Sonntag, 17. Mai 2020
Quarantäne – Kurzkrimi in 8 Teilen – 3. Teil
Dienstag, 14. April
Vorgestern hatte ich gar keine Zeit für meinen sonntäglichen Eintrag. Ostergesang im Garten, Eiersuche, feines Essen, Spielenachmittag und abends eine kleine Versammlung um die Feuerschale. Dafür war Sarah den ganzen Tag fröhlich und ist abends zufrieden und müde früh ins Bett gegangen. Genauso gestern. Eine Bude im Wald hatte ich ewig nicht gebaut. Sogar David hat sich zusammengerissen. Und so hatte Jennifer mal ein paar Stunden für sich, das musste auch mal sein. Danach war der Garten dran und dann habe ich mal wieder einfach nur so stundenlang gelesen.
Heute habe ich mich doch sehr gewundert. Trotz Kontaktverbot trifft der Männerkreis sich weiter zum Boule Spielen. Die machen immer, was sie wollen, so als würden sämtliche Regeln für sie keine Geltung haben. So ein renitentes Pack. Die über Sechzigjährigen, für deren Schutz der ganze Stillstand veranstaltet wird, setzen sich über alles hinweg, aber Kinder dürfen nicht mehr zusammenkommen, die könnten ja schließlich in unbeobachteten Momenten die Köpfe zusammenstecken. Ach ja, apropos Kinder: die Jugendreferentin treibt sich nahezu täglich stundenlang im Gemeindehaus herum. Merkwürdig ist das schon, denn als hier reger Betrieb war, habe ich sie sehr viel seltener gesehen. Wenn sie wenigstens einmal alles aufräumen würde. Vermutlich flüchtet sie ins Büro, um der Enge zu Hause zu entkommen und arbeitet gar nicht, sondern guckt Filme oder strickt Pullover.

Mittwoch, 15 April
Jennifer gerät immer häufiger wegen der Kinder aus der Fassung. Entweder, weil sie sich über ihr Verhalten aufregt, weil sie nichts wegräumen, ständig vor Bildschirmen hocken oder freche Antworten geben oder sie schimpft mit mir, weil ich mich angeblich nicht genug um sie kümmere, weder darum, sie zu disziplinieren noch um ihre Sorgen und Nöte. Warum fängt sie gerade jetzt damit an? Wo ich so vieles regeln und umorganisieren muss? Heute Nachmittag zum Beispiel hatte ich ein Trauergespräch. Eine sehr alte Dame ist an dem Corona-Virus verstorben. Wir haben uns im Garten getroffen, mit Masken. Das war befremdlich. Aber wie soll ich einen Menschen würdig bestatten, wenn ich nicht einmal von Angesicht zu Angesicht mit seinen Angehörigen gesprochen habe?
Jetzt muss ich diese Trauerrede vorbereiten und es fällt mir sehr schwer, war die Verstorbene in ihrer Jugend doch eine glühende Verehrerin des Führers gewesen und auf ihre alten Tage wohl oft in diesen Modus zurückgefallen. Zum Glück darf die Rede nicht lang sein, aber das kann es auch besonders schwierig machen.

Sonntag, 19. April Zwischenbilanz
Über einen Monat leben wir jetzt schon in diesem Ausnahmezustand. Es geht uns immer noch vergleichsweise gut, es ist ja auch wieder reichlich Mehl und Klopapier vorhanden, die Hamsterkaufwelle ist vorüber, die Mehrheit der Menschen bleibt vernünftig, aber man wird auch dünnhäutiger, die Nerven liegen blank, niemand weiß wann es wie weitergeht, man kann nichts planen. Wenn ich zwischendurch im Gemeindebüro bin, habe ich das Gefühl von Phantomarbeit. Wir rödeln und diskutieren, planen und schreiben, heften ab, telefonieren, lesen und versenden, aber eigentlich tun wir nichts für die Menschen, sehen niemanden und werden nicht gesehen. Natürlich bin ich froh, dass ich zum Arbeiten auch mal das Haus verlassen kann, mich in anderen geschlossenen Räumen bewege, denn zu Hause kann ich der Familie kaum ausweichen. Alle Räume gehen so offen ineinander über, der einzige Rückzugsort ist mein winziges Büro. Das hat mich früher nie gestört, ich war ja vormittags in der Woche immer allein zu Hause, bin zwischendurch mal in die Küche gegangen, um mir einen Kaffee zu kochen und wurde dabei nicht aus meinen Gedanken gerissen. Jetzt ist die Tür meines Büros die Schwelle zum lärmenden Chaos. Da ist das Gemeindebüro eine willkommene Abwechslung; ganz besonders wenn ich allein dort bin.

