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Freitag, 12. Mai 2023
Und am Ende ist einer tot
c. fabry, 09:37h
"Wir sollten den Altarraum zu einer Boulder-Halle umbauen, damit lägen wir total im Trend.", meinte Hannes und blickte Beifall heischend in die Runde.
"Und in drei Jahren gibt es dann die Renaissance der Inliner und wir müssen einen Rollschuh-Parcour einbauen und die Klettergriffe in Blumenampeln verwandeln?", fragte Sylvia.
"Ich möchte einmal konstruktive Kritik von dir hören, Sylvia.", schoss Hannes zurück. "Wir brauchen tragfähige Konzepte. Du guckst immer nur auf deine Zahlen und sagst was NICHT geht. Was schlägst du denn vor?"
"Wir wollen die Kirche als Kirche retten, nicht als Bausubstanz.", erwiderte Sylvia. "Wir brauchen Vorschläge, die zu uns passen. Ein multifunkitonaler Versammlungs- und Schulungsraum, der auch mal für eine private Feier angemietet werden kann. Ein Zentrum im Stadtteil, das finde ich sinnvoll."
"Dafür braucht es keine alten Steine.", erklärte Burkhard. "Verkaufen wir den Ballast an die Mennoniten. Die scharren schon mit den Hufen und kratzen jede Summe zusammen, die wir verlangen. Mit dem Geld bauen wir eine mobile Kirche auf, die ihresgleichen sucht."
"Wir kennen dein Konzept.", stöhnte Heike. "Letztendlich ist es wieder der alte Kack im neuen Frack. Ich finde, was wir als Kirche vor allem bieten müssen, ist ein spiritueller Ort, ein Sakralraum, den viele nutzen können, auch Menschen anderer religiöser Orientierung. Auch wenn Du als Pfarrer natürlich meinst, dass wir nur für die Christ:innen da sein sollen."
"Das ist unser Auftrag.", erklärte Burkhard. "Alle einladen, aber schon zum christlichen Glauben. Ein Zen-Zentrum wird unser Dom sicherlich nicht. Das würde die Landeskirche niemals genehmigen. Aber davon abgesehen ist es typisch deutsch, immer nur in Steine zu investieren, statt in Menschen. Mobile Kleinstkirchen, gemütlich ausgestattete Bullis, in denen Kleingruppen sich treffen oder von denen aus man Open-Air-Veranstatlungen in Wohngebieten organisieren kann, mit denen man Spielzeug für Kinder herumfährt und vieles mehr. Das käme einmal im Lokalfernsehen und innerhalb kürzester Zeit würde das Schule machen. Wie Pilze würden die mobilen Kirchen aus dem Boden schießen und wachsen und Gemeinde würde sich ganz neu erfinden."
"Wir kennen deine Ausführungen auswendig, Burkhard." schaltete Sylvia sich ein. "Da stecken wir einmal das ganze Geld rein und dann ist es weg. Die Bullis vergammeln und die Personalkosten ruinieren uns final. Das hat keine Perspektive und das wird ebensowenig von der Landeskirche abgenickt wie Kletterhallen oder Zen-Zentren. Und jetzt will ich hier keine spinnerten Hobby-Lobbyisten mehr hören, jetzt will ich tragfähige Ideen, mit denen wir unsere Kirche retten und unsere Gemeinde am Leben halten."
"Auf jeden Fall brauchen wir Platz.", meinte Hannes. "Entkernen und für viel neutralen Raum sorgen. Das macht uns flexibel und die Kirche vielfältig nutzbar."
"Dem schließe ich mich an.", meinte Heike. "Wir sind ja nicht katholisch. Schmucklose Nüchternheit, klare Linien, helle, warme Farben."
"Sonnengelb-Orange?", unkte Burkhard.
"Warum nicht?", keifte Heike. "Kalt und dunkel ist es in den meisten Kirchen. Und in Taizé bedient man sich auch der warmen Töne."
"Das kommt von den vielen Kerzen.", meinte Hannes. "Die sollten wir aber abschaffen. Das belastet die Atemluft. Und wenn sich Leute in den Räumen bewegen wollen, dann..."
