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Freitag, 4. Januar 2019
Alles muss raus - lyrischer Kurzkrimi zum neuen Jahr
c. fabry, 13:31h
Es rieselt schon der Tannenbaum,
die Weihnachtsäpfel werden faul,
der Freude Nachklang spürt sie kaum.
Der Vater fährt ihr übers Maul
Die Fortbildung ist morgen schon,
der Koffer ist auch schon gepackt.
Die Pflegerin am Telefon
versorgt den Vater nächste Nacht.
Übermorgen kommt sie nach Haus:
ein Kampf um Leben oder Tod;
beim Fortbilden, da kam es raus:
der Vater war ein alter Lot.
Nicht wie die Bibel es beschrieb
- da lag die Schuld stets bei der Frau -
so wie der Lot es wirklich trieb:
der Vater war brutal und blau.
Der Tannenbaum fliegt vor die Tür,
die Äpfel holen sich die Spatzen,
das bunte Zeug ins Altpapier,
der Vater wässert die Matratzen.
Die Kekse kommen in den Müll,
die Kerzen fliegen hinterher
dann wird es irgendwann sehr still.
Der Vater, ja der ist nicht mehr.
Schon morgen holen sie ihn ab
einfache Fahrt, mit ihm ist's aus
das Kind in ihr, es litt und starb.
Der Vater auch, alles muss raus.
die Weihnachtsäpfel werden faul,
der Freude Nachklang spürt sie kaum.
Der Vater fährt ihr übers Maul
Die Fortbildung ist morgen schon,
der Koffer ist auch schon gepackt.
Die Pflegerin am Telefon
versorgt den Vater nächste Nacht.
Übermorgen kommt sie nach Haus:
ein Kampf um Leben oder Tod;
beim Fortbilden, da kam es raus:
der Vater war ein alter Lot.
Nicht wie die Bibel es beschrieb
- da lag die Schuld stets bei der Frau -
so wie der Lot es wirklich trieb:
der Vater war brutal und blau.
Der Tannenbaum fliegt vor die Tür,
die Äpfel holen sich die Spatzen,
das bunte Zeug ins Altpapier,
der Vater wässert die Matratzen.
Die Kekse kommen in den Müll,
die Kerzen fliegen hinterher
dann wird es irgendwann sehr still.
Der Vater, ja der ist nicht mehr.
Schon morgen holen sie ihn ab
einfache Fahrt, mit ihm ist's aus
das Kind in ihr, es litt und starb.
Der Vater auch, alles muss raus.
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Samstag, 29. Dezember 2018
The Day After - weihnachtlicher Kurzkrimi
c. fabry, 17:42h
„Es ist vollbracht!“ stieß Tessa hervor. Sie war wirklich heilfroh, dass sie keinen festen Partner hatte, mit dem sie das Ritual ebenfalls hätte vollziehen müssen. Sie lag da in ihrem kuscheligen Bett, es herrschte absolute Ruhe im Haus, alle anderen waren auswärts zur zweiten Runde Gans mit Rotkohl, Feuerzangenbowle und Familiensystemfehler-bedingtem Spontanerbrechen. Sie dagegen würde gleich den ganzen Zimt und Honigkerzenduft wegduschen, ausgiebig frühstücken und es sich mit der neuen Krimischwarte auf dem Sofa gemütlich machen. Sie würde keinesfalls ans Telefon gehen, die Tür nicht öffnen, das Smartphone war ausgeschaltet, endlich Weihnachten!
Doch schon beim Frühstück spürte sie, dass die Gespenster vom Vortag sie noch nicht aus ihren Klauen ließen. Ihr großer Bruder Robert war ja ganz umgänglich gewesen, hatte sich aber meistens schweigend im Hintergrund gehalten. Seine Frau Gesine dagegen war wie immer in Höchstform gewesen, trat in jeden Fettnapf und wenn keiner aufgestellt war, dann suchte sie sich einen. „Und mit wem hast Du dieses Jahr Heilig Abend verbracht, Tessa?“ „Ob wir Edeltraud wohl nächstes Jahr im Pfelgeheim besuchen müssen? Ich meine ja nur, Friedhelm ist auch nicht mehr der Jüngste. Und auf seine Töchter kann er nicht zählen.“ „Ach ja, der Robert hat ja auch schon einmal über eine Haartransplantation nachgedacht, aber das ist viel zu teuer und älter wird man trotzdem, da kann man noch so viel an sich machen lassen, das ist trotzem nicht zu übersehen.“
Übertroffen wurde Gesine nur von Tessas großer Schwester Hanna, die darauf erwiderte: „Stimmt, da hilft kein Schlupflider-Lifting, keine Collagen-Spritzen in die plissierten Lippen, keine Fettaubsaugung und keine Besenreiserverödung, wenn das Hirn alt ist, die unsportlichen Knochen klapprig und die Esslust größer als der Verstand. Da spart man lieber schon mal für die Beerdigung.“
Hanna war unmöglich, aber für diesen Hieb gegen die lästige Schwägerin liebte Tessa ihre Schwester von ganzem Herzen.