FORTSETZUNG MORGEN

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Samstag, 16. Mai 2020
Quarantäne – Kurzkrimi in 8 Teilen – 2. Teil
Sonntag 22. März
Die Nachrichten dieser Woche haben mich sehr nachdenklich gemacht. Was geht vor in den Leuten, die massenweise Lebensmittel in ihren muffigen Kellern horten, nur um diese voraussichtlich in ein paar Monaten über den Hausmüll zu entsorgen? Wer braucht zwanzig Kilo Mehl auf Vorrat? Ist es wirklich die Angst vor dem Verhungern oder nur die immerwährende Sorge, zu kurz zu kommen, ganz egal, worum es geht, dass am Ende die Nachbarn noch Kuchen backen können, während man selber zum Bäcker laufen muss? Lebensmittel als Statussymbol. Eigentlich auch eine interessante Entwicklung, wenn es dabei nur nicht so unmenschlich zuginge. Ich denke an diese Blicke der übelgelaunten Dauershopper, die rüde und mit heruntergezogenen Mundwinkeln mit dem Einkaufswagen durch die Supermarktgänge pflügen und alles hineinwerfen, was besonders knapp ist. Oder diejenigen, die sich gegenseitig das Toilettenpapier aus den Einkaufswagen fischen. Einfach würdelos.
Und dann sehe ich die Bilder über die Zustände in Indien, wo Menschen nichts mehr zu essen bekommen, von Hygieneschutz ganz zu schweigen. Oder in Südafrika, wo sechs Menschen auf zwölf Quadratmetern zusammengepfercht über Wochen eine Ausgangssperre hinnehmen müssen und dann haben sie noch nicht einmal Wasser im Haus, müssen kilometerweit laufen, um es ran zu schaffen. Wie privilegiert wir doch sind: Wir leben in ziviler und sozialer Sicherheit, wir haben viel Platz im Haus und einen großen Garten und im Homeoffice konnte ich schon vor Corona arbeiten. Ich kann getrost ausharren.

Sonntag, 29. März
Allmählich wird es anstrengend. David sitzt nur noch vor dem Laptop oder wischt, wenn er sich ausnahmsweise außerhalb seines Zimmers befindet auf dem Smartphone herum. Mit ihm ist kein vernünftiges Gespräch mehr möglich. Vielleicht hätte ich ihn doch in einer anderen Gemeinde zum Konfirmandenunterricht anmelden sollen. Dreizehnjährige brauchen Abstand von den Eltern. Ach ja, Abstand halten muss er jetzt von allen außer den Eltern - und seiner verhassten kleinen Schwester. Manchmal frage ich mich, ob er wirklich so oft joggen geht, er sieht meistens gar nicht verschwitzt aus. Vermutlich trifft er sich heimlich mit Freunden.
Bei Sarah, meinem Sonnenschein ziehen allmählich auch düstere Wolken auf. Sie braucht ständig Zuwendung, will, dass wir alle zusammen ein Spiel spielen, braucht Hilfe bei den Schularbeiten, bettelt darum, sich doch wenigstens mit der besten Freundin treffen zu dürfen. Was kann man einer Achtjährigen anbieten außer Gesellschaftsspielen, zu denen man eigentlich keine Zeit hat und Fernsehen, das man eigentlich begrenzen muss? In der ersten Woche war es ja noch ganz spannend, so wie das Kerzenlicht bei einem Stromausfall, wo man plötzlich wieder entdeckt, wie aufregend es sein kann, sich gegenseitig Geschichten zu erzählen. Aber wenn man eine Woche lang keinen Strom mehr hat, wird es brenzlig. Hier fängt es auch an zu schwelen. Jedenfalls würde ich gern eingreifen, klarere Grenzen setzen, aber Jennifer hält dagegen, man müsse den Kindern ihren Frust zugestehen, sie ständen genauso unter Anspannung wie wir Erwachsenen, vielleicht sogar viel mehr und sie hätten noch nicht das seelische Rüstzeug, in so einer Krise geduldig auszuharren, dazu fehlt es ihnen an Erfahrung.
Ich möchte nicht wissen, was in den beengten Dreizimmerwohnungen der Unterprivilegierten vor sich geht, welche Eskalationen der Gewalt sich dort gerade abspielen, wo betrunkene Erwachsene ihre Anspannung versuchen loszuwerden, indem sie auf ihre wehrlosen Kinder einprügeln oder sich sogar sexuell an ihnen vergehen. Und gerade in dieser Zeit sieht niemand hin, weil alle nur mit sich selbst beschäftigt sind.


