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Freitag, 22. März 2019
Black Story
c. fabry, 19:08h
Rot gefärbtes Wasser gurgelt im kreisenden Strudel in den Abfluss. Ihr nasser Körper erträgt klaglos die Nadelstiche des kräftigen Duschstrahls. Auf dem Boden liegt eine Engelkarte. Was ist passiert?
Silvia eine alleinstehende, hauptberufliche Kirchenmaus mittleren Alters, zerfressen von unerfüllter Liebe zu einem Kollegen hat sich vor einiger Zeit Engelkarten zugelegt – sieben mal sieben Karten mit aquarellierten Abbildungen der Engel Gabriel, Michael, Jerachmiel, Raguel, Raphael, Uriel und Suriel. Jeder der sieben Engel hat sieben Facetten. Heute hat sie Raguel gezogen, einen weißer Engel, der mit feuerroten Flügen durch eine Tür tritt und zwei Menschen zusammen führt. Der Text auf der Karte lautet: Der Engel der Offenheit ist an Deiner Seite. Er schenkt Dir die Kraft, auszusprechen, was Dein Herz bewegt und der Wahrheit mutig ins Auge zu sehen.
Die Karte hat sie in die Gesäßtasche ihrer Jeans geschoben, sie sollte sie den Tag über begleiten, sie würde sie gelegentlich hervorholen, um sich daran zu erinnern. Aber dann überkommt sie plötzlich eine Eingebung, eine Ahnung, warum sie ausgerechnet diese Karte gezogen hat, eine Aufforderung, eine Inspiration.
Nun weiß Silvia, was zu tun ist. Es ist an der Zeit, endlich ihre heimliche Liebe zu offenbaren. Voller Elan geht sie unter die Dusche, um sich für ihr Geständnis zurecht zu machen. Vor Aufregung flattert ihr Herz und sie genießt es, den prickelnden Strahl des Duschwassers auf ihrer Haut zu spüren. Der Wasserdruck ist enorm, fast schmerzhaft wie die Haut an vielen kleinen Punkten malträtiert wird. Sie läßt die Ströme über ihre Kopfhaut prasseln. Ihr Herz pocht, sie spürt es in der Brust, am Hals, in den Schläfen. Plötzlich tut der Kopf weh. Ihr wird schwindelig, das linke Bein will sie nicht mehr tragen, sie will das mit dem linken Arm ausgleichen, aber der gehorcht ihr nicht mehr. Sie bricht zusammen und verflucht im nächsten Moment die scharfkantige Schiene der schadhaften Tür. Blut tritt aus und misch sich mit dem stetig nachlaufenden Wasser zu einem Strudel aus Hibiskustee oder rotem Malwasser oder …
Sie hat aufgehört zu denken. Sie denkt gar nichts mehr. Sie fühlt auch nichts mehr. Ihre Haut ist nur noch die elastische Hülle eines sich zersetzenden Organismus.Die Engelkarte ist beim Entkleiden aus der Gesäßtasche der Jeans herausgerutscht. Hohnlachend leuchtet sie auf dem weißen Fliesenboden.
Silvia eine alleinstehende, hauptberufliche Kirchenmaus mittleren Alters, zerfressen von unerfüllter Liebe zu einem Kollegen hat sich vor einiger Zeit Engelkarten zugelegt – sieben mal sieben Karten mit aquarellierten Abbildungen der Engel Gabriel, Michael, Jerachmiel, Raguel, Raphael, Uriel und Suriel. Jeder der sieben Engel hat sieben Facetten. Heute hat sie Raguel gezogen, einen weißer Engel, der mit feuerroten Flügen durch eine Tür tritt und zwei Menschen zusammen führt. Der Text auf der Karte lautet: Der Engel der Offenheit ist an Deiner Seite. Er schenkt Dir die Kraft, auszusprechen, was Dein Herz bewegt und der Wahrheit mutig ins Auge zu sehen.
Die Karte hat sie in die Gesäßtasche ihrer Jeans geschoben, sie sollte sie den Tag über begleiten, sie würde sie gelegentlich hervorholen, um sich daran zu erinnern. Aber dann überkommt sie plötzlich eine Eingebung, eine Ahnung, warum sie ausgerechnet diese Karte gezogen hat, eine Aufforderung, eine Inspiration.
Nun weiß Silvia, was zu tun ist. Es ist an der Zeit, endlich ihre heimliche Liebe zu offenbaren. Voller Elan geht sie unter die Dusche, um sich für ihr Geständnis zurecht zu machen. Vor Aufregung flattert ihr Herz und sie genießt es, den prickelnden Strahl des Duschwassers auf ihrer Haut zu spüren. Der Wasserdruck ist enorm, fast schmerzhaft wie die Haut an vielen kleinen Punkten malträtiert wird. Sie läßt die Ströme über ihre Kopfhaut prasseln. Ihr Herz pocht, sie spürt es in der Brust, am Hals, in den Schläfen. Plötzlich tut der Kopf weh. Ihr wird schwindelig, das linke Bein will sie nicht mehr tragen, sie will das mit dem linken Arm ausgleichen, aber der gehorcht ihr nicht mehr. Sie bricht zusammen und verflucht im nächsten Moment die scharfkantige Schiene der schadhaften Tür. Blut tritt aus und misch sich mit dem stetig nachlaufenden Wasser zu einem Strudel aus Hibiskustee oder rotem Malwasser oder …
Sie hat aufgehört zu denken. Sie denkt gar nichts mehr. Sie fühlt auch nichts mehr. Ihre Haut ist nur noch die elastische Hülle eines sich zersetzenden Organismus.Die Engelkarte ist beim Entkleiden aus der Gesäßtasche der Jeans herausgerutscht. Hohnlachend leuchtet sie auf dem weißen Fliesenboden.
