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Freitag, 5. März 2021
Abstinenz
c. fabry, 09:59h
Warum hast du das gemacht?", fragte ich Lilly.
Sie zuckte mit den Schultern. Wie blöd war ich eigentlich? Das war doch eine von den nutzlosen Fragen, auf die verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche nie eine Antwort hatten.
"Hat Alex dir etwas getan oder oder dich bedroht?"
"So ähnlich."
Kannst du mir das erklären?"
"Alex wusste was."
"Etwas, das ein Geheimnis bleiben sollte?"
"Genau."
"Was wäre denn so schlimm daran, wenn Alex dein Geheimnis ausgeplaudert hätte?"
"Kann ich nicht sagen."
"Ich sag's keinem weiter."
"Aber musst du doch. Sonst schmeißen die dich doch raus."
"Scheiß der Hund drauf. Ich tu so als wenn ich's nicht weiß. Wenn du mal irgendwann behauptest, du hättest es mir erzählt, sage ich einfach, dass du dir das ausgedacht hast."
"Okay."
"Also?"
"Es ist wegen mir und Jakob."
"Ihr seid zusammen?"
"Ja."
"Und?"
"Jakob leitet doch die Theatergruppe. Und ich spiele nur mit."
"Stimmt."
"Und er ist ja achtzehn und ich noch nicht. Ist also verboten."
"Laut Kirchengesetz."
"Ja, genau."
"Aber deswegen ist es ja keine Straftat. Die Kirche kann euch nicht verbieten, zusammen zu sein. Im schlimmsten Fall müsste Jakob als Mitarbeiter aufhören oder du müsstest die Gruppe verlassen."
"Aber das will ich ja auch nicht."
"Nein, aber darum hättest du nicht versuchen müssen Alex umzubringen."
"Ich wollte ihn doch nur ausknocken. Vorübergehend."
"Das wäre aber fast schief gegangen. Wenn dir einer eins mit der Flasche überzieht, da stehst du nur in Action-Kommödien wieder auf."
"Was soll ich denn jetzt machen?"
"Dich mit deiner Gerichtshelferin beraten."
Es machte mich wütend. So eine Verschwendung. Blinder Aktionismus planloser Leitungsebenen. Genau wie damals die Bundesregierung mit den Führungszeugnissen auch für Jugendliche. Führungszeugnisse, in denen aus Datenschutzgründen ohnehin nichts stand ? selbst wenn sich etwas zugetragen hätte. Nur um zu zeigen, dass man etwas tat. Nur damit die Verantwortlichen schön ihre Westen weiß hielten. Das Fußvolk mochte dann den Dreck wegräumen. Junge Liebe wurde kriminalisiert. Aber einen wie Hans hielt das alles nicht auf. Die grauen Eminenzen genossen Immunität. Einer wie Hans kam weiterhin ungeschoren davon. Und Siegerin blieb die Ratlosigkeit.
Sie zuckte mit den Schultern. Wie blöd war ich eigentlich? Das war doch eine von den nutzlosen Fragen, auf die verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche nie eine Antwort hatten.
"Hat Alex dir etwas getan oder oder dich bedroht?"
"So ähnlich."
Kannst du mir das erklären?"
"Alex wusste was."
"Etwas, das ein Geheimnis bleiben sollte?"
"Genau."
"Was wäre denn so schlimm daran, wenn Alex dein Geheimnis ausgeplaudert hätte?"
"Kann ich nicht sagen."
"Ich sag's keinem weiter."
"Aber musst du doch. Sonst schmeißen die dich doch raus."
"Scheiß der Hund drauf. Ich tu so als wenn ich's nicht weiß. Wenn du mal irgendwann behauptest, du hättest es mir erzählt, sage ich einfach, dass du dir das ausgedacht hast."
"Okay."
"Also?"
"Es ist wegen mir und Jakob."
"Ihr seid zusammen?"
"Ja."
"Und?"
"Jakob leitet doch die Theatergruppe. Und ich spiele nur mit."
"Stimmt."