Sonntag, 5. April Die fleißigen Kirchgänger beklagen sich, dass nach wie vor kein Gottesdienst stattfindet und die Angebote auf der Gemeindehomepage viel zu lieblos zusammengeschustert sind. Die haben vielleicht Probleme. Sollten mal über den Tellerrand gucken, zum Beispiel nach Afrika oder Indien, nach England oder in die USA oder nach Italien oder Spanien. So viel Elend, so viele Tote, so eine miserable medizinische Versorgung, so ein schlechtes Management. Und die regen sich auf über ein fehlendes Gottesdienstangebot. Sollten mal einfach das Evangelium leben, statt sich Sonntags morgens ihre wöchentliche Portion geistlicher Anregung zu holen wie ein Voyeur, der sich bei regelmäßigen Besuchen in Sexfilmkabinen die Befriedigung verschafft, die seine Gier vorübergehend stillt. Die sehen Gottesdienst als Dienstleistung, die sie in Anspruch nehmen, damit sie sich wohlfühlen. Wellnessprogramm für die Seele. Dafür bezahlen sie schließlich Kirchensteuer. Wenn es um Nächstenliebe geht, schalten sie die Hörgeräte ab. Manchmal glaube ich, wir müssten unser Gottesdienstangebot radikal verändern, damit endlich die richtigen Leute in die Kirche kommen, die es brauchen und die dann auch etwas daraus machen, etwas weitergeben.

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Freitag, 15. Mai 2020
Quarantäne – Kurzkrimi in 8 Teilen – 1. Teil
Eigentlich war es wie immer. Am Tatort liefen die Kolleginnen und Kollegen von der Spurensicherung immer mit Mundschutz herum. Neu war nur, dass Keller das jetzt auch tun musste. Und die Umstände waren ungewöhnlich: erweiterter Suizid im Pfarrhaus – so sah es jedenfalls auf den ersten Blick aus. Eine komplette Familie ausgelöscht: Mutter und Kinder voller Stich- und Schnittverletzungen, Vater und Hund waren mit einem stumpfen Gegenstand zu Brei geschlagen worden, überall war Blut, in Lachen auf dem Boden, in Spritzern an der Wand. Wer alle erledigt und schließlich sich selbst gerichtet hatte, mussten sie noch ermitteln – vermutlich war es wie meistens der Familienvater. Bei Pfarrern war die Scheidungsrate mit am höchsten, sie erkrankten häufig an Burnout und in Zeiten des familialen Aufeinanderherumhängens konnte auch die Psyche eines Theologen aus den Fugen geraten und zu einer verlorenen Seele mutieren.
Und dann entdeckte Konstanze diese edle Kladde. Auf dem Deckblatt, dem weißen Vorhang des Kopfkinos stand der vielversprechende Titel:
Corona-Logbuch
Keller begann zu lesen:

Sonntag, 15. März
Seltsam ruhig ist es heute, aber auch eine Sonntagsruhe von besonderer Tiefe. Ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Niemand stirbt, wenn am Sonntag mal kein Gottesdienst stattfindet. Selbst die treuesten Kirchgänger fahren mal ein paar Wochen zur Kur oder in den Urlaub oder geben ihrem Garten den Vorzug. Das halten wir jetzt geschmeidig sechs Wochen aus und dann geht es weiter. Natürlich werden ein paar Menschen sterben und einige werden furchtbar leiden und es überstehen. Aber das hat es schon immer gegeben. Mit ausreichend Gottvertrauen werden wir das meistern und uns nicht unterkriegen lassen. Hamsterkäufe haben wir bisher vermieden. Jennifer klagt zwar, dass es kein Mehl mehr gibt, aber was soll‘s, dann essen wir eben mehr Kartoffeln. Das Frauen immer gleich so nervös werden müssen.