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Freitag, 15. März 2019
Stammschwimmer
c. fabry, 12:49h
Wie durch einen Schleier fließenden Satins schnitten ihre Arme durch die weiche, glatte Wasseroberfläche und ließen sie durch das wohltemperierte Blau gleiten. Die Bahn war frei und die winterliche Mittagssonne zauberte entzückende Lichtreflexe, die ihre geschundene Seele streichelten.
Heute keine selbstdarstellungswütigen Fleischbrocken, die rücksichtslos durch das Wasser pflügten, als hätten sie ihre Bahnen gepachtet. Keine penetrant billig duftenden Seeschnecken, die zum Kaffeekränzchen alle Bahnen blockierten. Keine Tranfunzeln, die mitten im Becken herumstanden, nur um ihr neues Knie zu bewegen. So sollte es sein. So sollte es bleiben.
Kerkenbrock starrte in blankem Entsetzen auf das fünfte Opfer in dieser Serie. Schon wieder die durchtrennte Beinschlagader und weit und breit keine Tatwaffe. Die Kommissarin fragte sich, wer über eine derartige Kaltblütikeit verfügte. Bisher war die einzige Verbindung zwischen den Opfern die Verletzung der fingerdicken Arterie, die einen tödlichen Blutverlust zur Folge gehabt hatte.
Eine ältere Dame aus Westerenger, Fleischereifachverkäuferin im Ruhestand – da hatten sie schon militante Tierschützer in Betracht gezogen.
Dann hatte es diesen Mathelehrer aus Werther erwischt. Die Opfer hatten einander nicht gekannt, aber wer konnte wissen, ob der oder die Täter*in nicht mit beiden eine Rechnung offen gehabt hatte? Die Schweinemörderkomplizin und der erbarmungslose Pauker, der die Abiturpläne zunichte gemacht hatte.
Die fünfunddreißigjährige Verwaltungsangestellte aus Spenge passte dann aber gar nicht ins Bild. Sie taugte nicht als Aggressorin, die uferlose Gegenaggression provozierte. Sie war ein gesichtsloses Rädchen im Getriebe gewesen, einsam und von einem unübersehbaren Hüftleiden gebeutelt.
Aus den Unterlagen der Jöllenbecker Zahnärztin, die das vierte Opfer gewesen war, ging rein gar nichts hervor; kein möglicher Behandlungsfehler, der Rache auf den Plan gerufen hätte.
Und hier lag nun ein Junge aus Enger, gerade mal dreizehn Jahre alt, schlank und hübsch und voller definierter Muskeln. Enfach ausgelöscht. Es war entsetzlich.
Fünfundzwanzig Bahnen lagen hinter ihr, fünfundfünfzig noch vor ihr. Es wurde etwas voller. Jeder Besucher, der die Schwimmhalle betrat, bekam ihren argwöhnischen Blick zu spüren. „Nicht in meine Bahn!“, dachte sie jedes Mal. „Nicht in meine Bahn!“
Als könnten sie ihre Gedanken hören, kam ihr niemand in die Quere. Jahrelang war sie voller Rücksicht auf alle anderen dauernd im Slalom herumgezappelt, war ausgebremst und angerempelt worden, hatte es klaglos ertragen, doch damit war jetzt Schluss. Sie schwamm ihre Bahn und niemand kam ihr in die Quere.
Die Tür zu den Duschen öffnete sich und das Walross stapfte aufs Becken zu; die Dicke mit der Warze auf der linken Wange. Als sie ihr das letzte Mal begegnet war, hatte die sie ständig aus der Bahn gedrängt, auf die sie gerade ausgewichen war. Die Dicke stieg ins Wasser und Tatsache, ohne sich vorher umzusehen, stieß sie sich vom Beckenende ab und schlug mit ihren schweren Armen im Rückenkraul ins Wasser. Direkt auf den ersten Metern schwamm sie eine ältere Dame über den Haufen. Die nächste Bahn zog sie im Brustschwimmen, aber genauso blind und wüst – glücklicherweise in gebührendem Abstand. Sie sollte ihr bloß nicht zu nahe kommen. Dem Jungen, der ohne abzuwarten, ob die Bahn frei war, vom Ein-Meter-Brett gesprungen war, hatte sie sich direkt im Anschluss vorgknöpft.
Bei der zähen, alten Schachtel war es komplizierter gewesen. Ganze acht Mal hatte sie ihre energische Rücksichtslosigkeit ertragen müssen. Dieser blasierte Herrenmenschen-Ausdruck in ihren Augen, der harte Zug um den Mund, der eisern trainierte, dainwelkende Körper, dessen Verfall sie ihre Lebensgier entgegensetzte. Die Alte war beim Umkleiden so schnell, dass sie schließlich ihr Pensum verkürzt hatte, um vor ihr draußen zu sein und ihr auf dem Parkplatz aufzulauern. Dann hatte sie sie verfolgt und tagelang beobachtet. Zahnärztin war sie gewesen, sie hätte auf Studienrätin getippt, Englisch und Geographie. Sie hatte sie im Garten erledigt. Die würde ihr nie mehr den Weg abschneiden.
Die Acqua-Joggerin war dagegen ein leichtes Opfer gewesen. Von ihr hatte sie sich regelrecht verfolgt gefühlt. Wenn sie schon mit ihrem tumben Gesichtsausdruck und den beiden Schwimmgürteln – einem natürlichen und einem aus Styropor – in die Halle humpelte, war ein unangenehmes Kitzeln ihren Nacken hinaufgekrochen. Die lahme Ente hampelte immer genau mitten im Becken herum, und alle mussten um sie herumschwimmen. Und immer war sie in ihre Bahn gekommen und hatte sie debil angeglotzt. Es war nicht zu ertragen gewesen. Sie hatte immer nahezu zeitgleich mit ihr das Becken verlassen, um sie auch unter der Dusche anzuglotzen und auf dem Weg in die Umkleiden war sie mit ihren quietschenden Badelatschen hinter ihr hergewatschelt. Nach dem Schwimmen war sie im selben Supermarkt gewesen und hatte in derselben abgelegenen Ecke des Parkplatzes ihr Auto abgestellt. Ein kurzer Schnitt und die Sache war erledigt gewesen.