„War aber 'ne Schöne Beerdigung.“, bemerkte Tessas Mutter Edeltraut mit einem seelenvollen Lächeln.
„Wir sind hier auf keiner Beerdigung.“, wies Gesine sie barsch zurecht. „Es ist Weihnachten. Wir feiern die Geburt Christi und deine ganze Familie ist zusammengekommen.“
Edeltraut schwieg, behielt aber ihr entrücktes Lächeln bei. Friedhelm stapelte energisch das Kaffeegeschirr und trug es in die Küche. Tessa folgte ihm.
„Komm Papa“, sagte sie. „Ich räume das Geschirr in die Maschine“
„Oh, ist dir heute weihnachtlich zumute?“, fragte Friedhelm sarkastisch. „Gib dir keine Mühe. Wenn du dich das ganze Jahr nicht kümmerst, kannst du dich Weihnachten auch ruhig bedienen lassen.“
„Papa, ich wohne mehr als fünfhundert Kilometer weit weg. Ich muss arbeiten. Wie soll ich mich da kümmern?“
„Könntest dir ja hier in der Nähe was suchen.“
„Als Archivarin? Weißt du wie viele Stellen es da bundesweit gibt? Ich kann froh sein, wenn ich meinen Job behalte. Was tun denn Robert und Gesine? Und was ist mit Hanna und Helmut? Gehen die dir vielleicht zur Hand?“
„Hanna geht wenigstens ab und zu mit Mama Kleidung kaufen oder zum Frisör.“
„Ja“, entgegenete Tessa, „das, was ihr Spaß macht.“
Hanna hatte die Küche betreten. „Das macht schon lange keinen Spaß mehr.“, schnaubte sie. „Ich muss die ganze Zeit aufpassen, dass sie nicht wegläuft oder die Umkleidekabine mit einem Stehklo verwechselt. Aber das kann unser Nesthäkchen sich natürlich nicht vorstellen. Du siehst Mama ja nur zwei Mal im Jahr.“
„Drei Mal.“, korrigierte Tessa sie.
„Stimmt. Zu Papas Geburtstag kommst du ja auch und frisst dich durch.“
„Und was tut Robert?“, fragte Tessa angrifflustig.
„Robert ist Arzt.“, antwortete Friedhelm knapp, als würde das alles rechtfertigen. „Und seine Gesine backt uns zu jeder Familienfeier eine schöne Torte.“
„Coppenrath und Wiese.“, bemerkte Hanna. „Mit Eierlikör und frischen Maraschino-Kirschen verfeinert.“
„Bescherung!“, trällerte Gesine aus dem Wohnzimmer.
„Oh je!“, flüsterte Tessa. „Nicht schon wieder die Champagner-Trüffel mit 10000 Kalorien.“
„Aber Gesine isst die doch so gern.“, erwiderte Hanna. „Sicher blutet ihr jedes Mal das Herz, wenn sie sie zu Weihnachten abgeben muss, die edlen Pralinen.“
„Vielleicht sollte ich sie diesmal aufheben und sie ihr nächstes Jahr zu Weihnachten zurückschenken.“
„Hast du die etwa gegessen?“
„Bist du verrückt? Ich habe die direkt entsorgt. So was esse ich nicht.“
Es gab selbst gemachten Whisky-Sahne-Likör, keine Trüffel. Gesine hatte aufgerüstet. Sie wollte ihre Schwägerinnen nicht nur in die Fettleibigkeit treiben, sie wollte auch deren Lebern zerstören. Möglicherweise hatte sie etwas Crack untergemischt.