"Und er ist ja achtzehn und ich noch nicht. Ist also verboten."
"Laut Kirchengesetz."
"Ja, genau."
"Aber deswegen ist es ja keine Straftat. Die Kirche kann euch nicht verbieten, zusammen zu sein. Im schlimmsten Fall müsste Jakob als Mitarbeiter aufhören oder du müsstest die Gruppe verlassen."
"Aber das will ich ja auch nicht."
"Nein, aber darum hättest du nicht versuchen müssen Alex umzubringen."
"Ich wollte ihn doch nur ausknocken. Vorübergehend."
"Das wäre aber fast schief gegangen. Wenn dir einer eins mit der Flasche überzieht, da stehst du nur in Action-Kommödien wieder auf."
"Was soll ich denn jetzt machen?"
"Dich mit deiner Gerichtshelferin beraten."
Es machte mich wütend. So eine Verschwendung. Blinder Aktionismus planloser Leitungsebenen. Genau wie damals die Bundesregierung mit den Führungszeugnissen auch für Jugendliche. Führungszeugnisse, in denen aus Datenschutzgründen ohnehin nichts stand ? selbst wenn sich etwas zugetragen hätte. Nur um zu zeigen, dass man etwas tat. Nur damit die Verantwortlichen schön ihre Westen weiß hielten. Das Fußvolk mochte dann den Dreck wegräumen. Junge Liebe wurde kriminalisiert. Aber einen wie Hans hielt das alles nicht auf. Die grauen Eminenzen genossen Immunität. Einer wie Hans kam weiterhin ungeschoren davon. Und Siegerin blieb die Ratlosigkeit.
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Donnerstag, 4. März 2021
Lyrischer Happen für den kleinen Hunger zwischendurch
c. fabry, 14:26h
LIEBELEI
Es ging der Halter Karsten Ströter
Gassi mit seinem Straßenköter
Von Weitem sah er Lieses Wonnen
sich schlüpfrig auf der Wiese sonnen.
Er wollte ihren Pöter kosten,
schickte den Köter auf den Posten.
Der Hund hingegen hatte Pläne:
tote Katzen, platte Hähne.
Und der Hund, der alte Schlappen
trug in seinem Schlund ?nen Happen.
Trat mit der Tatze in den Kot
und machte dann die Katze tot.
Der Köter spürte Lieses Zorn,
den Ströter nahm sie auch aufs Korn.
So starb er selbst an Ströters Tic
und nahm sich eines Töters Strick.
Drum Obacht, wer der Liebe traut,
oft sind ja nur die Triebe laut.
Der Recke war nichts für die Liese,
wieder nur ein Leckeriese.
Ohne Männer lief es doch.
Die Liese grub ein tiefes Loch.
Dann warf sie einen Batzen Kalk
auf den toten Katzenbalg.
Es ging der Halter Karsten Ströter
Gassi mit seinem Straßenköter
Von Weitem sah er Lieses Wonnen
sich schlüpfrig auf der Wiese sonnen.
Er wollte ihren Pöter kosten,
schickte den Köter auf den Posten.
Der Hund hingegen hatte Pläne:
tote Katzen, platte Hähne.
Und der Hund, der alte Schlappen
trug in seinem Schlund ?nen Happen.
Trat mit der Tatze in den Kot
und machte dann die Katze tot.
Der Köter spürte Lieses Zorn,
den Ströter nahm sie auch aufs Korn.
So starb er selbst an Ströters Tic
und nahm sich eines Töters Strick.
Drum Obacht, wer der Liebe traut,
oft sind ja nur die Triebe laut.
Der Recke war nichts für die Liese,
wieder nur ein Leckeriese.
Ohne Männer lief es doch.
Die Liese grub ein tiefes Loch.
Dann warf sie einen Batzen Kalk
auf den toten Katzenbalg.
