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Freitag, 25. Februar 2022
Grundpflege
c. fabry, 11:51h
"Warum sind Sie nicht einfach zu zweit zu ihm gegangen?"
"Bei dem Personalstand? Was denken Sie denn?"
"Erzählen Sie bitte noch einmal genau wie es war."
Sybille schweigt. Sie kann es nicht erzählen. Sie kann dann nicht mehr atmen. Aber sie erinnert sich genau.
Peters war ein schwerer Pflegefall. Im Kopf war er noch zu hundert Prozent beieinander, aber seit einem schweren Schlaganfall war er halbseitig gelähmt und dauerhaft bettlägerig. Eigentlich eine durch und durch hilflose Person, jemand der niemanden verfolgen, überfallen bedrohen kann. So denkt man. Aber Peters war perfide.
"Waschen Sie das ordentlich!", polterte er, wenn man die Reinigung seiner Genitalien eigentlich abgeschlossen hatte. Angeblich war da noch eine Ecke nicht sauber und dort war der Lappen noch nicht hingekommen, dann waren noch nicht alle Seifenreste beseitigt und schließlich musste man zwanzig Mal trockenrubbeln, bis er endlich zufrieden war.
"Glauben Sie ja nicht, dass Sie mich so abspeisen, können Fräulein, ich habe Kontakte, ich werde mich an geeigneter Stelle über Sie beschweren."
Ja. Peters hatte überall Kontakte. Als er noch seinen Teil zum Bruttosozialprodukt beigetragen hatte, war er als hoch dotierter Theologe tätig gewesen. Landeskirchenrat, ein Amt voller Würde, mit hohem Ansehen und noch höherem Gehalt.Verheiratet, drei Kinder, vier Enkel.
Dann war wieder so ein Tag gewesen und sie hatte es ein für alle mal satt gehabt, die perversen Gelüste dieses sadistischen Greises zu befriedigen.
"Seien Sie endlich still!", hatte sie gefaucht.
"Wie reden Sie denn mit mir?"
"So wie sie es verdienen. Sie führen sich hier auf wie ein mieser Kunde im Bordell. Ihr Schritt ist sauber und trocken, da gibt es nichts nachzuputzen. Mit mir machen Sie so was nicht mehr. Wie viele Sekretärinnen, Gemeindeschwestern, Konfirmandinnen, Vikarinnen und Jugendgruppenleiterinnen haben Sie in ihrem Leben schon vor Ihren Dreckskarren gespannt? Was glauben Sie, wie viele auspacken, wenn ich Ihr Gebaren hier öffentlich mache?"
"Sie setzten jetzt sofort Ihr Arbeit fort.", brüllte Peters. "Das wird ein Nachspiel haben, verlassen Sie sich darauf."
"Gar nichts wird passieren.", sagte Sybille ruhig. "Niemand wird Ihnen glauben. Es gibt keine Zeugen."
Das hätte sie besser für sich behalten, denn Peters wusste, dass sie eine Chance hatte damit durchzukommen und er wollte und konnte nicht verlieren. Darum zog er den nächsten Trumpf.
"Hilfe!", schrie er aus Leibeskräften. "Retten Sie mein Leben! Hilfe!"
Sybilles Gedanken rasten. Jeder würde glauben, dass sie ihm Gewalt angetan hatte. Er provozierte alle Pflegerinnen bis aufs Messer. Sie würde ihren Job verlieren und keinen neuen finden. Sie musste schnell handeln. Sie nahm ein Kissen vom Sessel und drückte es ihm mit aller Kraft aufs Gesicht. Er versuchte sich zu wehren, aber ein untrainierter Arm gegen die kräftigen Muskeln einer Pflegekraft reichte nicht, um sich zu befreien. Dann wich das Leben aus ihm, alle Muskeln erschlafften gleichzeitig. Sie hatte gewonnen und doch verloren.
Sybille atmet tief durch. "Dürfte ich es einfach aufschreiben?"
"Bei dem Personalstand? Was denken Sie denn?"
"Erzählen Sie bitte noch einmal genau wie es war."
Sybille schweigt. Sie kann es nicht erzählen. Sie kann dann nicht mehr atmen. Aber sie erinnert sich genau.
Peters war ein schwerer Pflegefall. Im Kopf war er noch zu hundert Prozent beieinander, aber seit einem schweren Schlaganfall war er halbseitig gelähmt und dauerhaft bettlägerig. Eigentlich eine durch und durch hilflose Person, jemand der niemanden verfolgen, überfallen bedrohen kann. So denkt man. Aber Peters war perfide.