"Kein Fitness-Palast!", unterbrach ihn Sylvia. "Aber Entkernung und Multifunktionalität, das ist doch schon mal ein Konsens. Ich beauftrage Herrn Höhne für einen Entwurf, dann..."
"...sieht die Kirche aus wie alle Gemeindehäuser im Umkreis von fünfzig Kilometern", fiel ihr nun Hannes ins Wort. "Ich kenne einen tollen Architekten, der würde uns kostenlos einen groben Vorschlag ausarbeiten. Da hätten wir eine Alternative."
"Gut.", meinte Sylvia. "Frag ihn. Ich bestelle trotzdem bei Höhne, der kennt wenigstens unsere Erfordernisse. Was nützt uns der beste Look, wenn nichts funktioniert? Wir können die Vorschläge ja dann vergleichen. Und jetzt würde ich gern ein Vaterunser beten und nach Hause gehen."
Zwei Stunden später war Sylvia noch immer nicht zu Hause angekommen. Sie war nicht im Gemeindehaus. Als ihr Mann sie suchte, fand er sie wenige hundert Meter vom Grundstück entfernt mit blutigem Schädel am Rande einer Blumenwiese.
Burkhard bebte vor Vorfreude. Die lästige Kirchmeisterin würde seinen reformatorischen Plänen nun nicht mehr im Wege stehen. Die anderen Schwachmaten im Presbyterium waren alle viel zu sehr mit ihrer persönliche Work-Life-Balance und ihrer Selbstdarstellung beschäftigt, die setzten nichts durch und konnten sich auf nichts einigen. Er würde einfach das fertige Konzept vorlegen und absegnen lassen. Besser eine Frau bleibt auf der Strecke, als eine ganze Gemeinde.
Der Ziegelstein lag in der Mulde der Baufirma, zusammen mit seinen zerlatschten Sandalen. Die würde morgen Früh abgeholt. Das alte T-Shirt und die Kordhose verkohlten mit den Socken im Kaminofen. Die eigene Haut weichte in der Badewanne ein mit Olivenseife und Lavendelbad. Er wusch seinen ganzen Leib in Unschuld. Eliah hatte 400 Baalspriester erschlagen. Er nur eine renitente Kirchmeisterin. Der Herr würde ihm vergeben.
"Und in drei Jahren gibt es dann die Renaissance der Inliner und wir müssen einen Rollschuh-Parcour einbauen und die Klettergriffe in Blumenampeln verwandeln?", fragte Sylvia.
"Ich möchte einmal konstruktive Kritik von dir hören, Sylvia.", schoss Hannes zurück. "Wir brauchen tragfähige Konzepte. Du guckst immer nur auf deine Zahlen und sagst was NICHT geht. Was schlägst du denn vor?"
"Wir wollen die Kirche als Kirche retten, nicht als Bausubstanz.", erwiderte Sylvia. "Wir brauchen Vorschläge, die zu uns passen. Ein multifunkitonaler Versammlungs- und Schulungsraum, der auch mal für eine private Feier angemietet werden kann. Ein Zentrum im Stadtteil, das finde ich sinnvoll."
"Dafür braucht es keine alten Steine.", erklärte Burkhard. "Verkaufen wir den Ballast an die Mennoniten. Die scharren schon mit den Hufen und kratzen jede Summe zusammen, die wir verlangen. Mit dem Geld bauen wir eine mobile Kirche auf, die ihresgleichen sucht."
"Wir kennen dein Konzept.", stöhnte Heike. "Letztendlich ist es wieder der alte Kack im neuen Frack. Ich finde, was wir als Kirche vor allem bieten müssen, ist ein spiritueller Ort, ein Sakralraum, den viele nutzen können, auch Menschen anderer religiöser Orientierung. Auch wenn Du als Pfarrer natürlich meinst, dass wir nur für die Christ:innen da sein sollen."