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Freitag, 26. Februar 2021
Detox
c. fabry, 16:02h
Es waren seit jeher die schönen Dinge, die sie liebte. Das Gefühl von fließender Seide auf frisch geduschter und duftend einbalsamierter Haut. Exklusiver Darjeeling aus hauchzarten Porzellantassen. Vollendete Blüten in dezenten, wohlproportionierten Vasen.
Er dagegen war eher ein Naturbursche. Liebte auch die Schönheit des Waldes, Vogelgesang, Sonnenaufgänge, Schwimmen in stillen Seen, aber für das Zarte und Zerbrechliche in geschlossenen Räumen fehlte ihm jedes Gespür. Nicht nur, dass er filigranes Porzellan achtlos zerbrach, empfindliche Stoffe falsch wusch und Bilder an der Wand ignorierte. Es war ihm noch nicht einmal peinlich. Für ihn besaß das alles keinen Wert.
Sie passten nicht zusammen. Sie wusste das und war dennoch an ihm zerbrochen. Sie war ihm immer aus dem Weg gegangen, weil sie von Anfang an ahnte, dass es so käme, wenn sie ihn an sich heran ließe.
Aber er hatte sich ihr wiederholt entgegengestellt, sie herausgefordert, ihre Aufmerksamkeit eingefordert und sie hatte ihn nicht zurückgestoßen. Wie hätte sie das auch tun können, so strahlend und eindrucksvoll wie er war?
Irgendwann war der Punkt erreicht. Der Point of no return. Sie hatte ihn in ihr Herz gelassen und damit die Kettenreaktion ausgelöst, die sie immer vermeiden wollte. Eine sehr kleine Zeit war sie hocherfreut über diese Entwicklung. Voller Zuversicht, Ideen, Tatendrang und Lebensfreude.
Als er ahnte, was er ausgelöst hatte, zog er die Bremse. Das war deutlich zu spüren, doch sie war schon zu weit gegangen, konnte nicht zurück, konnte nicht aufhören mit dem Hoffen und Sehnen und jedes Mal zerbrach etwas in ihr. Am Ende fühlte sie sich ganz leer, beinahe ausgelöscht. Was blieb, war nur der Schmerz, der in sämtlichen Gliedern steckte.
Sie würde sich auflösen, langsam dahinsterben, etwas Anderes blieb ihr nicht übrig. Sie suchte nach der Wut, aber die Wut hatte sich auch aus dem Staub gemacht. Sie nützte ja auch nichts, brachte nur eine kurze Zeit Erleichterung, ein Hochgefühl des Wiedererstarkens, aber dann, wenn sie sah, dass sie trotzdem verloren hatte, war die Leere danach noch schlimmer, der Schmerz noch lähmender.
Mit letzter Kraft schleppte sie sich zur Arbeit. Sie würde einfach weiter funktionieren, bis sie umfiel oder eines Morgens nicht mehr aufwachte.
Und dann kam Susanne. Susanne die sich mit ihrem anlasslosen Selbstbewusstsein gern als Überlegene ausgab, obwohl sie kaum etwas vorzuweisen hatte. Die ihr immer Steine in den Weg gelegt hatte, ihre Pläne durchkreuzt, intrigant hintertrieben hatte, einfach aus Bosheit, weil sie ihr den Erfolg nicht gönnte. Susanne war seine älteste Freundin. Sie hatte er an sich herangelassen. Sie schätzte er und hielt unbeirrbar an der Verbindung fest. Susanne hatte ihn vergiftet. Nein, nicht mit Elixieren aus einer Phiole, auch nicht mit Magie oder Zaubersprüchen, aber sie hatte ihn geprägt, bearbeitet, nicht aus den Fingern gelassen, war verantwortlich für all die Blockaden, die dafür sorgten, dass er kaum einen Menschen wirklich an sich heran ließ.
Sie musste ihn von diesem Gift befreien, damit er wieder er selbst werden konnte. Susanne grinste breit. Hatte wieder einmal erfolgreich, etwas verhindert, was ihr viel bedeutet hätte. Damit war jetzt Schluss! Endlich kam die Wut zurück. Und mit der Wut die Kraft und die Zuversicht.
