Freitag, 8. Dezember 2017
Alarm wegen Killerkeimen – ein Millieu-Kurzkrimi
„Aber wir müssen mehr werden!“, ruft Edeltraut.
„Ja“, unterstützt sie Bernhard. „Wachsen gegen den Trend. Schließlich wissen wir, für wen wir das alles tun.“
„Für das Leben.“, haucht Edeltraut
„Papperlapapp!“, geht Oskar dazwischen. „Ohne grundlegende Umbauarbeiten, brauchen wir hier gar nicht weitermachen. Hier muss alles raus und dann muss das ganz neu ausgestattet werden. Das ist mir hier alles viel zu fungiphil.“
„Jetzt geht der schon wieder auf die Pilze los.“, beklagt sich Henriette. „Wir dienen doch alle dem gleichen Zweck: dem Leben!“
„Pilze dienen nicht dem Leben!“, echauffiert sich Oskar. „Sie sind unsere Feinde, hast Du das immer noch nicht begriffen? Oder was glaubst Du, woraus der Zerstörer sich zusammensetzt? Aus Säuren oder Laugen? Nein, es sind die Pilze, die uns vernichten – so wie sie auch jedes andere Leben zugrunde richten. Sie sind nicht tierisch und nicht pflanzlich, sie sind einfach nur eine Ausgeburt des Bösen!“
„Hausgeburt des Bösen?“, hakt Herbert zittrig nach. Sein endoplasmatisches Reticulum ist ständig verstopft. Er hat aber auch schon jede Menge Umzüge hinter sich, im Gegensatz zu Henriette, die hier geboren wurde. Herbert wird ignoriert, es kann sich nur noch um Stunden handeln, bis er endgültig ausgeschieden wird.
„Die Frage ist.“, überlegt Edeltraut. „Was wir tun können, um die große Halle zu füllen, in der wir Wenigen uns verlaufen und dann womöglich keine Partner finden.“
„Jetzt übertreibst du aber, Edeltraut.“, sagt Gudula. Gudula ist auch schon zwei mal umgezogen, aber noch äußerst rüstig. „Mit dem Wirt muss man verantwortungsvoll umgehen. Er kann zu viele von uns gar nicht verkraften.“
„Ach, du immer mit deinem Nachhaltigkeitsgequatsche.“, geht Oskar unwirsch dazwischen. „Ich habe die Jungs vom jüngst zugezogenen Trupp angewiesen, reichlich Reizstoffe zu produzieren, damit der Wirt geeigneten Nachschub liefert. Die Neuen sind ziemlich vital, obwohl das hier auch nicht ihr erstes Domizil ist.“
Etwas später rast Edeltraut aufgeregt durch die Flora: „Oh ist das schön, so viele junger Nachwuchs und so schnell. Jetzt können wir endlich einen Chor gründen, bei soviel Leben in der Bude und wenn unsere Freunde von außen das hören, werden sie alles stehen und liegen lassen und einen Weg finden, dazu zu kommen!“
„Merkst du eigentlich noch irgendwas?“, regt Gudula sich auf. „ Der Wirt liefert kaum noch Nahrung, der kommt einfach nicht hinterher bei so vielen Bewohnern. Und dann kommt ja noch dazu, dass Leute wie du oder Oskar alles tun, damit wir schön unter uns bleiben. Ihr geht ja nicht nur auf die Pilze los. Die Rechtsdrehenden werden systematisch von den Futterplätzen verdrängt, von den Fettaufspaltenden mal ganz zu schweigen. Ich langweile mich hier zu Tode und niemand da, mit dem man ein paar nette Mutationen initiieren kann, außer diese gegen alles gefeiten Erfolgstypen, die sich hier reihenweise breit machen.“
„Ach jetzt hab' dich nicht so, Gudula.“, versucht Edeltraut sie zu beschwichtigen. „Wir machen es uns eben zusammen schön, und wenn dir das nicht gefällt – du weißt ja wo der Ausgang ist.“