Sie waren ihr alle gehörig auf den Zeiger gegangen, nur ihrer Mutter konnte sie nichts übel nehmen, sie war ja völlig hilflos und am Ende hatte ihr sogar Hanna leidgetan, als sie im Flur auf Helmut, Hannas Ehemann, traf, der nervös auf seinem Handy herumtippte und sie ansah, als hätte sie ihn beim Masturbieren erwischt. Er sah sich sicher keine Damenwäsche-Annoncen an, stattdessen lief da womöglich etwas mit einer jungen Kollegin, gab ja haufenweise davon in der kirchlichen Jugendarbeit. Und Helmut war zwar ein alter Sack, hatte sich aber gut gehalten, viel besser als Hanna, die vom Hass auf ihre Eltern und ihre jüngeren Geschwister, wenn nicht gleich auf die ganze Welt regelrecht verzehrt wurde. Bei Hanna hätten auch keine Schönheitsoperationen mehr geholfen und sie musste furchtbar darunter leiden, denn sie hatte mindestens zwanzig Jahre lang keine Gelegenheit ausgelassen, ihrer kleinen Schwester unter die Nase zu reiben, dass sie im Gegensatz zu ihr haufenweise aufregenden Sex mit häufig wechselnden, hochattraktiven Partnern hatte. Das war schon eine ganze Weile vorbei und nun rächte Helmut sich weidlich. Ob er im nächsten Jahr wohl noch an der Damast-gedeckten Tafel Platz nehmen würde?
Das Buch lachte sie an. Sie goss sich ein großes Glas von Gesines Likör ein. Sehr süß, aber auch aromatisch, leicht torfig-rauchig mit einer feinen Kaffeenote. Sie versank in ihrem Krimi, sehr düster, sehr englisch, das Opfer war vergiftet worden, ein Gift, das einen langsam wegdämmern ließ, verabreicht in Champagner-Trüffeln und feinem Whisky-Likör.
ENDE
Doch schon beim Frühstück spürte sie, dass die Gespenster vom Vortag sie noch nicht aus ihren Klauen ließen. Ihr großer Bruder Robert war ja ganz umgänglich gewesen, hatte sich aber meistens schweigend im Hintergrund gehalten. Seine Frau Gesine dagegen war wie immer in Höchstform gewesen, trat in jeden Fettnapf und wenn keiner aufgestellt war, dann suchte sie sich einen. „Und mit wem hast Du dieses Jahr Heilig Abend verbracht, Tessa?“ „Ob wir Edeltraud wohl nächstes Jahr im Pfelgeheim besuchen müssen? Ich meine ja nur, Friedhelm ist auch nicht mehr der Jüngste. Und auf seine Töchter kann er nicht zählen.“ „Ach ja, der Robert hat ja auch schon einmal über eine Haartransplantation nachgedacht, aber das ist viel zu teuer und älter wird man trotzdem, da kann man noch so viel an sich machen lassen, das ist trotzem nicht zu übersehen.“
Übertroffen wurde Gesine nur von Tessas großer Schwester Hanna, die darauf erwiderte: „Stimmt, da hilft kein Schlupflider-Lifting, keine Collagen-Spritzen in die plissierten Lippen, keine Fettaubsaugung und keine Besenreiserverödung, wenn das Hirn alt ist, die unsportlichen Knochen klapprig und die Esslust größer als der Verstand. Da spart man lieber schon mal für die Beerdigung.“
Hanna war unmöglich, aber für diesen Hieb gegen die lästige Schwägerin liebte Tessa ihre Schwester von ganzem Herzen.
„War aber 'ne Schöne Beerdigung.“, bemerkte Tessas Mutter Edeltraut mit einem seelenvollen Lächeln.
„Wir sind hier auf keiner Beerdigung.“, wies Gesine sie barsch zurecht. „Es ist Weihnachten. Wir feiern die Geburt Christi und deine ganze Familie ist zusammengekommen.“
Edeltraut schwieg, behielt aber ihr entrücktes Lächeln bei. Friedhelm stapelte energisch das Kaffeegeschirr und trug es in die Küche. Tessa folgte ihm.
„Komm Papa“, sagte sie. „Ich räume das Geschirr in die Maschine“
„Oh, ist dir heute weihnachtlich zumute?“, fragte Friedhelm sarkastisch. „Gib dir keine Mühe. Wenn du dich das ganze Jahr nicht kümmerst, kannst du dich Weihnachten auch ruhig bedienen lassen.“
„Papa, ich wohne mehr als fünfhundert Kilometer weit weg. Ich muss arbeiten. Wie soll ich mich da kümmern?“
„Könntest dir ja hier in der Nähe was suchen.“
„Als Archivarin? Weißt du wie viele Stellen es da bundesweit gibt? Ich kann froh sein, wenn ich meinen Job behalte. Was tun denn Robert und Gesine? Und was ist mit Hanna und Helmut? Gehen die dir vielleicht zur Hand?“
„Hanna geht wenigstens ab und zu mit Mama Kleidung kaufen oder zum Frisör.“
„Ja“, entgegenete Tessa, „das, was ihr Spaß macht.“
Hanna hatte die Küche betreten. „Das macht schon lange keinen Spaß mehr.“, schnaubte sie. „Ich muss die ganze Zeit aufpassen, dass sie nicht wegläuft oder die Umkleidekabine mit einem Stehklo verwechselt. Aber das kann unser Nesthäkchen sich natürlich nicht vorstellen. Du siehst Mama ja nur zwei Mal im Jahr.“
„Drei Mal.“, korrigierte Tessa sie.
