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Dienstag, 16. November 2021
Muschelgefühle
c. fabry, 03:10h
Kennen Sie das?
Wenn Sie sich fühlen wie eine Muschel, die von weitem betrachtet, verklärt von Wasser und Sonnenlicht vielversprechend das Interesse des Spaziergängers weckt.
Dann beugt er sich hinab und hebt sie auf, betrachtet sie genauer, befindet sie für uninteressant und lässt sie fallen und der nächste kommt und tritt drauf und sie zerbricht.
Wenn Sie sich fühlen wie eine Muschel, die von weitem betrachtet, verklärt von Wasser und Sonnenlicht vielversprechend das Interesse des Spaziergängers weckt.
Dann beugt er sich hinab und hebt sie auf, betrachtet sie genauer, befindet sie für uninteressant und lässt sie fallen und der nächste kommt und tritt drauf und sie zerbricht.
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Freitag, 12. November 2021
Abgewatscht
c. fabry, 16:42h
Er habe als Kirchmeister versagt, die Zeichen der Zeit nicht erkannt und die Immobilien so weit herunter kommen lassen, dass man irgendwann kein Geld mehr damit verdienen konnte, stattdessen verursachten sie zusätzliche Kosten und verschlangen die Mittel, die eigentlich für die Menschen gedacht waren.
Aber damals, als der Posten besetzt werden musste, wollte ihn niemand haben. Alle waren froh gewesen, dass Thomas dieses Amt auf sich genommen hatte. Und das mit den Immobilien war nicht nur seine Verantwortung, da hätten alle drauf achten müssen. Er vermutete, dass es in Wahrheit um etwas ganz Anderes ging:
Sie wollten ihn loswerden, weil er ihre Umtriebe störte. Sie wollten das Geld in hohem Bogen zum Fenster herausschmeißen, von wegen für die Menschen, für überteuerte Ausstattung, erlesene Partyhäppchen und kostspielige Kulturschaffende. Thomas war der Einzige, der konsequent dagegen hielt und er war nicht bereit, seinen Platz kampflos zu räumen.
Jasper war sein Antagonist. Jasper wollte immer die Welt retten und die Kirchensteuermittel wie einen warmen Regen auf die Bedürftigen herabregnen lassen. Er sah sich selbst als weise gereiften kleinen Lord, der allen vom Schicksal Verprügelten dankbare Tränen der Rührung ins Gesicht zauberte. Nur dass er dafür nicht sein eigenes Vermögen aufwendete, sondern das der Allgemeinheit. Die Lorbeeren wollte er aber schon allein einheimsen.
Wenn Jasper sich nicht so ins Zeug legte, könnte Thomas das Presbyterium wieder in sicheres Fahrwasser leiten. Am liebsten hätte er ihn einfach umgehauen, aber Thomas war nicht bereit, ins Gefängnis zu gehen, dann hätte er ja auch nicht mehr im Presbyterium mitarbeiten können.
Er ging in sich und dachte lange nach.
Zwei Wochen später hatte das Problem sich erledigt. Jasper war von einem seiner vermeintlichen Schützlinge abgestochen worden. Als Motiv gab dieser an, aus sicherer Quelle erfahren zu haben, dass Jasper geplant habe, den Obdachlosentreff Schritt für Schritt in ein Edelrestaurant umzuwandeln, um Geld für die Kirchengemeinde einzunehmen und dass er den Treff nur zu dem einen Zweck aufgebaut habe: Um die Voraussetzungen zu schaffen, diesen Plan hürdenfrei umzusetzen.
Vera wurde für Jasper nachberufen. Vera war eine nette, bescheidene Postbeamtin. Thomas hatte sie vorgeschlagen. Er wusste warum.
Aber damals, als der Posten besetzt werden musste, wollte ihn niemand haben. Alle waren froh gewesen, dass Thomas dieses Amt auf sich genommen hatte. Und das mit den Immobilien war nicht nur seine Verantwortung, da hätten alle drauf achten müssen. Er vermutete, dass es in Wahrheit um etwas ganz Anderes ging:
Sie wollten ihn loswerden, weil er ihre Umtriebe störte. Sie wollten das Geld in hohem Bogen zum Fenster herausschmeißen, von wegen für die Menschen, für überteuerte Ausstattung, erlesene Partyhäppchen und kostspielige Kulturschaffende. Thomas war der Einzige, der konsequent dagegen hielt und er war nicht bereit, seinen Platz kampflos zu räumen.