Als Susanne mit eingedrückter Hirnschale vor ihr lag, ausgeblutet und erstarrt, war die Wut verraucht. Und sie wusste wieder, dass sie nicht gewinnen konnten. Nein, jetzt hatte sie endgültig verloren.
Er dagegen war eher ein Naturbursche. Liebte auch die Schönheit des Waldes, Vogelgesang, Sonnenaufgänge, Schwimmen in stillen Seen, aber für das Zarte und Zerbrechliche in geschlossenen Räumen fehlte ihm jedes Gespür. Nicht nur, dass er filigranes Porzellan achtlos zerbrach, empfindliche Stoffe falsch wusch und Bilder an der Wand ignorierte. Es war ihm noch nicht einmal peinlich. Für ihn besaß das alles keinen Wert.
Sie passten nicht zusammen. Sie wusste das und war dennoch an ihm zerbrochen. Sie war ihm immer aus dem Weg gegangen, weil sie von Anfang an ahnte, dass es so käme, wenn sie ihn an sich heran ließe.
Aber er hatte sich ihr wiederholt entgegengestellt, sie herausgefordert, ihre Aufmerksamkeit eingefordert und sie hatte ihn nicht zurückgestoßen. Wie hätte sie das auch tun können, so strahlend und eindrucksvoll wie er war?
Irgendwann war der Punkt erreicht. Der Point of no return. Sie hatte ihn in ihr Herz gelassen und damit die Kettenreaktion ausgelöst, die sie immer vermeiden wollte. Eine sehr kleine Zeit war sie hocherfreut über diese Entwicklung. Voller Zuversicht, Ideen, Tatendrang und Lebensfreude.
Als er ahnte, was er ausgelöst hatte, zog er die Bremse. Das war deutlich zu spüren, doch sie war schon zu weit gegangen, konnte nicht zurück, konnte nicht aufhören mit dem Hoffen und Sehnen und jedes Mal zerbrach etwas in ihr. Am Ende fühlte sie sich ganz leer, beinahe ausgelöscht. Was blieb, war nur der Schmerz, der in sämtlichen Gliedern steckte.
Sie würde sich auflösen, langsam dahinsterben, etwas Anderes blieb ihr nicht übrig. Sie suchte nach der Wut, aber die Wut hatte sich auch aus dem Staub gemacht. Sie nützte ja auch nichts, brachte nur eine kurze Zeit Erleichterung, ein Hochgefühl des Wiedererstarkens, aber dann, wenn sie sah, dass sie trotzdem verloren hatte, war die Leere danach noch schlimmer, der Schmerz noch lähmender.
Mit letzter Kraft schleppte sie sich zur Arbeit. Sie würde einfach weiter funktionieren, bis sie umfiel oder eines Morgens nicht mehr aufwachte.
Und dann kam Susanne. Susanne die sich mit ihrem anlasslosen Selbstbewusstsein gern als Überlegene ausgab, obwohl sie kaum etwas vorzuweisen hatte. Die ihr immer Steine in den Weg gelegt hatte, ihre Pläne durchkreuzt, intrigant hintertrieben hatte, einfach aus Bosheit, weil sie ihr den Erfolg nicht gönnte. Susanne war seine älteste Freundin. Sie hatte er an sich herangelassen. Sie schätzte er und hielt unbeirrbar an der Verbindung fest. Susanne hatte ihn vergiftet. Nein, nicht mit Elixieren aus einer Phiole, auch nicht mit Magie oder Zaubersprüchen, aber sie hatte ihn geprägt, bearbeitet, nicht aus den Fingern gelassen, war verantwortlich für all die Blockaden, die dafür sorgten, dass er kaum einen Menschen wirklich an sich heran ließ.
Sie musste ihn von diesem Gift befreien, damit er wieder er selbst werden konnte. Susanne grinste breit. Hatte wieder einmal erfolgreich, etwas verhindert, was ihr viel bedeutet hätte. Damit war jetzt Schluss! Endlich kam die Wut zurück. Und mit der Wut die Kraft und die Zuversicht.