„Stimmt. Zu Papas Geburtstag kommst du ja auch und frisst dich durch.“
„Und was tut Robert?“, fragte Tessa angrifflustig.
„Robert ist Arzt.“, antwortete Friedhelm knapp, als würde das alles rechtfertigen. „Und seine Gesine backt uns zu jeder Familienfeier eine schöne Torte.“
„Coppenrath und Wiese.“, bemerkte Hanna. „Mit Eierlikör und frischen Maraschino-Kirschen verfeinert.“
„Bescherung!“, trällerte Gesine aus dem Wohnzimmer.
„Oh je!“, flüsterte Tessa. „Nicht schon wieder die Champagner-Trüffel mit 10000 Kalorien.“
„Aber Gesine isst die doch so gern.“, erwiderte Hanna. „Sicher blutet ihr jedes Mal das Herz, wenn sie sie zu Weihnachten abgeben muss, die edlen Pralinen.“
„Vielleicht sollte ich sie diesmal aufheben und sie ihr nächstes Jahr zu Weihnachten zurückschenken.“
„Hast du die etwa gegessen?“
„Bist du verrückt? Ich habe die direkt entsorgt. So was esse ich nicht.“
Es gab selbst gemachten Whisky-Sahne-Likör, keine Trüffel. Gesine hatte aufgerüstet. Sie wollte ihre Schwägerinnen nicht nur in die Fettleibigkeit treiben, sie wollte auch deren Lebern zerstören. Möglicherweise hatte sie etwas Crack untergemischt.
Sie waren ihr alle gehörig auf den Zeiger gegangen, nur ihrer Mutter konnte sie nichts übel nehmen, sie war ja völlig hilflos und am Ende hatte ihr sogar Hanna leidgetan, als sie im Flur auf Helmut, Hannas Ehemann, traf, der nervös auf seinem Handy herumtippte und sie ansah, als hätte sie ihn beim Masturbieren erwischt. Er sah sich sicher keine Damenwäsche-Annoncen an, stattdessen lief da womöglich etwas mit einer jungen Kollegin, gab ja haufenweise davon in der kirchlichen Jugendarbeit. Und Helmut war zwar ein alter Sack, hatte sich aber gut gehalten, viel besser als Hanna, die vom Hass auf ihre Eltern und ihre jüngeren Geschwister, wenn nicht gleich auf die ganze Welt regelrecht verzehrt wurde. Bei Hanna hätten auch keine Schönheitsoperationen mehr geholfen und sie musste furchtbar darunter leiden, denn sie hatte mindestens zwanzig Jahre lang keine Gelegenheit ausgelassen, ihrer kleinen Schwester unter die Nase zu reiben, dass sie im Gegensatz zu ihr haufenweise aufregenden Sex mit häufig wechselnden, hochattraktiven Partnern hatte. Das war schon eine ganze Weile vorbei und nun rächte Helmut sich weidlich. Ob er im nächsten Jahr wohl noch an der Damast-gedeckten Tafel Platz nehmen würde?
Das Buch lachte sie an. Sie goss sich ein großes Glas von Gesines Likör ein. Sehr süß, aber auch aromatisch, leicht torfig-rauchig mit einer feinen Kaffeenote. Sie versank in ihrem Krimi, sehr düster, sehr englisch, das Opfer war vergiftet worden, ein Gift, das einen langsam wegdämmern ließ, verabreicht in Champagner-Trüffeln und feinem Whisky-Likör.