Der Angeber mit dem breiten Kreuz hatte ihr dagegen Respekt abverlangt. Typisch Mann, war er einfach immer seine Bahn geschwommen. Im Platzhirschkraul hatte er mit jedem Arm- und Beinschlag zum Ausdruck gebracht, dass Teilen nicht zu seinen Kernkompetenzen gehörte. Niemand machte ihm dieses Privileg streitig, obwohl kein Anspruch bestand. Er nahm es sich einfach. Im Gegenzug hatte sie ihm das Leben genommen. Das war nur gerecht. Er schien ein Kämpfer zu sein. Sie hatte ihn wochenlang beschattet, um seine Achillesferse zu finden. Gut, dass er Lehrer war – das erweiterte den Kreis der Verdächtigen auf hunderte von Schüler*innen. Und gab es einen geeigneteren Ort als die Lehrertoilette, einen wehrloseren Moment für einen Mann als den, wo er mit der Hose auf den Knöcheln unter Anspannung sein Innerstes nach außen kehrte, ganz bei sich selbst und sich in Sicherheit wähnend? Der Geruch hingegen war unangenehm gewesen. Er hatte sich eine ganze Weile in ihrem limbischen System festgesetzt.
Der Geruch war auch bei ihrem ersten Opfer ein Thema gewesen. Billig, pudrig und süß und derartig überdosiert, dass jedes Mal eine Wolke davon übers Wasser geschwebt war, wenn die Oma im Weg war. Und sie war ständig im Weg gewesen. Furchtbar langsam und ihre Pausen hatte sie stets im ungünstigsten Moment beendet. Immer, wenn sie eine Bahn geschafft hatte und direkt die nächste starten wollte, wartete die Oma, bis sie am Beckenende angekommen war und schwamm dann in die Blockadeposition, statt noch ein paar Sekunden zu warten bis die ohnehin viel schnellere Schwimmerin wieder durchgestartet war. Nun konnte sie ihretwegen die unterirdischen Ströme blockieren und den Fährmann auf dem Styx zur Weißglut bringen. Hier war sie nicht mehr im Weg.
Das Walross kam schnaubend näher. „Na warte“, dachte sie. „Mein Messer ist noch nicht satt und an dir ist wenigstens richtig was dran.“
Und das wurde ihr zum Verhängnis, denn den Panzer aus Fett konnte sie nicht tief genug durchdringen.
Wenn man lange in einen Abgrund blickt, blickt der Abgrund irgendwann zurück. Kommissarin Kerkenbrock hatte viele schlaflose Nächte vor sich.
Heute keine selbstdarstellungswütigen Fleischbrocken, die rücksichtslos durch das Wasser pflügten, als hätten sie ihre Bahnen gepachtet. Keine penetrant billig duftenden Seeschnecken, die zum Kaffeekränzchen alle Bahnen blockierten. Keine Tranfunzeln, die mitten im Becken herumstanden, nur um ihr neues Knie zu bewegen. So sollte es sein. So sollte es bleiben.
Kerkenbrock starrte in blankem Entsetzen auf das fünfte Opfer in dieser Serie. Schon wieder die durchtrennte Beinschlagader und weit und breit keine Tatwaffe. Die Kommissarin fragte sich, wer über eine derartige Kaltblütikeit verfügte. Bisher war die einzige Verbindung zwischen den Opfern die Verletzung der fingerdicken Arterie, die einen tödlichen Blutverlust zur Folge gehabt hatte.
Eine ältere Dame aus Westerenger, Fleischereifachverkäuferin im Ruhestand – da hatten sie schon militante Tierschützer in Betracht gezogen.
Dann hatte es diesen Mathelehrer aus Werther erwischt. Die Opfer hatten einander nicht gekannt, aber wer konnte wissen, ob der oder die Täter*in nicht mit beiden eine Rechnung offen gehabt hatte? Die Schweinemörderkomplizin und der erbarmungslose Pauker, der die Abiturpläne zunichte gemacht hatte.
Die fünfunddreißigjährige Verwaltungsangestellte aus Spenge passte dann aber gar nicht ins Bild. Sie taugte nicht als Aggressorin, die uferlose Gegenaggression provozierte. Sie war ein gesichtsloses Rädchen im Getriebe gewesen, einsam und von einem unübersehbaren Hüftleiden gebeutelt.
Aus den Unterlagen der Jöllenbecker Zahnärztin, die das vierte Opfer gewesen war, ging rein gar nichts hervor; kein möglicher Behandlungsfehler, der Rache auf den Plan gerufen hätte.
Und hier lag nun ein Junge aus Enger, gerade mal dreizehn Jahre alt, schlank und hübsch und voller definierter Muskeln. Enfach ausgelöscht. Es war entsetzlich.
Fünfundzwanzig Bahnen lagen hinter ihr, fünfundfünfzig noch vor ihr. Es wurde etwas voller. Jeder Besucher, der die Schwimmhalle betrat, bekam ihren argwöhnischen Blick zu spüren. „Nicht in meine Bahn!“, dachte sie jedes Mal. „Nicht in meine Bahn!“
Als könnten sie ihre Gedanken hören, kam ihr niemand in die Quere. Jahrelang war sie voller Rücksicht auf alle anderen dauernd im Slalom herumgezappelt, war ausgebremst und angerempelt worden, hatte es klaglos ertragen, doch damit war jetzt Schluss. Sie schwamm ihre Bahn und niemand kam ihr in die Quere.