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Freitag, 8. Mai 2020
Mitten ins Herz
Montag, 4. Mai 2020

c. fabry, 15:13h - hier der versprochene Krimi:

Was für ein bescheidener Tag das wieder war. Keller war im Urlaub und kurz vorm Wochenende, kurz vor Feierabend kam der Notruf. „BIENE, Du musst noch mal raus. Leichenfund im Villenviertel.“
„In welchem?“, fragte Kriminalkommissarin Sabine Kerkenbrock, die nichts mehr hasste, als wenn der saublöde Kosename aus ihrer Vorpubertät von den gendertechnisch zurückgebliebenen Kollegen als Anrede missbraucht wurde.
„Sieben Hügel.“
„Na ja“, schnaubte sie. „Mehr so unterste Oberschicht. Das sind die Schlimmsten.“

Das HAUS lag im unteren Abschnitt der Straße, wo die Häuser nicht ganz so idyllisch im Grünen versunken waren, dafür aber moderner und großzügigeren Ausmaßes. Die KTU war schon im Gange, die Leiche, eine Frau in den Vierzigern, lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Fußboden ihres Wohnzimmers, in ihrem Rücken steckte ein PFEIL, der nur von einem kleinen Blutfleck umgeben war – ein Hinweis darauf, dass er mitten ins Herz getroffen hatte. Die gigantische Schiebetür zur Terrasse stand offen, überall im Garten war die Spurensicherung aktiv, über dem Wald malte die Abendsonne einen farbenprächtigen REGENBOGEN in die Wolken. Sabine Kerkenbrock war plötzlich froh, dass sie hier nicht gemeinsam mit ihrem Kollegen Keller ermitteln musste, der vermutlich ohne jegliches Mitgefühl für das Opfer herumgefrotzelt hätte, dass man bei solchen Geldsäcken ja immer das Gefühl habe, sie hätten es im Grunde nicht anders verdient und seien am Ende womöglich nur Opfer ihrer eigenen Gier und Herzlosigkeit geworden.

Sie lag schon etwa 24 Stunden so da. Wie furchtbar!, dachte Kerkenbrock. Ganz allein in diesem riesigen Haus, niemand bekommt etwas mit…
„Wie ist sie denn überhaupt aufgefunden worden?“
„Der Nachbarin ist beim Gassigehen mit ihrem Hund aufgefallen, dass jedes Mal die Terrassentür so weit offen stand, auch als es empfindlich kühl war. Dann hat sie mehrmals täglich versucht, das Opfer über das Festnetztelefon zu erreichen und sich gedacht, sie sei vielleicht länger unterwegs und habe es versäumt die Terrassentür zu schließen. Am späten Nachmittag habe sie sich dann entschlossen, die Polizei zu informieren, damit die offene Hintertür keine Diebe auf den Plan rief. Die Kollegen sind dann über den Zaun durch den Garten auf die Terrasse und ins Haus gelangt und haben die Ermordete aufgefunden.“
„Wie ist die Spurenlage bisher?“
„Bescheiden. Kaum Fingerabdrücke, Fasern oder Haare. Der Täter oder die Täterin scheint nicht im Haus gewesen zu sein, sondern den Pfeil vom Garten aus abgeschossen zu haben, was man auch aus der Position des Opfers und der offenen Tür schlussfolgern kann.“
„Vom Garten oder vom Wald aus?“
„Wissen wir noch nicht. Der Garten ist aber wahrscheinlicher, vom Wald aus liegen zu viele Hindernisse in der Schusslinie.“
„Gibt es Fußspuren?“
„Kaum. Der Boden war gestern noch knochentrocken.“
„Keine ungewöhnlichen Funde im Garten?“
„Nichts.“

Die Sterne glitzerten schon am Nachthimmel, als Kerkenbrock den Tatort wieder verlassen konnte. Statt direkt ins Präsidium zu fahren machte sie noch einen kurzen Spaziergang, um wieder ins Lot zu kommen. Eine STERNSCHNUPPE zischte durchs mondlose Dunkel. Auch etwas, das das Opfer, Larissa Schaffeld, nie mehr erleben würde. Die Chance, sich etwas zu wünschen hatte sie verpasst.