DreiTage später: „Wie furchtbar!“, keucht Eldetraut. „Hier ist alles voller Pilze, mir ist schon ganz elend, ich kann kaum noch Nährstoffe aufnehmen. Wenn das so weiter geht, bin ich bald nur noch tote Biomasse.“
„Ja, so geht es eurer Generation.“, feixt der multiresistente Xavier. „Einfach keine Steherqualitäten. Aber mach dir nichts draus, wir dienen ja alle dem Leben. Auch wenn es für dich nun zu Ende geht, das Leben geht weiter, dafür sorgen wir.“

Fünf Tage später: „Hier oben ist auch alles voller Leichen!“, schreit Sabine mit letzter Kraft. Ich habe Rückstände von Pilzen gefunden, aber alle Nahrungsquellen sind heillos überlaufen!“
„Das bringt die Überbevölkerung so mit sich!“, grantelt Stefan. „Die Linksdrehenden haben alles belagert. Was ich nur nicht verstehe, ist die Tatsache, dass der Wirt kaum noch Nahrung liefert.“
„Vermutlich ist er erkrankt.“, mutmaßt Sabine.
„Wie kommst du darauf?“, fragt Stefan.
„Wenn ein Wirt erkrankt, verlangsamt sich seine Aktivität und es kann zu Versorgungsengpässen kommen. Das haben meine Eltern mir erzählt. Die Frage ist nur, was ihn krank gemacht hat. Vielleicht die Pilze?“
„Das kann sein.“, überlegt Stefan. „Aber wie sind die Pilze in den Nahrungstrakt gelangt?“
„Sie kamen kurz nach den Mutiresistenten. Ich glaube, die stecken unter einer Decke.“
„Aber die Multiresistenten sind doch auch Bakterien. Was haben die mit Pilzen zu schaffen?“
„Sie haben sich mit dem Bösen verbündet. Die Pilze schaden ihnen ja nicht. Sie hätten vielleicht nicht Fuß fassen können, wenn die Linksdrehenden sie nicht eingeschleppt hätten. Die Linksdrehenden wollten sich richtig festsetzen, alles sollte sich nur nach ihren Bedürfnissen richten. Es war vor allem Oskar, der die Multiresistenten unterstützt hat. Aber so viele Bakterien produzieren mehr Fäkalien, als ein Wirt vertragen kann. Ihre Ausscheidungen und die vielen Kadaver überschwemmen seine Organe und verstopfen alle möglichen Straßen. Er wird in Kürze sterben und dann haben wir hier keine heilige Halle mehr, dann sind wir in der Hölle angekommen und wenn wir nicht verhungern, ersticken wir. Wir müssen hier raus, bevor es zu spät ist und so viele retten, wie wir können.“
„Alles klar.“, keucht Sabine und schlägt Alarm.
„Ich gehe hier nicht mehr weg.“, flüstern Edeltraut mit letzter Kraft. „Hier bin ich aufgewachsen, hier will ich sterben. Das Leben wird weitergehen, auch ohne mich.“
„Wo ist eigentlich Oskar?“, fragt Sabine. Aber Edeltraut kann sie nicht mehr hören, sie beginnt bereits, sich zu zersetzen.
„Oskar ist in einer Flatulenzblase auf dem Weg nach unten.“, erklärt Gudula. „Er hat längst gewittert, dass es mit Klaus-Bärbel zu Ende geht und macht sich aus dem Staub.“
„Das ist auch das einzig Richtige.“, erwidert Sabine. „Aber von hier aus kommen wir schneller über den Magen nach draußen. Wir brauchen nur Verstärkung, damit wir genug Schub auslösen können, um nach draußen zu gelangen.“
Am Ende sammeln sie genug Einzeller um sich, um die notwendigen Kontraktionen in Klaus-Bärbels Magen auszulösen. Sie schaffen es mit dem letzten Erbrochenen nach draußen. Xavier schafft es natürlich auch, er gelangt direkt in den nächsten Wirt. Wie durch ein Wunder kommt im richtigen Moment eine Stubenfliege und Sabine und Stefan heften sich an ihre Fersen. Von dort gelangen sie direkt in eine geeignete Nährflüssigkeit, die schon bald vom nächsten Wirt aufgenommen wird.
„Es ist ein Wunder, dass wir das mit heiler Haut überlebt haben.“, bemerkt Sabine. „Und das obwohl Wunder immer Seltener werden. Der Zerstörer wird immer stärker. Ich befürchte er wird bald die Oberhand gewinnen.“
„Das liegt nicht am Zerstörer.“, erklärt Stefan. „Ich kann es nicht genau erklären, aber ich bin mir trotzdem sicher: Es liegt an den Wirten.“