"Das ist unser Auftrag.", erklärte Burkhard. "Alle einladen, aber schon zum christlichen Glauben. Ein Zen-Zentrum wird unser Dom sicherlich nicht. Das würde die Landeskirche niemals genehmigen. Aber davon abgesehen ist es typisch deutsch, immer nur in Steine zu investieren, statt in Menschen. Mobile Kleinstkirchen, gemütlich ausgestattete Bullis, in denen Kleingruppen sich treffen oder von denen aus man Open-Air-Veranstatlungen in Wohngebieten organisieren kann, mit denen man Spielzeug für Kinder herumfährt und vieles mehr. Das käme einmal im Lokalfernsehen und innerhalb kürzester Zeit würde das Schule machen. Wie Pilze würden die mobilen Kirchen aus dem Boden schießen und wachsen und Gemeinde würde sich ganz neu erfinden."
"Wir kennen deine Ausführungen auswendig, Burkhard." schaltete Sylvia sich ein. "Da stecken wir einmal das ganze Geld rein und dann ist es weg. Die Bullis vergammeln und die Personalkosten ruinieren uns final. Das hat keine Perspektive und das wird ebensowenig von der Landeskirche abgenickt wie Kletterhallen oder Zen-Zentren. Und jetzt will ich hier keine spinnerten Hobby-Lobbyisten mehr hören, jetzt will ich tragfähige Ideen, mit denen wir unsere Kirche retten und unsere Gemeinde am Leben halten."
"Auf jeden Fall brauchen wir Platz.", meinte Hannes. "Entkernen und für viel neutralen Raum sorgen. Das macht uns flexibel und die Kirche vielfältig nutzbar."
"Dem schließe ich mich an.", meinte Heike. "Wir sind ja nicht katholisch. Schmucklose Nüchternheit, klare Linien, helle, warme Farben."
"Sonnengelb-Orange?", unkte Burkhard.
"Warum nicht?", keifte Heike. "Kalt und dunkel ist es in den meisten Kirchen. Und in Taizé bedient man sich auch der warmen Töne."
"Das kommt von den vielen Kerzen.", meinte Hannes. "Die sollten wir aber abschaffen. Das belastet die Atemluft. Und wenn sich Leute in den Räumen bewegen wollen, dann..."
"Kein Fitness-Palast!", unterbrach ihn Sylvia. "Aber Entkernung und Multifunktionalität, das ist doch schon mal ein Konsens. Ich beauftrage Herrn Höhne für einen Entwurf, dann..."
"...sieht die Kirche aus wie alle Gemeindehäuser im Umkreis von fünfzig Kilometern", fiel ihr nun Hannes ins Wort. "Ich kenne einen tollen Architekten, der würde uns kostenlos einen groben Vorschlag ausarbeiten. Da hätten wir eine Alternative."
"Gut.", meinte Sylvia. "Frag ihn. Ich bestelle trotzdem bei Höhne, der kennt wenigstens unsere Erfordernisse. Was nützt uns der beste Look, wenn nichts funktioniert? Wir können die Vorschläge ja dann vergleichen. Und jetzt würde ich gern ein Vaterunser beten und nach Hause gehen."
Zwei Stunden später war Sylvia noch immer nicht zu Hause angekommen. Sie war nicht im Gemeindehaus. Als ihr Mann sie suchte, fand er sie wenige hundert Meter vom Grundstück entfernt mit blutigem Schädel am Rande einer Blumenwiese.
Burkhard bebte vor Vorfreude. Die lästige Kirchmeisterin würde seinen reformatorischen Plänen nun nicht mehr im Wege stehen. Die anderen Schwachmaten im Presbyterium waren alle viel zu sehr mit ihrer persönliche Work-Life-Balance und ihrer Selbstdarstellung beschäftigt, die setzten nichts durch und konnten sich auf nichts einigen. Er würde einfach das fertige Konzept vorlegen und absegnen lassen. Besser eine Frau bleibt auf der Strecke, als eine ganze Gemeinde.
Der Ziegelstein lag in der Mulde der Baufirma, zusammen mit seinen zerlatschten Sandalen. Die würde morgen Früh abgeholt. Das alte T-Shirt und die Kordhose verkohlten mit den Socken im Kaminofen. Die eigene Haut weichte in der Badewanne ein mit Olivenseife und Lavendelbad. Er wusch seinen ganzen Leib in Unschuld. Eliah hatte 400 Baalspriester erschlagen. Er nur eine renitente Kirchmeisterin. Der Herr würde ihm vergeben.