"Waschen Sie das ordentlich!", polterte er, wenn man die Reinigung seiner Genitalien eigentlich abgeschlossen hatte. Angeblich war da noch eine Ecke nicht sauber und dort war der Lappen noch nicht hingekommen, dann waren noch nicht alle Seifenreste beseitigt und schließlich musste man zwanzig Mal trockenrubbeln, bis er endlich zufrieden war.
"Glauben Sie ja nicht, dass Sie mich so abspeisen, können Fräulein, ich habe Kontakte, ich werde mich an geeigneter Stelle über Sie beschweren."
Ja. Peters hatte überall Kontakte. Als er noch seinen Teil zum Bruttosozialprodukt beigetragen hatte, war er als hoch dotierter Theologe tätig gewesen. Landeskirchenrat, ein Amt voller Würde, mit hohem Ansehen und noch höherem Gehalt.Verheiratet, drei Kinder, vier Enkel.
Dann war wieder so ein Tag gewesen und sie hatte es ein für alle mal satt gehabt, die perversen Gelüste dieses sadistischen Greises zu befriedigen.
"Seien Sie endlich still!", hatte sie gefaucht.
"Wie reden Sie denn mit mir?"
"So wie sie es verdienen. Sie führen sich hier auf wie ein mieser Kunde im Bordell. Ihr Schritt ist sauber und trocken, da gibt es nichts nachzuputzen. Mit mir machen Sie so was nicht mehr. Wie viele Sekretärinnen, Gemeindeschwestern, Konfirmandinnen, Vikarinnen und Jugendgruppenleiterinnen haben Sie in ihrem Leben schon vor Ihren Dreckskarren gespannt? Was glauben Sie, wie viele auspacken, wenn ich Ihr Gebaren hier öffentlich mache?"
"Sie setzten jetzt sofort Ihr Arbeit fort.", brüllte Peters. "Das wird ein Nachspiel haben, verlassen Sie sich darauf."
"Gar nichts wird passieren.", sagte Sybille ruhig. "Niemand wird Ihnen glauben. Es gibt keine Zeugen."
Das hätte sie besser für sich behalten, denn Peters wusste, dass sie eine Chance hatte damit durchzukommen und er wollte und konnte nicht verlieren. Darum zog er den nächsten Trumpf.
"Hilfe!", schrie er aus Leibeskräften. "Retten Sie mein Leben! Hilfe!"
Sybilles Gedanken rasten. Jeder würde glauben, dass sie ihm Gewalt angetan hatte. Er provozierte alle Pflegerinnen bis aufs Messer. Sie würde ihren Job verlieren und keinen neuen finden. Sie musste schnell handeln. Sie nahm ein Kissen vom Sessel und drückte es ihm mit aller Kraft aufs Gesicht. Er versuchte sich zu wehren, aber ein untrainierter Arm gegen die kräftigen Muskeln einer Pflegekraft reichte nicht, um sich zu befreien. Dann wich das Leben aus ihm, alle Muskeln erschlafften gleichzeitig. Sie hatte gewonnen und doch verloren.
Sybille atmet tief durch. "Dürfte ich es einfach aufschreiben?"
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Samstag, 19. Februar 2022
Männer 2 - gar kein Krimi
c. fabry, 12:17h
Männer sind kein adäquater Katzenersatz.
Aber sie können zweifellos besser Rücken kratzen.
Aber sie können zweifellos besser Rücken kratzen.
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Freitag, 18. Februar 2022
Männer
c. fabry, 10:51h
Was bildet die sich eigentlich ein, diese Drecksfurie? Kann nicht mal?n Nagel einschlagen, aber will uns sagen, wo der Hammer hängt? Und jetzt schon zum zweiten Mal? Das gibt?s doch gar nicht. Die soll sich um ihre Hosenscheißer kümmern und uns in Ruhe lassen. Stellt immer nur Ansprüche und liefert gar nix. Aber Korinthen kacken wegen Maskenpflicht. Lächerlich! Wir sind alle geboostert und getestet, wir brauchen das nicht. Wenn sie mal sonst alles so genau nehmen würde. Das Materiallager sieht aus wie eine Messi-Garage. Und mal irgendwo mit anpacken? Fehlanzeige.
Erst dieser dreiste Berufsjugendliche und jetzt noch die blöde Kuh, die immer so tut als wäre sie auf Augenhöhe mit dem Pastor. Irgendwann reicht es auch mal. Wenn die uns hier Ärger macht, kann die aber was erleben, das lassen wir uns nicht gefallen. Das kann sie vielleicht mit ihren Konfirmanden machen aber nicht mit uns. Blöde Öko-Schlampe!