Als Susanne mit eingedrückter Hirnschale vor ihr lag, ausgeblutet und erstarrt, war die Wut verraucht. Und sie wusste wieder, dass sie nicht gewinnen konnten. Nein, jetzt hatte sie endgültig verloren.
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Freitag, 19. Februar 2021
Verkürzt
c. fabry, 11:17h
Hätte sie das Ende abgewartet, hätte sie ihn nicht umgebracht.
Sie dachte an Fabiola. Fabiola war die erste, an die sie dachte, wenn sie morgens aufwachte und die letzte, wenn sie abends einschlief. Auch den ganzen Tag über dachte sie an sie. Fabiola lebte nicht mehr. Leukämie. Sie war gerade mal acht Jahre alt geworden. Zwei davon hatte sie erfolglos gegen den Tod angekämpft. Ein Viertel ihrer viel zu kurzen Lebenszeit.
"Jaja, kenn' ich schon, kenn' ich schon.", stöhnte sie genervt. Nur noch ungern ließ sie sich aus ihrer Gedankenwelt reißen.
"Nee, warte mal.", protestierte Patrick. "Die Liste der Gehaltsempfänger ist lang. Du glaubst gar nicht, wer alles daran verdient hat."
Patrick las sämtliche Namen und vermeintlichen Zuwendungsmotive vor. Manche waren allzu durchschaubar. Unfassbar, wen die AKW-Betreiber alles gefügig gemacht hatten. Man fragte sich allmählich, ob es überhaupt noch jemanden gab, der nicht käuflich war.
Als er fertig gelesen hatte, wusste sie, was zu tun war. Sie begann, sich darauf vorzubereiten. Das würde Fabiola nicht wieder lebendig machen, aber sie hätte dann vielleicht ihren Seelenfrieden. Und für die Zukunft würde es das Sterben so manchen Kindes wirksam verhindern.
Drei Tage später wedelte Patrick mit einem USB-Stick. "Schmeiß mal deinen Laptop an, ich muss dir etwas Unglaubliches zeigen."
Eigentlich war sie schon auf dem Sprung. Der selbst gebastelte Sprengsatz lag einsatzbereit in ihrer Handtasche. Volker Beresin würde noch heute sein Leben aushauchen. Aber ein paar Minuten mehr konnte sie ihm ja gönnen.
"Um Gottes Willen, wie lange dauert der Beitrag denn noch?", stöhnte sie. "Das ist ja schlimmer als bei einem alten französischen Spielfilm, alle fünf Minuten ein Schnitt und ansonsten ne Kameraeinstellung wie beim Standbild. Passieren tut auch nix."
"Schon mal den Zauberberg gelesen, von Thomas Mann?", fragte Patrick amüsiert.
"Wozu?", fragte sie angriffslustig. "Ich habe eine gute Zusammenfassung gelesen, jetzt weiß ich alles Wesentliche, was drin steht: Einer kommt wegen Lunge ins Sanatorium, sein Vetter kommt ihn besuchen, bleibt da und wird auch lungenkrank. Der erste Vetter stirbt, der zweite ist nach sieben Jahren geheilt und nebenbei geht es um Weltpolitik und speziell um die politische Lage in Europa kurz vor dem 1. Weltkrieg. - Und jetzt heb' die Pausenfunktion auf, ich habe nicht ewig Zeit."
"Dann musst du aber auch zuhören!", insistierte Patrick und ließ den Beitrag weiterlaufen.
"Besonders interessant ist hier die die Rolle von Volker Beresin, der als Journalist auf der Gehaltsliste der PERPETUUM stand..." hörte man die Stimme der Moderatorin.
"Weiß ich doch.", zischte sie und stürmte aus dem Haus.
Nichts sollte sie aufhalten. Sie fuhr so schnell es erlaubt war zu der ermittelten Adresse. Bloß nicht wegen überhöhter Geschwindigkeit in eine Polizeikontrolle geraten. Die würden womöglich den Sprengsatz entdecken und ihr Vorhaben vereiteln.