ENDE
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Dienstag, 18. Dezember 2018
Liebe
c. fabry, 01:35h
Sie hatte von Jules geträumt. Unfassbar zärtlich war er gewesen. Sie hörte ihren eigenen Atem, fühlte den pochenden Puls, das Nachthemd klebte schweißnass an ihrem Körper. Sie riss es sich vom Leib, stand auf und streifte ein frisches über. Dann ging sie in die Küche, ein Glas Wasser trinken. Es war mitten in der Nacht, aber sie war so aufgewühlt, musste erst einmal in ihr Postfach gucken, das hatte sie den ganzen Tag über nicht geschafft. Eine Mail von Jules. Sie öffnete sie neugierig. Da stand nur ein Satz: „Wir träumten voneinander und sind davon erwacht.“
Ramonas Herz raste, ihre Gedanken und Gefühle purzelten übereinander wie einstürzende Gebäude oder reißende Ströme bei Flutkatastrophen. Ausgerechnet Jules, dieser atemberaubend schöne Mann mit der samtenen Seele eines Nächstenliebe-Multiplikators und eben nicht von Berufs wegen, sondern weil er einfach so war, so voller Liebe für jeden, der es nötig hatte. Sein Vater war Franzose und er war zweisprachig aufgewachsen. Wie oft hatte sie sich kichernd vorgestellt, ihn zu fragen, was er von „faire chanter Ramona“ hielte. Natürlich hatte sie das nie getan, niemals hätte sie ihn derartig in Verlegenheit gebracht. Obwohl sie das Gedicht gut kannte, las sie den Satz immer wieder: „Wir träumten voneinander und sind davon erwacht.“
Sie klickte auf antworten und tippte: „Wir leben, um uns zu lieben und sinken zurück in die Nacht.“ - Friedrich Hebbel.
Sie klickte auf senden und dann geschah lange nichts. Jedenfalls konnte sie sich später an nichts erinnern, nur, dass es plötzlich an der Tür schellte und als sie öffnete, stand er da, mit großen Augen, atemlos, Tautropfen im Haar. Sie zog ihn an sich, er bedeckte ihr Gesicht mit Küssen und dann löste sie sich auf.
Als sie wieder zu Atem kam, war er schon gegangen. Seltsam, sie hatte wieder das rote Nachthemd an, das hatte sie doch ausgezogen und gegen das weiße getauscht. Oder war es umgekehrt gewesen? Und was hatte Richard von all dem mitbekommen? Hatte er Jules etwa erwischt und ihm etwas angetan? Sie war außer sich, sprang aus dem Bett und langsam dämmerte ihr etwas. Sie stolperte ins Wohnzimmer, fuhr den Laptop hoch und schaute in ihr E-Mail-Postfach. Da war nichts von Jules, auch nicht im Spam-Ordner und sie hatte auch nichts an Jules geschickt.
Es klingelte an der Haustür. Für die Post war es noch zu früh. Sie zog sich eine herumliegende Strickjacke über und öffnete die Tür. Zwei Polizeibeamten standen da, baten sie, sich etwas anzuziehen und sie aufs Polizeirevier zu begleiten. Sie verstand die Welt nicht mehr.
Wie ferngesteuert zog sie sich an, packte Zahnputzzeug, Duschgel und Hautcreme ein, weckte Richard und erklärte, wo sie hin ginge und dass sie ebenfalls nicht wisse warum.
Was war geschehen? Man hatte Freese tot aufgefunden und die Spuren deuteten auf sie. Freese war ihr in der Tat ein Dorn im Auge, ständig versuchte er, das Geld aus ihrem Arbeitsbereich für Bauvorhaben abzuziehen. Freese investierte Kirchensteuermittel lieber in Steine als in Menschen. Jules sah das genauso. Jules hatte gerade fürchterlichen Stress mit ihm, weil Freese Spenden verwendet hatte, um Haushaltslöcher zu stopfen, ohne dass Jules das beweisen konnte. Spenden, die er für bedürftige Familien gebraucht hätte und zur Unterstützung der Jugendarbeit.
Jules hatte das Motiv, die Möglichkeit und war gestern Abend telefonisch nicht erreichbar gewesen, obwohl er laut Zeitplan im Gemeindehaus keinen Termin gehabt hatte. Ramona bekannte sich schuldig. Sie gab zu, Freese das Crêpe-Eisen über den Schädel gezogen zu haben, weil sie ihn hasste für seine Machenschaften.