Jungs
Was bilden die sich eigentlich ein? Wieso sind die schon wieder die einzigen, die hier oben ohne durchs Haus laufen? Wir kriegen überall direkt eine Ansage, wenn die Medizinische mal ein bisschen rutscht, von wegen Nasenpimmel und die ranzigen Kerle stolzieren hier rum wie eine Kreuzung aus Trump, Putin, Dieter Bohlen und Kasper. Werde ich nie vergessen, wie die letztes Jahr beim Training rein gestürmt sind und uns angeranzt haben, dass wir leise sein sollen, weil sie sich zu irgendwas Besinnlichem treffen, als wären sie die Allerwichtigsten hier im Haus. Und wenn einer was sagt, pöbeln sie gleich rum. Müssten wir mal machen. Bekämen wir direkt Hausverbot.
Frauen
Ich glaube, ich bin im falschen Film. Haben die mich gerade wirklich kollektiv niedergebrüllt? Weil ich ihnen einen Mund-Nasen-Schutz angeboten habe? Blicken die nicht, dass das die aktuelle Rechtslage ist und ich gar keine andere Möglichkeit habe, als die Maskenpflicht im Haus durchzusetzen, um meine Zielgruppe zu schützen? Die sind erwachsen, haben Familien, einen Job oder sind schon im Ruhestand und führen sich auf wie Kleinkinder in der Trotzphase. Kindergartenvorgruppe. Aber ich lasse mich nicht anbrüllen. Soll die Gemeindeleitung sich drum kümmern. Die dürfen dann auch meinetwegen als letztes Mittel die Polizei einschalten.
Fassungslose
Woher kommt so viel Hass? Wie konnten wir nur ahnen, was für Leuten wir hier unter unserem Dach erlauben, sich zu treffen? Die waren doch immer ganz patent, haben alles repariert und für die meisten technischen Probleme eine Lösung gefunden. Hatten doch ihren Platz hier in der Gemeinde. Wie kann man so ausrasten, nur weil jemand darauf bestanden hat, dass die Regeln eingehalten werden? Zu mehreren eine einzelne Frau überfallen, beschimpfen, verprügeln und sich noch immer im Recht wähnen. Weil sie ihr die Schuld geben, dass das Presbyterium ein Ultimatum gestellt hat. Weil sie sich erlauben, sie dafür zu bestrafen. Was kommt als nächstes? Wenn sie aus der Haft entlassen sind, schlagen sie dann die Fenster des Gemeindehauses kaputt? Oder lauern sie einzelnen Mitgliedern des Presbyteriums auf? Geht das jetzt nahtlos so weiter? Ignoranz, Kränkung, Wut, Gewalt und Zerstörung. Dieser Teufelskreis aus dem es scheinbar kein Entkommen gibt. Wo sind wir falsch abgebogen? Und können wir noch zurück?
Erst dieser dreiste Berufsjugendliche und jetzt noch die blöde Kuh, die immer so tut als wäre sie auf Augenhöhe mit dem Pastor. Irgendwann reicht es auch mal. Wenn die uns hier Ärger macht, kann die aber was erleben, das lassen wir uns nicht gefallen. Das kann sie vielleicht mit ihren Konfirmanden machen aber nicht mit uns. Blöde Öko-Schlampe!
Jungs
Was bilden die sich eigentlich ein? Wieso sind die schon wieder die einzigen, die hier oben ohne durchs Haus laufen? Wir kriegen überall direkt eine Ansage, wenn die Medizinische mal ein bisschen rutscht, von wegen Nasenpimmel und die ranzigen Kerle stolzieren hier rum wie eine Kreuzung aus Trump, Putin, Dieter Bohlen und Kasper. Werde ich nie vergessen, wie die letztes Jahr beim Training rein gestürmt sind und uns angeranzt haben, dass wir leise sein sollen, weil sie sich zu irgendwas Besinnlichem treffen, als wären sie die Allerwichtigsten hier im Haus. Und wenn einer was sagt, pöbeln sie gleich rum. Müssten wir mal machen. Bekämen wir direkt Hausverbot.
Frauen
Ich glaube, ich bin im falschen Film. Haben die mich gerade wirklich kollektiv niedergebrüllt? Weil ich ihnen einen Mund-Nasen-Schutz angeboten habe? Blicken die nicht, dass das die aktuelle Rechtslage ist und ich gar keine andere Möglichkeit habe, als die Maskenpflicht im Haus durchzusetzen, um meine Zielgruppe zu schützen? Die sind erwachsen, haben Familien, einen Job oder sind schon im Ruhestand und führen sich auf wie Kleinkinder in der Trotzphase. Kindergartenvorgruppe. Aber ich lasse mich nicht anbrüllen. Soll die Gemeindeleitung sich drum kümmern. Die dürfen dann auch meinetwegen als letztes Mittel die Polizei einschalten.