Sie parkte zwei Häuser weiter. Beresin wohnte in einem schicken Neubau, viel Holz, viel Glas. Saß gerade am Küchentisch, vor sich eine Tasse und einen Teller. Zweites Frühstück, vermutete sie. Letztes Frühstück, entschied sie. Vielleicht war die moderne Verglasung bombensicher. Aber das würde ihm nicht helfen. Sie deponierte den Sprengsatz vor der Haustür und legte die altmodische Lunte. Sie klingelte, ging auf Abstand und zündete. Er öffnete die Tür und im gleichen Augenblick ging der Sprengsatz hoch. Perfektes Timing. Da war noch ein Schatten gewesen neben Volker Beresin. War ihm bis zur Hüfte gegangen. Wohl ein Köter.
Zufrieden fuhr sie nach Hause. Das war erst der Anfang gewesen. Jetzt würde sie Patrick den Gefallen tun und sich den Beitrag auf dem Stick zu Ende ansehen.
"... Volker Beresin, der als Journalist auf der Gehaltsliste der PERPETUUM stand, war von seinem Arbeitgeber dort als verdeckter Ermittler eingesetzt worden. Das Bestechungsgeld floss in einen Fond für die Behandlung der im Zusammenhang mit dem AKW erkrankten Personen. Durch seinen mutigen Einsatz konnte er sämtliche Kontakte offenlegen und hat so dafür gesorgt, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können..."
Sie stoppte den Beitrag. Hielt inne. Das konnte nicht sein. Stundenlang saß sie nur da und überlegte, ob sie sich alles noch einmal ansehen sollte oder ob sie das gar nicht ertragen konnte. Danach funktionierte sie einfach. Wäsche waschen, Arbeitsauftrag beenden, Lasagne in den Ofen schieben.
Gegen halb acht schaltete sie das Lokalfernsehen ein. Mehr aus Gewohnheit, denn um zu sehen, was über ihre Tat berichtet wurde.
"Atomkraftgegner vermuten, dass Volker Beresin und seine dreijährige Tochter Opfer von Drahtziehern hinter dem PERPETUUM-Konzern wurden. Die Polizei ermittelt in sämtliche Richtungen."
Sie dachte an Fabiola. Fabiola war die erste, an die sie dachte, wenn sie morgens aufwachte und die letzte, wenn sie abends einschlief. Auch den ganzen Tag über dachte sie an sie. Fabiola lebte nicht mehr. Leukämie. Sie war gerade mal acht Jahre alt geworden. Zwei davon hatte sie erfolglos gegen den Tod angekämpft. Ein Viertel ihrer viel zu kurzen Lebenszeit.
"Jaja, kenn' ich schon, kenn' ich schon.", stöhnte sie genervt. Nur noch ungern ließ sie sich aus ihrer Gedankenwelt reißen.
"Nee, warte mal.", protestierte Patrick. "Die Liste der Gehaltsempfänger ist lang. Du glaubst gar nicht, wer alles daran verdient hat."
Patrick las sämtliche Namen und vermeintlichen Zuwendungsmotive vor. Manche waren allzu durchschaubar. Unfassbar, wen die AKW-Betreiber alles gefügig gemacht hatten. Man fragte sich allmählich, ob es überhaupt noch jemanden gab, der nicht käuflich war.
Als er fertig gelesen hatte, wusste sie, was zu tun war. Sie begann, sich darauf vorzubereiten. Das würde Fabiola nicht wieder lebendig machen, aber sie hätte dann vielleicht ihren Seelenfrieden. Und für die Zukunft würde es das Sterben so manchen Kindes wirksam verhindern.
Drei Tage später wedelte Patrick mit einem USB-Stick. "Schmeiß mal deinen Laptop an, ich muss dir etwas Unglaubliches zeigen."
Eigentlich war sie schon auf dem Sprung. Der selbst gebastelte Sprengsatz lag einsatzbereit in ihrer Handtasche. Volker Beresin würde noch heute sein Leben aushauchen. Aber ein paar Minuten mehr konnte sie ihm ja gönnen.