Drüben in der Marienkirche rieb Pfarrer Ulonska sich die Hände. Das hätte ja kaum besser klappen können. Wenn der Freese rausposaunt hätte, was er über die Spekulationsgeschäfte mit den Mieteinnahmen aus den Kirchenkreis-Immobilien wusste – und das hätte er bald getan – wäre Ulonska erledigt gewesen. Er wäre nicht nur vom Dienst suspendiert worden, er hätte womöglich seine Pensionsansprüche verwirkt und wäre für eine Weile ins Gefängnis gegangen. So ein Glück, dabei hatte er gar nicht nachgedacht, als er dem durchtriebenen Intriganten das schwere Imbissbuden-Gerät über den Schädel gezogen hatte – es hatte eben gerade da herumgestanden, vom letzten Weihnachtsmarkt. Die Handschuhe hatte er auch nur zufällig getragen. Und jetzt war die verrückte Jugendreferentin dafür eingefahren. Zwei Fliegen mit einer Klappe, die hatte ohnehin nicht viel getaugt und war ihm auch nie ganz geheuer gewesen, schien immer auf der Lauer zu liegen, auf einen Fehler zu warten, den sie melden konnte.
Ramona träumte nicht mehr von Jules, wenn sie schlief. Das war auch nicht nötig, denn sie dachte in jeder freien Minute an ihn; er war immer bei ihr, die ganze Zeit und so schenkte sie ihm ihre Liebe und opferte ihm ihre Freiheit.
Jules hat Ramona nie im Gefängnis besucht. Auch wenn er Freese nicht ausstehen konnte – mit einer Mörderin wollte er nichts zu tun haben.
Ramonas Herz raste, ihre Gedanken und Gefühle purzelten übereinander wie einstürzende Gebäude oder reißende Ströme bei Flutkatastrophen. Ausgerechnet Jules, dieser atemberaubend schöne Mann mit der samtenen Seele eines Nächstenliebe-Multiplikators und eben nicht von Berufs wegen, sondern weil er einfach so war, so voller Liebe für jeden, der es nötig hatte. Sein Vater war Franzose und er war zweisprachig aufgewachsen. Wie oft hatte sie sich kichernd vorgestellt, ihn zu fragen, was er von „faire chanter Ramona“ hielte. Natürlich hatte sie das nie getan, niemals hätte sie ihn derartig in Verlegenheit gebracht. Obwohl sie das Gedicht gut kannte, las sie den Satz immer wieder: „Wir träumten voneinander und sind davon erwacht.“
Sie klickte auf antworten und tippte: „Wir leben, um uns zu lieben und sinken zurück in die Nacht.“ - Friedrich Hebbel.
Sie klickte auf senden und dann geschah lange nichts. Jedenfalls konnte sie sich später an nichts erinnern, nur, dass es plötzlich an der Tür schellte und als sie öffnete, stand er da, mit großen Augen, atemlos, Tautropfen im Haar. Sie zog ihn an sich, er bedeckte ihr Gesicht mit Küssen und dann löste sie sich auf.
Als sie wieder zu Atem kam, war er schon gegangen. Seltsam, sie hatte wieder das rote Nachthemd an, das hatte sie doch ausgezogen und gegen das weiße getauscht. Oder war es umgekehrt gewesen? Und was hatte Richard von all dem mitbekommen? Hatte er Jules etwa erwischt und ihm etwas angetan? Sie war außer sich, sprang aus dem Bett und langsam dämmerte ihr etwas. Sie stolperte ins Wohnzimmer, fuhr den Laptop hoch und schaute in ihr E-Mail-Postfach. Da war nichts von Jules, auch nicht im Spam-Ordner und sie hatte auch nichts an Jules geschickt.
Es klingelte an der Haustür. Für die Post war es noch zu früh. Sie zog sich eine herumliegende Strickjacke über und öffnete die Tür. Zwei Polizeibeamten standen da, baten sie, sich etwas anzuziehen und sie aufs Polizeirevier zu begleiten. Sie verstand die Welt nicht mehr.
Wie ferngesteuert zog sie sich an, packte Zahnputzzeug, Duschgel und Hautcreme ein, weckte Richard und erklärte, wo sie hin ginge und dass sie ebenfalls nicht wisse warum.
Was war geschehen? Man hatte Freese tot aufgefunden und die Spuren deuteten auf sie. Freese war ihr in der Tat ein Dorn im Auge, ständig versuchte er, das Geld aus ihrem Arbeitsbereich für Bauvorhaben abzuziehen. Freese investierte Kirchensteuermittel lieber in Steine als in Menschen. Jules sah das genauso. Jules hatte gerade fürchterlichen Stress mit ihm, weil Freese Spenden verwendet hatte, um Haushaltslöcher zu stopfen, ohne dass Jules das beweisen konnte. Spenden, die er für bedürftige Familien gebraucht hätte und zur Unterstützung der Jugendarbeit.