Jasper war sein Antagonist. Jasper wollte immer die Welt retten und die Kirchensteuermittel wie einen warmen Regen auf die Bedürftigen herabregnen lassen. Er sah sich selbst als weise gereiften kleinen Lord, der allen vom Schicksal Verprügelten dankbare Tränen der Rührung ins Gesicht zauberte. Nur dass er dafür nicht sein eigenes Vermögen aufwendete, sondern das der Allgemeinheit. Die Lorbeeren wollte er aber schon allein einheimsen.
Wenn Jasper sich nicht so ins Zeug legte, könnte Thomas das Presbyterium wieder in sicheres Fahrwasser leiten. Am liebsten hätte er ihn einfach umgehauen, aber Thomas war nicht bereit, ins Gefängnis zu gehen, dann hätte er ja auch nicht mehr im Presbyterium mitarbeiten können.
Er ging in sich und dachte lange nach.
Zwei Wochen später hatte das Problem sich erledigt. Jasper war von einem seiner vermeintlichen Schützlinge abgestochen worden. Als Motiv gab dieser an, aus sicherer Quelle erfahren zu haben, dass Jasper geplant habe, den Obdachlosentreff Schritt für Schritt in ein Edelrestaurant umzuwandeln, um Geld für die Kirchengemeinde einzunehmen und dass er den Treff nur zu dem einen Zweck aufgebaut habe: Um die Voraussetzungen zu schaffen, diesen Plan hürdenfrei umzusetzen.
Vera wurde für Jasper nachberufen. Vera war eine nette, bescheidene Postbeamtin. Thomas hatte sie vorgeschlagen. Er wusste warum.
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Freitag, 5. November 2021
Naturgesetze
c. fabry, 15:40h
Wenn des Küsters Nüstern beben,
bangt der Pastor um sein Leben.
Ist er allerdings ein Kämpfer,
kriegt der Küster einen Dämpfer.
Sieht dann schließlich einer rot,
ist am Ende einer tot.
bangt der Pastor um sein Leben.
Ist er allerdings ein Kämpfer,
kriegt der Küster einen Dämpfer.
Sieht dann schließlich einer rot,
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Samstag, 30. Oktober 2021
Loslassen
c. fabry, 01:48h
Sicher fühlte sie sich, warm und geborgen, auch wenn der kühle Herbstwind durch die Ritzen pfiff und die Decke sich ein wenig klamm anfühlte. Sie kuschelte sich an die heiße Wärmflasche, spürte der sich ausbreitenden Entspannung in ihren geschundenen Beinmuskeln nach, ließ die Bilder des Tages Revue passieren, die Geräusche, die Gerüche.
Es knackte. Liebes altes Haus. Sie atmete tief durch. Endlich hatte sie ihre Ruhe. Zwei ganze Wochen lang.
Schlurfgeräusche. Kamen sicher von der Heizung. Dann knackte es wieder. Holz, das sich beim Trocknen zusammenzog. Dieses Haus war wie ein Kinderzimmer in einem großen, bewachten Anwesen. Die warmen Stuben der Anderen waren direkt nebenan, Wand an Wand. Sogar das Gegenüber fühlte sich an wie ein Teil desselben Gebäudes. Ein Sprung und man stand auf der anderen Straßenseite. Nachbarn konnten sich beim Essen gegenseitig auf die Teller gucken. Hier kannte man sich. Sogar sie war bekannt. Obwohl nur Gast, war sie doch schon oft genug hier gewesen. Sie war hier so behütet wie im Mutterleib.
Schritte auf der Treppe. Sie schmunzelte. Wie im Horrorfilm. Der Killer kommt die Stiege hoch.
Aber welche Erklärung gab es dafür? Niemand besaß einen Schlüssel außer dem Onkel hinterm Deich und der lag sicher längst im Bett.
Und plötzlich sah sie sich als Opfer, in die Matratze gedrückt mit zerrissener Nachtwäsche, schließlich mit durchgeschnittener Kehle in blutigen Laken. Nichts war mehr mit Geborgenheit. Die Gedanken reihten sich aneinander wie Maschinengewehrsalven. Sie schoss aus dem Bett, riss die Tür auf und schon sah sie den Schatten auf der Stiege. Er war noch nicht ganz oben angekommen. Sie versetzte ihm einen Stoß und er stürzte schreiend ins Dunkel.
