts davon nahm sie bewusst wahr. Dann hörte sie ihren Namen: Ingrid Vollweiter. Sie erhob sich und es folgten Ursula Vosspeter, Edith Dicke-Kleine und Barbara Oberbiermann. Gemeinsam schritten sie in den Altarraum, reichten Pastor Hahnemann die Hände und knieten nieder. Barbara bangte um ihre kunstvoll toupierte Frisur, doch der Pfarrer hatte Erfahrung mit berührungsempfindlichen Haarkreationen. Alles ging reibungslos über die Bühne und am Ende fand sich Ingrid nach dem tadellosen Auszug erleichtert schwatzend vor der Kirche, um wenig später zum elterlichen Hof zurückzukehren, wo zwei freundliche Nachbarinnen letzte Vorbereitungen trafen und die Glückwunschkarten in Empfang nahmen.
Das Essen war zünftig, die Gäste schwatzten fröhlich und auf dem Gabentisch stapelte sich Wäsche für Ingrids Aussteuer. Sie hatte aber auch eine silberne Halskette mit einem Kreuz bekommen, darauf war sie besonders stolz.
Nach dem Essen kippten die Männer die ersten Schnäpse und verpesteten mit dicken Zigarren sogar in der hohen Deele die ganze Luft. Die Damen erledigten gemeinsam fröhlich plappernd den Abwasch, machten einen kleinen Inspektionsgang durch den Garten und nahmen schließlich für ein Weilchen in der Stube Platz, wo sie mit einem Likörchen die mittägliche Gaumenfreude abrundeten.
Hätte Ingrid ältere Schwestern gehabt, hätte man die damit betraut, die älteren Brüder jedoch waren qua Geschlecht befreit - sie schenkten lediglich Schnaps aus - Ingrid dagegen musste das Bier ranschaffen für die immer trockenen Kehlen der durstigen Männer, die sich einen Dreck darum scherten, wessen Ehrentag das heute war und sich stattdessen beim Skat durch den Dunst von Rauchwaren und Alkoholfahnen zotige Schenkelklopfer zuriefen. Solange sie die Kellnerin ignorierten, war es eben noch zu ertragen, doch als sie begannen, den frisch konfirmierten Backfisch qualitativ zu begutachten, wäre Ingrid am liebsten in die Dunkelheit ihres winzigen Zimmers geflüchtet, zu der die rauen Kerle mit den glasigen Augen und den schleimig belegten Stimmenkeinen Zugang hatten.
Als alle Gäste verschwunden waren, musste Ingrid mit der Mutter das Geschirr spülen, während Gerd und Rainer die notwendige Stallarbeit, also die Fütterung des Viehs und das Melken erledigten. Fritz dagegen lag halb angezogen, betrunken im Bett und schnarchte, dass die Wände erzitterten. Sie hatten extra mit dem Abendessen auf ihn gewartet, aber als sie ihn nicht wach bekamen, hatten sie ohne ihn gegessen und waren schließlich ins Bett gegangen.
Ein Geräusch in der Dunkelheit riss Ingrid aus dem Halbschlaf. Fritz war aus dem Vollrausch erwacht und der Alkohol hatte seinen Blutdruck in die Höhe getrieben, sodass er mitten in der Nacht auf Betriebstemperatur geriet. Lisbeth war so erschöpft, dass sie wie ein Sack Korn auf der Matratze lag, das Nachthemd eng um den langsam dahinwelkenden Körper geschlungen. Nun betrat er das Zimmer seiner 14-jährigen Tochter. Er hatte längst aufgehört sich für die sexuelle Gewalt zu schämen, auch wenn er natürlich wusste, dass es gesellschaftlich verpönt war und einen Rechtsbruch darstellte. Er empfand sein Handeln aber nicht als unmoralisch, schließlich war es sein gutes Recht, sich als hart arbeitender Mann sexuelle Befriedigung zu verschaffen. Diesmal würde er sich nicht mit der weichen, nackten Haut zufrieden geben. Ingrid war jetzt schließlich konfirmiert und damit sozusagen erwachsen. Und war es nicht eine uralte Tradition, dass dem Herrn des Huses die erste Nacht zustand?
Ingrid erstarrte vor Schreck und lag da wie versteinert. Gleich würde er sich wieder an ihr zu schaffen zu machen. Doch diesmal war alles anders. Das Hochschieben des Nachthemdes war ihr ja noch vertraut, aber plötzlich war er über ihr. Oh Gott! Das würde sie nicht überleben, sie würde ersticken. Er roch nach Alkohol und kaltem Aschenbecher, nach klebrigem, süßlichem Schweiß und nach Schweinestall, und er lag auf ihr wie ein umgestürzter Baum. Die Angst zu ersticken wurde verdrängt von der Gewissheit zu zerreißen. Der Schmerz fuhr durch ihre Körpermitte und legte sie lahm. Ihr fehlte sogar die Kraft, zu schreien. Sie war nur noch Fassungslosigkeit und Entsetzen, Schmerz und Todesangst.