Jules hatte das Motiv, die Möglichkeit und war gestern Abend telefonisch nicht erreichbar gewesen, obwohl er laut Zeitplan im Gemeindehaus keinen Termin gehabt hatte. Ramona bekannte sich schuldig. Sie gab zu, Freese das Crêpe-Eisen über den Schädel gezogen zu haben, weil sie ihn hasste für seine Machenschaften.
Drüben in der Marienkirche rieb Pfarrer Ulonska sich die Hände. Das hätte ja kaum besser klappen können. Wenn der Freese rausposaunt hätte, was er über die Spekulationsgeschäfte mit den Mieteinnahmen aus den Kirchenkreis-Immobilien wusste – und das hätte er bald getan – wäre Ulonska erledigt gewesen. Er wäre nicht nur vom Dienst suspendiert worden, er hätte womöglich seine Pensionsansprüche verwirkt und wäre für eine Weile ins Gefängnis gegangen. So ein Glück, dabei hatte er gar nicht nachgedacht, als er dem durchtriebenen Intriganten das schwere Imbissbuden-Gerät über den Schädel gezogen hatte – es hatte eben gerade da herumgestanden, vom letzten Weihnachtsmarkt. Die Handschuhe hatte er auch nur zufällig getragen. Und jetzt war die verrückte Jugendreferentin dafür eingefahren. Zwei Fliegen mit einer Klappe, die hatte ohnehin nicht viel getaugt und war ihm auch nie ganz geheuer gewesen, schien immer auf der Lauer zu liegen, auf einen Fehler zu warten, den sie melden konnte.
Ramona träumte nicht mehr von Jules, wenn sie schlief. Das war auch nicht nötig, denn sie dachte in jeder freien Minute an ihn; er war immer bei ihr, die ganze Zeit und so schenkte sie ihm ihre Liebe und opferte ihm ihre Freiheit.
Jules hat Ramona nie im Gefängnis besucht. Auch wenn er Freese nicht ausstehen konnte – mit einer Mörderin wollte er nichts zu tun haben.
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Samstag, 8. Dezember 2018
AKK
c. fabry, 02:14h
Diesmal würde es klappen. Fritz war sich seiner Sache sicher. J.S. Hatte keine Chance auf den Posten, viel zu jung und schnöselig, unerfahren und selbstgefällig. Der würde die gleiche Klatsche kassieren wie Fritz damals, vor zwölf Jahren, als er das erste Mal in den Ring gestiegen war. Das Wahlvolk hatte wohl gewittert, dass er nur fürs Presbyterium kandidiert hatte, um seine Karrierechancen im Kreiskirchenamt zu verbessern. Eigentlich hatte er es ja nicht so mit Kirche. Damals hatten sie die dröge Dorothea auf den freien Posten gewählt, sie hatte sich schon seit Jahren ehrenamtlich in der Gemeinde engagiert, hatte das Pöstchen verdient. Erst nach der Wahl war ihm klar geworden, dass er damals nicht den Hauch einer Chance gehabt hatte. Er war davon ausgegangen, dass alles offen war, da ja jeder einzelne Presbyter gewählt wurde. Er kannte den Laden damals noch nicht und darum war ihm auch entgangen, dass altgediente Presbyter, die erneut kandidierten, grundsätzlich wieder gewählt wurden. So mussten neue Bewerber um die frei gewordenen ein bis drei Stellen konkurrieren. Ja, damals war er chancenlos gewesen, aber jetzt lag die Sache anders:
Durch seine zwölfjährige Berufspraxis in der kirchlichen Verwaltung war er mit allen Winkelzügen vertraut, hatte sich die übliche Sprache draufgeschafft, kannte die heiklen Themen und die drängensten Baustellen. Er würde sie alle in die Tasche stecken, nicht nur J.S., auch die Ann-Kathrin, diese farblose Quotentussi.
Im Wahlgottesdienst übertrafen die Posaunen sich selbst, wenn auch die Pfarrerin, diese elende Öko-Schlampe, wieder über den Klimawandel und nachhaltiges Wirtschaften predigte. Wenn er erst im Presbyterium wäre, hätte er morgen den Posten des Kirchmeisters und übermorgen den Vorsitz inne. Er würde der Pastorin richtig einheizen, so lange, bis sie burn-out ging und dann ab mit dem sprechenden Flokati und endlich wieder ein schneidiger Pfarrer auf der Kanzel, der anspruchsvoll predigte und mit dem man Sonntags abends bei einem Glas alten Scotch philosophieren konnte. Und der Superintendent würde dem aufstrebenden Finanzexperten mit presbyterialem Engagement jede Tür öffnen, die er noch durchschreiten musste auf dem Weg zum Verwaltungsleiter.