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Freitag, 5. Mai 2023
Was ist passiert?
c. fabry, 12:00h
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Freitag, 28. April 2023
Goereese Jongens - ein Zweiteiler - Teil 2
c. fabry, 08:06h
"Hey, Anneke, kleine Wildkatze! Auch mal wieder hier?"
Heriberts Grinsen legte sein wettergegerbtes Gesicht in attraktive Falten. Gut, dass er wieder eine Frau gefunden hatte. Hoffentlich die Richtige.
Anneke kam gleich zur Sache: "Das mit dem Johann, also dass er verschwunden ist, weißt du was darüber?"
"Schlimme Sache.", meinte Heribert und sein Gesicht nahm nun ernsthafte Züge an. Sofort sah er ein paar Jahr älter aus.
"Komm, wir setzen uns in den Club und trinken ein Bier. Dabei quatscht es sich leichter."
Als sie bestellt hatten, erklärte Heribert: "An dem Tag, an dem Johann verschwunden ist, wollte er sich hier mit Piet treffen. Die beiden hatte Geschäfte am laufen. Johann zog Material aus seiner Firma ab und verkaufte es günstig an Piet. So hielt der seinen kleinen Betrieb über Wasser. Aber als ich ihn darauf angesprochen habe, ob er was weiß, meinte er, Johann sei nicht gekommen. Für Piet ist es am schlimmsten. Er hat jetzt keinen Lieferanten mehr."
"War schon immer eine arme Wurst, der Piet.", bemerkte Anneke. Über dem Wasser zogen sich dunkle Wolken zusammen.
"Wie meinst du das?", fragte Heribert. "Der hat doch den Laden von seinen Eltern geerbt und dazu das Haus. Notfalls kann er das Geschäft verkaufen und arbeiten gehen wie normale Leute."
"Was ist hier schon normal?", meinte Anneke. "Piet war immer schon auf der Jagd nach Anerkennung. Schon als Kind. Immer musste er allen beweisen, wie lange er auf den Händen laufen konnte, wie lange er es in der kalten See aushielt, wie viele Poffertjes er verdrücken konnte, welche Mädels er rumbekam. Und mit nichts, was er anfing, bekam er ein Bein an die Erde. Spott und Häme, das war die ganze Ernte."
"Entschuldigung." Ein Unbekannte mischte sich ein. "Ich habe zufällig zugehört und auch von dem verschwundenen Mann gelesen. Ich war hier an dem Tag und ich habe zwei Männer beobachtet, die sich hier im Café gestritten haben. Der eine sagte immer: 'Ich mag nicht mehr.', der andere sagte: 'Vertrag ist Vertrag.'
Worum es genau ging, habe ich nicht verstanden. Dann sind sie runter zum Strand, vielleicht, um in den Wellen ihr Mütchen zu kühlen. Ich habe dann nicht mehr hingesehen, Kuchen gegessen, Zeitung gelesen. Irgendwann kam der eine zurück. Der andere fehlte."
Als der Unbekannte die Männer beschrieb, schien es mehr als wahrscheinlich, dass er Piet und Johann beobachtet hatte und dass Piet allein zurückgekommen war.
Die Polizei kam nun schnell weiter. Am Ende fand man Johann, unweit des Strandes, an eine Boje gefesselt. Piet hatte ihn im Affekt ertränkt, weil er seine Existenz bedroht sah, denn Johann wollte die Lieferungen einstellen, weil er befürchtete, aufzufliegen und nicht nur seinen Job zu verlieren.
Anneke war sehr traurig. Und sehr wütend auf die alte, rechtschaffene Krähe von Gegenüber. Die Theunissen und ihresgleichen hatten den Piet dahin gebracht, der endlich dem Spott und der Häme entkommen wollte. Armer Piet. Und armer Johann. Goereese Jongens.
Anneke wusste wieder, warum sie lieber in der Großstadt blieb.
Heriberts Grinsen legte sein wettergegerbtes Gesicht in attraktive Falten. Gut, dass er wieder eine Frau gefunden hatte. Hoffentlich die Richtige.
Anneke kam gleich zur Sache: "Das mit dem Johann, also dass er verschwunden ist, weißt du was darüber?"