Die Tür zu den Duschen öffnete sich und das Walross stapfte aufs Becken zu; die Dicke mit der Warze auf der linken Wange. Als sie ihr das letzte Mal begegnet war, hatte die sie ständig aus der Bahn gedrängt, auf die sie gerade ausgewichen war. Die Dicke stieg ins Wasser und Tatsache, ohne sich vorher umzusehen, stieß sie sich vom Beckenende ab und schlug mit ihren schweren Armen im Rückenkraul ins Wasser. Direkt auf den ersten Metern schwamm sie eine ältere Dame über den Haufen. Die nächste Bahn zog sie im Brustschwimmen, aber genauso blind und wüst – glücklicherweise in gebührendem Abstand. Sie sollte ihr bloß nicht zu nahe kommen. Dem Jungen, der ohne abzuwarten, ob die Bahn frei war, vom Ein-Meter-Brett gesprungen war, hatte sie sich direkt im Anschluss vorgknöpft.
Bei der zähen, alten Schachtel war es komplizierter gewesen. Ganze acht Mal hatte sie ihre energische Rücksichtslosigkeit ertragen müssen. Dieser blasierte Herrenmenschen-Ausdruck in ihren Augen, der harte Zug um den Mund, der eisern trainierte, dainwelkende Körper, dessen Verfall sie ihre Lebensgier entgegensetzte. Die Alte war beim Umkleiden so schnell, dass sie schließlich ihr Pensum verkürzt hatte, um vor ihr draußen zu sein und ihr auf dem Parkplatz aufzulauern. Dann hatte sie sie verfolgt und tagelang beobachtet. Zahnärztin war sie gewesen, sie hätte auf Studienrätin getippt, Englisch und Geographie. Sie hatte sie im Garten erledigt. Die würde ihr nie mehr den Weg abschneiden.
Die Acqua-Joggerin war dagegen ein leichtes Opfer gewesen. Von ihr hatte sie sich regelrecht verfolgt gefühlt. Wenn sie schon mit ihrem tumben Gesichtsausdruck und den beiden Schwimmgürteln – einem natürlichen und einem aus Styropor – in die Halle humpelte, war ein unangenehmes Kitzeln ihren Nacken hinaufgekrochen. Die lahme Ente hampelte immer genau mitten im Becken herum, und alle mussten um sie herumschwimmen. Und immer war sie in ihre Bahn gekommen und hatte sie debil angeglotzt. Es war nicht zu ertragen gewesen. Sie hatte immer nahezu zeitgleich mit ihr das Becken verlassen, um sie auch unter der Dusche anzuglotzen und auf dem Weg in die Umkleiden war sie mit ihren quietschenden Badelatschen hinter ihr hergewatschelt. Nach dem Schwimmen war sie im selben Supermarkt gewesen und hatte in derselben abgelegenen Ecke des Parkplatzes ihr Auto abgestellt. Ein kurzer Schnitt und die Sache war erledigt gewesen.
Der Angeber mit dem breiten Kreuz hatte ihr dagegen Respekt abverlangt. Typisch Mann, war er einfach immer seine Bahn geschwommen. Im Platzhirschkraul hatte er mit jedem Arm- und Beinschlag zum Ausdruck gebracht, dass Teilen nicht zu seinen Kernkompetenzen gehörte. Niemand machte ihm dieses Privileg streitig, obwohl kein Anspruch bestand. Er nahm es sich einfach. Im Gegenzug hatte sie ihm das Leben genommen. Das war nur gerecht. Er schien ein Kämpfer zu sein. Sie hatte ihn wochenlang beschattet, um seine Achillesferse zu finden. Gut, dass er Lehrer war – das erweiterte den Kreis der Verdächtigen auf hunderte von Schüler*innen. Und gab es einen geeigneteren Ort als die Lehrertoilette, einen wehrloseren Moment für einen Mann als den, wo er mit der Hose auf den Knöcheln unter Anspannung sein Innerstes nach außen kehrte, ganz bei sich selbst und sich in Sicherheit wähnend? Der Geruch hingegen war unangenehm gewesen. Er hatte sich eine ganze Weile in ihrem limbischen System festgesetzt.
Der Geruch war auch bei ihrem ersten Opfer ein Thema gewesen. Billig, pudrig und süß und derartig überdosiert, dass jedes Mal eine Wolke davon übers Wasser geschwebt war, wenn die Oma im Weg war. Und sie war ständig im Weg gewesen. Furchtbar langsam und ihre Pausen hatte sie stets im ungünstigsten Moment beendet. Immer, wenn sie eine Bahn geschafft hatte und direkt die nächste starten wollte, wartete die Oma, bis sie am Beckenende angekommen war und schwamm dann in die Blockadeposition, statt noch ein paar Sekunden zu warten bis die ohnehin viel schnellere Schwimmerin wieder durchgestartet war. Nun konnte sie ihretwegen die unterirdischen Ströme blockieren und den Fährmann auf dem Styx zur Weißglut bringen. Hier war sie nicht mehr im Weg.
Das Walross kam schnaubend näher. „Na warte“, dachte sie. „Mein Messer ist noch nicht satt und an dir ist wenigstens richtig was dran.“
Und das wurde ihr zum Verhängnis, denn den Panzer aus Fett konnte sie nicht tief genug durchdringen.
Wenn man lange in einen Abgrund blickt, blickt der Abgrund irgendwann zurück. Kommissarin Kerkenbrock hatte viele schlaflose Nächte vor sich.