Später im Präsidium konfrontierte sie Heidenreich mit einer Besonderheit: „Mir war aufgefallen, dass in diesem peinlich geordneten Haushalt eine Schreibtischschublade halb offen stand. Sie war leer. Mitten auf dem Schreibtisch lag eine LUPE. Die hätte normalerweise sicher in einem Becher gestanden oder in einer Schublade gelegen. Auf der Lupe sind tatsächlich andere Fingerabdrücke, als im Rest der Wohnung. Möglicherweise hat sich jemand etwas genauer angesehen, bevor es entwendet wurde. Vielleicht eine wertvolle Briefmarke oder ein Schmuckstück.“

Heidenreichs Hypothesen ließen sich nicht bestätigen. Larissa Schaffeld hatte weder der Sammelleidenschaft gefrönt noch wertvollen Schmuck getragen. Das schloss zwar nicht aus, dass sie welchen besaß, stellte aber nicht den favorisierten Ermittlungsansatz dar. An ihrem Arbeitsplatz zeigten sich die Kolleginnen und Kollegen erschüttert. Larissa Schaffeld hatte zu den fleißigen und zurückhaltenden Mitarbeiterinnen gehört, verantwortungsbewusst, fair und kollegial, keine bissige Stute, die Rachegelüste auf sich zog. Sie sei so sanft und freundlich gewesen, erklärte eine Mitarbeiterin, dass die harten Hunde im Team sie höhnisch als „das SCHAF“ bezeichnet hätten.
Opferlamm – dachte Kerkenbrock und setzte einige Beamte auf eine akribische Untersuchung des Arbeitsbereichs der Ermordeten an.

Mehrere gerieten ins Visier der Ermittlungen, einer aber ganz besonders. Alle nannten ihn den FISCH. Nicht etwa, weil er wie ein Fisch aussah, jedoch alles andere an ihm war fischig: aalglatt flutschte er an allem vorbei, was sich ihm in den Weg stellte, umging Hindernisse und ließ sich auf nichts festlegen. Eiskalt war er auch, vermeintlich emotionslos und vollkommen Empathie-befreit. Sogar ein unangenehmer Körpergeruch ging von ihm aus.

Sein jüngstes Projekt hatte er so weit vorangetrieben, dass er damit endlich auf den WELTmarkt drängen konnte. Und dann stellte das Schaf alles in Frage. Noch nicht sicher hatte sie gesagt, müsste erst noch gründlich geprüft und getestet werden. Doch je länger sie ihn aufhielt, umso größer war die Gefahr, dass jemand vor ihm als erster mit einer Lösung auf den Markt drängte, dann wäre es zu spät für ihn.

Überführt wurde er, weil Kerkenbrock aufgrund des dienstlichen Konfliktes mit Larissa Schaffeld seine Fingerabdrücke nehmen ließ.

Als sie ihn mit den Ergebnissen der kriminaltechnischen Untersuchung konfrontierten, brach er ein und gab alles zu. Sein Anwalt hatte ihm schließlich auch zu lückenloser Offenheit geraten und so erzählte er:

„Sie hatte von einem Foto gesprochen, mir gedroht, dass es mich bei etwas zeige, das mir deutlich zum Nachteil gereiche. Sollte ich gegen alle Vorsicht mein Projekt durchdrücken und damit die Seriosität der Firma gefährden, würde sie diese Karte ausspielen.

Da habe ich dann entschieden, dass sie weg muss. Ich habe die Umgebung ihres Hauses begutachtet und dann den sauberen Schuss geplant, mit meinem Sportbogen und einem Standardpfeil. Zwei Mal musste ich unverrichteter Dinge wieder umkehren. Beim dritten Mal war die Situation günstig. Ich habe präzise geschossen, ich bin ein formidabler Schütze. Dann bin ich ins Haus gelaufen, habe ihren Tod festgestellt und mich umgesehen. In der Schreibtischschublade habe ich das Foto gefunden. Die Schublade habe ich mit einem Taschentuch geöffnet. Weil ich auf dem Foto nicht alles erkennen konnte, habe er die Lupe zur Hand genommen, dabei nicht an Fingerabdrücke gedacht. Auf dem Foto erkannte ich mich und meine Geliebte ganz winzig im Außenspiegel eines Autos. Wenn man das Bild aber vergrößerte, erkannte man mich deutlich beim leidenschaftlichen Kuss mit einer Frau, die nicht meine war.“
„Und das alles für fünfzehn Jahre Haft.“, stöhnte Kerkenbrock. „Auch wenn Ihnen wegen Ihrer Geständigkeit und vielleicht später wegen guter Führung ein Teil der Haft erlassen wird. Sie bekommen in ihrem Geschäft doch keine zweite Chance.“
„Man wird sehen“, erwiderte der Fisch mit gespielter Demut und Kerkenbrock ahnte, dass er sein Revier schon vollgelaicht hatte. Dieser Mörder kam ganz bestimmt wieder auf die Füße.

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