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Freitag, 1. Dezember 2017
GANZ SCHÖN WÜST
„Ausgerechnet Laschi und Linschi“, dachte Keller und erschrak über sich selbst, dass er trotz des Anblicks der grausam entstellten Leichen eine seltsame Befriedigung spürte. Augen und Mund waren weit aufgerissen, Torso und Extremitäten schienen unversehrt, aber in ihren Mundhöhlen befand sich eine schwarze, ausgehärtete Masse, die, wie Gerichtsmedizinerin Konstanze Flegel vermutete, im flüssigen oder breiigen Zustand in den Mund gepresst worden war, wodurch die Opfer einen schauderhaften Erstickungstod fanden.

„Was genau ist das?“, fragte Keller. „Das sieht aus wie Teer.“
„Asphalt.“, entgegnete die Pathologin. „Ich tippe auf ganz gewöhnlichen Straßenbelag. Wenn ich Recht habe, muss die Masse beim Befüllen der Mundhöhlen heiß gewesen sein, sie dürften also auch entsetzliche Verbrennungen erlitten haben. Wahrhaftig kein schönes Ende. Aber jetzt frage ich dich, Stefan: Wer macht so was?“
„Sieht nach Mafia aus.“, grunzte Keller.
„In Bielefeld?!“, entgegnete Konstanze deutlich erstaunt.
„Die waren ja nur wegen der Landessynode hier.“, erwiderte der Kommissar. „Wollten sich mit der Kirche gut stellen; der eine, damit das C in seiner Partei nicht unglaubwürdig wird, der andere weil er sich überall und bei jedem anbiedern muss, nachdem er zuerst den Landtag als Sprungbrett benutzt hat und kürzlich bewiesen hat, dass es ihm auch auf Bundesebene nur um seine Karriere geht. Die haben doch beide haufenweise heiße Drähte in die freie Wirtschaft, da landet man schnell in kriminellen Verstrickungen. Ist auf jeden Fall eine Hinrichtung.“

„Was ist das denn?“ Konstanze wies auf ein Stück Papier, das unter dem Gesäß des einen hervorlugte. Keller hob die Leiche vorsichtig an und zupfte ein DinA4-Blatt hervor, auf das in dicken Lettern folgendes gedruckt war:

ab-wickeln, -schieben, -hängen
und von der Straße drängen
Sozialticket kassieren
und dann die Straße schmieren
mit Geld, das ihr genommen
von uns, dass die's bekommen
die eh schon alles haben
dann könn' sie schneller fahren
und trotzdem Steuern sparen

ersticken sollt ihr am Asphalt
und H. W. Ist der Nächste bald.

Keuchend erwachte Hendrik aus seinem Alptraum. Er wusste, was zu tun war. Die Sache eilte nicht und in einem Jahr würde eine andere Sau durchs Dorf getrieben.