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Freitag, 8. März 2019
Epilog im Fegefeuer
c. fabry, 12:14h
„Was führt Sie hier her, junger Mann?“
„Ich hab' es in der Hölle nicht mehr ausgehalten.“
„Nanu. Ich dachte, die Hölle gibt es gar nicht.“
„Doch, natürlich.“
„Und wie sieht es da aus?“
„Ganz normal.“
„Aber was unterscheidet die Hölle dann vom Himmel?“
„Es fühlt sich anders an. Es ist kein Ort, es ist ein Zustand. Im Himmel ist alles leicht, hell und warm. So lange ich lebte, war alles schwer, düster und voller Kälte, ein stetiges Frösteln. In mir waren die Farben einem hochdeckenden Aschgrau gewichen, und meine Mitte fühlte sich an, als würde sie von Säure zerfressen.“
„Wie sind Sie entkommen?“
„Tabletten.“
„Hätte ich vielleicht auch machen sollen.“
„Wie sind Sie denn hier her gelangt?“
„Ich bin gesprungen.“
„Und? Wie war es?“
„Grauenvoll. Ich dachte, es geht schnell, aber die Zeit des Fallens zieht sich schier endlos hin. Man möchte die Reißleine ziehen und alles rückgängig machen, aber es gibt kein Zurück mehr, kein Entrinnen. Da wechseln sich Angst, tiefste Verzweiflung, tonnenschwere Zweifel und inständiges Bedauern blitzlichtartig ab bis dann schließlich die unfassbare Brutalität des Aufschlags das komplexe Gefäß der Seele zertrümmert. Man spürt, wie alles in einem bricht, zerberstet, platzt und zerquetscht wird. Aber dann wurde es gut. Schwamm drüber.“
„Ob die, die Ihre Überreste wegräumen müssen, das wohl auch sagen können?“
„Ich denke, nein. Das wäre ja menschenverachtend.“
„Warum sind Sie gesprungen?“
„Ich wurde gemobbt. Habe es von allen Seiten abgekriegt. Und Sie? Was hat Sie in die Hölle gebracht?“
„Ein Priester.“
„Das ist ja grotesk. Die werden doch extra dafür bezahlt, dass sie einem den Zugang zum Himmel erleichtern. Was hat er Ihnen angetan?“
„Er hat mich benutzt.“
„Sie meinen im biblischen Sinne?“
„Was ist das denn für eine blöde Formulierung? Sie hören sich an wie ein verklemmter Philologe. Er hat mich gefickt, wenn Sie es genau wissen wollen.“
„Wie hat er das angestellt?“
„Was wollen Sie denn jetzt hören?“
„Wie es dazu kam, wie er Sie dazu gebracht hat, es ihn tun zu lassen.“
„Ich will da nicht mehr drüber reden. Es hat mein Leben zerstört, mich einfach nicht mehr losgelassen. Er war der Pater, ich sein Messdiener. Mir fehlten die Worte, um irgendwen über das Ungeheuerlich ins Vertrauen zu ziehen.“
„Aber Kinder werden doch heutzutage extra geschult, damit sie sich wehren können.“
„Ja, heutzutage vielleicht, damals war aber keine Rede davon.“
„Damals?“
„Ist schon eine Weile her. So etwa dreißig Jahre.“
„Und warum haben Sie jetzt erst Schluss gemacht?“
„Weil vor Kurzem alles wieder hochkam. Ich hatte ein Klassentreffen, da kamen Geschichten auf den Tisch, danach bekam ich Alpträume,dann war dieses Thema dauernd in den Medien, ich hatte ständig das Gefühl zu ersticken, hab' es einfach nicht mehr ausgehalten.“
„Ach ja, die Katholen und ihr Zölibat.“
„Wie kommen Sie denn hier hin, wenn Sie nicht katholisch sind?“
„Na hören Sie mal! Von der Evangelischen Kirche haben Sie wohl noch nichts mitbekommen?“
„Doch, schon. Ich hab' nicht nachgedacht. Ich war beruflich nicht mit der Religion befasst, das hat mich nur selten beschäftigt.“
„Was haben Sie denn beruflich gemacht?“
„Ich war Zahntechniker. Und Sie?“
„Jugendreferent.“
„In der Politik?“
„In der Evangelischen Kirche.“
„Haben Sie die Pfarrer beraten?“
„Nein. Ich habe Freizeitprogramm für Kinder und Jugendliche angeboten.“
„Ach so. Batiken, Backen und Beten.“
„Haha. Das war schon etwas anspruchsvoller.“
„Ach, Gipsmasken haben Sie auch gemacht?“
„Ich war neben der Religionspädagogik vor allem im Kulturbereich und in der Erlebnispädagogik aktiv.“
„Wie habe ich mir denn Erlebnispädagogik vorzustellen?“
„Verschiedene, meist sehr intensive Erfahrungen: Kanutouren, Steilwandklettern, Hochseilgarten, Orientierungsläufe, Baumhausbau, Bogenschießen.“
„Und im Kultursektor?“
„Konzerte und Filme.“
„Ach, Dirigent und Regisseur waren Sie auch?“
„Nein, ich habe Bands rangeholt, die den Kids gefallen und manchmal besondere Filme vorgeführt. Am besten waren die Abende, an denen ich die Ehrenamtlichen zu mir nach Hause eingeladen habe. Da wurde der Beamer im Wohnzimmer aufgebaut und gemütlich gekuschelt.“
„Hatten die Eltern da keine Bedenken?“
„Im Leben nicht. War doch Kirche.“
„Und warum wurden Sie gemobbt, wenn Sie den jungen Leuten so viel zu geben hatten?“
„Darüber möchte ich nicht reden, das ist einfach zu schmerzhaft.“
„Für Sie oder für mich?“
Schweigen. -
„Sind Ihre Schützlinge über Nacht geblieben?“
Schweigen. -
„Waren es die bestätigungsdurstigen Mädchen oder die schutzbedürftigen Jungen, die Sie in Ihr Bett geholt haben?“
Schweigen. -
„Und hat Ihre Frau etwas davon mitbekommen oder Ihr Mann oder waren Sie einer von diesen beziehungsunfähigen Sexualprotzen, denen mit fortschreitendem Alter die Beute ausgeht?“
Schweigen. -
„Ich wünschte, es gäbe doch eine ewige Hölle.“
„Ich hab' es in der Hölle nicht mehr ausgehalten.“
„Nanu. Ich dachte, die Hölle gibt es gar nicht.“