"Um Gottes Willen, wie lange dauert der Beitrag denn noch?", stöhnte sie. "Das ist ja schlimmer als bei einem alten französischen Spielfilm, alle fünf Minuten ein Schnitt und ansonsten ne Kameraeinstellung wie beim Standbild. Passieren tut auch nix."
"Schon mal den Zauberberg gelesen, von Thomas Mann?", fragte Patrick amüsiert.
"Wozu?", fragte sie angriffslustig. "Ich habe eine gute Zusammenfassung gelesen, jetzt weiß ich alles Wesentliche, was drin steht: Einer kommt wegen Lunge ins Sanatorium, sein Vetter kommt ihn besuchen, bleibt da und wird auch lungenkrank. Der erste Vetter stirbt, der zweite ist nach sieben Jahren geheilt und nebenbei geht es um Weltpolitik und speziell um die politische Lage in Europa kurz vor dem 1. Weltkrieg. - Und jetzt heb' die Pausenfunktion auf, ich habe nicht ewig Zeit."
"Dann musst du aber auch zuhören!", insistierte Patrick und ließ den Beitrag weiterlaufen.
"Besonders interessant ist hier die die Rolle von Volker Beresin, der als Journalist auf der Gehaltsliste der PERPETUUM stand..." hörte man die Stimme der Moderatorin.
"Weiß ich doch.", zischte sie und stürmte aus dem Haus.
Nichts sollte sie aufhalten. Sie fuhr so schnell es erlaubt war zu der ermittelten Adresse. Bloß nicht wegen überhöhter Geschwindigkeit in eine Polizeikontrolle geraten. Die würden womöglich den Sprengsatz entdecken und ihr Vorhaben vereiteln.
Sie parkte zwei Häuser weiter. Beresin wohnte in einem schicken Neubau, viel Holz, viel Glas. Saß gerade am Küchentisch, vor sich eine Tasse und einen Teller. Zweites Frühstück, vermutete sie. Letztes Frühstück, entschied sie. Vielleicht war die moderne Verglasung bombensicher. Aber das würde ihm nicht helfen. Sie deponierte den Sprengsatz vor der Haustür und legte die altmodische Lunte. Sie klingelte, ging auf Abstand und zündete. Er öffnete die Tür und im gleichen Augenblick ging der Sprengsatz hoch. Perfektes Timing. Da war noch ein Schatten gewesen neben Volker Beresin. War ihm bis zur Hüfte gegangen. Wohl ein Köter.
Zufrieden fuhr sie nach Hause. Das war erst der Anfang gewesen. Jetzt würde sie Patrick den Gefallen tun und sich den Beitrag auf dem Stick zu Ende ansehen.
"... Volker Beresin, der als Journalist auf der Gehaltsliste der PERPETUUM stand, war von seinem Arbeitgeber dort als verdeckter Ermittler eingesetzt worden. Das Bestechungsgeld floss in einen Fond für die Behandlung der im Zusammenhang mit dem AKW erkrankten Personen. Durch seinen mutigen Einsatz konnte er sämtliche Kontakte offenlegen und hat so dafür gesorgt, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können..."
Sie stoppte den Beitrag. Hielt inne. Das konnte nicht sein. Stundenlang saß sie nur da und überlegte, ob sie sich alles noch einmal ansehen sollte oder ob sie das gar nicht ertragen konnte. Danach funktionierte sie einfach. Wäsche waschen, Arbeitsauftrag beenden, Lasagne in den Ofen schieben.
Gegen halb acht schaltete sie das Lokalfernsehen ein. Mehr aus Gewohnheit, denn um zu sehen, was über ihre Tat berichtet wurde.
"Atomkraftgegner vermuten, dass Volker Beresin und seine dreijährige Tochter Opfer von Drahtziehern hinter dem PERPETUUM-Konzern wurden. Die Polizei ermittelt in sämtliche Richtungen."
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