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Freitag, 24. November 2017
Ohne Tote – die Fortsetzung – für Dreadpan – quasi als Totensonntagsgeschenk
Kathrins gute Laune hielt sich beständig. Zu wissen, dass die Bombe in absehbarer Zeit hochgehen würde, erfüllte sie mit einer tiefen Freude. Sie fühlte sich, als hätte sie stimmungsaufhellende Drogen eingeworfen. Wenn sie geahnt hätte, welche Wirkung ihre kleine Manipulation auf ihr Gemüt haben würde, hätte sie diesen Schritt schon viel eher gewagt.
Und dann war es schließlich so weit. Ein paar Verträge mussten zur Unterschrift vorgelegt werden und sie betrat Breiszs Büro, der sie nach dem Anklopfen zwar nicht hereingebeten hatte, was aber möglicherweise der Tatsache geschuldet war, dass er gerade woanders im Gespräch war oder ein paar Türen weiter die Klobrille anwärmte. Das Surren der Lüftung verriet, dass der Laptop eingeschaltet war, auch wenn der Bildschirm im tiefschwarzen Energiesparmodus eine Außerbetriebnahme suggerierte Sie bediente eine beliebige Taste und schon huschte ein süffisantes Lächeln über ihr Gesicht. „Jean-Luc bringt Ramona zum Singen“ lautete der für Frankophile eindeutige Untertitel des noch unmissverständlicheren Fotos. Doch etwas stimmte nicht an diesem Bild, wenn an pornographischen Darstellungen überhaupt etwas stimmen konnte. Ramona trug zwar einen gerüschten Push-up, aber was da nach oben gedrückt wurde waren keinesfalls Milchdrüsen sonder nur Haut und Bindegewebe in homöopathischen Dosen. Die vermeintlich rasierte Scham erwies sich bei näherer Betrachtung als ein vom fast unsichtbaren, zarten Flaum der Vorpubertät bedeckten Geschlechtsteil. Wie zum Teufel kamen solche Bilder auf seinen Rechner? War ihr da vielleicht ein unverzeihlicher Fehler unterlaufen? Eine Freistellung wegen Pornos auf dem Dienstrechner – da konnte man ja irgendwo wieder neu anfangen, ins Gefängnis kam man dafür nicht, aber was sie ihm hier angetan hatte, das kostete ihn mehr als seine Stelle.
Plötzlich öffnete sich die Tür und sie hatte keine Gelegenheit mehr, Desinteresse vorzuschützen, zu eindeutig stand sie hinter seinem Schreibtisch, zu entsetzt ihr Gesichtsausdruck.
Breisz erfasste sie Situation sofort. Wie der Blitz huschte er hinter seinen Schreibtisch, packte Kathrin an den schulterlangen Haaren und zerrte sie zu Boden. Sie dachte, er wolle ihr einfach nur eine Abreibung verpassen, aber er hatte grausamere Pläne. Er riss sie nur ein wenig nach oben, um sie dann gegen ein Gehäuse aus Plastik zu drücken. Warum tat er das? Während er sie krampfhaft festhielt, fummelte er nervös an der Steckerleiste herum und auf einen Schlag wurde Kathrin klar, wo genau ihr Gesicht sich befand: am Eingangsschlitz des Aktenschredders. Hastig tastete sie nach dem Kippschalter: Hinten lief der Schredder Rückwärts, vorne vorwärts und in der Mitte war er außer Betrieb. Sie brachte den Schalter in die Ruheposition. War das so richtig? War das bei allen Aktenschreddern gleich? Wollte er ihr nur Angst machen oder wollte er ihr Gesicht entstellen? Womöglich sogar ihre Zunge zerreißen, damit sie nicht mehr sprechen könnte? Unsinn, sie könnte dann ja immer noch schreiben. Aber wenn er sich dann auch ihre Finger vornähme?
Sie roch unangenehm. Nie hätte sie sich vorstellen können, dermaßen zu stinken. Das war wohl der Angstschweiß. Oder war das sein Paniksekret? Es roch süßlich, muffig, einen widerwärtigen Reiz am Gaumen auslösend und darüber lag eine Wolke eines landläufigen Herrendufts, charakterlos aber teuer. Er keuchte und fluchte. Seine Haltung schien ihm Beschwerden zu verursachen, das machte ihn unaufmerksam und sie nutzte den passenden Moment, um sich aus seinem festen Griff zu winden. Sie rammte ihren Kopf in seinen Schritt und versuchte, sich aufzurappeln. Er griff erneut nach ihren Haaren – das Konzept hatte sich immerhin bewährt, doch sie befreite sich diesmal mit einem Ruck, die Todesangst hatte ihre Schmerzgrenze erheblich herabgesetzt. Sie richtete sich auf und stürmte in Richtung Tür, als er von hinten ihre Taille umfasste und seinen Mund an ihr Ohr presste: „Wir werden schön den Mund halten, gell?“, raunte er. „Wir wollen doch unsere süße, kleine Karriere nicht aufs Spiel setzen, oder? Ich habe überall Freunde mit Einfluss, du hast nur Freundinnen mit Ausfluss, also überleg dir genau, was du jetzt tust.“
Sie rammte ihm den Ellbogen in die Leber, nicht planvoll, eher zufällig, dafür umso effizienter. Er brach stöhnend zusammen. Sie brachte sich in Sicherheit.