„Doch, natürlich.“
„Und wie sieht es da aus?“
„Ganz normal.“
„Aber was unterscheidet die Hölle dann vom Himmel?“
„Es fühlt sich anders an. Es ist kein Ort, es ist ein Zustand. Im Himmel ist alles leicht, hell und warm. So lange ich lebte, war alles schwer, düster und voller Kälte, ein stetiges Frösteln. In mir waren die Farben einem hochdeckenden Aschgrau gewichen, und meine Mitte fühlte sich an, als würde sie von Säure zerfressen.“
„Wie sind Sie entkommen?“
„Tabletten.“
„Hätte ich vielleicht auch machen sollen.“
„Wie sind Sie denn hier her gelangt?“
„Ich bin gesprungen.“
„Und? Wie war es?“
„Grauenvoll. Ich dachte, es geht schnell, aber die Zeit des Fallens zieht sich schier endlos hin. Man möchte die Reißleine ziehen und alles rückgängig machen, aber es gibt kein Zurück mehr, kein Entrinnen. Da wechseln sich Angst, tiefste Verzweiflung, tonnenschwere Zweifel und inständiges Bedauern blitzlichtartig ab bis dann schließlich die unfassbare Brutalität des Aufschlags das komplexe Gefäß der Seele zertrümmert. Man spürt, wie alles in einem bricht, zerberstet, platzt und zerquetscht wird. Aber dann wurde es gut. Schwamm drüber.“
„Ob die, die Ihre Überreste wegräumen müssen, das wohl auch sagen können?“
„Ich denke, nein. Das wäre ja menschenverachtend.“
„Warum sind Sie gesprungen?“
„Ich wurde gemobbt. Habe es von allen Seiten abgekriegt. Und Sie? Was hat Sie in die Hölle gebracht?“
„Ein Priester.“
„Das ist ja grotesk. Die werden doch extra dafür bezahlt, dass sie einem den Zugang zum Himmel erleichtern. Was hat er Ihnen angetan?“
„Er hat mich benutzt.“
„Sie meinen im biblischen Sinne?“
„Was ist das denn für eine blöde Formulierung? Sie hören sich an wie ein verklemmter Philologe. Er hat mich gefickt, wenn Sie es genau wissen wollen.“
„Wie hat er das angestellt?“
„Was wollen Sie denn jetzt hören?“
„Wie es dazu kam, wie er Sie dazu gebracht hat, es ihn tun zu lassen.“
„Ich will da nicht mehr drüber reden. Es hat mein Leben zerstört, mich einfach nicht mehr losgelassen. Er war der Pater, ich sein Messdiener. Mir fehlten die Worte, um irgendwen über das Ungeheuerlich ins Vertrauen zu ziehen.“
„Aber Kinder werden doch heutzutage extra geschult, damit sie sich wehren können.“
„Ja, heutzutage vielleicht, damals war aber keine Rede davon.“
„Damals?“
„Ist schon eine Weile her. So etwa dreißig Jahre.“
„Und warum haben Sie jetzt erst Schluss gemacht?“
„Weil vor Kurzem alles wieder hochkam. Ich hatte ein Klassentreffen, da kamen Geschichten auf den Tisch, danach bekam ich Alpträume,dann war dieses Thema dauernd in den Medien, ich hatte ständig das Gefühl zu ersticken, hab' es einfach nicht mehr ausgehalten.“
„Ach ja, die Katholen und ihr Zölibat.“
„Wie kommen Sie denn hier hin, wenn Sie nicht katholisch sind?“
„Na hören Sie mal! Von der Evangelischen Kirche haben Sie wohl noch nichts mitbekommen?“
„Doch, schon. Ich hab' nicht nachgedacht. Ich war beruflich nicht mit der Religion befasst, das hat mich nur selten beschäftigt.“
„Was haben Sie denn beruflich gemacht?“
„Ich war Zahntechniker. Und Sie?“
„Jugendreferent.“
„In der Politik?“
„In der Evangelischen Kirche.“
„Haben Sie die Pfarrer beraten?“
„Nein. Ich habe Freizeitprogramm für Kinder und Jugendliche angeboten.“
„Ach so. Batiken, Backen und Beten.“
„Haha. Das war schon etwas anspruchsvoller.“
„Ach, Gipsmasken haben Sie auch gemacht?“
„Ich war neben der Religionspädagogik vor allem im Kulturbereich und in der Erlebnispädagogik aktiv.“
„Wie habe ich mir denn Erlebnispädagogik vorzustellen?“
„Verschiedene, meist sehr intensive Erfahrungen: Kanutouren, Steilwandklettern, Hochseilgarten, Orientierungsläufe, Baumhausbau, Bogenschießen.“
„Und im Kultursektor?“
„Konzerte und Filme.“
„Ach, Dirigent und Regisseur waren Sie auch?“
„Nein, ich habe Bands rangeholt, die den Kids gefallen und manchmal besondere Filme vorgeführt. Am besten waren die Abende, an denen ich die Ehrenamtlichen zu mir nach Hause eingeladen habe. Da wurde der Beamer im Wohnzimmer aufgebaut und gemütlich gekuschelt.“
„Hatten die Eltern da keine Bedenken?“
„Im Leben nicht. War doch Kirche.“
„Und warum wurden Sie gemobbt, wenn Sie den jungen Leuten so viel zu geben hatten?“
„Darüber möchte ich nicht reden, das ist einfach zu schmerzhaft.“
„Für Sie oder für mich?“
Schweigen. -
„Sind Ihre Schützlinge über Nacht geblieben?“
Schweigen. -
„Waren es die bestätigungsdurstigen Mädchen oder die schutzbedürftigen Jungen, die Sie in Ihr Bett geholt haben?“
Schweigen. -
„Und hat Ihre Frau etwas davon mitbekommen oder Ihr Mann oder waren Sie einer von diesen beziehungsunfähigen Sexualprotzen, denen mit fortschreitendem Alter die Beute ausgeht?“
Schweigen. -
„Ich wünschte, es gäbe doch eine ewige Hölle.“
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Freitag, 1. März 2019
Der Hühnerhof des Sämanns
c. fabry, 10:58h
Das Evangelium des heutigen Sonntags ließ das Licht der Erkenntnis in ihr aufleuchten. Sie hätte es lieber aus Joshuas Mund gehört, aber die Zeiten, wo der Pfarrer selbst die Bibeltexte im Gottesdienst las, gehörten der Geschichte an.