Fassungslose
Woher kommt so viel Hass? Wie konnten wir nur ahnen, was für Leuten wir hier unter unserem Dach erlauben, sich zu treffen? Die waren doch immer ganz patent, haben alles repariert und für die meisten technischen Probleme eine Lösung gefunden. Hatten doch ihren Platz hier in der Gemeinde. Wie kann man so ausrasten, nur weil jemand darauf bestanden hat, dass die Regeln eingehalten werden? Zu mehreren eine einzelne Frau überfallen, beschimpfen, verprügeln und sich noch immer im Recht wähnen. Weil sie ihr die Schuld geben, dass das Presbyterium ein Ultimatum gestellt hat. Weil sie sich erlauben, sie dafür zu bestrafen. Was kommt als nächstes? Wenn sie aus der Haft entlassen sind, schlagen sie dann die Fenster des Gemeindehauses kaputt? Oder lauern sie einzelnen Mitgliedern des Presbyteriums auf? Geht das jetzt nahtlos so weiter? Ignoranz, Kränkung, Wut, Gewalt und Zerstörung. Dieser Teufelskreis aus dem es scheinbar kein Entkommen gibt. Wo sind wir falsch abgebogen? Und können wir noch zurück?
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Donnerstag, 17. Februar 2022
Brandstifter - DAS ORCHESTER
c. fabry, 10:55h
"Was wird denn jetzt, wo der Trams tot ist?", fragte die Klarinette.
"Ja, das frage ich mich auch.", erwiderte die Oboe.
"Wenn die Führungspersönlichkeiten fehlen, ist so ein Projekt auch mal ganz schnell zu Ende.", meinte die Pianistin.
"Führungspersönlichkeiten. Pah!", rief die Pauke. "Chaoten waren das, Messis. Solche Leute können eine Weile den Schein wahren, aber früher oder später bröckelt die Fassade."
Die erste Geige meldete sich zu Wort: "Da sitzen bestimmt schon die nächsten kleinen Wichtigtuer in den Startlöchern. So welche geben nicht auf. Die behalten wir an der Backe, bis wir endlich ein Presbyterium wählen, das Tatsachen schafft."
"Wie meinst du das?", fragte die zweite Geige.
"Wir müssen unsere Leute aufstellen und ordentlich die Werbetrommel rühren.", antwortete die erste Geige. "Dann gibt es einen Beschluss, dass die Initiative sich bis zu einem Stichtag einen anderen Unterschlupf suchen muss und wir bekommen unseren Raum zurück. Das ist ja so, als könnte man als Vermieter niemandem mehr wegen Eigenbedarfs kündigen. Nur das braucht Zeit und einen langen Atem. Bis zur nächsten Wahl zieht noch ein Jahr ins Land."
"Glaubst du denn, dass so viele Leute im Stadtteil Verständnis für uns haben? Das "Reset" ist doch allgemein sehr beliebt.", wandte die Oboe ein
"Aber bei weitem nicht bei allen. Hat man doch überall gehört, was die Leute so über die reden.", erwiderte die erste Geige.
"Ja, Leute wie wir. Aber wir sind nicht die Mehrheit.", gab die Klarinette zu bedenken.
Die Oboe gab ebenfalls ihren Befürchtungen Ausdruck: "Bestimmt gibt es demnächst einen Shitstorm gegen uns, weil wir im Stadtteilkurier mal Tacheles geredet haben, wenn die uns nicht sogar verdächtigen, das Feuer selbst gelegt zu haben."
"Aber wir waren doch im Recht mit unserem Unmut!", hielt die Pauke dagegen. "Überall macht dieses Gesindel von der Arbeitslosen-Initiative sich breit und die alteingesessenen Gemeindegruppen zählen überhaupt nicht mehr. Die taten doch immer so, als sei das hier ihr Firmengelände."
Die Pianistin pflichtete ihr bei: "Und denkt mal an die ganzen zerstörten Instrumente. Ohne das "Reset" wäre das nie passiert."
"War sowieso eine unmögliche Entscheidung, die wertvollen Stücke im Keller zu lagern. Vor allem das Cembalo. Auf so einen Unsinn können nur Banausen kommen.", meinte die Trompete.
"Von Tuten und Blasen keine Ahnung.", sagte das Flügelhorn.