Eine Woche später hatte sie seinen Schreibtisch – und ein schlechtes Gewissen. Sie hatte ihm das angehängt. Gut, er war ein Drecksack, hatte einen Dämpfer verdient und es war ausgesprochen angenehm, nicht mehr mit ihm arbeiten zu müssen. Aber sie fühlte sich schäbig und sie ärgerte sich über ihre gutes Herz. Breisz hätte sich an ihrer Stelle nicht eine Sekunde schlecht gefühlt. Doch am Ende siegte das Gewissen wie so oft bei ihr. Sie ließ sich mit dem Kommissariat verbinden, das den Fall bearbeitete.

Als Kathrin zwei Stunden später auf dem Polizeipräsidium saß, ärgerte sie sich schon wieder über die eigene Ehrlichkeit. Sie hätte jetzt so schön auf ihrem blauen Sofa bei einem Cappuccino ihren Feierabend genießen können, aber jetzt gab es kein Zurück mehr.
„Herr Breisz ist unschuldig.“ erklärte sie. „Er hat die Pornoseiten nicht selbst heruntergeladen, ich habe die auf seinen Rechner gespielt.“ gab sie zu. „Es sollte ein Streich sein.“, log sie. „Ich wollte ihm ein paar ganz gängige Sexseiten auf die Festplatte mogeln, aber doch keine pädophilen Inhalte. Ich verstehe gar nicht, wie das passieren konnte.“
„Wie haben sie die Manipulation an seinem Laptop denn vorgenommen?“, fragte der Kommissar.
„Ich habe mich in seinen Rechner gehackt und dann diese Seiten installiert. Ich habe einen besonders billig klingenden Titel ausgewählt, Uschimuschi oder so.“
„Ja, dass diese Daten durch Manipulation von außen aufgespielt wurden, haben unsere Experten schon herausgefunden. Das waren dann also Sie.“
„Ja.“, gab Kathrin zerknirscht zu. „Ich schätze den Kollegen überhaupt nicht, aber ich kann doch nicht zulassen, dass er ins Gefängnis geht, nur weil ich ihm einen Streich spielen wollte.“
„Sagt Ihnen die Seite Lol*mops etwas?“
„Wie bitte? Äh, nein. Was ist das?“
„Eine Tauschbörse für pornographisches Material für Pädophile.“
„Warum sollte mir das etwas sagen?“
„Weil die Daten, die zur Verhaftung ihres Kollegen führten, aus diesem Kontext stammen. Die haben Sie nicht installiert. Das war er selbst. Warum sonst, glauben Sie, hat er Sie im Büro angegriffen?“
„Ich dachte, er hätte herausgefunden, dass ich ihm die Pornoseiten verpasst hatte.“
„Wie hätte er das herausfinden sollen?“
„Er hätte es ahnen können, spätestens, als er mich da hinter seinem Schreibtisch erwischte.“
„Er hat aber nie abgestritten, das Material selbst auf den Rechner geladen zu haben. Was er beharrlich abstreitet ist der Vorwurf, dass er selbst diese Aufnahmen gemacht hat.“
„Und?“, fragte Kathrin, „Hat er?“
„Dazu kann und darf ich Ihnen zu diesem Zeitpunkt keine Auskunft geben.“, sagte der Kommissar. „Allerdings müssen Sie mit einer Anzeige rechnen, eine Geldstrafe wird da sehr wahrscheinlich auf Sie zukommen, auch wenn der eine oder andere Richter denken wird, dass Sie sich da genau den Richtigen vorgenommen haben.“

