Dienstag, 15. Februar 2022
Brandstifter - DIE ERMITTLER IN DER GEMEINDE
Sie suchten das Gemeindebüro auf und trafen die Verwaltungsfachkraft, einen der Pfarrer und die Kirchmeisterin an. Nachdem sie sich vorgestellt und zum Entsetzen der Anwesenden die Sachlage erklärt hatten, auch, dass sie davon ausgingen, dass es sich nicht um einen Unfall oder Suizid handele, fragten sie , was man ihnen über die Eheleute Trams erzählen könne.
?Die beiden waren sehr engagiert in einer Arbeitsloseninitiative. Sie haben den dafür angemieteten Treffpunkt vor etwa einem Jahr verloren, weil der Eigentümer das Gebäude hat abreißen lassen. Auf der Suche nach einer neuen Möglichkeit haben sie sich dann an unser Presbyterium gewandt und wir konnten einen Raum im Gemeindehaus anbieten. Seit dem arbeitet unsere Gemeinde mit der Arbeitsloseninitiative zusammen.?
?Und was genau macht diese Gruppe??, fragte Kerkenbrock ehrlich interessiert.
?In erster Linie ist es eine Selbsthilfegruppe.?, antwortete die Kirchmeisterin mit spitzen Lippen.
?Aber auch ein bisschen mehr.?, wandte die Frau hinter dem Bildschirm ein. ?Sie organisieren kleine Arbeitsaufträge und versuchen auf diesem Weg langfristig so etwas wie eine eigene Firma aufzubauen, so eine Art fliegendes Hausmeisterkommando für alle Fälle.?
?Das ist doch eine tolle Idee.?, meinte Sabine Kerkenbrock.
?Im Prinzip schon.?, erwiderte die Kirchmeisterin. ?Nur muss auch alles gut durchdacht sein und ich kann nicht behauten, dass es hier so wäre. Während des Corona-Lockdowns hat das Orchester nicht geprobt, darum wurde deren Proberaum nicht benötigt. Das Schlagzeug wurde abgebaut, das Cembalo eingepackt, ebenso die weiteren Leihinstrumente, also Blechblasinstrumente, 2 Konzertgitarren und ein Cello. Alles wanderte zum Einlagern in den Keller der Kirche. Am Ende des Lockdowns wolle man weiter sehen.
Als es dann wieder los ging, hatte die Initiative sich aber so gut im Gemeindehaus eingelebt, dass das Orchester künftig in der Kirche probte, auch wegen der Aerosole. Die Instrumente lagerten weiterhin im Keller, nur der Flügel wanderte von Anfang an in den Chorraum der Kirche. Und dann kam das Wasser. Alle Instrumente, die im Keller lagerten, waren hin und die Leute von ?Reset?, so nennt sich die Initiative, zuckten mit den Schultern. Seitdem ist die Stimmung in der Gemeinde ein wenig aufgeheizt. Allerdings nicht so sehr, dass ich jemanden für fähig hielte, Matthias Trams Wohnwagen in Brand zu setzen.?
?Wissen Sie etwas über die Familie??, fragte Keller.
Jetzt meldete sich die Bürokraft zu Wort. ?Die Trams hatten immer schon ein geringes Einkommen. Er hatte eine 25-Stunden-Stelle als Reinigungskraft und sie war nicht erwerbstätig. Sie hatten wohl noch ein paar stille Reserven, so konnten sie sich die Miete für eine günstige, aber großzügige Wohnung leisten. Nur irgendwann war einfach nichts mehr da, das Jugendamt hatte wegen der beiden Kinder auch schon mehrfach auf der Matte gestanden und schließlich kam die Kündigung der Wohnung. Das war zu viel für Katja, sie ist psychisch zusammengebrochen und seitdem in der Psychiatrie. Die Kinder sind bei Freunden untergebracht ? solange das Jugendamt nichts davon mitbekommt ? und Matthias ist auf den Campingplatz gezogen. Er war aber total zuversichtlich, dass er wieder die Kurve kriegt und sich über ?Reset? eine einträgliche berufliche Zukunft aufbauen könnte.?
?Wie alt sind die Kinder??, fragte Kerkenbrock.
?Livia ist elf und Augustus ist acht.?, antwortete die Verwaltungsfachkraft. ?Total nette Kinder. Wer gibt denen eigentlich Bescheid??
?Wir werden uns darum kümmern.?, erwiderte Kerkenbrock.

Fortsetzung Mittwoch

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Montag, 14. Februar 2022
Brandstifter - DIE ERMITTLER AM TATORT
"Wer ist das Opfer?", fragte Keller und bestaunte die gewaltige Atemwolke, die seinem Mund entwich.
"Matthias Trams", erwiderte Kerkenbrock. "42 Jahre alt, verheiratet, lebte aber allein hier. War nur für den Übergang gedacht. Er hat vor kurzem seine Wohnung verloren und wartete hier auf eine neue Unterkunft."
"Und seine Frau?"
"Ist für längere Zeit im Krankenhaus, hat er erzählt. Der Nachbar hat nichts mitbekommen, der war letzte Nacht nicht da. Er nutzt den Wohnwagen als Wochenendhäuschen oder wie eine Schrebergarten-Hütte. Niemand war gestern Abend hier, nur der Betreiber und der hat irgendwann bemerkt, dass Trams Wohnwagen lichterloh brannte und hat die Feuerwehr alarmiert. Er hat mir auch den Tipp gegeben, einmal im Büro der evangelischen Kirchengemeinde nachzufragen, die wüssten vielleicht mehr."
"Ein auf dem Campingplatz Gestrandeter bei den akkuraten Bildungsbürgern? Es geschehen noch Zeichen und Wunder."