Als er sich in ihr erleichtert hatte rollte er von ihrem Körper wie ein befriedigter Rammler. Er begann direkt zu schnarchen und zu stinken und sich breit zu machen. Ingrid floh aus ihrem eigenen Bett und merkte auf dem Weg in die Waschküche, wie etwas an den Innenseiten ihrer Oberschenkel entlang lief. Zitternd und schluchzend ließ sie einen Eimer mit Wasser voll laufen, setzte sich in den Badezuber und goss das kalte Wasser in ihren vor Schmerz brennenden Schritt. Die Kälte nahm ihr den Atem, aber sie linderte auch den Schmerz und das kalte Wasser wusch das ekelerregende Gemisch aus Blut und Sperma weg. Eine halbe stunde blieb sie in der kalten Pfütze sitzen, bis sie so sehr fror, dass sie schlotternd aus dem Zuber stieg und wieder in ihr Nachthemd schlüpfte. Sie leerte die Badewanne aus, erhitzte auf dem Herd etwas Milch und rührte Zucker hinein. Die warme, süße Milch vertrieb die Kälte aus ihren Gliedern und hatte etwas Tröstliches. Als sie schließlich in ihr Schlafzimmer zurückkehrte, war ihr absonderlicher Vater verschwunden.
Wegen des massiven Schlafmangels kam Ingrid am nächsten Morgen sehr schlecht aus dem Bett.
"Jetzt beweg deinen Hintern!", maulte Lisbeth. "Wir haben jede Menge zu tun, heute Nachmittag kommen die Nachbarn zum Kaffee."
Stumm schälte Ingrid sich aus den Laken, griff sich frische Kleidung und rannte in die Waschküche, wo sie sich nochmals gründlich wusch, bevor sie sich ankleidete. Sie gab sich Mühe, heil und unauffällig durch den Tag zu kommen, ging dem Vater aus dem Weg und tat, was die Mutter ihr auftrug.
Doch seit dieser Nacht überkamen sie Schlafstörungen wie nie zuvor. Sie fürchtete sich, einzuschlafen, denn dann kamen schreckliche Albträume, die sie ohnehin wieder aufweckten und starr vor Angst an die Decke starren ließen. Was, wenn er wiederkam und das gleiche mit ihr machte? Irgendwann würde er sie damit umbringen. Lisbeth hatte er auch schon oft genug halbtot geprügelt. Sie musste es ihrer Mutter erzählen, damit sie gemeinsam eine Überlebensstrategie entwickeln konnten.
An einem warmen Julitag saßen sie im Garten und schälten Erbsen aus.
"Mama", begann sie zaghaft, "Papa ist gefährlich."
"Wie kommst du denn auf so einen Tinnef?", fragte Lisbeth unwirsch.
"Er haut dich doch immer halbtot."
"Ach Quatsch! Erzähl das bloß nicht rum! Dann halten die Leute uns noch für Taugenichtse! Papa ist vielleicht ein Rüpel, aber er arbeitet anständig und sorgt für uns."
"Aber er kommt nachts in mein Bett."
"Das denkst du dir aus."
"Nein. Früher dachte ich, ich träume das. Aber nach meiner Konfirmation, da hat er sogar, ich weiß nicht, aber das tat weh und ich hab' geblutet."
Watsch!
Lisbeth schlug ihrer Tochter mitten ins Gesicht. Dann schrie sie zornig: "Was hast du gemacht, du Drecksluder? Hast du etwa irgendwelche Jungen bei dir rangelassen? Reicht dir wohl nicht mehr, an dir selbst rumzuspielen. Und jetzt probierst du, das auf deinen Vater zu schieben? Eins sag' ich dir, Frollein, wenn du jetzt ein Kind unterm Kittel hast, dann schmeiß ich dich achtkantig raus! Mein Mann fällt nicht über seine Tochter her! Sowas hat der nicht nötig. Ab heute werden andere Saiten aufgezogen. Nach der Schule kommst du direkt nach Hause und du arbeitest nur noch unter meiner Aufsicht. Du bringst keine Schande über unsere Familie!"
Und so sank Ingrid in sich zusammen wie eine welkende Rose. Wenn nicht einmal die Mutter ihr glaubte, wem sonst sollte sie sich anvertrauen? Sie würde sich wappnen müssen und versuchen, es zu überleben, bis eines Tages der Eine käme, der sie aus ihrer Hölle erlöste.
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