Lukas 8, 4-8 und 11-15, sie kannte das Gleichnis vom Sämann und seine Deutung seit ihrer Kindheit, aber so wie heute hatte sie es noch nie gehört. Joshua war der Sämann. Als Pfarrer legte er seine klugen Gedanken in die Herzen seiner Gemeindeglieder und Mitarbeiter und sicher hatte auch seine Familie Anteil daran.
Da war die Saat, die auf den Weg fiel, zertreten oder von Vögeln gefressen wurde. Das waren die, die das Wort hörten, in Anfechtung durch den Teufel fielen und nicht glaubten. So wie Susanne. Susanne arbeitete nur bei der Kirche, weil sie bei jedem anderen Träger gescheitert war und ihre Bewerbungen ins Leere liefen. Sie hatte weder Respekt vor ihren Mitmenschen noch vor dem Evangelium. Und über Joshua machte sie gern abfällige Bemerkungen. Nichts von dem, was er zu geben hatte, ließ sie an sich heran.
Dann war da die Saat, die auf Fels fiel und darum keine Feuchtigkeit aufnehmen konnte, weshalb sie verdorrte. Das waren die, die das Wort zwar hörten und freudig annahmen, denen aber die Wurzeln fehlten, so dass sie schon bald wieder abfielen – so wie Märta, Joshuas Ehefrau.. Zuerst hatte Maria gedacht, ihr verschlossenes Wesen hinge mit ihren finnischen Wurzeln zusammen. Dass sie ihren Mann bei seiner Arbeit in keinster Weise unterstützte, ließ doch erahnen, dass sie seine besondere Gabe nicht wertschätzte. Noch entschuldigte er ihre chronische Abwesenheit mit den exorbitanten Herausforderungen ihrer wissenschaftlichen Forschungstätigkeit. Er würde schon noch merken, dass da bald gar nichts mehr sein würde außer Hausputz, Einkauf, Rechnungen und die Sorge um die gemeinsamen Kinder.
Zum Dritten war da die Saat, die unter die Dornen fiel. Die Samen gingen gleichzeitig mit dem Dornengestrüpp auf und wurden darunter erstickt.
Das waren diejenigen, deren zartes Glaubenspflänzchen unter Sorgen, Reichtum oder Freuden des Lebens erstickte. Und Maria ging sogar noch weiter mit ihrer Deutung. Die waren selbst die Dornen, so wie ihre Kollegin Johanns, die Joshua mit all ihren nichtigen Alltagssorgen bestürmte und darunter erstickte. Aber auch mit dem, was noch viel schlimmer war: mit ihren schamlosen Flirts und all den anderen Kleinigkeiten, mit denen sie Maria auszustechen versuchte. Sie tat so, als seien Johsua und sie die besten Freunde, bereits auf dem Weg zu sehr viel mehr und er war einfach zu höflich, ihr entschieden zu widersprechen. So erstickte sie ihn zusätzlich mit ihrer Übergriffigkeit. Aber wenn Maria ihr die eine oder andere persönliche Frage zu Joshua stellte, heuchelte sie stets absolute Unkenntnis.
Zuletzt war da die Saat, die auf gutes Land fiel und tausendfach Frucht brachte. Das waren die, die das Wort hörten, annahmen, treu dabei blieben und sich auszeichneten durch ein gutes Herz und viel Geduld beim oft langwierigen und anstrengendem Hervorbringen der Früchte. Und so war sie, Maria, stets offen für all die klugen Anregungen, immer bereit, sie in die Tat umzusetzen und dabei gab sie immer ihr Bestes, blieb bei der Sache und hielt durch. Sie übte sich in Geduld, auch wenn Joshua sie geflissentlich übersah oder ihr mitten im Satz das Wort abschnitt, ja sogar wenn er allen anderen mehr Aufmerksamkeit schenkte.
Was Susanne und Märta betraf, da würde ihre Geduld zum Ziel führen. Joshua würde Susannes Arglist durchschauen und von Märtas Gleichgültigkeit schon bald die Nase voll haben.
Aber Johanna war ein Problem. Sie führte sich nicht nur auf wie die erste Jüngerin, sie drohte, den Pfarrer zu vernichten. Zuerst raubte sie ihm Zeit und Kraft und am Ende sorgte sie womöglich noch für einen Skandal, der ihm die Arbeit in seiner Gemeinde verunmöglichte. Maria musste handeln. Und das tat sie. Zum Glück war ihr Vater Apotheker, und seit ihrer Jugend kannte Maria den Cocktail, mit dem eine zeitverzögerte aber schlagartig einsetzende Bewusstseinseintrübung auslösen konnte, so als habe sich jemand sinnlos betrunken. Es war ein Leichtes, ihr den Stoff bei der Dienstbesprechung zum passenden Zeitpunkt in den Kaffee zu träufeln, den Rest erledigte die geschwindigkeitsüberhöhte Erbarmungslosigkeit des Straßenverkehrs. Johanna war langsam verblutet, besser hätte es gar nicht kommen können.