Der Gang zur Urne, ein abgestandener Filterkaffee und ein paar billige Butterkekse, dann wurde das Ergebnis bekannt gegeben:
Ann-Kathrin Krüger. Aus der Traum. Schon wieder eine Frau. Scheiß Quote. Mit Kompetenz hatte das nichts zu tun. Sie war es nur geworden, weil sie keinen Penis hatte. Wurde langsam Zeit, dass die Männer den Tussis wieder welche verpassten und genau das würde er jetzt tun.
Damals, vor zwölf Jahren, hatte er dafür bezahlt. Und es war ein schaler Geschmack zurück geblieben. Heute würde er sich eine kostenlose Verjüngungskur gönnen, die sich gewaschen hatte und er wusste auch schon wo.
Wenige Tage später wurde Dennis verhaftet. Ann-Kathrin Krüger hatte als Anwältin alle Hände voll zu tun, die Unschuld des vermeintlichen Vergewaltigers zu verteidigen. Sie gab sich die allergrößte Mühe, schließlich war Dennis ihr Sohn.
Das Opfer erinnerte sich an fast nichts, nicht einmal an den schmierigen, ältlichen Typen, der sie in ihrem Stammcafé zur Coke eingeladen hatte. Nur an diesen Streit mit Dennis, ihrem Freund, konnte sie sich erinnen.
Und Fritz strich es rot im Kalender an, wieder hatte er einen Punkt für sein Team geholt, er würde am Ball bleiben und in vier Jahren klappte es bestimmt.
Durch seine zwölfjährige Berufspraxis in der kirchlichen Verwaltung war er mit allen Winkelzügen vertraut, hatte sich die übliche Sprache draufgeschafft, kannte die heiklen Themen und die drängensten Baustellen. Er würde sie alle in die Tasche stecken, nicht nur J.S., auch die Ann-Kathrin, diese farblose Quotentussi.
Im Wahlgottesdienst übertrafen die Posaunen sich selbst, wenn auch die Pfarrerin, diese elende Öko-Schlampe, wieder über den Klimawandel und nachhaltiges Wirtschaften predigte. Wenn er erst im Presbyterium wäre, hätte er morgen den Posten des Kirchmeisters und übermorgen den Vorsitz inne. Er würde der Pastorin richtig einheizen, so lange, bis sie burn-out ging und dann ab mit dem sprechenden Flokati und endlich wieder ein schneidiger Pfarrer auf der Kanzel, der anspruchsvoll predigte und mit dem man Sonntags abends bei einem Glas alten Scotch philosophieren konnte. Und der Superintendent würde dem aufstrebenden Finanzexperten mit presbyterialem Engagement jede Tür öffnen, die er noch durchschreiten musste auf dem Weg zum Verwaltungsleiter.
Der Gang zur Urne, ein abgestandener Filterkaffee und ein paar billige Butterkekse, dann wurde das Ergebnis bekannt gegeben:
Ann-Kathrin Krüger. Aus der Traum. Schon wieder eine Frau. Scheiß Quote. Mit Kompetenz hatte das nichts zu tun. Sie war es nur geworden, weil sie keinen Penis hatte. Wurde langsam Zeit, dass die Männer den Tussis wieder welche verpassten und genau das würde er jetzt tun.
Damals, vor zwölf Jahren, hatte er dafür bezahlt. Und es war ein schaler Geschmack zurück geblieben. Heute würde er sich eine kostenlose Verjüngungskur gönnen, die sich gewaschen hatte und er wusste auch schon wo.
Wenige Tage später wurde Dennis verhaftet. Ann-Kathrin Krüger hatte als Anwältin alle Hände voll zu tun, die Unschuld des vermeintlichen Vergewaltigers zu verteidigen. Sie gab sich die allergrößte Mühe, schließlich war Dennis ihr Sohn.
Das Opfer erinnerte sich an fast nichts, nicht einmal an den schmierigen, ältlichen Typen, der sie in ihrem Stammcafé zur Coke eingeladen hatte. Nur an diesen Streit mit Dennis, ihrem Freund, konnte sie sich erinnen.
Und Fritz strich es rot im Kalender an, wieder hatte er einen Punkt für sein Team geholt, er würde am Ball bleiben und in vier Jahren klappte es bestimmt.
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