Er rührte sich nicht mehr. Das konnte eine Finte sein. In Horrorfilmen standen die vermeintlich Besiegten urplötzlich wieder auf. Und noch einmal. Und wieder. Hier oben war keine Waffe. Sie musste über ihn steigen, um sich Hilfe zu holen. Es galt, einen ganzen Sack voller Hemmungen über Bord zu werfen. Ich will es überleben, sagte sie sich. Unversehrt. Sie ging bis zur Mitte der Stiege. Dann wagte sie einen beherzten Sprung und landete direkt auf dem Eindringling. Sie hörte, wie seine Rippen brachen. Er zuckte nicht einmal. Schemenhaft nahm sie die Stellung seines Kopfes wahr und tippte auf Genickbruch. Sie raste in die Küche, wo ihr Telefon lag, hastete auf die Straße, in die Sicherheit der Gemeinschaft. Der Schlüssel steckte von außen. Hatte sie ihn etwa stecken lassen? Das war unmöglich, sie erinnerte sich, wie sie ihn an seinem angestammten Platz abgelegt hatte, zusammen mit ihrer Geldbörse. Sie kontrollierte den Schlüsselkasten. Er stand offen. Der Täter hatte irgendwann den Code ausspioniert. War es etwa jemand von hier? Ihr Herz raste. Was war als nächstes zu tun? Wie lautete die Notrufnummer in den Niederlanden?
Sie würde Leo anrufen. Ihr Sohn wusste so etwas und der war sicher noch wach, die alte Nachteule. Sie wählte seine Nummer und wartete eine gefühlte Ewigkeit darauf, bis die Verbindung aufgebaut war. Aus dem Haus kam ein Geräusch. Es klang wie ein Klingelton. Leos Lieblingslied.
Es knackte. Liebes altes Haus. Sie atmete tief durch. Endlich hatte sie ihre Ruhe. Zwei ganze Wochen lang.
Schlurfgeräusche. Kamen sicher von der Heizung. Dann knackte es wieder. Holz, das sich beim Trocknen zusammenzog. Dieses Haus war wie ein Kinderzimmer in einem großen, bewachten Anwesen. Die warmen Stuben der Anderen waren direkt nebenan, Wand an Wand. Sogar das Gegenüber fühlte sich an wie ein Teil desselben Gebäudes. Ein Sprung und man stand auf der anderen Straßenseite. Nachbarn konnten sich beim Essen gegenseitig auf die Teller gucken. Hier kannte man sich. Sogar sie war bekannt. Obwohl nur Gast, war sie doch schon oft genug hier gewesen. Sie war hier so behütet wie im Mutterleib.
Schritte auf der Treppe. Sie schmunzelte. Wie im Horrorfilm. Der Killer kommt die Stiege hoch.
Aber welche Erklärung gab es dafür? Niemand besaß einen Schlüssel außer dem Onkel hinterm Deich und der lag sicher längst im Bett.
Und plötzlich sah sie sich als Opfer, in die Matratze gedrückt mit zerrissener Nachtwäsche, schließlich mit durchgeschnittener Kehle in blutigen Laken. Nichts war mehr mit Geborgenheit. Die Gedanken reihten sich aneinander wie Maschinengewehrsalven. Sie schoss aus dem Bett, riss die Tür auf und schon sah sie den Schatten auf der Stiege. Er war noch nicht ganz oben angekommen. Sie versetzte ihm einen Stoß und er stürzte schreiend ins Dunkel.
Er rührte sich nicht mehr. Das konnte eine Finte sein. In Horrorfilmen standen die vermeintlich Besiegten urplötzlich wieder auf. Und noch einmal. Und wieder. Hier oben war keine Waffe. Sie musste über ihn steigen, um sich Hilfe zu holen. Es galt, einen ganzen Sack voller Hemmungen über Bord zu werfen. Ich will es überleben, sagte sie sich. Unversehrt. Sie ging bis zur Mitte der Stiege. Dann wagte sie einen beherzten Sprung und landete direkt auf dem Eindringling. Sie hörte, wie seine Rippen brachen. Er zuckte nicht einmal. Schemenhaft nahm sie die Stellung seines Kopfes wahr und tippte auf Genickbruch. Sie raste in die Küche, wo ihr Telefon lag, hastete auf die Straße, in die Sicherheit der Gemeinschaft. Der Schlüssel steckte von außen. Hatte sie ihn etwa stecken lassen? Das war unmöglich, sie erinnerte sich, wie sie ihn an seinem angestammten Platz abgelegt hatte, zusammen mit ihrer Geldbörse. Sie kontrollierte den Schlüsselkasten. Er stand offen. Der Täter hatte irgendwann den Code ausspioniert. War es etwa jemand von hier? Ihr Herz raste. Was war als nächstes zu tun? Wie lautete die Notrufnummer in den Niederlanden?
Sie würde Leo anrufen. Ihr Sohn wusste so etwas und der war sicher noch wach, die alte Nachteule. Sie wählte seine Nummer und wartete eine gefühlte Ewigkeit darauf, bis die Verbindung aufgebaut war. Aus dem Haus kam ein Geräusch. Es klang wie ein Klingelton. Leos Lieblingslied.
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