Als Joshua das nächste Mal bei einer Trauerfeier reden musste, verlieh er seiner Fassungslosigkeit darüber Ausdruck, mit welcher Kaltblütigkeit die Täterin das Opfer ermordet hatte. Eine engagierte und kompetente Mitarbeiterin, einfach von einer Irren aus dem Leben gerissen. Dabei war sie erst achtundvierzig Jahre alt gewesen. Garottiert mit einer Violinensaite. Die Gemeinde würde Maria schmerzlich vermissen.
Lukas 8, 4-8 und 11-15, sie kannte das Gleichnis vom Sämann und seine Deutung seit ihrer Kindheit, aber so wie heute hatte sie es noch nie gehört. Joshua war der Sämann. Als Pfarrer legte er seine klugen Gedanken in die Herzen seiner Gemeindeglieder und Mitarbeiter und sicher hatte auch seine Familie Anteil daran.
Da war die Saat, die auf den Weg fiel, zertreten oder von Vögeln gefressen wurde. Das waren die, die das Wort hörten, in Anfechtung durch den Teufel fielen und nicht glaubten. So wie Susanne. Susanne arbeitete nur bei der Kirche, weil sie bei jedem anderen Träger gescheitert war und ihre Bewerbungen ins Leere liefen. Sie hatte weder Respekt vor ihren Mitmenschen noch vor dem Evangelium. Und über Joshua machte sie gern abfällige Bemerkungen. Nichts von dem, was er zu geben hatte, ließ sie an sich heran.
Dann war da die Saat, die auf Fels fiel und darum keine Feuchtigkeit aufnehmen konnte, weshalb sie verdorrte. Das waren die, die das Wort zwar hörten und freudig annahmen, denen aber die Wurzeln fehlten, so dass sie schon bald wieder abfielen – so wie Märta, Joshuas Ehefrau.. Zuerst hatte Maria gedacht, ihr verschlossenes Wesen hinge mit ihren finnischen Wurzeln zusammen. Dass sie ihren Mann bei seiner Arbeit in keinster Weise unterstützte, ließ doch erahnen, dass sie seine besondere Gabe nicht wertschätzte. Noch entschuldigte er ihre chronische Abwesenheit mit den exorbitanten Herausforderungen ihrer wissenschaftlichen Forschungstätigkeit. Er würde schon noch merken, dass da bald gar nichts mehr sein würde außer Hausputz, Einkauf, Rechnungen und die Sorge um die gemeinsamen Kinder.
Zum Dritten war da die Saat, die unter die Dornen fiel. Die Samen gingen gleichzeitig mit dem Dornengestrüpp auf und wurden darunter erstickt.
Das waren diejenigen, deren zartes Glaubenspflänzchen unter Sorgen, Reichtum oder Freuden des Lebens erstickte. Und Maria ging sogar noch weiter mit ihrer Deutung. Die waren selbst die Dornen, so wie ihre Kollegin Johanns, die Joshua mit all ihren nichtigen Alltagssorgen bestürmte und darunter erstickte. Aber auch mit dem, was noch viel schlimmer war: mit ihren schamlosen Flirts und all den anderen Kleinigkeiten, mit denen sie Maria auszustechen versuchte. Sie tat so, als seien Johsua und sie die besten Freunde, bereits auf dem Weg zu sehr viel mehr und er war einfach zu höflich, ihr entschieden zu widersprechen. So erstickte sie ihn zusätzlich mit ihrer Übergriffigkeit. Aber wenn Maria ihr die eine oder andere persönliche Frage zu Joshua stellte, heuchelte sie stets absolute Unkenntnis.
Zuletzt war da die Saat, die auf gutes Land fiel und tausendfach Frucht brachte. Das waren die, die das Wort hörten, annahmen, treu dabei blieben und sich auszeichneten durch ein gutes Herz und viel Geduld beim oft langwierigen und anstrengendem Hervorbringen der Früchte. Und so war sie, Maria, stets offen für all die klugen Anregungen, immer bereit, sie in die Tat umzusetzen und dabei gab sie immer ihr Bestes, blieb bei der Sache und hielt durch. Sie übte sich in Geduld, auch wenn Joshua sie geflissentlich übersah oder ihr mitten im Satz das Wort abschnitt, ja sogar wenn er allen anderen mehr Aufmerksamkeit schenkte.
Was Susanne und Märta betraf, da würde ihre Geduld zum Ziel führen. Joshua würde Susannes Arglist durchschauen und von Märtas Gleichgültigkeit schon bald die Nase voll haben.
Aber Johanna war ein Problem. Sie führte sich nicht nur auf wie die erste Jüngerin, sie drohte, den Pfarrer zu vernichten. Zuerst raubte sie ihm Zeit und Kraft und am Ende sorgte sie womöglich noch für einen Skandal, der ihm die Arbeit in seiner Gemeinde verunmöglichte. Maria musste handeln. Und das tat sie. Zum Glück war ihr Vater Apotheker, und seit ihrer Jugend kannte Maria den Cocktail, mit dem eine zeitverzögerte aber schlagartig einsetzende Bewusstseinseintrübung auslösen konnte, so als habe sich jemand sinnlos betrunken. Es war ein Leichtes, ihr den Stoff bei der Dienstbesprechung zum passenden Zeitpunkt in den Kaffee zu träufeln, den Rest erledigte die geschwindigkeitsüberhöhte Erbarmungslosigkeit des Straßenverkehrs. Johanna war langsam verblutet, besser hätte es gar nicht kommen können.
Als Joshua das nächste Mal bei einer Trauerfeier reden musste, verlieh er seiner Fassungslosigkeit darüber Ausdruck, mit welcher Kaltblütigkeit die Täterin das Opfer ermordet hatte. Eine engagierte und kompetente Mitarbeiterin, einfach von einer Irren aus dem Leben gerissen. Dabei war sie erst achtundvierzig Jahre alt gewesen. Garottiert mit einer Violinensaite. Die Gemeinde würde Maria schmerzlich vermissen.
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