"Schlimme Sache.", meinte Heribert und sein Gesicht nahm nun ernsthafte Züge an. Sofort sah er ein paar Jahr älter aus.
"Komm, wir setzen uns in den Club und trinken ein Bier. Dabei quatscht es sich leichter."
Als sie bestellt hatten, erklärte Heribert: "An dem Tag, an dem Johann verschwunden ist, wollte er sich hier mit Piet treffen. Die beiden hatte Geschäfte am laufen. Johann zog Material aus seiner Firma ab und verkaufte es günstig an Piet. So hielt der seinen kleinen Betrieb über Wasser. Aber als ich ihn darauf angesprochen habe, ob er was weiß, meinte er, Johann sei nicht gekommen. Für Piet ist es am schlimmsten. Er hat jetzt keinen Lieferanten mehr."
"War schon immer eine arme Wurst, der Piet.", bemerkte Anneke. Über dem Wasser zogen sich dunkle Wolken zusammen.
"Wie meinst du das?", fragte Heribert. "Der hat doch den Laden von seinen Eltern geerbt und dazu das Haus. Notfalls kann er das Geschäft verkaufen und arbeiten gehen wie normale Leute."
"Was ist hier schon normal?", meinte Anneke. "Piet war immer schon auf der Jagd nach Anerkennung. Schon als Kind. Immer musste er allen beweisen, wie lange er auf den Händen laufen konnte, wie lange er es in der kalten See aushielt, wie viele Poffertjes er verdrücken konnte, welche Mädels er rumbekam. Und mit nichts, was er anfing, bekam er ein Bein an die Erde. Spott und Häme, das war die ganze Ernte."
"Entschuldigung." Ein Unbekannte mischte sich ein. "Ich habe zufällig zugehört und auch von dem verschwundenen Mann gelesen. Ich war hier an dem Tag und ich habe zwei Männer beobachtet, die sich hier im Café gestritten haben. Der eine sagte immer: 'Ich mag nicht mehr.', der andere sagte: 'Vertrag ist Vertrag.'
Worum es genau ging, habe ich nicht verstanden. Dann sind sie runter zum Strand, vielleicht, um in den Wellen ihr Mütchen zu kühlen. Ich habe dann nicht mehr hingesehen, Kuchen gegessen, Zeitung gelesen. Irgendwann kam der eine zurück. Der andere fehlte."
Als der Unbekannte die Männer beschrieb, schien es mehr als wahrscheinlich, dass er Piet und Johann beobachtet hatte und dass Piet allein zurückgekommen war.
Die Polizei kam nun schnell weiter. Am Ende fand man Johann, unweit des Strandes, an eine Boje gefesselt. Piet hatte ihn im Affekt ertränkt, weil er seine Existenz bedroht sah, denn Johann wollte die Lieferungen einstellen, weil er befürchtete, aufzufliegen und nicht nur seinen Job zu verlieren.
Anneke war sehr traurig. Und sehr wütend auf die alte, rechtschaffene Krähe von Gegenüber. Die Theunissen und ihresgleichen hatten den Piet dahin gebracht, der endlich dem Spott und der Häme entkommen wollte. Armer Piet. Und armer Johann. Goereese Jongens.
Anneke wusste wieder, warum sie lieber in der Großstadt blieb.
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Freitag, 21. April 2023
Goereese Jongens - ein Zweiteiler - Teil 1
c. fabry, 19:06h
War doch schön bei Oma. Anneke rekelte sich auf der weichen Matratze und blickte verträumt unter den hellen Dachfirst. Fast so unbeschwert wie in Kindertagen. Draußen zwitscherten die Vögel. Warum kam sie nicht öfter? Oma wäre froh. Sie roch Kaffee und frische Pfannkuchen. Schnell in Hose und T-Shirt geschlüpft und die steile Stiege hinab in die helle, kleine Küche. Der Duft hatte nicht zu viel versprochen. Es schmeckte köstlich und dazu kam von der Oma der neueste Tratsch: Heribert hatte wieder geheiratet, eine aus Brielle, die hier niemand kannte, schien aber ganz nett zu sein.
Frau Hiemstra war vor zwei Wochen nach dreieinhalb Jahren im Pflegeheim gestorben.