Als Kathrin das Protokoll ihrer Aussage unterschrieb, ärgerte sie sich zum dritten Mal an diesem Tag über ihre Ehrlichkeit. Doch dann dachte sie sich, dass die Erkenntnis, dass nicht ihre Durchtriebenheit sondern seine eigene Widerwärtigkeit Breisz zu Fall gebracht hatte, diesen finanziellen Aufwand wert war.

ENDE – UND ZWAR ENDGÜLTIG

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Freitag, 17. November 2017
Ohne Tote
„Aber wohin ist die Summe verschwunden?“, fragte Miriam fassungslos.
Kathrin zuckte mit den Schultern und sah sie aus resignierten, traurigen Augen an. „Hier geht doch alles nur noch drunter und drüber, wird von Jahr zu Jahr schlimmer, Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann uns der Laden endgültig um die Ohren fliegt.“
„Ja, wir haben einfach zu wenig Personal.“, seufzte Miriam.
„Das stimmt.“, erwiderte Kathrin. „Aber das ist nicht der Grund. Personalmangel erklärt, dass Arbeit länger liegen bleibt, auch dass mal ein Fehler passiert oder etwas vergessen wird. Aber hier haben wir es mit einem anderen Problem zu tun.“
„Was meinst du?“
„Missmanagement.“, murmelte Kathrin kaum hörbar.
„Du meinst, die Leitung ist Schuld?“, fragte Miriam mit großen Augen.
„Pscht! Wenn das in falsche Ohren gelangt, verschwinden wir schneller, als ein DinA4-Blatt im Aktenschredder.“
„Aber was genau meinst du denn?“, hakte Miriam nach.
„Erzähle ich dir heute Abend.“, erklärte Kathrin. „Komm doch mal auf ein Glas Wein bei mir vorbei.“
Wie in einem schlechten Horrorfilm öffnete sich die Tür plötzlich mit einem gespenstischen Knarren und Breisz stand im Rahmen, den er mittlerweile fast ausfüllte. Als er als junger Spund – in der Hierarchie noch unter Kathrin – hier angefangen hatte, war er zwar nicht athletisch, aber doch durchschnittlich schlank gewesen. Nach mittlerweile fünfzehn Jahren sah er aus wie eine über die Höchstmenge befüllte Wärmflasche mit beginnender Materialermüdung, das konnten auch die hochwertige Kleidung und die Designerbrille nicht wettmachen.
„Sind die neuen Personalverträge soweit vorbereitet, Frau Tanski?“, fragte er Miriam.
Sie griff nach einer Aktenhülle in der Ablage und überreichte sie wortlos ihrem Chef.
Der nickte grunzend und verschwand direkt wieder.
„Siehst Du, was ich meine?“, zischte Kathrin.
Miriam nickte.