Die Pauke trommelte mit den Fingern auf der Kirchenbank und sagte: "Ich verstehe aber auch nicht, dass so viele den Trams noch die Treue gehalten haben. Weiß doch jeder, dass die was für sich privat abgezwackt haben."
"Bist du sicher?", gab die Oboe ihrem Zweifel Ausdruck. "Gehört habe ich das auch, aber wenn das wirklich gestimmt hätte, hätten sie die doch dran gekriegt."
"Vielleicht konnten sie ihnen nichts nachweisen.", wandte die Pauke ein.
"Abwarten und musizieren. Kommen auch wieder bessere Zeiten.", meinte das Flügelhorn.
"Hauptsache, die Kinder kommen in geordnete Verhältnisse.", sagte die Pianistin.
"Ja.", erwiderte die Klarinette, "das ist die Hauptsache."
ENDE
"Ja, das frage ich mich auch.", erwiderte die Oboe.
"Wenn die Führungspersönlichkeiten fehlen, ist so ein Projekt auch mal ganz schnell zu Ende.", meinte die Pianistin.
"Führungspersönlichkeiten. Pah!", rief die Pauke. "Chaoten waren das, Messis. Solche Leute können eine Weile den Schein wahren, aber früher oder später bröckelt die Fassade."
Die erste Geige meldete sich zu Wort: "Da sitzen bestimmt schon die nächsten kleinen Wichtigtuer in den Startlöchern. So welche geben nicht auf. Die behalten wir an der Backe, bis wir endlich ein Presbyterium wählen, das Tatsachen schafft."
"Wie meinst du das?", fragte die zweite Geige.
"Wir müssen unsere Leute aufstellen und ordentlich die Werbetrommel rühren.", antwortete die erste Geige. "Dann gibt es einen Beschluss, dass die Initiative sich bis zu einem Stichtag einen anderen Unterschlupf suchen muss und wir bekommen unseren Raum zurück. Das ist ja so, als könnte man als Vermieter niemandem mehr wegen Eigenbedarfs kündigen. Nur das braucht Zeit und einen langen Atem. Bis zur nächsten Wahl zieht noch ein Jahr ins Land."
"Glaubst du denn, dass so viele Leute im Stadtteil Verständnis für uns haben? Das "Reset" ist doch allgemein sehr beliebt.", wandte die Oboe ein
"Aber bei weitem nicht bei allen. Hat man doch überall gehört, was die Leute so über die reden.", erwiderte die erste Geige.
"Ja, Leute wie wir. Aber wir sind nicht die Mehrheit.", gab die Klarinette zu bedenken.
Die Oboe gab ebenfalls ihren Befürchtungen Ausdruck: "Bestimmt gibt es demnächst einen Shitstorm gegen uns, weil wir im Stadtteilkurier mal Tacheles geredet haben, wenn die uns nicht sogar verdächtigen, das Feuer selbst gelegt zu haben."
"Aber wir waren doch im Recht mit unserem Unmut!", hielt die Pauke dagegen. "Überall macht dieses Gesindel von der Arbeitslosen-Initiative sich breit und die alteingesessenen Gemeindegruppen zählen überhaupt nicht mehr. Die taten doch immer so, als sei das hier ihr Firmengelände."
Die Pianistin pflichtete ihr bei: "Und denkt mal an die ganzen zerstörten Instrumente. Ohne das "Reset" wäre das nie passiert."
"War sowieso eine unmögliche Entscheidung, die wertvollen Stücke im Keller zu lagern. Vor allem das Cembalo. Auf so einen Unsinn können nur Banausen kommen.", meinte die Trompete.
"Von Tuten und Blasen keine Ahnung.", sagte das Flügelhorn.
Die Pauke trommelte mit den Fingern auf der Kirchenbank und sagte: "Ich verstehe aber auch nicht, dass so viele den Trams noch die Treue gehalten haben. Weiß doch jeder, dass die was für sich privat abgezwackt haben."
"Bist du sicher?", gab die Oboe ihrem Zweifel Ausdruck. "Gehört habe ich das auch, aber wenn das wirklich gestimmt hätte, hätten sie die doch dran gekriegt."
"Vielleicht konnten sie ihnen nichts nachweisen.", wandte die Pauke ein.
"Abwarten und musizieren. Kommen auch wieder bessere Zeiten.", meinte das Flügelhorn.
"Hauptsache, die Kinder kommen in geordnete Verhältnisse.", sagte die Pianistin.
"Ja.", erwiderte die Klarinette, "das ist die Hauptsache."
ENDE
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