Julika de Graaf vom größten Hof in den Polderwiesen war schwanger und Johann Gerritsen war seit drei Wochen spurlos verschwunden. War einfach nicht von der Arbeit nach Hause gekommen.
Mit Johann war Anneke als Kind um die Häuser gezogen, so manchen langen Sommer. Und durch die Wiesen, die Dünen, die Strände.
Als sie mobiler wurden, war Johann mit dem Moped auf Goeree herumgeknattert und Anneke durch Rotterdam geradelt, später durch Den Haag, zum Studieren.
Als Teenager war es ihr bei Oma zu eng geworden. Nicht im Haus, sondern im Dorf. Man trat aus der Tür und die übelgelaunte Theunissen schoss mit giftigen, herablassenden und missbilligenden Blicken über Annekes Gestalt: die wild toupierten Haare, die bunten Shirts oder Blusen, die zerrissenen Jeans, die klobigen DocMartens. Die meisten hier gaben ihr das Gefühl, falsch zu sein, versagt zu haben und damit jedes Recht auf Zugehörigkeit verwirkt zu haben. Nur sie machten es richtig, mit den sauber geschrubbten Giebelwänden, den hochglänzend gewienerten Fenstern und lackierten Türen, den immer frischen Blumen auf den gründlich gefegten Trottoires, den aufgeräumten Stuben, durch die man bis zum Garten hindurchsehen konnte.
Die Schönheit des Ortes war teuer erkauft, die Idylle trügerisch. Sie war eine Anklage, ein immerwährender Vorwurf: Sieh her, wir machen es richtig, das wird Dir niemals gelingen.
Und jetzt war Johann verschwunden. Auch das noch.
"Oma, ich muss mal raus. Darf ich dein Rad nehmen?"
"Klar, wenn du es bis heute Abend zurück bringst."
Anneke fuhr über den Marktplatz am Hafen, wo die lebenslustigen Zugezogenen und einheimischen Rebellen sich auf ein Bier trafen. So wie früher. Aber am Hafen lungerten keine Jugendlichen mehr herum. Das Dorf wurde langsam zur Schlafstadt für kinderlose Paare und alte Menschen. Für Leute mit Geld. Leute mit sehr klären Vorstellungen.
Anneke fuhr hinaus in die Wiesen, zu dem kleinen Hof, auf dem Johann aufgewachsen war. Seine Oma hatte in der gleichen Straße gelebt wie ihre Oma, da hatten sie sich kennengelernt.
Der Hof sah aus wie damals. Johanns Eltern waren noch nicht alt und hatten den Betrieb im Griff. Anneke nahm allen Mut zusammen und lenkte Omas Rad bis zur offenen Stalltür.
"Goede middag.", rief sie. Greta kam heraus, Johanns Mutter, und musterte sie zunächst argwöhnisch, bis sie sie schließlich erkannte.
"Ich hab das mit Johann gehört.", sagte Anneke. "Kann ich irgendwas tun?"
"Bist Du bei der Polizei oder Privatdetektivin?", fragte Greta.
Anneke schwieg beredt. Das hatte gesessen.
"So meinte ich das nicht.", sagte sie kleinlaut.
"Ich auch nicht.", entgegnete Greta schuldbewusst. "Komm, wir trinken einen Kaffee zusammen."
Anneke erfuhr nichts Neues. Johann war auf dem Heimweg von der Arbeit abhanden gekommen - oder hatte sich aus dem Staub gemacht.
Immerhin. In der Gegend von Renesse brachten sich die Leute meistens um, wenn sie nicht mehr könnten, hatte Oma mal behauptet. Vielleicht wollte Johann auch einfach nur irgendwo neu anfangen. Er war viel zu lebenslustig für diese Umgebung.
Später fuhr Anneke durch die Dünen zum Surferstrand. Hier hatten sie sich als Kinder auf die Bretter geträumt und manchmal verlorene Münzen gefunden und sich ein Eis gekauft. Heute wirkte alles kleiner, schäbiger und glanzloser als damals.
Ein Surfer ging vom Wasser geradewegs auf das Café zu. Als er näher kam, erkannte sie ihn.
Fortsetzung folgt.
Frau Hiemstra war vor zwei Wochen nach dreieinhalb Jahren im Pflegeheim gestorben.