Kerkenbrock rollte mit den Augen. Kellers unerschütterliche Vorurteile gingen ihr schon seit Jahren auf die Nerven. Dagegen half weder das Aufzählen von Beispielen, die andere Hypothesen stützten, noch gegenteilige Erfahrungen, die der alternde Kommissar in den vergangenen Jahren nachweislich gemacht hatte. Er pflegte seine Klischees. An irgend etwas musste man sich ja festhalten.

Fortsetzung Dienstag

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Sonntag, 13. Februar 2022
Brandstifter - KATJA
Ich müsste mal wieder was machen. Die Stille macht mich ganz krank. Wenn ich mal einen Tag nach Hause könnte, ich muss doch die Wäsche abnehmen und vielleicht mal die Küche aufräumen. Wischen kann Matze, aber ich bin gut im Aufräumen. Wenn ich genug Zeit habe. Jetzt habe ich ja ganz viel Zeit. Und dann mit Livia und Augustus in den Park und Drachen steigen lassen oder Bäumchen wechsel dich spielen. Livia könnte auch mal das Bad putzen, sie ist doch schon elf. Und Augustus kann das Altglas weg bringen und den Müll raus tragen. Mit acht konnte ich das auch schon. Was ist eigentlich passiert? Uns geht es doch jetzt gut. Matze hat Arbeit, ich habe geerbt, wir haben eine große Wohnung mit Garten, Jana und Sven mögen uns, die Kinder kommen in der Schule gut mit und wir haben viele Freunde im "Reset". Ach ja, das wurde ja abgerissen, weil der Eigentümer das Grundstück an einen Investor verkauft hat. Aber Moment, wir sind doch umgezogen, genau, wir haben da einen Raum im Gemeindehaus bekommen. Ja, stimmt, Matze hat gesagt, wenn wir erst mal einen Fuß in der Tür haben, dann ist da vielleicht auch mehr drin. Wenn Augustus alt genug ist, dass man ihn allein lassen kann, kann ich auch wieder arbeiten, da findet sich sicher was. Matze hat ja auch was gefunden. Matze könnte mich mal wieder besuchen. Und die Kinder möchte ich sehen. Aber ich glaube, ich muss mich erst noch ein bisschen ausruhen.

Fortsetzung Montag

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Samstag, 12. Februar 2022
Brandstifter - MATZE
Seine Einkaufstüte war nicht besonders voll. Was brauchte man auch schon, um für einen einzigen Menschen Essen zu kochen, der nicht einmal schwer körperlich arbeitete? Der Wohnwagen war nicht schlecht, hier hatte er alles, was er brauchte, abgesehen davon, dass Katja ihm fehlte und natürlich die Kinder, aber das hier war ja nur eine Übergangslösung. Er schloss die Tür, setzte Wasser auf und begann Tomaten und Zwiebeln zu hacken. Die Gasflamme verbreitete augenblicklich eine wohlige Wärme, die Heizung musste er erst nach dem Kochen anschmeißen.
Wie sollte es nun weiter gehen? Sein Putzjob mit 25 Stunden war eine gute Grundlage, aber er brauchte dringend zusätzliche Geldquellen, jetzt, wo Katjas Erbe aufgebraucht war. Vielleicht würde sich etwas ergeben, wenn sie vom "Reset" endlich den Raum für das Werkzeuglager bekämen, dann würden sie über weitere Spenden einen Werkzeugpark anlegen und ihre Dienste als mobile Hausmeister anbieten. Matze war handwerklich nicht ungeschickt, da würde einiges rein kommen und am Ende würde vielleicht einer sagen, dass er ganz bei ihm anfangen könnte. Dann würde er wieder eine ordentliche Wohnung mieten, die Kinder zurück holen und wenn Katja aus der Klinik entlassen wurde, könnten sie endlich wieder eine richtige Familie sein, so wie noch vor ein paar Wochen.
Die gebratenen Tomaten zischten und dufteten und in der Bratpfanne ereigneten sich kleine Explosionen und Verpuffungen. Einmal klang es so, als klopfe jemand an die Tür. Matze rief ?herein?, aber als niemand kam, zuckte er mit den Schultern und streute die Nudeln ins kochende Wasser. Schön warm war es hier drin und hell. Irgendwie zu warm, fand er plötzlich und entschloss sich, zu lüften. Die Tür ließ sich nicht mehr öffnen. Er schaffte es noch, ein Fenster einzutreten, doch dadurch ging alles nur schneller. Er wollte noch nach Katja rufen, aber da war keine Luft mehr zum Atmen.

Fortsetzung Sonntag

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