Abends saßen sie mit einem frischen Rosé auf Kathrins Balkon. Sie hatten beide nur noch zwei Wochen bis um Sommerurlaub, da war endlich einmal wieder Zeit zum Durchatmen.
„War ja gruselig, wie der Breisz plötzlich wie aus dem Nichts auftauchte.“, nahm Miriam den Faden vom Vormittag wieder auf.
„Viel gruseliger finde ich, wie unsere Leute nach und nach verschwinden.“, erklärte Kathrin verbittert. „Meinst Du, Birte hat sich einfach so in einem anderen Amt beworben?“
„Nee.“, meinte Miriam. „Die hatte endgültig den Kaffee auf. Die ging ja förmlich unter in der Arbeit.“
„Ja, das wäre schon Grund genug gewesen.“, bemerkte Kathrin. „Aber Birte hatte vor allem Angst. Warum sonst, glaubst du, dass sie grundsätzlich nicht mehr für Rückfragen zur Verfügung steht? Sie hat sich in dem Zahlendschungel nicht mehr zurechtfinden können, weil Breisz ihr ständig dazwischen funkte, ihr Anweisungen erteilte, dieses so und jenes so zu buchen, weil er das so brauchte.“
„Du meinst, er wollte die Zahlen schönen?“
„Mindestens. Wenn er nicht sogar etwas beiseite geschafft hat. Ich glaube, Birte ist ihm draufgekommen und da hat er sie massiv unter Druck gesetzt, hat dafür gesorgt, dass es so aussieht, als wenn sie schlampig gearbeitet hätte, so dass er alles auf sie abwälzen konnte. So hat er es schon immer gemacht.“
„Warum hat er Dich eigentlich auf der Karriereleiter überholt?“, fragte Miriam. „Du warst doch ziemlich gut aufgestellt, noch keine dreißig und schon Leiterin der Personalabteilung. Ich weiß noch, wie du immer mit den Augen gerollt hast, als er anfing, dass er nichts kapierte, aber immer die Klappe ganz weit aufriss.“
„Ja, so setzt man sich durch in einer deutschen Verwaltung. Der Grund warum er Karriere gemacht hat und nicht ich ist ganz einfach: Er hat einen Penis und ich habe keinen.“
„Hättest dich ja hochschlafen können.“, kicherte Miriam.
„Ja, stimmt.“, überlegte Kathrin und grinste ironisch. „Den Job habe ich ja auch nur wegen meiner Rehaugen bekommen. Und beim Hochschlafen hat man dann ja auch einen Penis, zumindest vorübergehend.“
„Gab's Angebote?“
„Na ja, der Simons hat schon immer ein bisschen gierig geguckt, aber ich glaube, der war zu vorsichtig für sowas, das hätte seiner externen Karriere geschadet.“
„Also keine Chance auf einen Penis.“
„Auf jeden Fall kein Interesse. Ich habe auch keine Lust mehr, mich mit Breisz anzulegen. Der hat überall seine Buddys sitzen, da habe ich keine Chance. Ich mache nur noch das, was ich muss, dann gehe ich wenigstens nicht so abgearbeitet nach Hause und hier mache ich es mir dann schön.“
„Aber wenn wir den an den Eiern hätten, würden wir ihn endlich los.“, bemerkte Miriam eifrig. „Wenn wir ihn nicht aufhalten, dann fährt er den Karren endgültig in den Dreck und wir verlieren alle unseren Job.“
„Suchen wir uns eben einen neuen.“
„Aber so eine Position, wie du sie jetzt hast, bekommst du doch nie wieder, schon gar nicht mit diesem Gehalt. Obwohl du natürlich bessere Chancen hast als ein Verwaltungsleiter, der gerade einen ganzen Kirchenkreis in den Ruin getrieben hat.“
„Der kommt irgendwo unter. Fett schwimmt oben. Sieh dir das doch mal in der freien Wirtschaft an: da reiten Manager ganze Produktionszweige oder sogar Konzerne in den Konkurs, bekommen noch eine Abfindung, bei der es sich für uns gar nicht mehr lohnen würde, noch einmal arbeiten zu gehen und ratz fatz haben die einen neuen Job, in dem sie weiter Ressourcen verbrennen dürfen. Ich glaube, es gibt nicht eine einzige Frau, die sich so eine Nummer geleistet hat. Bestimmt sind die Mütter schuld, die ihre kleinen Sonnenscheine von Anfang an mit einem völlig unbegründeten, übersteigerten Selbstwertgefühl ausgestattet haben.“
„Und wenn wir mal etwas beiseite schaffen würden?“, überlegte Miriam. „Da käme niemand drauf, weil man uns das im Leben nicht zutraut.“
„Nein.“, sagte Kathrin, „am Ende landen wir im Knast, das ist es mir nicht wert. Aber ich hätte schon Lust auf einen kleinen Taschenspielertrick. Wenn wir Breisz seine Verfehlungen nicht nachweisen können, hängen wir ihm eben etwas an.“
Mit einem süffisanten Grinsen ließ sie ihren Dienstlaptop hochfahren.

ENDE

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