Julika de Graaf vom größten Hof in den Polderwiesen war schwanger und Johann Gerritsen war seit drei Wochen spurlos verschwunden. War einfach nicht von der Arbeit nach Hause gekommen.
Mit Johann war Anneke als Kind um die Häuser gezogen, so manchen langen Sommer. Und durch die Wiesen, die Dünen, die Strände.
Als sie mobiler wurden, war Johann mit dem Moped auf Goeree herumgeknattert und Anneke durch Rotterdam geradelt, später durch Den Haag, zum Studieren.
Als Teenager war es ihr bei Oma zu eng geworden. Nicht im Haus, sondern im Dorf. Man trat aus der Tür und die übelgelaunte Theunissen schoss mit giftigen, herablassenden und missbilligenden Blicken über Annekes Gestalt: die wild toupierten Haare, die bunten Shirts oder Blusen, die zerrissenen Jeans, die klobigen DocMartens. Die meisten hier gaben ihr das Gefühl, falsch zu sein, versagt zu haben und damit jedes Recht auf Zugehörigkeit verwirkt zu haben. Nur sie machten es richtig, mit den sauber geschrubbten Giebelwänden, den hochglänzend gewienerten Fenstern und lackierten Türen, den immer frischen Blumen auf den gründlich gefegten Trottoires, den aufgeräumten Stuben, durch die man bis zum Garten hindurchsehen konnte.
Die Schönheit des Ortes war teuer erkauft, die Idylle trügerisch. Sie war eine Anklage, ein immerwährender Vorwurf: Sieh her, wir machen es richtig, das wird Dir niemals gelingen.
Und jetzt war Johann verschwunden. Auch das noch.
"Oma, ich muss mal raus. Darf ich dein Rad nehmen?"
"Klar, wenn du es bis heute Abend zurück bringst."
Anneke fuhr über den Marktplatz am Hafen, wo die lebenslustigen Zugezogenen und einheimischen Rebellen sich auf ein Bier trafen. So wie früher. Aber am Hafen lungerten keine Jugendlichen mehr herum. Das Dorf wurde langsam zur Schlafstadt für kinderlose Paare und alte Menschen. Für Leute mit Geld. Leute mit sehr klären Vorstellungen.
Anneke fuhr hinaus in die Wiesen, zu dem kleinen Hof, auf dem Johann aufgewachsen war. Seine Oma hatte in der gleichen Straße gelebt wie ihre Oma, da hatten sie sich kennengelernt.
Der Hof sah aus wie damals. Johanns Eltern waren noch nicht alt und hatten den Betrieb im Griff. Anneke nahm allen Mut zusammen und lenkte Omas Rad bis zur offenen Stalltür.
"Goede middag.", rief sie. Greta kam heraus, Johanns Mutter, und musterte sie zunächst argwöhnisch, bis sie sie schließlich erkannte.
"Ich hab das mit Johann gehört.", sagte Anneke. "Kann ich irgendwas tun?"
"Bist Du bei der Polizei oder Privatdetektivin?", fragte Greta.
Anneke schwieg beredt. Das hatte gesessen.
"So meinte ich das nicht.", sagte sie kleinlaut.
"Ich auch nicht.", entgegnete Greta schuldbewusst. "Komm, wir trinken einen Kaffee zusammen."
Anneke erfuhr nichts Neues. Johann war auf dem Heimweg von der Arbeit abhanden gekommen - oder hatte sich aus dem Staub gemacht.
Immerhin. In der Gegend von Renesse brachten sich die Leute meistens um, wenn sie nicht mehr könnten, hatte Oma mal behauptet. Vielleicht wollte Johann auch einfach nur irgendwo neu anfangen. Er war viel zu lebenslustig für diese Umgebung.
Später fuhr Anneke durch die Dünen zum Surferstrand. Hier hatten sie sich als Kinder auf die Bretter geträumt und manchmal verlorene Münzen gefunden und sich ein Eis gekauft. Heute wirkte alles kleiner, schäbiger und glanzloser als damals.
Ein Surfer ging vom Wasser geradewegs auf das Café zu. Als er näher kam, erkannte sie ihn.
Fortsetzung folgt.
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